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Kopfschmerz-News

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8. Andere Kopfschmerzen

**** Scher A.I:, Lipton RB, Steward WF. Habitual snoring as a risk factor for chronic daily headache. Neurology 2003; 22: 1366-1368

Zusammenfassung: In der Arbeit wird die Prävalenz für Schnarchen bei Patienten mit chronic daily headache (CDH, n=206) mit der einer Kontrollgruppe (n=507) mit episodischen Kopfschmerzen verglichen. Die Patienten mussten angeben, ob sie „nie oder selten“ oder „weniger als die Hälfte der Zeit“ oder „mehr als die Hälfte der Zeit“ oder „immer“ schnarchen bzw. ob sie nicht wissen, ob sie schnarchen. Bei der Auswertung der Ergebnisse wurden Faktoren, die statistisch mit einer Atemstörung im Schlaf assoziiert sind wie Alter, Geschlecht, Familienstand, body mass index, Alkoholkonsum und Hypertonie, ferner auch Bedingungen, die mit chronischen Kopfschmerzen und Schlafstörungen einher gehen können (gegenwärtige Depression, Einnahme von Opioiden, Coffeinkonsum) statistisch berücksichtigt. Kernergebnis war, dass Patienten mit CDH häufiger schnarchen als die Kontrollgruppe (24% vs 14% [OR 2,02] gaben an, immer zu schnarchen. Patienten, die nicht wussten, ob sie schnarchen, wurden allerdings nicht berücksichtigt). Dieser Unterschied blieb auch dann signifikant, wenn die genannten Einflussfaktoren berücksichtigt wurden (OR 2,86). Bei gelegentlichen Schnarchern war die Odds Ratio grenzwertig erhöht, wenn Faktoren, die mit Atemstörungen im Schlaf assoziiert sind, einberechnet wurden (OR 1,77 bei Patienten, die mehr als die Hälfte der Zeit schnarchen; OR 1,14 bei Patienten, die weniger als die Hälfte der Zeit schnarchen.). Die Autoren schlussfolgern, dass Atemstörungen im Schlaf ein Ziel für therapeutische Interventionen sein könnten, sollte sich bei weiteren Untersuchungen ein kausaler Zusammenhang zwischen Atemstörungen und Kopfschmerzerkrankungen verifizieren lassen.

Kommentar: Die Arbeit greift den interessanten Zusammenhang zwischen Atemstörungen und Kopfschmerzerkrankungen auf. Ein Zusammenhang, der wahrscheinlich weit über das Schlaf-Apnoe-Syndrom oder vermehrtes Schnarchen hinausgeht und pathophysiologisch auf einer Störung der Schlafarchitektur beruhen könnte. Die Hauptschwäche der Arbeit beruht darauf, dass sämtliche Angaben zum Schnarchverhalten und dessen Ausprägung allein auf der Anamnese beruhen, die sich wiederum nur auf die Angaben Dritter beziehen kann. Patienten, die ihr Schnarchverhalten nicht kannten, wurden zudem nicht in der statistischen Auswertung berücksichtigt. Daher ist es möglich, dass die ermittelten ORs den Zusammenhang zwischen Kopfschmerz und Schnarchen falsch einschätzen.

Um die Zusammenhänge zwischen Schnarchen und dem CDH besser verfolgen zu können, sind Studien notwendig, die das Schlafverhalten und die Architektur des Schlafs objektiv erfassen, am besten im Rahmen einer Untersuchung im Schlaflabor. Nur so können die hier erhobenen epidemiologischen Daten überprüft und Hinweise auf die zugrunde liegende Pathophysiologie (Atemstörung vs. Störung der Schlafarchitektur) gewonnen werden. Zumindest ist eine erhöhte Komorbidität von Schlafstörungen und Kopfschmerzen aus epidemiologischen Studien bereits bekannt. Bei einigen primären Kopfschmerzerkrankungen (Migräne, Hypnic headache, Cluster) gibt es sogar Hinweise darauf, dass der Beginn der Kopfschmerzphase häufig (Hypnic headache), allerdings nicht regelhaft (Migräne) mit REM-Schlafphasen assoziiert sein kann. Die zugrunde liegenden elektrophysiologischen Zusammenhänge zwischen REM-Schlaf und der Schmerzgenerierung, z.B. durch Aktivierung des trigemino-autonomen Systems sind jedoch noch nicht geklärt. (SF)

