online gestellt: Februar 2007

Therapie der MigrŠneattacke und MigrŠneprophylaxe


Leitlinie der Deutschen Gesellschaft fźr Neurologie und der Deutschen MigrŠne- und Kopfschmerzgesellschaft

 
Was gibt es Neues?
    MigrŠneattacke
    MigrŠneprophylaxe
Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick

1. Einleitung
1.1. Definition des Gesundheitsproblems
1.2. Epidemiologie

2. Ziele und Anwendungsbereich
2.1. Definition der Ziele der Leitlinie
2.2. Definition des Anwendungsbereiches (Zielgruppe)

3. Zusammenfassung der Empfehlungen
    Diagnostik
    Medikamentšse Therapie der MigrŠneattacke

4. Vorgehensweise und Evidenzen
4.1. Medikamentšse Therapie - 5-HT1B/1D-Agonisten
    Vergleich der "Triptane"
    Mutterkornalkaloide
    Antiemetika und Analgetika
    Behandlung von MigrŠneattacken bei Kindern
4.2. MigrŠneprophylaxe - Empfehlung
4.2.2 Substanzen zur MigrŠneprophylaxe
4.2.3 MigrŠnetherapie in der Schwangerschaft und Stillzeit
4.2.4 MigrŠneprophylaxe bei Kindern
4.3 Verhaltenstherapie der MigrŠne
    Biofeedback
    Multimodale Verhaltenstherapie
    Verhaltenstherapie der chronischen MigrŠne
    Verhaltenstherapie der kindlichen MigrŠne
4.4 Alternative Therapien
    Unwirksame medikamentšse Therapien
4.5 Autoren
4.6 Verfahren zur Konsensbildung
4.7 Kooperationspartner und Sponsoren
4.8 Literatur

 



Was gibt es Neues?

MigrŠneattacke MigrŠneprophylaxe
 



Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick
 



1. Einleitung

1.1 Definition des Gesundheitsproblems
Bei der MigrŠne kommt es attackenweise zu heftigen, hŠufig einseitigen pulsierend-pochenden Kopfschmerzen, die bei kšrperlicher BetŠtigung an IntensitŠt zunehmen (Olesen et al., 2004). Bei einem Drittel der Patienten bestehen holokranielle Kopfschmerzen. Die einzelnen Attacken sind begleitet von Appetitlosigkeit (fast immer), †belkeit (80%), Erbrechen (40-50%), Lichtscheu (60%) und LŠrmempfindlichkeit (50%) und †berempfindlichkeit gegenźber bestimmten Gerźchen (10%). Wenn die Kopfschmerzen einseitig sind, kšnnen sie innerhalb einer Attacke oder von Attacke zu Attacke die Seite wechseln. Die Dauer der Attacken betrŠgt nach der Definition der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft zwischen 4 und 72 Stunden (Olesen et al., 2004). Bei Kindern sind die Attacken kźrzer und kšnnen auch ohne Kopfschmerzen nur mit heftiger †belkeit, Erbrechen und Schwindel einhergehen (Maytal et al., 1997).
 



1.2 Epidemiologie
MigrŠne ist eine der hŠufigsten Kopfschmerzformen. Etwa 6-8% aller MŠnner und 12-14% aller Frauen leiden unter einer MigrŠne (Lipton et al., 2002, Rasmussen et al., 1991, Scher et al., 1998, Silberstein und Lipton, 1996). Die LebenszeitprŠvalenz liegt bei Frauen bei >25%. Vor der PubertŠt betrŠgt die HŠufigkeit der MigrŠne 4-5%. Jungen und MŠdchen sind gleich hŠufig betroffen. Die hšchste Inzidenz der MigrŠneattacken tritt zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr auf. In dieser Lebensphase sind Frauen dreimal hŠufiger betroffen als MŠnner.
 



2. Ziele und Anwendungsbereich

2.1 Definition der Ziele der Leitlinie
Ziel dieser Leitlinie ist eine Optimierung der Behandlung akuter MigrŠnattacken und der medikamentšsen und nichtmedikamentšsen Prophylaxe der MigrŠne. Die Leitlinie ist evidenzbasiert und eine Fortentwicklung der folgenden Leitlinien und Empfehlungen:
  1. Leitlinie der DGN 2003 (Diener und die Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft fźr Neurologie, 2003)
  2. Empfehlungen der Deutschen MigrŠne- und Kopfschmerzgesellschaft (Diener et al., 2000)
  3. Empfehlungen der Arzneimittelkommission der Deutschen €rzteschaft (3. Auflage 2001)
  4. Practice Parameters of the American Academy of Neurology (Silberstein und for the US Headache Consortium, 2000)
 



2.2 Definition des Anwendungsbereiches (Zielgruppe)
Diese Leitlinie wendet sich źberwiegend an €rzte und Psychologen, die im ambulanten oder Klinikbereich Patienten mit MigrŠne betreuen.
 



3. Zusammenfassung der Empfehlungen

Diagnostik:
Die Diagnose stźtzt sich auf die typische Anamnese und einen normalen neurologischen Untersuchungsbefund (Einzelheiten siehe Leitlinie: Diagnostik von Kopfschmerzen). Zusatzdiagnostik und insbesonders eine Bildgebung sind nur notwendig bei Auftreten im Charakter ungewšhnlicher Kopfschmerzen (Ausschluss Blutung, Subarachnoidalblutung) und bei Kopfschmerzen mit persistierenden neurologischen oder psychopathologischen AusfŠllen (A) (Quality Standards Subcommittee of the American Academy of Neurology, 1994).

