Categories
Articles

Leitlinie der Deutschen Gesellschaft fÔøΩr Neurologie und der Deutschen MigrÔøΩne- und Kopfschmerzgesellschaft

Was gibt es Neues?
   
MigrÔøΩneattacke
   
MigrÔøΩneprophylaxe
Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick

1. Einleitung
1.1. Definition des Gesundheitsproblems
1.2. Epidemiologie

2. Ziele und Anwendungsbereich
2.1. Definition der Ziele der Leitlinie
2.2. Definition des Anwendungsbereiches (Zielgruppe)

3. Zusammenfassung der Empfehlungen
   
Diagnostik
   
MedikamentÔøΩse Therapie der MigrÔøΩneattacke

4. Vorgehensweise und Evidenzen
4.1. MedikamentÔøΩse Therapie – 5-HT1B/1D-Agonisten
   
Vergleich der “Triptane”
   
Mutterkornalkaloide
   
Antiemetika und Analgetika
   
Behandlung von MigrÔøΩneattacken bei Kindern
4.2. MigrÔøΩneprophylaxe – Empfehlung
4.2.2 Substanzen zur MigrÔøΩneprophylaxe
4.2.3 MigrÔøΩnetherapie in der Schwangerschaft und Stillzeit
4.2.4 MigrÔøΩneprophylaxe bei Kindern
4.3 Verhaltenstherapie der MigrÔøΩne
   
Biofeedback
   
Multimodale Verhaltenstherapie
   
Verhaltenstherapie der chronischen MigrÔøΩne
   
Verhaltenstherapie der kindlichen MigrÔøΩne
4.4 Alternative Therapien
   
Unwirksame medikamentÔøΩse Therapien
4.5 Autoren
4.6 Verfahren zur Konsensbildung
4.7 Kooperationspartner und Sponsoren
4.8 Literatur


 

Was gibt es Neues?

MigrÔøΩneattacke

  • Triptane wirken besser, wenn sie zu Beginn einer MigrÔøΩneattacke
    eingenommen werden, solange der Kopfschmerz noch leicht oder
    mittelschwer ist (⇑⇑). Die Empfehlung einer Einnahme von
    Triptanen, wenn der Kopfschmerz leicht ist, gilt nur fÔøΩr Patienten die
    MigrÔøΩneattacken von Spannungskopfschmerzen differenzieren kÔøΩnnen.
  • Das Vorhandensein einer Allodynie (BerÔøΩhrung wird als schmerzhaft
    empfunden) im Bereich von Gesicht und Kopf wÔøΩhrend der MigrÔøΩneattacke
    kann auf eine verminderte Wirkung von Triptanen hinweisen (⇑).
  • Zolmitriptan ist als Nasenspray mit 5 mg erhÔøΩltlich. Diese
    Anwendungsform wirkt rascher als die orale Form (⇑).
  • Sumatriptan steht als Tablette mit raschem Zerfall im Magen-Darmtrakt
    zur VerfÔøΩgung. Ob ein rascherer Wirkungseintritt als bei der normalen
    Tablette erfolgt, ist nicht bekannt (⇔).
  • Ergotamin als Monosubstanz steht nur noch als 2 mg Tablette zur
    VerfÔøΩgung.
  • Die Kombination von AcetylsalicylsÔøΩure, Paracetamol und Koffein ist
    wirksamer als die Kombination ohne Koffein und wirksamer als die
    Einzelsubstanzen (⇑⇑).
  • AcetylsalicylsÔøΩure in lÔøΩslich gepufferter Form (1000 mg) ist in seiner
    Wirksamkeit Ibuprofen 400 mg und Sumatriptan 50 mg vergleichbar
    (⇑⇑).
  • Coxibe haben bei der Therapie der MigrÔøΩneattacke eine ÔøΩhnliche
    Wirksamkeit wie Ibuprofen oder Sumatriptan (⇑). Bisher ist keines
    der Coxibe zur Behandlung der MigrÔøΩneattacke zugelassen. Angesichts des
    Risikos vaskulÔøΩre Ereignisse hervorzurufen kÔøΩnnen sie zur Behandlung von
    MigrÔøΩneattacken nicht empfohlen werden.

MigrÔøΩneprophylaxe

  • Die Behandlung mit Topiramat ist eine wirksame MigrÔøΩneprophylaxe
    (⇑⇑). Die Wirkdosis liegt zwischen 25 und 100 mg tÔøΩglich.
    Limitierend sind zentrale Nebenwirkungen.
  • Pizotifen, Methysergid und Lisurid stehen in Deutschland nicht mehr zur
    MigrÔøΩneprophylaxe zur VerfÔøΩgung
  • Pestwurz (⇑) und Mutterkraut (⇔) sind in der
    MigrÔøΩneprophylaxe mÔøΩglicherweise wirksam.
  • Cyclandelat ist wahrscheinlich nicht wirksam (⇔).

 

Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick

  • Die 5-HT1B/1D-Agonisten (in alphabetischer Reihenfolge)
    Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan,
    Sumatriptan und Zolmitriptan sind die Substanzen mit der besten
    Wirksamkeit bei akuten MigrÔøΩneattacken (A).
  • Ergotamin ist bei MigrÔøΩne wirksam. Allerdings ist die Wirksamkeit in
    prospektiven Studien schlecht belegt (B).
  • Nichtopioidanalgetika und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind bei
    der Behandlung der MigrÔøΩne wirksam (A).
  • Die Wirksamkeit nichtmedikamentÔøΩser Verfahren wurde in kontrollierten
    Studien kaum untersucht (C)
  • Bei hÔøΩufigen MigrÔøΩneattacken sollte eine MigrÔøΩneprophylaxe begonnen
    werden (A).
  • MigrÔøΩneprophylaktika der ersten Wahl sind die Betablocker (A) Metoprolol
    und Propranolol, der Calciumantagonist Flunarizin (A), und die
    Antikonvulsiva ValproinsÔøΩure (A) und Topiramat (A).
  • MigrÔøΩneprophylaktika der zweiten Wahl sind der Betablocker Bisoprolol
    (B), Naproxen (B), AcetylsalicylsÔøΩure (C), Magnesium (C), Pestwurz (B),
    Mutterkraut (C) und Amitriptylin (B).
  • Die medikamentÔøΩse Therapie sollte durch nicht-medikamentÔøΩse Verfahren
    der Verhaltenstherapie (A) und durch Ausdauersport (B) ergÔøΩnzt werden.
  • Patienten mit einer hochfrequenten MigrÔøΩne (ÔøΩ3 Attacken/Monat) sowie
    erheblicher EinschrÔøΩnkung der LebensqualitÔøΩt sollten einer
    psychologischen Therapie zugefÔøΩhrt werden (A).

