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Migräne, Akuttherapie

*** Leira R, Dualde E, del Barrio H, Machuca M, López-Gil A, on behalf of the Spanish Group for the Study of Triptan Consumption in Community Pharmacies. Almotriptan versus rizatriptan in patients with migraine in Spain. Headache 2003;43:734-741

Zusammenfassung: Üblicherweise werden randomisierte Studien zur Wirksamkeit von Triptanen in großen Kopfschmerzzentren mit selektionie rten Patientenpopulationen durchgeführt. Die spanischen Neurologen haben in der Zwischenzeit eine Infrastruktur aufgebaut, in der sie die Wirksamkeit von Triptanen bei den Patienten untersuchen, die mit einem normalen Rezept das Medikament in der Apotheke erwerben. So untersuchten sie die Wirkung von 2,5 mg Almotriptan und 10 mg Rizatriptan bei 126 Patienten, davon 85% Frauen, die gebeten wurden, in einem Kopfschmerztagebuch die Wirksamkeit ihres Triptans zu dokumentieren. Auf diese Weise kamen 318 dokumentierte Migräneattacken zusammen. So wurden 122 Attacken mit Rizatriptan, 110 mit Almotriptan und 86 mit der üblichen Medikation, die keine Triptane enthielt, behandelt. Die mittlere Zahl der Triptantabletten war mit 1,19 Tbl. signifikant geringer für Rizatriptan als mit 1,43 Tbl. für Almotriptan. 78% der Patienten konnten ihre Attacke mit 1 Tbl. Rizatriptan behandeln, was bei Almotriptan nur bei 58% der Fall war. Die Zufriedenheit der Patienten mit der klinischen Wirkung nach 2 Std. betrug 85% für Rizatriptan und 68% für Almotriptan. Der Unterschied war statistisch signifikant. Die Studie legt nahe, dass zumindest in Spanien zur Behandlung akuter Migräneattacken weniger Tabletten von Rizatriptan notwendig sind als von Almotriptan.

Kommentar: Der Vorteile der hier durchgeführten Studie ist, dass sie die klinische Realität widerspiegelt. Die Patienten müssen ihre Medikamente selbst bezahlen und erwerben das Medikament in einer Apotheke. Wesentlicher Nachteil der Studie ist, dass die Patienten genau wissen, was sie einnehmen, dass die Behandlung nicht randomisiert ist und das Zielkriterien verwendet wurden, wie sie üblicherweise in Migränestudien nicht als primäres Zielkriterium Verwendung finden. Leider wurden in der Publikation die Prozentzahlen für eine Besserung der Kopfschmerzen und Schmerzfreiheit nach 2 Std. nicht angegeben, so dass kein Vergleich mit den üblichen plazebo-kontrollierten Studien möglich ist. (HCD)

**** Reuter U, Sanchez del Rio M, Carpay JA, Boes CJ, Silberstein SD, for the GSK Headache Masters Program. Placebo adverse events in headache trials: headache as an adverse event of placebo. Cephalalgia 2003;23:496-503

Zusammenfassung: Die Zulassungsbehörden verla ngen aus gutem Grund für die Zulassung eines neuen Medikamentes zur Akuttherapie oder Prophylaxe der Migräne plazebo- kontrollierte Studien. Eine Plazebogruppe dient nicht nur dazu, zu ermessen, wie wirksam eine Substanz ist, sondern ist auch sehr hilfreich, um festzustellen, ob geklagte Nebenwirkungen wirklich etwas mit der eigenen Substanz zu tun haben. Die Autoren haben insgesamt 57 Studien aus dem Bereich der Akuttherapie und der Prävention bzgl. der Nebenwirkungen unter der Einnahme von Plazebo analysiert. In den Studien wurden orale Triptane, nichtsteroidale Antirheumatika, Mutterkornalkaloide und im Bereich der präventiven Therapie Betablocker, Magnesium, Valproinsäure, Topiramat, Lisinopril und Acetazolamid eingesetzt. Bei den Triptanstudien berichteten zwischen 20 und 30% der Patienten über mindestens eine Nebenwirkung, wobei die häufigsten Nebenwirkungen unter Plazebo Licht- und Lärmempfindlichkeit, Übelkeit und Erbrechen waren. Interessant war, dass in den Triptanstudien auch bei bis zu 2% der Patienten nach Placebo über ein Engegefühl auf der Brust geklagt wurde. Bei den Studien mit nichtsteroidalen Antirheumatika überwogen überwiegend die Symptome der Migräne selbst. Dies galt auch für den Einsatz von Mutterkornalkaloiden. Bei den Studien zur Migräneprophylaxe waren die häufigst geklagten Nebenwirkungen von Plazebo Parästhesien, gastrointestinale Beschwerden, Übelkeit, Müdigkeit und Schwindel.