Medikamentšse Therapie der MigrŠneattacke:

  • Die 5-HT1B/1D-Agonisten (in alphabetischer Reihenfolge) Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan sind die Substanzen mit der besten Wirksamkeit bei akuten MigrŠneattacken (A).
  • Ergotamin ist bei MigrŠne wirksam. Allerdings ist die Wirksamkeit in prospektiven Studien schlecht belegt (B).
  • Nichtopioidanalgetika und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind bei der Behandlung der MigrŠne wirksam (A)
  • Die Wirksamkeit nichtmedikamentšser Verfahren wurde in kontrollierten Studien kaum untersucht (C)

Erfolgskriterium fźr eine erfolgreiche Behandlung einer MigrŠneattacke in klinischen Studien ist:
  1. Freiheit von Kopfschmerzen nach 2 Stunden,
  2. Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder kopfschmerzfrei innerhalb zwei Stunden nach Applikation des entsprechenden PrŠparates (Pilgrim, 1993)
  3. Reproduzierbare Wirkung bei 2 von 3 MigrŠneattacken.
 



4. Vorgehensweise und Evidenzen 

4.1 Medikamentšse Therapie

5-HT1B/1D-Agonisten
Die Serotonin-5-HT1B/1D Rezeptoragonisten (Tabelle 1) Sumatriptan, Zolmitriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Almotriptan, Eletriptan und Frovatriptan sind spezifische MigrŠnemittel, die beim Spannungskopfschmerz unwirksam sind. Alle Triptane haben ihre Wirkung in grossen Placebo-kontrollierten Studien belegt (Ferrari et al., 2001, Goadsby et al., 2002). Fźr Sumatriptan (Tfelt-Hansen et al., 1995, The Oral Sumatriptan and Aspirin plus Metoclopramide Comparative Study Group, 1992) und Zolmitriptan (Geraud et al., 2002) gibt es Vergleichsstudien zu oraler AcetylsalicylsŠure (ASS) in Kombination mit Metoclopramid. In diesen Vergleichsstudien waren die Triptane nicht oder nur gering besser wirksam als ASS. Bei ca 60% von Nonrespondern fźr nicht-steroidale Antirheumatika sind Triptane wirksam (Diamond et al., 2004). Sumatriptan 6 mg s.c. war etwas besser wirksam als 1000 mg ASS i.v., hatte aber mehr Nebenwirkungen (Diener und for the ASASUMAMIG Study Group, 1999). Ergotamin war in Vergleichsstudien mit Sumatriptan (The Multinational Oral Sumatriptan Cafergot Comparative Study Group, 1991) und Eletriptan (Diener et al., 2002) weniger wirksam. Triptane wirken im Gegensatz zu Ergotamintartrat zu jedem Zeitpunkt innerhalb der Attacke, d.h. sie mźssen nicht notwendigerweise unmittelbar zu Beginn der Attacke genommen werden. Sie wirken aber umso besser je frźher sie in einer MigrŠneattacke eingenommen werden (Burstein et al., 2004, Dowson et al., 2004). Um der Entwicklung eines medikamenten-induzierten Dauerkopfschmerzes vorzubeugen kann eine frźhe Einnahme nur empfohlen werden, wenn die Attacken nicht zu hŠufig sind (<10 Kopfschmerztage/Monat) und wenn der Patient eindeutig seine MigrŠne von Spannungskopfschmerzen unterscheiden kann.

Bei lange dauernden MigrŠneattacken kšnnen gegen Ende der pharmakologischen Wirkung eines MigrŠnemittels die MigrŠnekopfschmerzen wieder auftreten (sog. "headache recurrence"). Recurrence wird definiert als eine Verschlechterung der KopfschmerzintensitŠt von Kopfschmerzfreiheit oder leichter Kopfschmerz auf mittelschwere oder schwere Kopfschmerzen in einem Zeitraum von 2 bis 24 Stunden nach der ersten wirksamen Medikamenteneinnahme (Ferrari, 1999). Dieses Problem ist bei den Triptanen ausgeprŠgter als bei Ergotamintartrat oder bei AcetylsalicylsŠure. So kommt es bei 15-40% der Patienten nach oraler Gabe von Triptanen zu einem Wiederauftreten der Kopfschmerzen, wobei dann eine zweite Gabe der Substanz wieder wirksam ist (Ferrari et al., 1994). Ist die erste Gabe eines Triptans unwirksam, ist es sinnlos, in derselben MigrŠneattacke eine zweite Dosis zu applizieren. Alle Triptane kšnnen wie Ergotamin bei zu hŠufiger Einnahme zu einer Erhšhung der Attackenfrequenz und letztlich zu medikamenten-induzierten Dauerkopfschmerzen oder einer chronischen MigrŠne fźhren (Katsarava et al., 2000, Limmroth et al., 1999). Triptane sollten daher an nicht mehr als 10 Tagen im Monat eingesetzt werden. Lebensbedrohliche Nebenwirkungen (Myokardinfarkt, schwere Herzrhythmusstšrungen, Schlaganfall) wurden bei der Applikation von Sumatriptan in einer HŠufigkeit von 1:1.000.000 beobachtet (O«Quinn et al., 1999, Welch et al., 2000). Bei fast allen Patienten lagen entweder eindeutige Kontraindikationen vor (z.B. vorbestehende koronare Herzkrankheit), oder die Diagnose MigrŠne war falsch. Fźr die anderen Triptane gibt es noch keine publizierten Daten. Da der Wirkungsmechanismus der verschiedenen Triptane gleich ist, ist einer Šhnlichen Inzidenz lebensbedrohlicher Nebenwirkungen zu rechnen (bezogen auf Nebenwirkungsmeldungen haben orale Applikationsformen ein geringeres Risiko als die subcutane Gabe). Aus Sicherheitsgrźnden sollten Patienten die unter einer MigrŠne mit Aura leiden, ein Triptan erst nach Abklingen der Aura und mit Einsetzen der Kopfschmerzen applizieren. Darźberhinaus sind Triptane nicht wirksam, wenn sie wŠhrend der Aura appliziert werden (Bates et al., 1994, Olesen et al., 2004). Populationsbezogene Studien zeigen aber kein erhšhtes Risiko fźr vaskulŠre Ereignisse bei der Anwendung von Triptanen verglichen mit Analgetika (Hall et al., 2004, Velentgas et al., 2004).

