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Kopfschmerz-News

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6. Spannungskopfschmerz

****Ashina S, Jensen R, Bendtsen L. Pain sensitivity in pericranial and extracranial regions. Cephalalgia 2003;23:456-462

Zusammenfassung: Muskelschmerzen aus Schulter und Nacken spielen wahrscheinlich eine entscheidende Rolle bei der Pathophysiologie des Kopfschmerzes vom Spannungstyp. Möglicherweise führt ein anhaltender nozizeptiver Einstrom aus myofaszialen Geweben zu einer zentralen Sensibilisierung nozizeptiver Neurone. In der Arbeit wurden die elektrischen Schmerzschwellen in den Musculi trapezius und tibialis anterior und die Eigenschaft der temporalen Summation bei 16 gesunden Versuchspersonen untersucht. Schmerz- und Detektionsschwellen der Muskeln und der Haut über den Muskeln wurden durch elektrische Einzelreize von 1 ms Dauer bestimmt. Druckschmerzschwellen wurden mit einem elektronischen Druckalgometer erhoben. Zur Untersuchung der temporalen Summation wurden elektrische Trains (5 s, 100 Hz) appliziert. Die Schmerzschwellen nach intramuskulären Einzelreizen waren im Trapezius signifikant niedriger als im Tibialis, bei Hautreizen lagen hingegen die Schmerzschwellen knapp über denen des Tibialis. Nach repetitiver Stimulation der Haut lagen die Schmerzschwellen über dem Trapezius deutlich höher. Die Druckschmerzschwellen lagen allerdings beim Trapezius deutlich niedriger. Bei den Detektionsschwellen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede.

Kommentar: Die Ergebnisse dokumentieren deutliche Unterschiede der psychophysiologisch erhobenen mechanischen bzw. intramuskulären Schmerzschwellen des Trapezius, der wahrscheinlich beim Spannungskopfschmerz involviert ist, und einem entfernten Extremitätenmuskel. Mögliche Effekte bei repetitiver Stimulation wurden erst signifikant nach Quotientenbildung, die Rohdaten ergaben keinen eindeutigen Befund, so dass diese Ergebnisse nicht überinterpretiert werden sollten. Die Präsentation der Schmerzschwellen in Tabellenform und als Grafiken ist redundant. In einem Fall wird über eine signifikant höhere Schmerzschwelle bei elektrischer Stimulation des Tibialis anterior berichtet, obwohl Tabelle 1 den gegenteiligen Effekt ausweist. Insgesamt leistet diese humanexperimentelle, psychophysiologische Arbeit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der vermutlich unterschiedlichen nozizeptiven Signalverarbeitung der Haut und der Muskulatur des Nackens und der Extremität. Diese Publikation ist ein Schritt hin zu harten Daten und weg von überflüssigen Spekulationen über die Pathophysiologie des Kopfschmerzes vom Spannungstyp. (JE)

** Holroyd KA, Labus JS, O’Donnell FJ, Cordingley GE. Treating chronic tension-type headache not responding to amitriptyline hydrochloride with paroxetine hydrochloride: a pilot evaluation. Headache 2003;43:999-1004.

Zusammenfassung: Amitriptylin gilt als Medikament der ersten Wahl zur medikament ösen Prophylaxe des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp. Bedauerlicherweise bleibt diese Behandlung jedoch bei einem beträchtlichen Anteil der Patienten ohne Effekt – oder aber die Nebenwirkungen werden nicht toleriert. In der vorliegenden Pilotstudie wurde untersucht, inwieweit Paroxetin Kopfschmerzen vom Spannungstyp bei Patienten beeinflussen kann, die vorher in einer Doppelblindstudie Non-responder auf Amitriptylin oder Placebo waren. 13 Patienten, bei den Amitriptylin unwirksam gewesen war und 18 Patienten, bei denen Placebo keinen Einfluß auf die Kopfschmerzen erzielt hatte, erhielten in einem offenen Studiendesign Paroxetin 10 bis 40 mg über 9 Monate. Zehn der 13 Patienten aus der früheren Amitriptylin-Gruppe und 11 der 18 Patienten aus der früheren Placebo-Gruppe brachen die Studie vorzeitig ab. Als Grund wurden von 7 Patienten unerwünschte Ereignisse (Diarrh öe/Obstipation [1 Patient], Exanthem [1 Patient], Konzentrationsst örungen/ Nervosität/Kopfschmerzzun ahme[1 Patient], sexuelle Funktionsst örungen [2 Patienten], gastrointestinale Beschwerden/ Schwindel [1 Patient], und Depression [1 Patient]), von 12 Patienten mangelnde Wirksamkeit genannt. Als Wirksamkeitsparameter wurden im 3. und 9. Behandlungsmonat die durchschnittliche Schmerzintensität (4 Messzeitpunkte pro Tag, Schmerzintensitätsskala 0-10), die Anzahl der Tage im Monat mit einer Schmerzintensität von mindestens 5 von 10, der Prozentsatz der Patienten mit einer mindestens 50%igen Schmerzreduktion und die Tage mit Analgetikaeinnahme bestimmt. In der früheren Amitriptylin- Gruppe blieben die Wirksamkeitsparameter durch Paroxetin völlig unbeeinflusst (nur 1 Patient von 13 mit guter Wirksamkeit und Verträglichkeit). In der früheren Placebo-Gruppe zeigte sich zwar bei 7 von 18 Patienten eine signifikante Schmerzreduktion um 50%, 3 von diesen 7 brachen die Studie aber aufgrund von unerwünschten Ereignisse vorzeitig ab, so dass letztlich auch in dieser Gruppe nur 4 von 18 eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit aufwiesen.

Kommentar: Offene Pilotstudien mit kleinen Fallzahlen wie die vorliegende können keinen endgültigen Aufschluss über die Effektivität oder Verträglichkeit von Substanzen geben, insbesondere wenn sie vom Design her schon auf eine Negativauslese von Patienten zurückgreifen. Sie sind jedoch richtungsweisend, ob sich der Aufwand großer kontrollierter Studien überhaupt lohnt. Wenn – wie in diesem Fall für Paroxetin zur Behandlung des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp – die Effektivität nicht überzeugend ist und dann noch die Verträglichkeit zu wünschen übrig läßt, besteht wenig Anlaß zur Hoffnung auf weitergehende Studien. Bestätigt wird durch diese Pilotstudie der generelle Eindruck aus Empirie und Studienlage, dass selektive Serotonin- Wiederaufnahmehemmer in der (Kopf-)schmerztherapie den trizyklischen Antidepressiva hinsichtlich ihrer Wirksamkeit unterlegen zu sein scheinen. (AHK)


DMKG