*** Evers S, Goadsby PJ. Hypnic headache. Clinical features, pathophysiologty, and treatment. Neurology 2003;60:905-909.

Zusammenfassung: Der hypnic headache wurde erstmals 1988 von Raskin als eigenständige Kopfschmerzform beschrieben. Die vorliegende Publikation ist die erste systematische Übersichtsarbeit zu diesem Thema. Es werden die klinischen Charakteristika, die polysomnographischen Befunde aller bisher veröffentlichten 71 Fallberichte analysiert. Eingegangen wird auch auf die möglichen zugrundeliegenden pathophysiologischen Mechanismen und Therapieoptionen.

Die Autoren schlagen folgende Diagnosekriterien vor.

  1. Die Kopfschmerzen treten seit mindestens einem Monat und mindestens 15 x pro Monat auf.
  2. Der Patient erwacht durch die Kopfschmerzen.
  3. Die Dauer der Attacken beträgt im Durchschnitt 10180 Minuten.
  4. Es bestehen keine autonomen Begleitsymptom, wie sie bei beim Clusterkopfschmerz, der chronischen paroxysmalen Hemikranie etc. auftreten.
  5. Folgende Symptome sollten üblicherweise nicht zusammen mit den Kopfschmerzen vorkommen:
    • Nausea,
    • Photophobie,
    • Phonophobie,
    • Zunahme der Kopfschmerzintensität bei üblicher körperlicher Tätigkeiten.
  6. Erfüllung von mindestens einem der folgenden Punkte:
    • Kein Hinweis auf eine sekundäre Kopfschmerzform,
    • Eine sekundäre Kopfschmerzerkrankung ist durch geeignete Untersuchungsmethoden ausgeschlossen,
    • Bei Vorhandensein einer sekundären Kopfschmerzerkrankung tritt diese nicht in engem zeitlichen Zusammenhang zum hypnic headache auf.

Der hypnic headache wird in die Gruppe der „verschiedenartigen Kopfschmerzformen ohne strukturelle Läsion“ eingeordnet, da autonome Begleitsymptome meist fehlen. Da die Diagnosekriterien relativ unspezifisch sind, kann es z.T. zu Überschneidungen mit atypischen Formen des Cluster-Kopfschmerzes, der chronischen paroxysmalen Hemikranie oder dem episodischen Spannungskopfschmerz kommen. Bei den 71 beschriebenen Patienten lag das Erkrankungsalter im Schnitt bei 63 ± 11 Jahren (Range 26 – 83), Frauen scheinen doppelt so häufig betroffen zu sein wie Männer.

Die Prävalenz bzw. Inzidenz kann anhand der Literaturangaben nicht berechnet werden. Die Diagnose wurde in einer amerikanischen Kopfschmerzklinik bei 0,07% der Patienten gestellt, in einer deutschen Klinik bei 0,1%. 2/3 der Patienten graduieren die Schmerzintensität als mäßig, knapp 1/3 als stark, nur wenige Patienten als leicht. Der Schmerzcharakter wird überwiegend als dumpf oder po-chend/pulsierend angegeben. Bei 61% der Patienten manifestiert sich der Schmerz bilateral, bei 39% immer einseitig, davon bei 17% die Seite wechselnd. 56, 5% können den Schmerz nur diffus lokalisieren, 41,9% empfinden ihn überwiegend fronto-temporal, nur 1,6% posterior. Die durchschnittlich Dauer einer Kopfschmerzattacke ohne Behandlung beträgt 67 ± 44 Minuten (15 – 180 Minuten), die Frequenz liegt bei 1,2 ± 0,9 Attacken in 24 Stunden (maximal 6 Attacken/Nacht, minimal 1 Attacke/Woche). Bei 77% treten die Attacken zwischen 120 und 180 Minuten nach dem Einschlafen auf. Begleitsymptome sind nur bei wenigen Patienten vorhanden (9,7% autonome Symptome, 19,4% Nausea ohne Erbrechen, 6,8% mild ausgeprägte Photobzw. Phonophobie). Bei 7 Patienten wurde eine Polysomnographien durchgeführt. Davon trat bei 3 Patienten in der Ableitenacht kein Kopfschmerz auf, 3 Patienten hatten ihre Episoden ausschließlich beim Aufwachen aus dem REM-Schlaf, ein Patient beim Aufwachen aus dem Schlafstadium 3. Als prophylaktische Therapie der 1. Wahl wird Lithium vorgeschlagen. Auch Indomethacin, Flunarizin und Koffein zeigten eine Wirksamkeit.