Tabelle 1: Therapie der akuten MigrŠneattacke mit 5-HT-Agonisten (Reihenfolge nach dem Jahr der Zulassung)
 



Vergleich der ŇTriptaneŇ
Die kźrzeste Zeit bis zum Wirkungseintritt besteht fźr die subkutane Gabe von Sumatriptan (10 Minuten) (Tfelt-Hansen, 1993). Orales Sumatriptan, Almotriptan und Zolmitriptan wirken nach 45 bis 60 Minuten (Ferrari et al., 2001). Rizatriptan und Eletriptan sind am raschesten wirksam (nach 30 Minuten). Naratriptan und Frovatriptan benštigen bis zu 4 Stunden bis zum Wirkungseintritt (Goadsby, 1997, McDavis et al., 1999). Zolmitriptan 5 mg als Nasenspray hat einen rascheren Wirkungseintritt als orales Zolmitriptan (Charlesworth et al., 2003). Sumatriptan steht als Tablette mit raschem Zerfall im Magen-Darmtrakt zur Verfźgung (Dahlšf et al., 2004). Ob ein rascherer Wirkungseintritt als bei der normalen Tablette erfolgt, ist nicht bekannt.

Die Besserung der Kopfschmerzen nach zwei Stunden, der wichtigste Parameter klinischer Studien fźr die Wirksamkeit von MigrŠnemitteln, ist am hšchsten bei der subcutanen Applikation von Sumatriptan (70-80%) (The Subcutaneous Sumatriptan International Study Group, 1991). Der Sumatriptan-Nasenspray ist ebenso wirksam wie Sumatriptan Tabletten. Das Sumatriptan-ZŠpfchen kommt fźr Patienten mit frźhem Erbrechen in der Attacke in Betracht (Becker und on behalf of the Study Group, 1995, Ryan et al., 1997, Tepper et al., 1998). 25 mg Sumatriptan oral sind weniger wirksam als 50 und 100 mg (ca 50-60%), weisen dafźr aber auch weniger Nebenwirkungen auf (Ferrari et al., 2001). Naratriptan und Frovatriptan (je 2,5 mg) sind fźr die Besserung der Kopfschmerzen nach 2h weniger wirksam als Sumatriptan, zeigen aber auch weniger Nebenwirkungen und eine etwas geringere Rate an wiederauftretenden Kopfschmerzen. Der Wirkungseintritt von Naratriptan und Frovatriptan ist im Vergleich zu den anderen Triptanen verzšgert. Im mittleren Wirkungsbereich liegen Zolmitriptan 2,5 Đ 5 mg und Almotriptan 12,5 mg. Rizatriptan 10 mg ist etwas wirksamer als 100 mg Sumatriptan (Goldstein et al., 1998, Tfelt-Hansen und Ryan, 2000, Tfelt-Hansen et al., 1998). Eletriptan ist in einer Dosierung von 80 mg das effektivste orale ăTriptanŇ, hat aber auch die meisten Nebenwirkungen. Almotriptan hat eine Nebenwirkungsquote, die sich nicht von Placebo unterscheidet.

Die HŠufigkeit des Wiederauftretens der Kopfschmerzen liegt bei den verschiedenen Triptanen zwischen 15% und 40%. Es gibt Hinweise, dass durch eine initiale Kombination eines Triptans mit einem lang wirkenden nicht-steroidalen Antirheumatikums, (Krymchantowski und Barbosa, 2002, Krymchantowski et al., 1999) das Wiederauftreten der MigrŠnesymptomatik zum Teil verhindert werden kann. Alternativ kann das nicht-steroidale Antirheumatikum auch zeitlich verzšgert gegeben werden. Ist ein Triptan bei drei konsekutiv behandelten Attacken nicht wirksam, kann ein anderes Triptan wirksam sein.
 



Mutterkornalkaloide
Es gibt nur sehr wenige prospektive Studien zum Einsatz der Mutterkornalkaloide bei der MigrŠne (Tfelt-Hansen et al., 2000). In allen Studien, in denen Triptane mit Mutterkornalkaloiden verglichen wurden, waren erstere signifikant besser wirksam (Christie et al., 2002, Diener et al., 2002, The Multinational Oral Sumatriptan Cafergot Comparative Study Group, 1991). Die Behandlung mit Ergotamintartrat sollten sehr langen MigrŠneattacken oder solchen mit multiplen ărecurrencesŇ vorbehalten bleiben. Patienten, die ihre MigrŠneattacken erfolgreich mit einem Mutterkornalkaloid behandeln, keine Nebenwirkungen und keine Dosissteigerung haben, kšnnen diese Akuttherapie beibehalten. Die gehŠufte Einnahme von Ergotamin kann zu Dauerkopfschmerzen fźhren, die in ihrer Charakteristik kaum von den MigrŠnekopfschmerzen zu differenzieren sind (Dichgans et al., 1984, Horton und Peters, 1963). Daher muss die Einnahmefrequenz auf 10 Tage/Monat begrenzt werden. 

