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Kopfschmerz-News


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9. Übersichtsartikel

**** Paulus W, Evers S, May A, Steude U, Wolowski A, Pfaffenrath V. Therapie und Prophylaxe von Gesichtsneuralgien und anderen Formen der Gesichtsschmerzen. Überarbeitete Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Schmerz 2003;17: 74-91

Zusammenfassung: In dieser Übersichtsdarstellung werden die derzeit für die Deutsche Migräne-und Kopfschmerzgesellschaft gültigen Therapieempfehlungen für Gesichtsneuralgien und andere Gesichtsschmerzen im Überblick zusammengestellt. Die Therapieempfehlungen stützen sich auf die Kriterien der auf Evidenz basierenden Behandlung (evidence based medicine, EBM). Dabei wird die gesamte zur Therapie eines Krankheitsbildes verfügbare Literatur nach den Prinzipien der wissenschaftlichen Beurteilbarkeit kritisch durchgesehen und nach Qualitätsrangordnungen aufgeteilt. Publikationen über Therapiestudien, die im Rahmen randomisierter, plazebo-kontrollierter, „sauberer“ Studien eine ausreichend positive Wirksamkeit belegen, haben die höchste Bewertung. In vorliegender Zusammenstellung werden aus einsichtigen Gründen der Praxisrelevanz die EBM-Studienergebnisse in 3 Kategorien aufgeteilt, nämlich in jene der adäquaten, validen klinischen Studien mit positiver bzw. negativer Aussage und die Gruppe jener, in denen keine eindeutigen Ergebnisse vorliegen, die eine günstige oder ungünstige Wirkung des Verfahrens belegen (z.B. inadäquate Studien, ev. widersprüchliche Studienergebnisse). Dargestellt werden die Therapieverfahren für die Trigeminusneuralgie, andere Gesichtsneuralgien, dem atypischen Gesichtsschmerz, das Tolosa-Hunt-Syndrom, das Nacken/Zungen-Syndrom, das kraniomandibuläre Dysfunktionssyndrom und den cervikogenen Kopfschmerz, aber auch für das burning mouth Syndrom und der Pseudotumor cerebri. Aussagedetails können hier in Hinblick auf den Umfang der Studie (18 Seiten) nicht angeführt werden.

Kommentar: Es ist eine der maßgeblichen Aufgaben (inter-)nationaler Kopfschmerzgesellschaften unmissverständlich zu Therapieverfahren wertend Position zu beziehen. Diese Tätigkeit wird von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft seit vielen Jahren verdienstvoll wahrgenommen, die Empfehlungen werden bedarfsweise aktualisiert. Die hier vorliegende Empfehlung zur Behandlung (Akuttherapie und Prophylaxe) von Gesichtsneuralgien und anderen Formen des Gesichtsschmerzes betrifft zwar nur eine – epidemiologisch gesehen kleinere Gruppe von Kopfschmerzen, die aber zumindest im Teilbereich der Gesichtsneuralgien mit besonders ausgeprägten Schmerzen einhergeht und deren Diagnose von den Betroffenen gefürchtet ist. Deswegen ist es besonders wichtig insbesondere für die Trigeminus- und Zosterneuralgie, die gesichert wirkenden, rasch wirksamen und effektiven akuten und in weiterer Folge prophylaktischen Maßnahmen kritisch zu diskutieren, um den Betroffenen schmerzhafte therapeutische Umwege zu ersparen. Die Empfehlungen entsprechen weitgehend jenen anderer Gesellschaften, was Dosierung, Vorgehensweise und Gewichtung der empfohlenen Maßnahmen (medikamentös bis invasivchiurgisch) betrifft. Dennoch wird es innerhalb der EBM Maßnahmen unterschiedliche individuelle Empfehlungen z.B. in Hinblick auf Rangordnung (1. Wahl etc.) geben. Eine Detailkritik ist im Hinblick auf den Umfang und die Komplexität dieses Artikels nicht möglich; dennoch sei erwähnt, dass Verfahren wie etwa die Akupunktur oder Botu-linumtoxin-Injektionen z.B. beim cervikogenen Kopfschmerz oder der Dysgnathie nicht näher bewertet werden. Es ist auch schwer nachvollziehbar, warum von einer bis dato in dieser Indikation relativ wenig etablierten Substanz wie Lamotrigin eine Dosierungsempfehlung bis ca. 500 mg pro Tag nahegelegt wird, wenn doch üblicherweise (in sehr langsamer Titrierung) Effekte schon bei 200 mg gesehen werden. Ob Opiate bei Neuralgien kurzzeitig additiv gegeben nicht doch eine Wirkung haben können, muß noch überprüft werden.

Besonders wichtig ist aber, dass u.a. hervorgehoben wird, wie wenig wirksam (zumindest auf EBM-Basis medikamentöse Therapiemaßnahmen beim atypischen Gesichtsschmerz sind und es sich zeigt, dass bei diesem keineswegs seltenen Schmerzbild derzeit keine ausreichende Therapie besteht. Vorteilhaft ist, dass in der Zusammenstellung zu den Krankheitsbildern nicht nur die Therapie sondern auch jeweils ein kurzer Überblick zur Definition, Symptomatik und Diagnostik angefügt sind. Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Konvolut, das jeder in diesem Bereich Therapierende zur Verfügung haben sollte. (PW)


DMKG