 

1. Einleitung

1.1 Definition des Gesundheitsproblems

Bei der MigrÔøΩne kommt es attackenweise zu heftigen, hÔøΩufig einseitigen
pulsierend-pochenden Kopfschmerzen, die bei kÔøΩrperlicher BetÔøΩtigung an
IntensitÔøΩt zunehmen (Olesen et al., 2004). Bei einem Drittel der Patienten
bestehen holokranielle Kopfschmerzen. Die einzelnen Attacken sind begleitet
von Appetitlosigkeit (fast immer), ÔøΩbelkeit (80%), Erbrechen (40-50%),
Lichtscheu (60%) und LÔøΩrmempfindlichkeit (50%) und ÔøΩberempfindlichkeit
gegenÔøΩber bestimmten GerÔøΩchen (10%). Wenn die Kopfschmerzen einseitig sind,
kÔøΩnnen sie innerhalb einer Attacke oder von Attacke zu Attacke die Seite
wechseln. Die Dauer der Attacken betrÔøΩgt nach der Definition der
Internationalen Kopfschmerzgesellschaft zwischen 4 und 72 Stunden (Olesen et
al., 2004). Bei Kindern sind die Attacken kÔøΩrzer und kÔøΩnnen auch ohne
Kopfschmerzen nur mit heftiger ÔøΩbelkeit, Erbrechen und Schwindel einhergehen
(Maytal et al., 1997).

 

1.2 Epidemiologie

MigrÔøΩne ist eine der hÔøΩufigsten Kopfschmerzformen. Etwa 6-8% aller MÔøΩnner
und 12-14% aller Frauen leiden unter einer MigrÔøΩne (Lipton et al., 2002,
Rasmussen et al., 1991, Scher et al., 1998, Silberstein und Lipton, 1996).
Die LebenszeitprÔøΩvalenz liegt bei Frauen bei >25%. Vor der PubertÔøΩt
betrÔøΩgt die HÔøΩufigkeit der MigrÔøΩne 4-5%. Jungen und MÔøΩdchen sind gleich
hÔøΩufig betroffen. Die hÔøΩchste Inzidenz der MigrÔøΩneattacken tritt zwischen
dem 35. und 45. Lebensjahr auf. In dieser Lebensphase sind Frauen dreimal
hÔøΩufiger betroffen als MÔøΩnner.

 

2. Ziele und Anwendungsbereich

2.1 Definition der Ziele der Leitlinie

Ziel dieser Leitlinie ist eine Optimierung der Behandlung akuter
MigrÔøΩnattacken und der medikamentÔøΩsen und nichtmedikamentÔøΩsen Prophylaxe der
MigrÔøΩne. Die Leitlinie ist evidenzbasiert und eine Fortentwicklung der
folgenden Leitlinien und Empfehlungen:

  1. Leitlinie der DGN 2003 (Diener und die Kommission Leitlinien der
    Deutschen Gesellschaft fÔøΩr Neurologie, 2003)
  2. Empfehlungen der Deutschen MigrÔøΩne- und Kopfschmerzgesellschaft (Diener
    et al., 2000)
  3. Empfehlungen der Arzneimittelkommission der Deutschen ÔøΩrzteschaft (3.
    Auflage 2001)
  4. Practice Parameters of the American Academy of Neurology (Silberstein
    und for the US Headache Consortium, 2000)

 

2.2 Definition des Anwendungsbereiches (Zielgruppe)

Diese Leitlinie wendet sich ÔøΩberwiegend an ÔøΩrzte und Psychologen, die im
ambulanten oder Klinikbereich Patienten mit MigrÔøΩne betreuen.

 

3. Zusammenfassung der Empfehlungen

Diagnostik:

Die Diagnose stÔøΩtzt sich auf die typische Anamnese und einen normalen
neurologischen Untersuchungsbefund (Einzelheiten siehe Leitlinie: Diagnostik
von Kopfschmerzen). Zusatzdiagnostik und insbesonders eine Bildgebung sind
nur notwendig bei Auftreten im Charakter ungewÔøΩhnlicher Kopfschmerzen
(Ausschluss Blutung, Subarachnoidalblutung) und bei Kopfschmerzen mit
persistierenden neurologischen oder psychopathologischen AusfÔøΩllen (A)
(Quality Standards Subcommittee of the American Academy of Neurology,
1994).

MedikamentÔøΩse Therapie der MigrÔøΩneattacke:

  • Die 5-HT1B/1D-Agonisten (in alphabetischer
    Reihenfolge) Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan,
    Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan sind die Substanzen
    mit der besten Wirksamkeit bei akuten MigrÔøΩneattacken (A).
  • Ergotamin ist bei MigrÔøΩne wirksam. Allerdings ist die
    Wirksamkeit in prospektiven Studien schlecht belegt (B).
  • Nichtopioidanalgetika und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)
    sind bei der Behandlung der MigrÔøΩne wirksam (A)
  • Die Wirksamkeit nichtmedikamentÔøΩser Verfahren wurde in
    kontrollierten Studien kaum untersucht (C)

Erfolgskriterium fÔøΩr eine erfolgreiche Behandlung einer MigrÔøΩneattacke in
klinischen Studien ist:

  1. Freiheit von Kopfschmerzen nach 2 Stunden,
  2. Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder
    kopfschmerzfrei innerhalb zwei Stunden nach Applikation des
    entsprechenden PrÔøΩparates (Pilgrim, 1993)
  3. Reproduzierbare Wirkung bei 2 von 3 MigrÔøΩneattacken.

 

4. Vorgehensweise und Evidenzen 

4.1 MedikamentÔøΩse Therapie

5-HT1B/1D-Agonisten

Die Serotonin-5-HT1B/1D Rezeptoragonisten (Tabelle 1) Sumatriptan, Zolmitriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Almotriptan,
Eletriptan und Frovatriptan sind spezifische MigrÔøΩnemittel, die beim
Spannungskopfschmerz unwirksam sind. Alle Triptane haben ihre Wirkung in
grossen Placebo-kontrollierten Studien belegt (Ferrari et al., 2001, Goadsby
et al., 2002). FÔøΩr Sumatriptan (Tfelt-Hansen et al., 1995, The Oral
Sumatriptan and Aspirin plus Metoclopramide Comparative Study Group, 1992)
und Zolmitriptan (Geraud et al., 2002) gibt es Vergleichsstudien zu oraler
AcetylsalicylsÔøΩure (ASS) in Kombination mit Metoclopramid. In diesen
Vergleichsstudien waren die Triptane nicht oder nur gering besser wirksam
als ASS. Bei ca 60% von Nonrespondern fÔøΩr nicht-steroidale Antirheumatika
sind Triptane wirksam (Diamond et al., 2004). Sumatriptan 6 mg s.c. war
etwas besser wirksam als 1000 mg ASS i.v., hatte aber mehr Nebenwirkungen
(Diener und for the ASASUMAMIG Study Group, 1999). Ergotamin war in
Vergleichsstudien mit Sumatriptan (The Multinational Oral Sumatriptan
Cafergot Comparative Study Group, 1991) und Eletriptan (Diener et al., 2002)
weniger wirksam. Triptane wirken im Gegensatz zu Ergotamintartrat zu jedem
Zeitpunkt innerhalb der Attacke, d.h. sie mÔøΩssen nicht notwendigerweise
unmittelbar zu Beginn der Attacke genommen werden. Sie wirken aber umso
besser je frÔøΩher sie in einer MigrÔøΩneattacke eingenommen werden (Burstein et
al., 2004, Dowson et al., 2004). Um der Entwicklung eines
medikamenten-induzierten Dauerkopfschmerzes vorzubeugen kann eine frÔøΩhe
Einnahme nur empfohlen werden, wenn die Attacken nicht zu hÔøΩufig sind
(<10 Kopfschmerztage/Monat) und wenn der Patient eindeutig seine MigrÔøΩne
von Spannungskopfschmerzen unterscheiden kann.