Kommentar: Diese eindrucksvolle Analyse von Nebenwirkungen durch Plazebo zeigt, dass das Mitführen einer Plazebogruppe bei Migränestudien unabdingbar ist. Dies ist manchmal Ethikkommissionen schwer verständlich zu machen. Die hier vorliegende Analyse belegt aber ganz eindeutig, dass man, um die Nebenwirkungen einer neuen Substanz zur Akuttherapie oder Prophylaxe ermessen zu können, dies nur im Vergleich zu der Nebenwirkungsrate von Plazebo möglich ist. (HCD)

***Färkkilä M, Olesen J, Dahlöf C, Stovner LJ, ter Bruggen JP, Rasmussen S, Muirhead N, Sikes C. Eletriptan for the treatment of migraine in patients with previous poor response or tolerance to oral sumatriptan. Cephalalgia 2003;23:463-471

Zusammenfassung: Eletriptan ist ein relativ neues Triptan, dass gegenüber dem Standard, nämlich Sumatriptan, verbesserte pharmakokinetische Eigenschaften hat. Es wird insbesondere rascher resorbiert und eine höhere Affinität zu 5- HT1B/1D Rezeptoren. Im klinischen Alltag kommt es bei bis zu 1/3 aller Patienten vor, dass sie auf ein bestimmtes Triptan zur Behandlung ihrer Migräneattacken entweder nicht ansprechen oder das entsprechende Medikament wegen Nebenwirkungen nicht erneut nehmen wollen. In diesen Fällen sollte dann ein anderes Triptan ausprobiert werden. Die s geschah hier im Rahmen einer kontrollierten Studie. In die doppelblinde Parallelgruppen- und plazebokontrollierte Studie wurden 446 Patienten mit einer Migräne mit und ohne Aura aufgenommen, die zuvor entweder keine ausreichende Wirkung von Sumatriptan in oraler Form aufgewiesen hatten, oder Sumatriptan wegen Nebenwirkungen nicht einnehmen wollten. Die Patienten wurden im Verhältnis 2:1 mit 40 mg Eletriptan (n=188), 80 mg Eletriptan (n=171) oder Plazebo (n=87) randomisiert. Die Patie nten konnten bis zu 3 konsekutive Migräneattacken mit Studienmedikation behandeln. Das primäre Zielkriterium, nämlich Besserung der Kopfschmerzen von mittelschwer oder schwer innerhalb der ersten 2 Std. erreichten 59% der Patienten in der 40 mg Eletriptangruppe, 70% in der 80 mg Eletriptangruppe und 30% in der Plazebogruppe. Beide Dosierungen von Eletriptan waren signifikant wirksamer als Plazebo. Eine Besserung der Kopfschmerzen bereits innerhalb einer Stunde beobachteten 40 und 48% in der Eletriptan- 40 und 80 mg Gruppe und nur 15% in der Plazebogruppe. Eletriptan war auch signifikant besser wirksam als Plazebo für den Parameter schmerzfrei nach 2 Std. Die Konsistenz von Eletriptan war gut. Eine Wirkung bei mindestens 2 von 3 Attacken hatten 66 bzw. 72% der Patie nten mit 40 und 80 mg Eletriptan verglichen mit 15% Plazebo (Unterschied signifikant). Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Übelkeit, Erbrechen, ein Schwächegefühl und ein Engegefühl im Bereich der Brust.