Tabelle 2 Ergotamin fźr die Behandlung der akuten MigrŠneattacke
 


 
Antiemetika und Analgetika
Die meisten Patienten leiden wŠhrend der MigrŠneattacke unter gastrointestinalen Symptomen. Die Gabe von Antiemetika wie Metoclopramid oder Domperidon (Tabelle 3) bessert nicht nur die vegetativen Begleitsymptome, sondern fźhrt bei einigen Patienten źber eine Wiederanregung der zu Beginn der MigrŠneattacke zum Erliegen gekommenen Magenperistaltik zu einer besseren Resorption und Wirkung von Analgetika und Triptanen (Ross-Lee et al., 1983, Schulman und Dermott, 2003, Waelkens, 1984). Metoclopramid hat auch eine geringe analgetische Wirkung bei MigrŠne (Ellis et al., 1993). Die †berlegenheit einer Kombination von Antiemetika mit MigrŠnemitteln wurde bisher in gro§en randomisierten Studien nicht belegt.

Tabelle 3: Antiemetika in der MigrŠnetherapie

Kinder unter 10 Jahren, sonst siehe Metoclopramid, aber geringer ausgeprŠgt   und seltener AcetylsalicylsŠure (ASS), Ibuprofen, Diclofenac-K und Paracetamol sind die Analgetika erster Wahl bei leichten und mittelgradigen MigrŠnekopfschmerzen (Tabelle 4) (Chabriat et al., 1994, Dahlšf und Bjšrkman, 1993, Havanka-Kanniainen, 1989, Karachalios et al., 1992, Kloster et al., 1992, Limmroth et al., 1999, Nebe et al., 1995, Tfelt-Hansen et al., 1995, The Diclofenac-K/Sumatriptan Migraine Study Group, 1999). Wahrscheinlich sind auch Metamizol und Phenazon wirksam (Diener et al., 2004, Tulunay et al., 2004). Die Šlteren Studien zu den Analgetika entsprechen meistens nicht den Anforderungen, die an moderne Studien gestellt werden. Die Kombination von ASS, Paracetamol und Coffein wurde in den USA untersucht und war wirksamer als Placebo (Lipton et al., 1998). Eine in Deutschland durchgefźhrte Studie ergab, dass die Kombination von AcetylsalicylsŠure, Paracetamol und Koffein wirksamer ist als die Kombination ohne Koffein und wirksamer als die Einzelsubstanzen (Diener et al., 2005). Die optimale Dosis betrŠgt bei alleiniger oraler Anwendung fźr ASS und Paracetamol mindestens 1000 mg, fźr Ibuprofen 400-600 mg und fźr Diclofenac-K 50 bis 100 mg. Analgetika sollten bevorzugt in Form einer Brausetablette oder einer Kautablette eingenommen werden (schnellere Resorption). Lysinierte ASS in Kombination mit Metoclopramid ist fast genauso wirksam wie Sumatriptan (Tfelt-Hansen et al., 1995). Lšsliche gepufferte AcetylsalicyclsŠure (1000 mg) ist genau so wirksam wie 400 mg Ibuprofen oder 50 mg Sumatriptan (Diener und Limmroth, 2004, Diener et al., 2004). Paracetamol wird besser nach rektaler als nach oraler Gabe resorbiert (rektale Gabe bei initialer †belkeit und Erbrechen). Nichtsteroidale Antirheumatika wie Naproxen und Diclofenac-Kalium sind ebenfalls wirksam. Auch Analgetika kšnnen bei zu hŠufiger Einnahme zu medikamenten-induzierten Dauerkopfschmerzen fźhren. Daher sollte die Einnahme bei <15 Tagen im Monat liegen.

Die COX2 Inhibitoren werden derzeit in klinischen Studien untersucht. Eine Zulassung ist bisher nicht erfolgt. Die Frage ob es bei episodischer Einnahme zu einer HŠufung vaskulŠrer Ereignisse kommt ist bisher nicht geklŠrt. Daher kann die Anwendung dieser Substanzen zur Behandlung von MigrŠneattacken nicht empfohlen werden.

Opioide und Tranquilizer sollten zur Behandlung der MigrŠneattacke nicht eingesetzt werden. Opioide haben eine begrenzte Wirksamkeit , fźhren hŠufig zu Erbrechen und haben eine hohe Suchtpotenz.
 



Behandlung von MigrŠneattacken bei Kindern
MigrŠneattacken bei Kindern werden mit Paracetamol 15 mg/kg KG oder Ibuprofen 10 mg/kg KG behandelt. Bei Kindern wurde nach Behandlung der MigrŠne mit ASS wurde bisher kein Reyesyndrom beobachtet. Wenn Antiemetika notwendig sind, sollte Domperidon und nicht Metoclopramid Verwendung finden. Kinder unter 12 Jahren scheinen anders als Heranwachsende von einer Therapie mit Triptanen (noch) nicht zu profitieren. Die kritische Grenze der Wirksamkeit liegt individuell unterschiedlich zwischen dem 10. und 13. Lebensjahr. Orale Triptane, insbesondere Sumatriptan 50-100 mg und Rizatriptan 5 mg sind bei Kindern und Jugendlichen nicht besser wirksam als Placebo (HŠmŠlŠinen et al., 1997, Winner et al., 2002). Diese Studien leiden allerdings alle unter ungewšhnlich hohen Placebo-Werten (ca. 50%). Studien mit Sumatriptan 5, 10 und 20 mg Nasenspray bei Jugendlichen ergaben eine statistische †berlegenheit gegenźber Placebo (Ahonen et al., 2004, Ueberall und Wenzel, 1999, Winner et al., 1999). Positive Ergebnisse erbrachten post-hoc Analysen von Studien mit oralem Zolmitriptan in einer Dosierung von 2,5-5 mg (Solomon et al., 1997, Tepper et al., 1999) bei Heranwachsenden und Jugendlichen (12-17 Jahre). Aufgrund dieser Datenlage ist derzeit in Deutschland ausschliesslich Sumatriptan Nasenspray in der Dosis von 10 mg zur Behandlung von Jugendlichen zugelassen. Ergotamin und orale Triptane sind fźr das Kindesalter nicht zugelassen.