Bei lange dauernden MigrÔøΩneattacken kÔøΩnnen gegen Ende der pharmakologischen
Wirkung eines MigrÔøΩnemittels die MigrÔøΩnekopfschmerzen wieder auftreten (sog.
“headache recurrence”). Recurrence wird definiert als eine Verschlechterung
der KopfschmerzintensitÔøΩt von Kopfschmerzfreiheit oder leichter Kopfschmerz
auf mittelschwere oder schwere Kopfschmerzen in einem Zeitraum von 2 bis 24
Stunden nach der ersten wirksamen Medikamenteneinnahme (Ferrari, 1999).
Dieses Problem ist bei den Triptanen ausgeprÔøΩgter als bei Ergotamintartrat
oder bei AcetylsalicylsÔøΩure. So kommt es bei 15-40% der Patienten nach
oraler Gabe von Triptanen zu einem Wiederauftreten der Kopfschmerzen, wobei
dann eine zweite Gabe der Substanz wieder wirksam ist (Ferrari et al.,
1994). Ist die erste Gabe eines Triptans unwirksam, ist es sinnlos, in
derselben MigrÔøΩneattacke eine zweite Dosis zu applizieren. Alle Triptane
kÔøΩnnen wie Ergotamin bei zu hÔøΩufiger Einnahme zu einer ErhÔøΩhung der
Attackenfrequenz und letztlich zu medikamenten-induzierten
Dauerkopfschmerzen oder einer chronischen MigrÔøΩne fÔøΩhren (Katsarava et al.,
2000, Limmroth et al., 1999). Triptane sollten daher an nicht mehr als 10
Tagen im Monat eingesetzt werden. Lebensbedrohliche Nebenwirkungen
(Myokardinfarkt, schwere HerzrhythmusstÔøΩrungen, Schlaganfall) wurden bei der
Applikation von Sumatriptan in einer HÔøΩufigkeit von 1:1.000.000 beobachtet
(OÔøΩQuinn et al., 1999, Welch et al., 2000). Bei fast allen Patienten lagen
entweder eindeutige Kontraindikationen vor (z.B. vorbestehende koronare
Herzkrankheit), oder die Diagnose MigrÔøΩne war falsch. FÔøΩr die anderen
Triptane gibt es noch keine publizierten Daten. Da der Wirkungsmechanismus
der verschiedenen Triptane gleich ist, ist einer ÔøΩhnlichen Inzidenz
lebensbedrohlicher Nebenwirkungen zu rechnen (bezogen auf
Nebenwirkungsmeldungen haben orale Applikationsformen ein geringeres Risiko
als die subcutane Gabe). Aus SicherheitsgrÔøΩnden sollten Patienten die unter
einer MigrÔøΩne mit Aura leiden, ein Triptan erst nach Abklingen der Aura und
mit Einsetzen der Kopfschmerzen applizieren. DarÔøΩberhinaus sind Triptane
nicht wirksam, wenn sie wÔøΩhrend der Aura appliziert werden (Bates et al.,
1994, Olesen et al., 2004). Populationsbezogene Studien zeigen aber kein
erhÔøΩhtes Risiko fÔøΩr vaskulÔøΩre Ereignisse bei der Anwendung von Triptanen
verglichen mit Analgetika (Hall et al., 2004, Velentgas et al., 2004).

Tabelle 1: Therapie der akuten MigrÔøΩneattacke mit 5-HT-Agonisten
(Reihenfolge nach dem Jahr der Zulassung)

 

Vergleich der ÔøΩTriptaneÔøΩ

Die kÔøΩrzeste Zeit bis zum Wirkungseintritt besteht fÔøΩr die subkutane Gabe
von Sumatriptan (10 Minuten) (Tfelt-Hansen, 1993). Orales Sumatriptan,
Almotriptan und Zolmitriptan wirken nach 45 bis 60 Minuten (Ferrari et al.,
2001). Rizatriptan und Eletriptan sind am raschesten wirksam (nach 30
Minuten). Naratriptan und Frovatriptan benÔøΩtigen bis zu 4 Stunden bis zum
Wirkungseintritt (Goadsby, 1997, McDavis et al., 1999). Zolmitriptan 5 mg
als Nasenspray hat einen rascheren Wirkungseintritt als orales Zolmitriptan
(Charlesworth et al., 2003). Sumatriptan steht als Tablette mit raschem
Zerfall im Magen-Darmtrakt zur VerfÔøΩgung (DahlÔøΩf et al., 2004). Ob ein
rascherer Wirkungseintritt als bei der normalen Tablette erfolgt, ist nicht
bekannt.

Die Besserung der Kopfschmerzen nach zwei Stunden, der wichtigste Parameter
klinischer Studien fÔøΩr die Wirksamkeit von MigrÔøΩnemitteln, ist am hÔøΩchsten
bei der subcutanen Applikation von Sumatriptan (70-80%) (The Subcutaneous
Sumatriptan International Study Group, 1991). Der Sumatriptan-Nasenspray ist
ebenso wirksam wie Sumatriptan Tabletten. Das Sumatriptan-ZÔøΩpfchen kommt fÔøΩr
Patienten mit frÔøΩhem Erbrechen in der Attacke in Betracht (Becker und on
behalf of the Study Group, 1995, Ryan et al., 1997, Tepper et al., 1998). 25
mg Sumatriptan oral sind weniger wirksam als 50 und 100 mg (ca 50-60%),
weisen dafÔøΩr aber auch weniger Nebenwirkungen auf (Ferrari et al., 2001).
Naratriptan und Frovatriptan (je 2,5 mg) sind fÔøΩr die Besserung der
Kopfschmerzen nach 2h weniger wirksam als Sumatriptan, zeigen aber auch
weniger Nebenwirkungen und eine etwas geringere Rate an wiederauftretenden
Kopfschmerzen. Der Wirkungseintritt von Naratriptan und Frovatriptan ist im
Vergleich zu den anderen Triptanen verzÔøΩgert. Im mittleren Wirkungsbereich
liegen Zolmitriptan 2,5 ÔøΩ 5 mg und Almotriptan 12,5 mg. Rizatriptan 10 mg
ist etwas wirksamer als 100 mg Sumatriptan (Goldstein et al., 1998,
Tfelt-Hansen und Ryan, 2000, Tfelt-Hansen et al., 1998). Eletriptan ist in
einer Dosierung von 80 mg das effektivste orale ÔøΩTriptanÔøΩ, hat aber auch die
meisten Nebenwirkungen. Almotriptan hat eine Nebenwirkungsquote, die sich
nicht von Placebo unterscheidet.