Die pathophysiologischen Vorstellungen sind bisher spekulativ. Diskutiert wird eine Störung des chronobiologischen Rhythmus, da die Kopfschmerzen meist regelhaft zu einer bestimmten Uhrzeit auftreten (alarm-clock headache) und sich ebenso wie andere periodisch auftretende Erkrankungen (Clusterkopfschmerz und bipolare Störungen) gut durch Lithium behandeln lassen. Da auch Migräne-und Clusterkopfschmerzattacken häufig aus dem REM-Schlaf heraus auftreten, ist die Assoziation zum REM-Schlaf möglicherweise unspezifisch.

Kommentar: Diese gelungene Übersichtsarbeit macht mit dem Kopfschmerzsyndrom des hypnic headache das in der Klassifikation der IHS von 1988 noch nicht beschrieben war, vertraut. Da es dem Neurologen, der nicht auf Kopfschmerz spezialisiert ist, kaum möglich ist, sämtliche Einzelfallberichte zu neuen Kopfschmerzsyndromen zu lesen, ist die vorliegende Übersichtsarbeit für viele Neurologen sicher sehr aufschlußreich. Zur Verwirrung kann es kommen, da die Autoren in diesem Artikel Diagnosekriterien vorschlagen, die von jenen der IHS abweichen (neue Klassifikation vom Herbst 2003). Es ist nicht ganz klar, warum die Autoren dies tun, da sie selbst an der Erarbeitung der neuen Kopfschmerzklassifikation maßgeblich beteiligt waren. So fordert die IHS einen Erkrankungsbeginn nach dem 50. Lebensjahr, Nausea oder Photooder Phonophobie dürfen als Begleitsymptome vorhanden sein. In der vorliegenden Arbeit hingegen ist das Erkrankungsalter nicht in den Diagnosekriterien inkludiert. Das mag sinnvoll erscheinen, da bereits unter den wenigen bisher publizierten Patienten, auch einen Auftreten im mittleren Lebensalter beschrieben wird. Nicht eingegangen wird auf einen der 4 Patienten, die polysomnographisch untersucht wurden und in der Ableitenacht eine Kopfschmerzattacke hatten. Bei diesem sistierten die typischen Attacken eines hypnic headache nach Behandlung seines Schlafapnoesyndroms mit nasalem CPAP. (GJS)

*** Miyazawa K, Shiga Y, Hasegawa T, Endoh M, Okita N, Higano S, Takahashi S, Itoyama Y. CSF hypovolemia vs intracranial hypotension in „spontaneous intracranial hypotension syndrome“. Neurology 2003;60:941-947

Zusammenfassung: Beim spontanen Liquorun-terdruck-Syndrom kommt es ohne Liquorpunktion zu strickt Lageabhängigen heftigen Kopfschmerzen. Die japanischen Autoren untersuchten 10 Frauen mit einem spontanen Unterdruckkopfschmerz, bei denen der spinal gemessene Liquordruck allerdings normal war. In der Kernspintomographie des Rückenmarks fanden sie bei all diesen Patientinnen den Nachweis von Liquor extradural oder darüber hinaus dilatierte epidurale Venen. Sie schlußfolgern daraus, dass es Patienten gibt mit spontanem intrakraniellem Unterdruck-Syndrom und normalem Liquordruck, bei denen ein spinales Liquorleck vorliegt. Sie schlagen daher vor, dass Krankheitsbild in Zukunft nicht mehr intrakranielle Hypotension sondern Liquorhypovolämie-Syndrom zu nennen.