Tabelle 4: Analgetika zur Behandlung der MigrŠneattacke
 



4.2 MigrŠneprophylaxe

4.2.1 Empfehlung

  • Bei hŠufigen MigrŠneattacken sollte eine MigrŠneprophylaxe begonnen werden (A).
  • MigrŠneprophylaktika der ersten Wahl sind die Betablocker (A) Metoprolol und Propranolol, der Calciumantagonist Flunarizin (A), und die Antikonvulsiva ValproinsŠure (A) (off-label Gebrauch) und Topiramat (A).
  • MigrŠneprophylaktika der zweiten Wahl sind der Betablocker Bisoprolol (B), Naproxen (B), AcetylsalicylsŠure (C), Magnesium (C), Pestwurz (B), Mutterkraut (C) und Amitriptylin (B).
  • Die medikamentšse Therapie sollte durch nicht-medikamentšse Verfahren der Verhaltenstherapie (A) und durch Ausdauersport (B) ergŠnzt werden.
  • Patienten mit einer hochfrequenten MigrŠne (ł3 Attacken/Monat) sowie erheblicher EinschrŠnkung der LebensqualitŠt sollten einer psychologischen Therapie zugefźhrt werden (A).

Die Indikation zu einer medikamentšsen Prophylaxe der MigrŠne ergibt sich bei besonderem Leidensdruck und EinschrŠnkung der LebensqualitŠt: Sinn der medikamentšsen Prophylaxe ist eine Reduzierung von HŠufigkeit, Schwere und Dauer der MigrŠneattacken und die Prophylaxe des medikamenten-induzierten Dauerkopfschmerzes. Von einer Wirksamkeit einer MigrŠneprophylaxe spricht man bei einer Reduktion der AnfallshŠufigkeit von mindestens 50%. ZunŠchst soll der Patient źber vier Wochen einen Kopfschmerzkalender fźhren, um die Anfallsfrequenz und den Erfolg oder Mi§erfolg der jeweiligen Attackenmedikation zu dokumentieren.
 



4.2.2 Substanzen zur MigrŠneprophylaxe
Sicher wirksam fźr die Prophylaxe der MigrŠne sind der nicht-selektive Betablocker Propranolol (Diamond und Medina, 1976, Gawel et al., 1992, Havanka-Kanniainen et al., 1988, Holroyd et al., 1991, Kangasniemi und Hedman, 1984, Ludin, 1989, Nadelmann et al., 1986, Tfelt-Hansen et al., 1984) und der Beta-1-selektive Betablocker Metoprolol   (Kangasniemi und Hedman, 1984, Olsson et al., 1984, Sorensen et al., 1991, Steiner et al., 1988, Wšrz et al., 1991) (Tabelle 5). Bisoprolol ist wahrscheinlich ebenfalls wirksam, wurde aber nur in wenigen Studien untersucht (van de Ven et al., 1997, Wšrz et al., 1991). Aus der Gruppe der "Kalzium-Antagonisten" ist soweit derzeit beurteilbar, nur Flunarizin sicher wirksam (Amery et al., 1985, Balkan et al., 1994, Bassi et al., 1992, Bono et al., 1985, Centonze et al., 1985, Diamond und Freitag, 1993, Diamond und Schenbaum, 1983, Freitag et al., 1991, Gawel et al., 1992, Louis, 1981, Sorensen et al., 1991). Eine Dosis von 5 mg ist wahrscheinlich genauso wirksam wie 10 mg (Diener et al., 2002). Die Studienergebnisse zu Cyclandelat sind widersprźchlich (Diener et al., 2001, Diener et al., 1996, Nappi et al., 1987). Wahrscheinlich ist die Substanz nicht wirksam.

In mehreren prospektiven Studien hat sich das Antikonvulsivum ValproinsŠure in der MigrŠneprophylaxe bewŠhrt (Freitag et al., 2002, Kaniecki, 1997, Klapper und on behalf of the Divalproex Sodium in Migraine Prophylaxis Study Group, 1997, Silberstein et al., 2000) (Tabelle 5). Die Tagesdosis betrŠgt 500 bis 600 mg. Gelegentlich sind hšhere Dosierungen notwendig. ValproinsŠure hat in Deutschland keine Zulassung fźr die MigrŠneprophylaxe (off-label use). Topiramat hat seine migrŠneprophylaktische Wirkung in drei gro§en Placebo-kontrollieren Studien belegt (Brandes et al., 2004, Diener et al., 2004, Silberstein et al., 2004). Die wirksame Tagesdosis liegt zwischen 25 und 100 mg. Die Aufdosierung muss langsam erfolgen (25 mg/>Woche). Limitierend sind kognitive Nebenwirkungen. Bei 10% der Patienten kommt es zu einem Gewichtsverlust der manchmal therapielimitierend sein kann.

AcetylsalicylsŠure hat in einer Dosis von 300 mg/Tag wahrscheinlich eine geringe migrŠneprophylaktische Wirkung (Diener et al., 2001)(Tabelle 6). Naproxen war in Dosierungen von 2x500 mg besser wirksam als Placebo. Limitierend sind hier die gastrointestinalen Nebenwirkungen bei Langzeitanwendung. Die Serotonin-Antagonisten Pizotifen und Methysergid sind ebenfalls prophylaktisch wirksam, in Deutschland aber nicht mehr erhŠltlich und zugelassen. Die Wirksamkeit von Magnesium ist umstritten (Peikert et al., 1996, Pfaffenrath et al., 1996). Wenn źberhaupt wirksam, ist die Reduktion der Attackenfrequenz nicht sehr ausgeprŠgt.