Die HÔøΩufigkeit des Wiederauftretens der Kopfschmerzen liegt bei den
verschiedenen Triptanen zwischen 15% und 40%. Es gibt Hinweise, dass durch
eine initiale Kombination eines Triptans mit einem lang wirkenden
nicht-steroidalen Antirheumatikums, (Krymchantowski und Barbosa, 2002,
Krymchantowski et al., 1999) das Wiederauftreten der MigrÔøΩnesymptomatik zum
Teil verhindert werden kann. Alternativ kann das nicht-steroidale
Antirheumatikum auch zeitlich verzÔøΩgert gegeben werden. Ist ein Triptan bei
drei konsekutiv behandelten Attacken nicht wirksam, kann ein anderes Triptan
wirksam sein.

 

Mutterkornalkaloide

Es gibt nur sehr wenige prospektive Studien zum Einsatz der
Mutterkornalkaloide bei der MigrÔøΩne (Tfelt-Hansen et al., 2000). In allen
Studien, in denen Triptane mit Mutterkornalkaloiden verglichen wurden, waren
erstere signifikant besser wirksam (Christie et al., 2002, Diener et al.,
2002, The Multinational Oral Sumatriptan Cafergot Comparative Study Group,
1991). Die Behandlung mit Ergotamintartrat sollten sehr langen
MigrÔøΩneattacken oder solchen mit multiplen ÔøΩrecurrencesÔøΩ vorbehalten
bleiben. Patienten, die ihre MigrÔøΩneattacken erfolgreich mit einem
Mutterkornalkaloid behandeln, keine Nebenwirkungen und keine Dosissteigerung
haben, kÔøΩnnen diese Akuttherapie beibehalten. Die gehÔøΩufte Einnahme von
Ergotamin kann zu Dauerkopfschmerzen fÔøΩhren, die in ihrer Charakteristik
kaum von den MigrÔøΩnekopfschmerzen zu differenzieren sind (Dichgans et al.,
1984, Horton und Peters, 1963). Daher muss die Einnahmefrequenz auf 10
Tage/Monat begrenzt werden. 

Tabelle 2 Ergotamin fÔøΩr die Behandlung der akuten MigrÔøΩneattacke

 


 

Antiemetika und Analgetika

Die meisten Patienten leiden wÔøΩhrend der MigrÔøΩneattacke unter
gastrointestinalen Symptomen. Die Gabe von Antiemetika wie Metoclopramid
oder Domperidon (Tabelle 3) bessert nicht nur die vegetativen Begleitsymptome, sondern fÔøΩhrt bei
einigen Patienten ÔøΩber eine Wiederanregung der zu Beginn der MigrÔøΩneattacke
zum Erliegen gekommenen Magenperistaltik zu einer besseren Resorption und
Wirkung von Analgetika und Triptanen (Ross-Lee et al., 1983, Schulman und
Dermott, 2003, Waelkens, 1984). Metoclopramid hat auch eine geringe
analgetische Wirkung bei MigrÔøΩne (Ellis et al., 1993). Die ÔøΩberlegenheit
einer Kombination von Antiemetika mit MigrÔøΩnemitteln wurde bisher in groÔøΩen
randomisierten Studien nicht belegt.

Tabelle 3: Antiemetika in der MigrÔøΩnetherapie

Kinder unter 10 Jahren, sonst siehe Metoclopramid, aber geringer ausgeprÔøΩgt
  und seltener AcetylsalicylsÔøΩure (ASS), Ibuprofen,
Diclofenac-K und Paracetamol sind die Analgetika erster Wahl bei leichten
und mittelgradigen MigrÔøΩnekopfschmerzen (Tabelle 4) (Chabriat et al., 1994, DahlÔøΩf und BjÔøΩrkman, 1993, Havanka-Kanniainen,
1989, Karachalios et al., 1992, Kloster et al., 1992, Limmroth et al., 1999,
Nebe et al., 1995, Tfelt-Hansen et al., 1995, The Diclofenac-K/Sumatriptan
Migraine Study Group, 1999). Wahrscheinlich sind auch Metamizol und Phenazon
wirksam (Diener et al., 2004, Tulunay et al., 2004). Die ÔøΩlteren Studien zu
den Analgetika entsprechen meistens nicht den Anforderungen, die an moderne
Studien gestellt werden. Die Kombination von ASS, Paracetamol und Coffein
wurde in den USA untersucht und war wirksamer als Placebo (Lipton et al.,
1998). Eine in Deutschland durchgefÔøΩhrte Studie ergab, dass die Kombination
von AcetylsalicylsÔøΩure, Paracetamol und Koffein wirksamer ist als die
Kombination ohne Koffein und wirksamer als die Einzelsubstanzen (Diener et
al., 2005). Die optimale Dosis betrÔøΩgt bei alleiniger oraler Anwendung fÔøΩr
ASS und Paracetamol mindestens 1000 mg, fÔøΩr Ibuprofen 400-600 mg und fÔøΩr
Diclofenac-K 50 bis 100 mg. Analgetika sollten bevorzugt in Form einer
Brausetablette oder einer Kautablette eingenommen werden (schnellere
Resorption). Lysinierte ASS in Kombination mit Metoclopramid ist fast
genauso wirksam wie Sumatriptan (Tfelt-Hansen et al., 1995). LÔøΩsliche
gepufferte AcetylsalicyclsÔøΩure (1000 mg) ist genau so wirksam wie 400 mg
Ibuprofen oder 50 mg Sumatriptan (Diener und Limmroth, 2004, Diener et al.,
2004). Paracetamol wird besser nach rektaler als nach oraler Gabe resorbiert
(rektale Gabe bei initialer ÔøΩbelkeit und Erbrechen). Nichtsteroidale
Antirheumatika wie Naproxen und Diclofenac-Kalium sind ebenfalls wirksam.
Auch Analgetika kÔøΩnnen bei zu hÔøΩufiger Einnahme zu medikamenten-induzierten
Dauerkopfschmerzen fÔøΩhren. Daher sollte die Einnahme bei <15 Tagen im
Monat liegen.

Die COX2 Inhibitoren werden derzeit in klinischen Studien untersucht. Eine
Zulassung ist bisher nicht erfolgt. Die Frage ob es bei episodischer
Einnahme zu einer HÔøΩufung vaskulÔøΩrer Ereignisse kommt ist bisher nicht
geklÔøΩrt. Daher kann die Anwendung dieser Substanzen zur Behandlung von
MigrÔøΩneattacken nicht empfohlen werden.

Opioide und Tranquilizer sollten zur Behandlung der MigrÔøΩneattacke nicht
eingesetzt werden. Opioide haben eine begrenzte Wirksamkeit , fÔøΩhren hÔøΩufig
zu Erbrechen und haben eine hohe Suchtpotenz.

