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Kopfschmerz-News Juni 1997

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VI. Cluster-Kopfschmerz

1. **** Fanciullacci M, Alessandri M, Sicuteri R, Marabini S (1997). Responsiveness of the trigeminovascular system to nitroglycerine in cluster headache patients. Brain 120:283-288

Nitroglyzerin kann bei Cluster-patienten einzelne Schmerzattacken auslösen. Dieser Effekt wurde bisher der vasodilatierenden Wirkung von Nitroglyzerin zugeschrieben. Aller-dings ist der Zeitverlauf hierbei untypisch, da die vasodilatierende Wirkung sofort einsetzt, während die Clusterattacke meist erst nach 30 – 60 min ausgelöst wird. Die italienische Arbeitsgruppe untersuchte daher, ob die Auslösung einer Clusterattacke möglicherweise durch die Freisetzung von Calcitonin gene related peptide (CGRP) im trigeminovaskulären System ausgelöst wird. In die Studie wurden 19 Patienten mit Clusterkopfschmerzen aufgenommen. 11 von ihnen waren in einer akuten Clusterperiode, die anderen außerhalb der Clusterperiode. Bei allen Patienten wurden während des Experimentes Blutproben aus der V. jugularis externa entnommen. In diesen Serumproben wurde CGRP mit einem Immunoassay gemessen. Nitroglyzerin löste nur bei den Patienten eine Clusterattacke aus, die sich in einer Clusterperiode befanden. Die durchschnittliche Latenzzeit bis zu Beginn der Clustersymptome betrug 27 min. Wenn die Clusterattacke ihren Höhepunkt erreicht hatte, kam es auch zu einem signifikanten Anstieg von CGRP im venösen Blut. Zu Beginn der Clusterattacke war dies nicht der Fall. Bei den Patienten, bei denen keine Attacke ausgelöst wurde, kam es auch zu keinem Anstieg von CGRP. Die vorliegende Studie legt nahe, daß Nitroglyzerin nicht ausschließlich vasodilatierend wirkt sondern auch zu einer Aktivierung des trigemino-vaskulären Systems und zur Freisetzung vasoaktiver Neuropeptide führt. Dies erklärt ausreichend, warum die vasodilatierende Wirkung nach sublingualer Applikation sofort, die Clusterattacke selbst aber erst nach 30 min beginnt. (HCD)

2. * Montagna P, Lodi R, Cortelli P, Pierangeli G, Iotti S, Cevoli S, Zaniol P, Barbiroli B (1997) Phosphorus magnetic resonance spectroscopy in cluster headache. Neurology 48: 113-118.

Montagna et al. untersuchten 14 Patienten mit Clusterkopfschmerz im Kopfschmerz-freien Intervall und 9 Patienten während eines Clusters, jedoch nicht während einer Kopfschmerzattacke mit Hilfe der Kernspin-Spektroskopie. Im Lobus occipitalis war eine Veränderung der ATP-Biosynthese nachweisbar: Zunahme der ATP-Produktion, Zunahme der ADP-Konzentration und Abnahme des Phosphorylierungs-potentials (ein Maß für die Verfügbarkeit freier Eergie in der Zelle). Die Autoren folgern, daß ein Defekt der “mitochondrialen Atmung” vorliegt, ähnlich wie er auch bei Migräne gefunden wurde.

Die durchweg schwer verständlich geschriebene Veröffentlichung liefert keine wesentlichen neuen Erkenntnisse zum Clusterkopf-schmerz. Die Verallgemeinerung einer Veränderung der Energie-produktion (ATP-Synthese) im “Gehirn” von Clusterpatienten ist zu undifferenziert. Lediglich im Material und Methodenteil ist erwähnt, daß der Lobus occipitalis untersucht wurde, ohne genauere Angaben, welcher Anteil untersucht wurde. Die Veränderungen der ATP-Synthese können aus dieser Untersuchung allein nicht als stellvertretend für das gesamte Gehirn angesehen werden. Auch können die von den Autoren gefundenen Veränderungen nicht als Defekt beschrieben werden, da eine Zunahme ATP-Produktion gefunden wurde. Die Produktion von ATP als dem letztendlichen Energielieferanten der Zelle ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, insbesondere von der neuronalen Aktivität zum Zeitpunkt der Untersuchung. Die Autoren beschreiben aber nicht, was die Probanden während der Untersuchung taten – auch mentale Aktivität äußert sich als Zunahme des Energieverbrauchs. Die beobachteten Veränderungen könnten somit auch Ausdruck neuronaler Aktivität sein, die in keinem Zusammenhang mit der Kopfschmerzanamnese der Patienten steht – zumal nicht klar ist, welcher Anteil des Lobus occipitalis untersucht wurde. (MJ)

DMKG