Amitriptylin ist ein trizyklisches Antidepressivum. Allein gegeben ist es bei der MigrŠne wirksam (Couch und Hassanein, 1979, Couch et al., 1976, Ziegler et al., 1987). Amitriptylin sollte bevorzugt zur Prophylaxe gegeben werden, wenn eine Kombination mit einem Spannungskopfschmerz vorliegt, oder wenn, wie hŠufig bei chronischen Schmerzen, eine zusŠtzliche Depression besteht. Das Antiepileptikum Gabapentin hatte in einer Studie in Tagesdosierungen zwischen 1200 und 1600 mg eine geringe prophylaktische Wirkung (Mathew et al., 2001). Hier mźssen allerdings weitere Studien abgewartet werden. Lamotrigin ist in der Reduktion der HŠufigkeit von MigrŠneattacken nicht wirksam, reduziert aber die HŠufigkeit von Auren (Lampl et al., 1999, Steiner et al., 1997). Von den Dopaminagonisten ist wahrscheinlich Alpha-dihydroergocryptin wirksam (Bussone et al., 1999). Ob Candesartan (Tronvik et al., 2002) oder Lisinopril (Schrader et al., 2001) wirksam sind kann nach dem derzeitigen Stand der Studien nicht beurteilt werden. Zu hochdosiertem Vitamin B2 gibt es nur 2 kleine monozentrische Studien, die eine Wirksamkeit vermuten lassen (Schoenen et al., 1997, 1998, Schoenen et al., 1994). Die Substanz ist in der verwendeten Tagesdosis (400 mg) in Deutschland nicht erhŠltlich und nicht zugelassen.

Die meisten Placebokontrollierten Studien zeigten keine migrŠneprophylaktische Wirkung von lokalen Injektionen mit Botulinumtoxin (Evers et al., 2004). Dies gilt sowohl fźr Injektionen in vorgegebene Regionen wie bei Injektion an Triggerpunkten (ăFollow the painŇ). Zwei bisher unveršffentlichte Studien haben eine Wirksamkeit bei der chronischen MigrŠne gezeigt. Dieses Ergebnis muss in einer Phase III Studie reproduziert werden bevor die Therapie empfohlen werden kann.

Petadolex hat seine Wirksamkeit in 2 Placebokontrollierten Studien belegt (Diener et al., 1004). In sehr seltenen FŠllen kommt es zu schwerwiegenden Leberfunktionsstšrungen. Mutterkraut (Pfaffenrath et al., 2002) ist ebenfalls wirksam. Die Substanz befindet sich im Zulassungsverfahren (Stand 12/2004).

Tabelle 5 Substanzen zur MigrŠneprophylaxe.


Tabelle 6: Substanzen zur MigrŠneprophylaxe der 2. Wahl

Bei der Zyklus gebundenen MigrŠne kann eine Prophylaxe mit 2x500 mg Naproxen sieben Tage vor bis sieben Tage nach der Periode versucht werden (⇔) (Sances et al., 1990). Als Alternative fźr die Kurzeitprophylaxe kommen …strogenplaster (100 μg) in der Phase mit Hormonabfall zum Einsatz (⇔) (De Lignieres et al., 1986, Dennerstein et al., 1988). Triptane wie 2x1 mg Naratriptan, 2x 25 mg Sumatriptan oder 1 bzw 2x2,5 mg Frovatriptan źber 5 Tage sind ebenfalls bei der menstruellen MigrŠne wirksam (off Label; ⇑⇑) (Newman et al., 2001, Newman et al., 1998)
 



4.2.3 MigrŠnetherapie in der Schwangerschaft und Stillzeit
In der Schwangerschaft sind die vielfŠltigen Therapieoptionen stark eingeschrŠnkt. Vor einer mšglichen Therapie sollte eine sorgfŠltige GźterabwŠgung getroffen und mit der Patientin besprochen werden. Als Mittel der ersten Wahl der Akuttherapie gilt Paracetamol 1 g p.o. oder als Suppositorium. Der Einsatz von 1 g AcetylsalicylsŠure (z.B. ASS-Brause) sollte lediglich als Alternative und nur dem 2. Trimenon vorbehalten bleiben. Bei therapierefraktŠren Situationen kann i.v. Methylprednisolon (allerdings nach Rźcksprache mit dem GynŠkologen) verabreicht werden. Nach wie vor sind Triptane und Ergotamin in der Schwangerschaft nicht zugelassen. In diesem Zusammenhang sei erwŠhnt, dass fźr das erste Triptan, Sumatriptan, bereits direkt nach der Zulassung ein Schwangerschaftsregister eingerichtet wurde, in dem alle gemeldeten FŠlle von Triptaneinnahme wŠhrend der Schwangerschaft erfasst wurden. Auch wenn diese Daten nicht ausreichend sind, um gesicherte Schlussfolgerungen zu ziehen, weisen die bisherigen Befunde nicht auf ein erhšhtes Risiko angeborener Missbildungen oder vermehrter Komplikationen bei Schwangerschaft oder Geburt hin (Fox et al., 2002, KŠllen und Lygner, 2001, Olesen et al., 2000). Als Prophylaxe kann Magnesium in einer Dosierung von 2x300 mg/d zum Einsatz kommen. In der Schwangerschaft ist auch eine Prophylaxe mit Metoprolol mšglich. GrundsŠtzlich sollte jedoch vor einer geplanten Schwangerschaft eine nicht-medikamentšse Prophylaxe wie z.B. Jacobsontraining erlernt werden.

In der Stillzeit sollten Medikamente zum Einsatz kommen, die in der Muttermilch nicht oder nur geringen Mengen nachzuweisen sind (Silberstein, 1993). Beim Einsatz von Betablockern sei an die MilchgŠngigkeit gedacht, die bei SŠuglingen zu ausgeprŠgten Bradycardien fźhren kann. BewŠhrt hat sich hierbei ValproinsŠure als Prophylaxe.
 