 

Behandlung von MigrÔøΩneattacken bei Kindern

MigrÔøΩneattacken bei Kindern werden mit Paracetamol 15 mg/kg KG oder
Ibuprofen 10 mg/kg KG behandelt. Bei Kindern wurde nach Behandlung der
MigrÔøΩne mit ASS wurde bisher kein Reyesyndrom beobachtet. Wenn Antiemetika
notwendig sind, sollte Domperidon und nicht Metoclopramid Verwendung finden.
Kinder unter 12 Jahren scheinen anders als Heranwachsende von einer Therapie
mit Triptanen (noch) nicht zu profitieren. Die kritische Grenze der
Wirksamkeit liegt individuell unterschiedlich zwischen dem 10. und 13.
Lebensjahr. Orale Triptane, insbesondere Sumatriptan 50-100 mg und
Rizatriptan 5 mg sind bei Kindern und Jugendlichen nicht besser wirksam als
Placebo (HÔøΩmÔøΩlÔøΩinen et al., 1997, Winner et al., 2002). Diese Studien leiden
allerdings alle unter ungewÔøΩhnlich hohen Placebo-Werten (ca. 50%). Studien
mit Sumatriptan 5, 10 und 20 mg Nasenspray bei Jugendlichen ergaben eine
statistische ÔøΩberlegenheit gegenÔøΩber Placebo (Ahonen et al., 2004, Ueberall
und Wenzel, 1999, Winner et al., 1999). Positive Ergebnisse erbrachten
post-hoc Analysen von Studien mit oralem Zolmitriptan in einer Dosierung von
2,5-5 mg (Solomon et al., 1997, Tepper et al., 1999) bei Heranwachsenden und
Jugendlichen (12-17 Jahre). Aufgrund dieser Datenlage ist derzeit in
Deutschland ausschliesslich Sumatriptan Nasenspray in der Dosis von 10 mg
zur Behandlung von Jugendlichen zugelassen. Ergotamin und orale Triptane
sind fÔøΩr das Kindesalter nicht zugelassen.

Tabelle 4: Analgetika zur Behandlung der MigrÔøΩneattacke

 

4.2 MigrÔøΩneprophylaxe

4.2.1 Empfehlung

  • Bei hÔøΩufigen MigrÔøΩneattacken sollte eine MigrÔøΩneprophylaxe
    begonnen werden (A).
  • MigrÔøΩneprophylaktika der ersten Wahl sind die Betablocker (A)
    Metoprolol und Propranolol, der Calciumantagonist Flunarizin
    (A), und die Antikonvulsiva ValproinsÔøΩure (A) (off-label
    Gebrauch) und Topiramat (A).
  • MigrÔøΩneprophylaktika der zweiten Wahl sind der Betablocker
    Bisoprolol (B), Naproxen (B), AcetylsalicylsÔøΩure (C), Magnesium
    (C), Pestwurz (B), Mutterkraut (C) und Amitriptylin (B).
  • Die medikamentÔøΩse Therapie sollte durch nicht-medikamentÔøΩse
    Verfahren der Verhaltenstherapie (A) und durch Ausdauersport (B)
    ergÔøΩnzt werden.
  • Patienten mit einer hochfrequenten MigrÔøΩne (ÔøΩ3 Attacken/Monat)
    sowie erheblicher EinschrÔøΩnkung der LebensqualitÔøΩt sollten einer
    psychologischen Therapie zugefÔøΩhrt werden (A).

Die Indikation zu einer medikamentÔøΩsen Prophylaxe der MigrÔøΩne ergibt sich
bei besonderem Leidensdruck und EinschrÔøΩnkung der LebensqualitÔøΩt:

  • Drei und mehr MigrÔøΩneattacken pro Monat
  • MigrÔøΩneattacken, die regelmÔøΩÔøΩig lÔøΩnger als 72 Stunden anhalten
  • Attacken, die auf eine Therapie entsprechend den oben gegebenen
    Empfehlungen (inkl. Triptanen) nicht ansprechen und/oder wenn
    Nebenwirkungen der Akuttherapie nicht toleriert werden,
  • Bei Zunahme der Attackenfrequenz und Einnahme von Schmerz oder
    MigrÔøΩnemitteln an mehr als 10 Tagen im Monat
  • bei komplizierten MigrÔøΩneattacken mit langanhaltenden Auren

Sinn der medikamentÔøΩsen Prophylaxe ist eine Reduzierung von HÔøΩufigkeit,
Schwere und Dauer der MigrÔøΩneattacken und die Prophylaxe des
medikamenten-induzierten Dauerkopfschmerzes. Von einer Wirksamkeit einer
MigrÔøΩneprophylaxe spricht man bei einer Reduktion der AnfallshÔøΩufigkeit von
mindestens 50%. ZunÔøΩchst soll der Patient ÔøΩber vier Wochen einen
Kopfschmerzkalender fÔøΩhren, um die Anfallsfrequenz und den Erfolg oder
MiÔøΩerfolg der jeweiligen Attackenmedikation zu dokumentieren.

 

4.2.2 Substanzen zur MigrÔøΩneprophylaxe

Sicher wirksam fÔøΩr die Prophylaxe der MigrÔøΩne sind der nicht-selektive
Betablocker Propranolol (Diamond und Medina, 1976, Gawel et al., 1992,
Havanka-Kanniainen et al., 1988, Holroyd et al., 1991, Kangasniemi und
Hedman, 1984, Ludin, 1989, Nadelmann et al., 1986, Tfelt-Hansen et al.,
1984) und der Beta-1-selektive Betablocker Metoprolol
  (Kangasniemi und Hedman, 1984, Olsson et al.,
1984, Sorensen et al., 1991, Steiner et al., 1988, WÔøΩrz et al., 1991) (Tabelle 5). Bisoprolol ist wahrscheinlich ebenfalls wirksam, wurde aber nur in
wenigen Studien untersucht (van de Ven et al., 1997, WÔøΩrz et al., 1991). Aus
der Gruppe der “Kalzium-Antagonisten” ist soweit derzeit beurteilbar, nur
Flunarizin sicher wirksam (Amery et al., 1985, Balkan et al., 1994, Bassi et
al., 1992, Bono et al., 1985, Centonze et al., 1985, Diamond und Freitag,
1993, Diamond und Schenbaum, 1983, Freitag et al., 1991, Gawel et al., 1992,
Louis, 1981, Sorensen et al., 1991). Eine Dosis von 5 mg ist wahrscheinlich
genauso wirksam wie 10 mg (Diener et al., 2002). Die Studienergebnisse zu
Cyclandelat sind widersprÔøΩchlich (Diener et al., 2001, Diener et al., 1996,
Nappi et al., 1987). Wahrscheinlich ist die Substanz nicht wirksam.

