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Kopfschmerzen als Warnsymptom

 

Forschungsergebnisse

“Gefährliche Kopfschmerzen”

oder

Kopfschmerzen als Warnsymptom

K.-H. Grotemeyer


 
Bei sogenannten “Chronischen Kopfschmerzen” hat der “Schmerz” seine Warnfunktion verloren und ist als ein eigenständiges Krankheitsbild zu sehen. Bis eine solche Diagnose sicher steht, ist Kopfschmerz wie jeder Schmerz als Warnsymptom des Körpers zu verstehen.

Dieses macht deutlich, warum die Abklärung und Behandlung von Kopfschmerzen grundsätzlich in die Hand des für den Kopf zuständigen Spezialisten, des Neurologen , gehört. Ein übersehene Gefäßmißbildung, die später (nach wenigen “Migräne-Attacken”) platzt, ein übersehener Hirntumor oder eine falsch interpretierte TIA oder auch nur ein progredientes subdurales Hämatom bedeuten zwangsläufig für den Patienten gefährliche Situationen, die oft nicht mehr behebbare lebenslange Folgen hinterlassen können.

Daher ist es wichtig, zumindestens die Grundlagen zu kennen, auf denen sich die Schulmedizin bewegt, um “gefährliche Kopfschmerzen” d.h., Kopfschmerzen, die als Warnsymptom gesehen werden müssen , zu differenzieren. Selbst bei der Trigeminusneuralgie oder anderen Gesichtsneuralgien ist vor der Annahme einer idiopathischen Form, die als chronischer Gesichtsschmerz zu behandeln ist, aber immer zunächst von einer symptomatischen Form auszugehen, um einen Tumor als Ursache nicht zu übersehen.

Relativ einfach zu differenzieren sind Kopfschmerzen im Zusammenhang mit akuten Ereignissen. Bei posttraumatischen Kopfschmerzen ist neben der Möglichkeit eines Spannungskopfschmerzes neben der Verletzung der Wirbelsäule auch an eine intrakranielle oder sub- bzw. epidurale Blutung zu denken. Bei Kopfschmerz nach körperlicher Belastung bleibt neben der Subarachnoidalblutung im wesentlichen der Hypertoniekopfschmerz. Auch bei Kopfschmerzen auf entzündlicher Basis läßt sich nicht nur an die Sinusitis maxillaris, sondern auch an eine Virusencephalitis denken. Auch können bestimmte Strukturen des Kopfes eigenständige, geradezu typische Kopfschmerzen hervorrufen. Genannt sei hier der Glaukomanfall, aber auch das Costensyndrom z.B. bei Bißfehlstellung. (TAB.1) Leistungsabfall und Kopfschmerzen können Hinweis auf eine larvierte Depression sein, es kann aber auch bei HIV-infizierten Hinweis auf einen Befall des Zentralnervensystems als AIDS- Manifestation bedeuten. Anfallsartige (migräneartige) Kopfschmerzen mit nur intermittierenden und unterschiedlichen neurologischen “Auren” sind oft ein Hinweis auf ein offenes Foramen ovale. Diese TIA´s sind kleine Hirinfarkte, die einer entsprechenden Behandlung zugeführt werden müssen. Für den Neurologen sind sie allerdings relativ einfach mit Hilfe der transcraniellen Dopplersonographie zu diganostizieren. Ein Übersehen dieser Möglichkeit führt dann leicht zur Vermutung einer Hirninfarkthäufung bei Migränepatienten.

Tabelle 1 Differenzierung symptomatischer Kopfschmerzsyndrome

Meist helfen eine ausführliche Anamnese und die klinisch-neurologische Untersuchung , die einzelnen Kopfschmerz-Komponenten schon zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung enger einzugrenzen, so daß nur bei wenigen eindeutigen Symptomkombinationen eine invasivere Diagnostik erforderlich wird.

Eine weitere Differenzierung ergibt sich aus der “Art” des Kopfschmerzes, wenngleich hier immer eine gewisse Unsicherheit bleiben muß.

Tabelle 2 Vom Kopfschmerzcharakter zur möglichen differentialdiagnostischen Zuordnung

Hinweise zu einem pragmatischen Vorgehen: Problematisch ist, daß auch Migränepatienten eine Subarachnoidalblutung haben können. Daher ist grundsätzlich auch bei gesicherter Migräne von einem Nicht- Migränekopfschmerz auszugehen, wenn der Kopfschmerz anders als sonst, z.B. extrem stark ist.

  1. Jeder sich ändernde Kopfschmerz bedarf einer neuen Abklärung durch einen Facharzt.

    Morgendliches Erbrechen und später dann zunehmender Kopfschmerz ist auch ohne fokalneurologische Symptomatik eher als Tumorkopfschmerz oder auch gelegentlich als Hypertoniekopfschmerz anstatt als Migräne einzustufen.