4.2.4 MigrŠneprophylaxe bei Kindern
Bei Kindern und Jugendlichen kann zur MigrŠneprophylaxe Propranolol in einer Dosis von 10 mg/kg KG oder Flunarizin in einer Dosis von 5 mg gegeben werden.
 



4.3 Verhaltenstherapie der MigrŠne
Patienten mit einer episodischen oder mit einer hochfrequenten MigrŠne (drei und mehr Attacken/Monat) kšnnen alternativ oder in Kombination mit einer medikamentšsen Behandlung einer psychologischen Therapie zugefźhrt werden (Campbell et al., 2004). Die in der MigrŠnetherapie angewandten psychologischen Verfahren entstammen źberwiegend der Verhaltenstherapie (VT). Fźr diese Verfahren ist eine zur Beurteilung der Evidenz ausreichende Studienlage verfźgbar. Andere Schulen bleiben die Evaluation ihrer Konzepte schuldig. Die wichtigsten unimodalen Verfahren sind die thermale, die EMG-Biofeedback-Therapie und die Progressive Muskelrelaxation (PMR). Als multimodales Verfahren kommt das kognitiv-verhaltenstherapeutische SchmerzbewŠltigungstraining zur Anwendung. Die Therapieverfahren werden in der MigrŠnebehandlung sowohl schmerzspezifisch (z.B. als Entspannungsverfahren bei der PMR) als auch schmerzunspezifisch angewandt. Schmerzunspezifische Verfahren zielen auf unspezifische Grš§en wie âStŠrkung der SelbstkontrollkompetenzŐ (unimodal) oder âMinimierung der BeeintrŠchtigung bzw. verbesserte SchmerzbewŠltigungŐ (multimodal).

Das im Kopfschmerzbereich am besten untersuchte Entspannungsverfahren ist die Progressive Muskelrelaxation (PMR; auch Jacobson-Training) (Bernstein und Borkovec, 1975). Die Beurteilung der Wirksamkeit weiterer Entspannungsverfahren in der Kopfschmerzbehandlung, insbesondere von autogenem Training, Hypnose, Imagination, Meditation und Yoga, ist aufgrund fehlender Datenbasis nicht mšglich.
 



Biofeedback
Biofeedback ermšglicht dem Patienten die exakte und bewusste Wahrnehmung von Kšrperfunktionen und damit die FŠhigkeit zur bewussten Steuerung und VerŠnderung derselben. Eine unspezifische Wirkung lŠsst sich durch Biofeedback - gestźtzte Entspannung erzielen, die durch Messung der Muskelspannung (elektromyographische Biofeedbacktherapie), des Hautwiderstandes (elektrodermale Biofeedbacktherapie) oder der peripheren Kšrpertemperatur (thermale Biofeedbacktherapie) ermšglicht werden kann.

Wegen des hohen methodischen Aufwandes liegen fźr spezifische Verfahren (z.B. Neurofeedback) bei der MigrŠne jedoch zu wenig kontrollierte wissenschaftliche Studien fźr eine Evidenzbasierte Beurteilung vor.
 



Multimodale Verhaltenstherapie
Der multimodalen kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) liegt das biopsychosoziale Schmerzmodell zugrunde. Die KVT ist kognitiv-behavioral ausgerichtet und berźcksichtigt alle Komponenten und Ebenen eines Menschen, in denen sich die Konsequenzen der Schmerzerkrankung im Einzelfall finden lassen. Das Hauptziel dieses Verfahrens ist die Minimierung der BeeintrŠchtigung durch den Schmerz sowie die Erhšhung der Selbstkontrolle (Holroyd und Andrasik, 1982). KVT-Verfahren liegen fźr Kopfschmerzpatienten in gut ausgearbeiteten standardisierten Programmen vor (Frettlšh et al., 1998), lassen sich zeit- und kostenškonomisch durchfźhren (unter 10 Sitzungen) und sind im Gruppensetting genauso wirksam wie im Einzelsetting. Die Wirksamkeit (Index aus IntensitŠt und Frequenz der Kopfschmerzen) der einzelnen Therapien und Therapiekombinationen ist Tab. 7 zu entnehmen. 

Tabelle 7: †bersicht źber die nichtmedikamentšsen Therapieverfahren (Andrasik, 2003, Campbell et al., 2004)
 



Verhaltenstherapie der chronischen MigrŠne
Patienten mit einem (fast) tŠglichen Kopfschmerz ohne Medikamenten-Abusus erzielen in einer behavioralen Behandlung geringere Erfolge als Patienten mit episodischen Kopfschmerzen (13% vs. 52% Symptomreduktion) (Bakal et al., 1981, Blanchard und Andrasik, 1985). MigrŠnepatienten mit einem hohen Medikamentengebrauch (Medikamenten-induzierter Kopfschmerz) profitieren von alleinigen verhaltenstherapeutischen AnsŠtzen ebenfalls in geringerem Ausma§ als Patienten mit einem ănormalenŇ Gebrauch (29% vs. 52% Symptomreduktion) (Michultka et al., 1989). In der Behandlung von Entzugspatienten hat sich die Kombination von behavioralen und pharmakologischen Verfahren bewŠhrt. Mathew et al. (Mathew et al., 1990) fanden in einer Studie mit 200 Patienten eine bessere EffektivitŠt fźr eine kombinierte versus einer unimodalen medikamentšsen Behandlung (72% - 86% resp. 58%). Blanchard et al. (Blachard et al., 1992) berichteten fźr diese Patientengruppe eine Reduktion der KopfschmerzaktivitŠt von mehr als 50%, die noch nach einem Jahr nachweisbar war. Die 61 kombiniert behandelten MigrŠnepatienten mit medikamenten-induziertem Kopfschmerz aus der Studie von Grazzi et al. (Grazzi et al., 2002) berichteten noch drei Jahre nach der Behandlung weniger Kopfschmerztage, einen reduzierten Medikamentenverbrauch und eine geringere Rźckfallrate als nur medikamentšs behandelte Patienten.
 