In mehreren prospektiven Studien hat sich das Antikonvulsivum ValproinsÔøΩure
in der MigrÔøΩneprophylaxe bewÔøΩhrt (Freitag et al., 2002, Kaniecki, 1997,
Klapper und on behalf of the Divalproex Sodium in Migraine Prophylaxis Study
Group, 1997, Silberstein et al., 2000) (Tabelle 5). Die Tagesdosis betrÔøΩgt 500 bis 600 mg. Gelegentlich sind hÔøΩhere
Dosierungen notwendig. ValproinsÔøΩure hat in Deutschland keine Zulassung fÔøΩr
die MigrÔøΩneprophylaxe (off-label use). Topiramat hat seine
migrÔøΩneprophylaktische Wirkung in drei groÔøΩen Placebo-kontrollieren Studien
belegt (Brandes et al., 2004, Diener et al., 2004, Silberstein et al.,
2004). Die wirksame Tagesdosis liegt zwischen 25 und 100 mg. Die
Aufdosierung muss langsam erfolgen (25 mg/>Woche). Limitierend sind
kognitive Nebenwirkungen. Bei 10% der Patienten kommt es zu einem
Gewichtsverlust der manchmal therapielimitierend sein kann.

AcetylsalicylsÔøΩure hat in einer Dosis von 300 mg/Tag wahrscheinlich eine
geringe migrÔøΩneprophylaktische Wirkung (Diener et al., 2001)(Tabelle 6). Naproxen war in Dosierungen von 2×500 mg besser wirksam als Placebo.
Limitierend sind hier die gastrointestinalen Nebenwirkungen bei
Langzeitanwendung. Die Serotonin-Antagonisten Pizotifen und Methysergid sind
ebenfalls prophylaktisch wirksam, in Deutschland aber nicht mehr erhÔøΩltlich
und zugelassen. Die Wirksamkeit von Magnesium ist umstritten (Peikert et
al., 1996, Pfaffenrath et al., 1996). Wenn ÔøΩberhaupt wirksam, ist die
Reduktion der Attackenfrequenz nicht sehr ausgeprÔøΩgt.

Amitriptylin ist ein trizyklisches Antidepressivum. Allein gegeben ist es
bei der MigrÔøΩne wirksam (Couch und Hassanein, 1979, Couch et al., 1976,
Ziegler et al., 1987). Amitriptylin sollte bevorzugt zur Prophylaxe gegeben
werden, wenn eine Kombination mit einem Spannungskopfschmerz vorliegt, oder
wenn, wie hÔøΩufig bei chronischen Schmerzen, eine zusÔøΩtzliche Depression
besteht. Das Antiepileptikum Gabapentin hatte in einer Studie in
Tagesdosierungen zwischen 1200 und 1600 mg eine geringe prophylaktische
Wirkung (Mathew et al., 2001). Hier mÔøΩssen allerdings weitere Studien
abgewartet werden. Lamotrigin ist in der Reduktion der HÔøΩufigkeit von
MigrÔøΩneattacken nicht wirksam, reduziert aber die HÔøΩufigkeit von Auren
(Lampl et al., 1999, Steiner et al., 1997). Von den Dopaminagonisten ist
wahrscheinlich Alpha-dihydroergocryptin wirksam (Bussone et al., 1999). Ob
Candesartan (Tronvik et al., 2002) oder Lisinopril (Schrader et al., 2001)
wirksam sind kann nach dem derzeitigen Stand der Studien nicht beurteilt
werden. Zu hochdosiertem Vitamin B2 gibt es nur 2 kleine monozentrische
Studien, die eine Wirksamkeit vermuten lassen (Schoenen et al., 1997, 1998,
Schoenen et al., 1994). Die Substanz ist in der verwendeten Tagesdosis (400
mg) in Deutschland nicht erhÔøΩltlich und nicht zugelassen.

Die meisten Placebokontrollierten Studien zeigten keine
migrÔøΩneprophylaktische Wirkung von lokalen Injektionen mit Botulinumtoxin
(Evers et al., 2004). Dies gilt sowohl fÔøΩr Injektionen in vorgegebene
Regionen wie bei Injektion an Triggerpunkten (ÔøΩFollow the painÔøΩ). Zwei
bisher unverÔøΩffentlichte Studien haben eine Wirksamkeit bei der chronischen
MigrÔøΩne gezeigt. Dieses Ergebnis muss in einer Phase III Studie reproduziert
werden bevor die Therapie empfohlen werden kann.

Petadolex hat seine Wirksamkeit in 2 Placebokontrollierten Studien belegt
(Diener et al., 1004). In sehr seltenen FÔøΩllen kommt es zu schwerwiegenden
LeberfunktionsstÔøΩrungen. Mutterkraut (Pfaffenrath et al., 2002) ist
ebenfalls wirksam. Die Substanz befindet sich im Zulassungsverfahren (Stand
12/2004).

Tabelle 5 Substanzen zur MigrÔøΩneprophylaxe.

Tabelle 6: Substanzen zur MigrÔøΩneprophylaxe der 2. Wahl

Bei der Zyklus gebundenen MigrÔøΩne kann eine Prophylaxe mit 2×500 mg Naproxen
sieben Tage vor bis sieben Tage nach der Periode versucht werden (⇔)
(Sances et al., 1990). Als Alternative fÔøΩr die Kurzeitprophylaxe kommen
ÔøΩstrogenplaster (100 μg) in der Phase mit Hormonabfall zum Einsatz
(⇔) (De Lignieres et al., 1986, Dennerstein et al., 1988). Triptane
wie 2×1 mg Naratriptan, 2x 25 mg Sumatriptan oder 1 bzw 2×2,5 mg
Frovatriptan ÔøΩber 5 Tage sind ebenfalls bei der menstruellen MigrÔøΩne wirksam
(off Label; ⇑⇑) (Newman et al., 2001, Newman et al., 1998)

 

4.2.3 MigrÔøΩnetherapie in der Schwangerschaft und Stillzeit

In der Schwangerschaft sind die vielfÔøΩltigen Therapieoptionen stark
eingeschrÔøΩnkt. Vor einer mÔøΩglichen Therapie sollte eine sorgfÔøΩltige
GÔøΩterabwÔøΩgung getroffen und mit der Patientin besprochen werden. Als Mittel
der ersten Wahl der Akuttherapie gilt Paracetamol 1 g p.o. oder als
Suppositorium. Der Einsatz von 1 g AcetylsalicylsÔøΩure (z.B. ASS-Brause)
sollte lediglich als Alternative und nur dem 2. Trimenon vorbehalten
bleiben. Bei therapierefraktÔøΩren Situationen kann i.v. Methylprednisolon
(allerdings nach RÔøΩcksprache mit dem GynÔøΩkologen) verabreicht werden. Nach
wie vor sind Triptane und Ergotamin in der Schwangerschaft nicht zugelassen.
In diesem Zusammenhang sei erwÔøΩhnt, dass fÔøΩr das erste Triptan, Sumatriptan,
bereits direkt nach der Zulassung ein Schwangerschaftsregister eingerichtet
wurde, in dem alle gemeldeten FÔøΩlle von Triptaneinnahme wÔøΩhrend der
Schwangerschaft erfasst wurden. Auch wenn diese Daten nicht ausreichend
sind, um gesicherte Schlussfolgerungen zu ziehen, weisen die bisherigen
Befunde nicht auf ein erhÔøΩhtes Risiko angeborener Missbildungen oder
vermehrter Komplikationen bei Schwangerschaft oder Geburt hin (Fox et al.,
2002, KÔøΩllen und Lygner, 2001, Olesen et al., 2000). Als Prophylaxe kann
Magnesium in einer Dosierung von 2×300 mg/d zum Einsatz kommen. In der
Schwangerschaft ist auch eine Prophylaxe mit Metoprolol mÔøΩglich.
GrundsÔøΩtzlich sollte jedoch vor einer geplanten Schwangerschaft eine
nicht-medikamentÔøΩse Prophylaxe wie z.B. Jacobsontraining erlernt werden.