Kommentar: Diese Studie zeigt, dass es sehr wohl Sinn macht, bei Patienten, die auf ein bestimmtes Triptan nicht ansprechen, ein anderes Triptan einzusetzen. Dabei wird man sinnvollerweise versuchen, ein potenteres Triptan als das ursprünglich verwendete einzusetzen. Die hier durchgeführte Studie zeigt, dass Eletriptan auch bei Patienten wirksam ist, bei denen zuvor Sumatriptan nicht wirksam war. Eine Schwäche der Studie ist alle rdings, dass die Unwirksamkeit von Sumatriptan nicht unter kontrollierten Bedingungen erhoben wurde, sondern die Untersucher sich auf die Angaben der Patienten verließen. Idealerweise hätte man die Patienten zunächst gebeten, nochmals 3 konsekutive Attacken mit Sumatriptan zu behandeln und dann nur die echten non-Responder in die Studie eingeschlossen. (HCD)

**** Eikermann A, Diener HC. Effect of active treatment is lower when using placebo control in clinical trials on acute therapy of migraine. Cephalalgia 2003; 23: 344-347

Zusammenfassung: Die Autoren untersuchten die brisante Frage, ob die Tatsache, dass in einer akuten Migräne- Therapie -Studie ein Placeboarm mitgeführt wird, die Verum- Antwort beeinflusst. Zu diesem Zweck wählten sie aus 522 publizierten und in Medline aufgeführten Studien zwischen den Jahren 1964 und 1997 zufällig 100 Studien aus und untersuchten mit statistischen Methoden nicht allein den Verum- Effekt der aktiv getesteten Substanz, sondern auch als Einflussfaktor die Qualität der Studie, gemessen an Randomisierung, Verblindung, Zahl der Zentren und Zahl der Patienten. Insgesamt war bei den 61 Studien mit Placebo-Kontrolle der Verum-Effekt im Median 61 %, während bei nicht Placebokontrollierten Studien der Verum- Effekt bei 71,5 % lag. Die Verblindung war mit der Placebo- Kontrolle verknüpft und konnte deshalb nicht als unabhängiger Faktor bewertet werden. Alle anderen Faktoren hatten keinen Einfluss auf den Verum-Effekt. Die Autoren schlossen daraus, dass bei verblindeten Placebokontrollierten Studien Patient und Arzt eine komplexe Erwartungshaltung generieren, die den Verum-Effekt signifikant unterschätzt. Die s hat für das Studiendesign zukünftiger akuter Migräne-Studien hohe Bedeutung.

Kommentar: Dies scheint die erste Studie zu sein, die im Bereich Schmerz den Einfluss des Studiendesigns auf die Verum-Antwort prinzipiell untersucht. Das Ergebnis reflektiert die Erfahrung aus anderen Akut-Migräne-Studien, dass ein vorhersehbarer sehr kleiner Placebo-Anteil eine höhere Verum-Antwort und eine besonders geringe Placebo- Antwort impliziert. Hier wird nun umgekehrt gezeigt, dass ein Placebo-Anteil grundsätzlich die Verum-Antwort abschwächt und damit auch den Nutzen der an sich wirksamen Therapie im Rahmen einer Studie reduziert. Die Schlussfolgerung, dass Placebo-kontrollierte Studien nur bei hohen Qualitätsansprüchen sinnvoll und zu rechtfertigen sind, wird damit eindeutig unterstrichen. Eine Reihe von methodischen Fragen sollte jedoch gestellt werden: 1. Warum haben die Autoren Migräne-Studien von 1964 bis 1997 eingeschlossen, obwohl die IHS-Kriterien als gültige Ein- und Ausschlusskriterien bei klinischen Studien erst seit ihrer Publikation 1988 Gültigkeit hatten? 2. Wie sind die Autoren damit umgegangen, dass das Wirksamkeitskriterium klinischer Studien im genannten Zeitraum sehr uneinheitlich ist, während erst mit Einführung der sogenannten „Glaxo- Kriterien“ ein einheitliches primäres Zielkriterium für Akut-Therapie -Studien gewählt wurde? 3. Nachdem die Anzahl der Studien so hoch ist, warum wurden randomisiert 100 Studien von 532 ausgewählt und nicht beispielsweise 10 Studien pro Jahr aus den Jahren 1990 bis 2000? Abgesehen von diesen Fragen wird diese Untersuchung einen unzweifelhaft starken Einfluss auf die Planung weiterer Akut- Therapie -Studien haben. (SSH)


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