Verhaltenstherapie der kindlichen MigrŠne
Metaanalysen (Hermann et al., 1995) und Reviews (Kršner-Herwig und Ehlert, 1992) auf der Basis von EffektstŠrken, die PrŠ-Post-VerŠnderungen wiedergeben, zeigen die beste Wirksamkeit fźr tBFB- und tBFB/PMR-Verfahren. PMR als Einzelverfahren und KVT-Programme fźr Kinder sind im PrŠ-Post-Vergleich weniger wirksam, erreichen jedoch Šhnliche Effekte wie prophylaktische Medikationen (serotonerge PrŠparate, Kalziumblocker, Betablocker). KVT-Programme haben die lŠngste Wirkungsdauer (bis zu 10 Jahren; ein validiertes multimodales Programm, das kognitiv-behaviorale und Entspannungsbausteine integriert, ist deutschsprachig von Denecke und Kršner-Herwig vorgelegt worden (Denecke und Kršner-Herwig, 2000)). Alle anderen in der Behandlung der kindlichen MigrŠne eingesetzten Verfahren inklusive der in Deutschland verbreiteten MigrŠne-DiŠt (oligoantigene ErnŠhrung) und der Homšopathie haben einen ungeklŠrten Stellenwert.
 



4.4 Alternative Therapien
Die Wirkung aerober Ausdauersportarten (Koseoglu et al., 2003) wie Schwimmen, Joggen oder Fahrradfahren ist wissenschaftlich belegt (⇑). Physiotherapie alleine ist nicht wirksam, verbessert aber in Kombination die Rate der Betroffenen, die auf verhaltenstherapeutische Verfahren ansprechen. Fźr die Homšopathie liegen bei Erwachsenen randomisierte, Placebokontrollierte Studien vor, die keine Wirksamkeit belegten.(⇓⇓) (Ernst, 1999, Walach et al., 1997, Walach et al., 2000, Whitmarsh et al., 1997). Akupunktur reduziert die HŠufigkeit von MigrŠneattacken. Scheinakupunktur hat dabei dieselbe Wirksamkeit wie klassische Akupunktur.

Es besteht ein Zusammenhang zwischen einem persistierenden Foramen ovale (PFO) und MigrŠne mit Aura. Wahrscheinlich liegt eine gemeinsame genetische Disposition vor. Es ist nicht gerechtfertigt, einen PFO Verschluss zur Prophylaxe der MigrŠne durchzufźhren.

Unwirksam sind nach Auffassung der Konsensusgruppe: Manualtherapie, cervikale Manipulation, chiropraktische Therapie, lokale Injektionen in den Nacken oder die Kopfhaut, Neuraltherapie, autogenes Training, Hypnose, klassische Psychoanalyse, TENS, hyperbare Sauerstofftherapie, Ozontherapie, Gebisskorrektur, Aufbi§schienen, Zahnextraktion, Entfernung von Amalgamfźllungen, DiŠten, Frischzell-Therapie, Reizstršme, Magnetstršme, Psychophonie, Tonsillektomie, Fu§reflexmassage, Sanierung vermeintlicher Pilzinfektionen des Darmes, Hysterektomie und Corrugatorchirurgie.

Unwirksame medikamentšse Therapien
Unwirksam in der medikamentšsen Therapie an Hand von Studien sind Bromocriptin, Carbamazepin, Diphenylhydantoin, Primidon, Diuretika, Clonidin, …strogene und Gestagene, Lithium, Neuroleptika, Proxibarbal, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Steiner et al., 1998), Diamox (Vahedi et al., 2002), Clomipramin, Montelukast (Brandes et al., 2004) und Lanepitant (Goldstein et al., 2001).
 



4.5 Autoren
Fźr die DGN: Hans-Christoph Diener, Volker Limmroth, Gźnther Fritsche, UniversitŠtsklinik fźr Neurologie Essen, Kay Brune, Institut fźr Pharmakologie und Toxikologie der UniversitŠt Erlangen, Volker Pfaffenrath, Neurologe, Mźnchen Fźr die DMKG: Peter Kropp, Institut fźr Medizinische Psychologie, UniversitŠtsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Arne May, Neurologische UniversitŠtsklinik Hamburg, Andreas Straube, Klinikum Gro§hadern, Neurologische Klinik der UniversitŠt Mźnchen, Stefan Evers, Klinik und Poliklinik fźr Neurologie, UniversitŠtsklinikum Mźnster

Federfźhrend Prof. Dr Hans-Christoph Diener, UniversitŠtsklinik fźr Neurologie, Hufelandstr. 55, 45147 Essen, e-mail
 



4.6 Verfahren zur Konsensbildung
Korrigiert durch die Kommission Leitlinien der DGN und den Vorstand der DGN. Als Entwurf publiziert in der Zeitschrift ăKopfschmerz-NewsŇ mit Mšglichkeit des Feed-backs an die Autorengruppe. Endgźltig verabschiedet in einer Sitzung der Autorengruppe am 17.12.2004 in Frankfurt
 



4.7 Kooperationspartner und Sponsoren
Diese Leitlinie entstand ohne Einflussnahme oder Unterstźtzung durch die Industrie. Die Kosten wurden von der DGN getragen. Mit Unterstźtzung des BMBF im Rahmen des Deutschen Kopfschmerzkonsortiums (01EM0117)

4.8 Literatur
Erstellungsdatum 01.01.2005



DMKG

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