In der Stillzeit sollten Medikamente zum Einsatz kommen, die in der
Muttermilch nicht oder nur geringen Mengen nachzuweisen sind (Silberstein,
1993). Beim Einsatz von Betablockern sei an die MilchgÔøΩngigkeit gedacht, die
bei SÔøΩuglingen zu ausgeprÔøΩgten Bradycardien fÔøΩhren kann. BewÔøΩhrt hat sich
hierbei ValproinsÔøΩure als Prophylaxe.

 

4.2.4 MigrÔøΩneprophylaxe bei Kindern

Bei Kindern und Jugendlichen kann zur MigrÔøΩneprophylaxe Propranolol in einer
Dosis von 10 mg/kg KG oder Flunarizin in einer Dosis von 5 mg gegeben
werden.

 

4.3 Verhaltenstherapie der MigrÔøΩne

Patienten mit einer episodischen oder mit einer hochfrequenten MigrÔøΩne (drei
und mehr Attacken/Monat) kÔøΩnnen alternativ oder in Kombination mit einer
medikamentÔøΩsen Behandlung einer psychologischen Therapie zugefÔøΩhrt werden
(Campbell et al., 2004). Die in der MigrÔøΩnetherapie angewandten
psychologischen Verfahren entstammen ÔøΩberwiegend der Verhaltenstherapie
(VT). FÔøΩr diese Verfahren ist eine zur Beurteilung der Evidenz ausreichende
Studienlage verfÔøΩgbar. Andere Schulen bleiben die Evaluation ihrer Konzepte
schuldig. Die wichtigsten unimodalen Verfahren sind die thermale, die
EMG-Biofeedback-Therapie und die Progressive Muskelrelaxation (PMR). Als
multimodales Verfahren kommt das kognitiv-verhaltenstherapeutische
SchmerzbewÔøΩltigungstraining zur Anwendung. Die Therapieverfahren werden in
der MigrÔøΩnebehandlung sowohl schmerzspezifisch (z.B. als
Entspannungsverfahren bei der PMR) als auch schmerzunspezifisch angewandt.
Schmerzunspezifische Verfahren zielen auf unspezifische GrÔøΩÔøΩen wie ÔøΩStÔøΩrkung
der SelbstkontrollkompetenzÔøΩ (unimodal) oder ÔøΩMinimierung der
BeeintrÔøΩchtigung bzw. verbesserte SchmerzbewÔøΩltigungÔøΩ (multimodal).

Das im Kopfschmerzbereich am besten untersuchte Entspannungsverfahren ist
die Progressive Muskelrelaxation (PMR; auch Jacobson-Training) (Bernstein
und Borkovec, 1975). Die Beurteilung der Wirksamkeit weiterer
Entspannungsverfahren in der Kopfschmerzbehandlung, insbesondere von
autogenem Training, Hypnose, Imagination, Meditation und Yoga, ist aufgrund
fehlender Datenbasis nicht mÔøΩglich.

 

Biofeedback

Biofeedback ermÔøΩglicht dem Patienten die exakte und bewusste Wahrnehmung von
KÔøΩrperfunktionen und damit die FÔøΩhigkeit zur bewussten Steuerung und
VerÔøΩnderung derselben. Eine unspezifische Wirkung lÔøΩsst sich durch
Biofeedback – gestÔøΩtzte Entspannung erzielen, die durch Messung der
Muskelspannung (elektromyographische Biofeedbacktherapie), des
Hautwiderstandes (elektrodermale Biofeedbacktherapie) oder der peripheren
KÔøΩrpertemperatur (thermale Biofeedbacktherapie) ermÔøΩglicht werden kann.

Wegen des hohen methodischen Aufwandes liegen fÔøΩr spezifische Verfahren
(z.B. Neurofeedback) bei der MigrÔøΩne jedoch zu wenig kontrollierte
wissenschaftliche Studien fÔøΩr eine Evidenzbasierte Beurteilung vor.

 

Multimodale Verhaltenstherapie

Der multimodalen kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) liegt das
biopsychosoziale Schmerzmodell zugrunde. Die KVT ist kognitiv-behavioral
ausgerichtet und berÔøΩcksichtigt alle Komponenten und Ebenen eines Menschen,
in denen sich die Konsequenzen der Schmerzerkrankung im Einzelfall finden
lassen. Das Hauptziel dieses Verfahrens ist die Minimierung der
BeeintrÔøΩchtigung durch den Schmerz sowie die ErhÔøΩhung der Selbstkontrolle
(Holroyd und Andrasik, 1982). KVT-Verfahren liegen fÔøΩr Kopfschmerzpatienten
in gut ausgearbeiteten standardisierten Programmen vor (FrettlÔøΩh et al.,
1998), lassen sich zeit- und kostenÔøΩkonomisch durchfÔøΩhren (unter 10
Sitzungen) und sind im Gruppensetting genauso wirksam wie im Einzelsetting.
Die Wirksamkeit (Index aus IntensitÔøΩt und Frequenz der Kopfschmerzen) der
einzelnen Therapien und Therapiekombinationen ist Tab. 7 zu entnehmen. 

Tabelle 7: ÔøΩbersicht ÔøΩber die nichtmedikamentÔøΩsen Therapieverfahren
(Andrasik, 2003, Campbell et al., 2004)

 

Verhaltenstherapie der chronischen MigrÔøΩne

Patienten mit einem (fast) tÔøΩglichen Kopfschmerz ohne Medikamenten-Abusus
erzielen in einer behavioralen Behandlung geringere Erfolge als Patienten
mit episodischen Kopfschmerzen (13% vs. 52% Symptomreduktion) (Bakal et al.,
1981, Blanchard und Andrasik, 1985). MigrÔøΩnepatienten mit einem hohen
Medikamentengebrauch (Medikamenten-induzierter Kopfschmerz) profitieren von
alleinigen verhaltenstherapeutischen AnsÔøΩtzen ebenfalls in geringerem AusmaÔøΩ
als Patienten mit einem ÔøΩnormalenÔøΩ Gebrauch (29% vs. 52% Symptomreduktion)
(Michultka et al., 1989). In der Behandlung von Entzugspatienten hat sich
die Kombination von behavioralen und pharmakologischen Verfahren bewÔøΩhrt.
Mathew et al. (Mathew et al., 1990) fanden in einer Studie mit 200 Patienten
eine bessere EffektivitÔøΩt fÔøΩr eine kombinierte versus einer unimodalen
medikamentÔøΩsen Behandlung (72% – 86% resp. 58%). Blanchard et al. (Blachard
et al., 1992) berichteten fÔøΩr diese Patientengruppe eine Reduktion der
KopfschmerzaktivitÔøΩt von mehr als 50%, die noch nach einem Jahr nachweisbar
war. Die 61 kombiniert behandelten MigrÔøΩnepatienten mit
medikamenten-induziertem Kopfschmerz aus der Studie von Grazzi et al.
(Grazzi et al., 2002) berichteten noch drei Jahre nach der Behandlung
weniger Kopfschmerztage, einen reduzierten Medikamentenverbrauch und eine
geringere RÔøΩckfallrate als nur medikamentÔøΩs behandelte Patienten.