  2. Morgendliches Erbrechen à neurologische Abklärung erforderlich.

    Kommt es erst im späteren Lebensalter zu einem Kopfschmerzsyndrom, so ist, selbst wenn die Kriterien der IHS zur Annahme einer Migräne erfüllt sind, an andere Kopfschmerzformen, z.B. ein Subdurales Hämatom mit intermittierender Zunahme zu denken.

  3. Vorsicht bei erstmaligen revidierenden Kopfschmerzen im höheren Lebensalter (so ab 40)!

    Kopfschmerzen unter Antihypertensiva können harmlos sein, z.B. als Nebenwirkung eines Ca- Antagonisten. Alternativ könnte es aber auch ein Hinweis auf eine schlechte zerebrale Durchblutung ( z.B. RR-Absenkung und Viskositätserhöhung unter Diuretika) sein. In einem solchen Falle könnte sich ein Hirninfarkt entwickeln.

  4. Kopfschmerzen unter medikamentöser Dauertherapie sind bis zum Beweis des Gegenteils Warnsymptome

    Kommen neben den Kopfschmerzen – auch nur vorübergehend – fokal neurologische Zeichen zum Tragen (Hemiparese), ist bei erstmaligem Auftreten immer an eine zerbrale Läsion anstatt an eine reine Funktionsstörung im Sinne einer Migräne zu denken. Aber auch wiederholte Anfälle mit unterschiedlichen Ausfällen sind ein Argument gegen die Annahme einer Migräne

  5. Kopfschmerzen, die von neurologischen Ausfällen gefolgt sind, sind immer ein ernster Hinweis auf eine zerebrale Läsion.
  6. Kopfschmerzen , die mit fokalen Ausfällen beginnen, können auch etwas anderes als eine Migräne mit Aura sein – z.B. ein Hirninfarkt bei offenem Foramen ovale..
  7. Die Diagnose einer Basilarismigräne sollte nur der Spezialist nach sorgfältiger Untersuchung stellen.

    Kommen Allgemeinsymptome wie Abgeschlagenheit und Fieber hinzu, kann auch der Kopfschmerz “unspezifisch” sein, kommt aber ein Durchgangssyndrom oder auch nur ein endständiger Meningismus hinzu, ändert sich sofort die Gesamteinschätzung. Encephalitis, aber auch Meningitis, sind jetzt präferierte Arbeitshypothesen.

  8. Fieber und Kopfschmerz sind unspezifisch, solange es hierbei bleibt. Führend für die weitere Abklärung und Behandlung ist nicht der Kopfschmerz

    Epileptische Anfälle im Zusammenhang mit Kopfschmerzen sind durchaus nicht harmlos, sondern lassen an einen Hirntumor, einen Abzess, eine Gefäßmißbildung, aber auch an eine Ischämie im Basilariskreislauf oder eine größere Embolie im Carotiskreislaufgebiet denken.

  9. Kopfschmerz + Epileptische Anfälle gehören umgehend abgeklärt.

    Kopfschmerzen, die sich über Tage entwickeln und dann in Übelkeit bis hin zum Erbrechen steigern, können zwar einen harmlosen Spannungskopfschmerz darstellen. Wenn es aber erstmals zu einem solchen Geschehen kommt, ist eine intracerebrale Raumforderung z.B. ein nachlaufendes chronisches Subdurales Hämatom nach Bagatelltrauma nicht immer primär auszuschließen.

  10. Langsam auftretende Kopfschmerzen sind nicht immer nur ein Spannungskopfschmerz. Eine neurologische Abklärung ist auch vor Annahme eines Spannungskopfschmerzes unbedingt erforderlich.

Zusammenfassend haben sicher mehr als 95% der Patienten, die einen Arzt wegen Kopfschmerzen aufsuchen, einen nicht gefährlichen chronischen Kopfschmerz. Der gefährliche Kopfschmerz bleibt aber der “Elfmeter” für Arzt und Patient. – In jedem Falle ist es aber wichtig, besonders bei der Absicherung der Erstdiagnose auf einen Spezialisten zurückzugreifen, damit eine ausreichende diagnostische Sicherheit entsteht. Andernfalls führen nämlich die dauernde Angst vor gefährlichen Kopfschmerzen zu zahlreichen teuren bildgebenden Verfahren und der Patient mit tatsächlich nicht gefährlichen chronischen Kopfschmerzen wird – weil verunsichert – sich nicht mit der konsequenten und adäquaten Behandlung seiner Kopfschmerzen zufriedengeben können. Dieses führt dann letztlich zu Frustrationen bei Ärzten und Patienten.

DMKG
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