 

Verhaltenstherapie der kindlichen MigrÔøΩne

Metaanalysen (Hermann et al., 1995) und Reviews (KrÔøΩner-Herwig und Ehlert,
1992) auf der Basis von EffektstÔøΩrken, die PrÔøΩ-Post-VerÔøΩnderungen
wiedergeben, zeigen die beste Wirksamkeit fÔøΩr tBFB- und tBFB/PMR-Verfahren.
PMR als Einzelverfahren und KVT-Programme fÔøΩr Kinder sind im
PrÔøΩ-Post-Vergleich weniger wirksam, erreichen jedoch ÔøΩhnliche Effekte wie
prophylaktische Medikationen (serotonerge PrÔøΩparate, Kalziumblocker,
Betablocker). KVT-Programme haben die lÔøΩngste Wirkungsdauer (bis zu 10
Jahren; ein validiertes multimodales Programm, das kognitiv-behaviorale und
Entspannungsbausteine integriert, ist deutschsprachig von Denecke und
KrÔøΩner-Herwig vorgelegt worden (Denecke und KrÔøΩner-Herwig, 2000)). Alle
anderen in der Behandlung der kindlichen MigrÔøΩne eingesetzten Verfahren
inklusive der in Deutschland verbreiteten MigrÔøΩne-DiÔøΩt (oligoantigene
ErnÔøΩhrung) und der HomÔøΩopathie haben einen ungeklÔøΩrten Stellenwert.

 

4.4 Alternative Therapien

Die Wirkung aerober Ausdauersportarten (Koseoglu et al., 2003) wie
Schwimmen, Joggen oder Fahrradfahren ist wissenschaftlich belegt (⇑).
Physiotherapie alleine ist nicht wirksam, verbessert aber in Kombination die
Rate der Betroffenen, die auf verhaltenstherapeutische Verfahren ansprechen.
FÔøΩr die HomÔøΩopathie liegen bei Erwachsenen randomisierte,
Placebokontrollierte Studien vor, die keine Wirksamkeit
belegten.(⇓⇓) (Ernst, 1999, Walach et al., 1997, Walach et al.,
2000, Whitmarsh et al., 1997). Akupunktur reduziert die HÔøΩufigkeit von
MigrÔøΩneattacken. Scheinakupunktur hat dabei dieselbe Wirksamkeit wie
klassische Akupunktur.

Es besteht ein Zusammenhang zwischen einem persistierenden Foramen ovale
(PFO) und MigrÔøΩne mit Aura. Wahrscheinlich liegt eine gemeinsame genetische
Disposition vor. Es ist nicht gerechtfertigt, einen PFO Verschluss zur
Prophylaxe der MigrÔøΩne durchzufÔøΩhren.

Unwirksam sind nach Auffassung der Konsensusgruppe: Manualtherapie,
cervikale Manipulation, chiropraktische Therapie, lokale Injektionen in den
Nacken oder die Kopfhaut, Neuraltherapie, autogenes Training, Hypnose,
klassische Psychoanalyse, TENS, hyperbare Sauerstofftherapie, Ozontherapie,
Gebisskorrektur, AufbiÔøΩschienen, Zahnextraktion, Entfernung von
AmalgamfÔøΩllungen, DiÔøΩten, Frischzell-Therapie, ReizstrÔøΩme, MagnetstrÔøΩme,
Psychophonie, Tonsillektomie, FuÔøΩreflexmassage, Sanierung vermeintlicher
Pilzinfektionen des Darmes, Hysterektomie und Corrugatorchirurgie.

Unwirksame medikamentÔøΩse Therapien

Unwirksam in der medikamentÔøΩsen Therapie an Hand von Studien sind
Bromocriptin, Carbamazepin, Diphenylhydantoin, Primidon, Diuretika,
Clonidin, ÔøΩstrogene und Gestagene, Lithium, Neuroleptika, Proxibarbal,
selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Steiner et al., 1998), Diamox
(Vahedi et al., 2002), Clomipramin, Montelukast (Brandes et al., 2004) und
Lanepitant (Goldstein et al., 2001).

 

4.5 Autoren

FÔøΩr die DGN: Hans-Christoph Diener, Volker Limmroth, GÔøΩnther Fritsche,
UniversitÔøΩtsklinik fÔøΩr Neurologie Essen, Kay Brune, Institut fÔøΩr
Pharmakologie und Toxikologie der UniversitÔøΩt Erlangen, Volker Pfaffenrath,
Neurologe, MÔøΩnchen FÔøΩr die DMKG: Peter Kropp, Institut fÔøΩr Medizinische
Psychologie, UniversitÔøΩtsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Arne May,
Neurologische UniversitÔøΩtsklinik Hamburg, Andreas Straube, Klinikum
GroÔøΩhadern, Neurologische Klinik der UniversitÔøΩt MÔøΩnchen, Stefan Evers,
Klinik und Poliklinik fÔøΩr Neurologie, UniversitÔøΩtsklinikum MÔøΩnster

FederfÔøΩhrend Prof. Dr Hans-Christoph Diener, UniversitÔøΩtsklinik fÔøΩr
Neurologie, Hufelandstr. 55, 45147 Essen,
e-mail
e-mail

 

4.6 Verfahren zur Konsensbildung

Korrigiert durch die Kommission Leitlinien der DGN und den Vorstand der DGN.
Als Entwurf publiziert in der Zeitschrift ÔøΩKopfschmerz-NewsÔøΩ mit MÔøΩglichkeit
des Feed-backs an die Autorengruppe. EndgÔøΩltig verabschiedet in einer
Sitzung der Autorengruppe am 17.12.2004 in Frankfurt

 

4.7 Kooperationspartner und Sponsoren

Diese Leitlinie entstand ohne Einflussnahme oder UnterstÔøΩtzung durch die
Industrie. Die Kosten wurden von der DGN getragen. Mit UnterstÔøΩtzung des
BMBF im Rahmen des Deutschen Kopfschmerzkonsortiums (01EM0117)

4.8 Literatur

Erstellungsdatum 01.01.2005