Kommentar: Bei den meisten Patienten mit einem Liquorunterdruck-Syndrom befindet sich auch ein entsprechend niedriger Liquordruck, wenn er spinal gemessen wird. Allerdings ist jedem Kliniker bekannt, dass es auch Patienten mit normalem Liquordruck, aber typischer klinischer Symptomatik gibt. Bei diesen Patienten ist eine spinale MR-Bildgebung zum Nachweis erweiterter epiduraler Venen zur Diagnosestellung gerechtfertigt. Auch diese Patienten sprechen übrigens auf einen lumbalen Blutpatch an. (HCD)

*** Farb RI, Vanek I, Scot JN, Mikulis DJ, Willinsky RA, Tomlinson G, terBrugge KG. Idiopathic intracranial hypertension. The prevalence and morphology of sinovenous stenosis. Neurology 2003;60:1418-1424

Zusammenfassung: Die kanadischen Autoren verwendeten eine neue Methode der Kernspinvenographie bei Patienten mit idiopathischer intrakranieller Druckerhöhung. Es handelt sich um die „autotriggered elliptic-centric-ordered three-dimensional gadoliniumenhanced MR venography“. In einer prospektiven Studie untersuchten sie 29 Patienten mit Pseudotumor cerebri und 59 Kontrollen. 3 verschiedene Neuroradiologen werteten die Bilder verblindet aus. Eine bilaterale Stenose des Sinus sigmoideus oder Sinus transversus wurde bei 27 von 29 Patienten mit Pseudotumor cerebri und bei 4 der 59 Kontrollen beobachtet. Die Autoren schließen daraus, dass bei den meisten Patienten mit Pseudotumor cerebri bisher nicht bekannte Stenosen oder Verschlüsse des Sinus transversus oder sigmoideus vorliegen.

Kommentar: Der Referent hat keinen Zweifel, dass die von den Autoren verwendete neue Form der MR-Venographie, die ATECO, einen Fortschritt darstellt. Nach eigenen Erfahrungen ist aber die Zahl und Häufigkeit der bilateral beobachteten Stenosen des Sinus sigmoideus und Sinus transversus in der Gruppe der Patienten mit Pseudotumor cerebri sicher zu hoch. Unsere eigenen Erfahrungen stützen sich auf die traditionelle Angiographie. Die Autoren haben allerdings Recht, dass eine sog. idiopathische intrakranielle Druckerhöhung nur dann unterstellt werden kann, wenn durch eine adäquate Methode Stenosen oder Verschlüsse der großen ableitenden Sinus ausgeschlossen sind. (HCD)

****Karppi S-L, Kautianinen H, Airaksinen O. Active neck muscle training in the treatment of chronic neck pain in women. A randomized controlled trial. JAMA 2003; 289: 2509-2516

Zusammenfassung: Kopfschmerzen, Nackenschmerzen und Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerden im klinischen Alltag. Epidemiologische Studien zeigen, dass die Prävalenz chronischer Nackenschmerzen 7% bei Frauen und 5% bei Männern beträgt. Obwohl dieses Krankheitsbild sehr häufig ist, gibt es kaum vernünftige randomisierte Studien zur Therapie chronischer Nackenschmerzen. In Finnland wurden 180 Frauen, die als Sekretärin oder Angestellte in Büros arbeiten, im Alter zwischen 25 und 53 Jahren mit chronischen Nackenschmerzen für die Studie rekrutiert. Die Schmerzen mußten seit mindestens 6 Monaten bestehen. Patientinnen mit Schleudertrauma der Halswirbelsäule oder radikulären Schmerzen, bedingt durch Bandscheibenvorfälle oder knöcherne Veränderungen der Halswirbelsäule, wurden ausgeschlossen. Die Frauen wurden entweder 2 Trainingsgruppen oder einer Kontrollgruppe mit je 60 Teilnehmerinnen zugeordnet. In einer Gruppe wurde in einem Rehabilitationszentrum überwiegend ein Ausdauertraining für die Nackenmuskeln durchgeführt. Die zweite Trainingsgruppe wurde in einer Technik unterrichtet, in der isometrische Spannungsübungen der Nackenmuskulatur mit einem elastischen Band trainiert wurden. Beide Trainingsgruppen erlernten darüber hinaus dynamische Übungen für die Schultermuskulatur und die Muskulatur der oberen Extremitäten. Beide Gruppen wie auch die Kontrollgruppe sollten darüber hinaus dreimal wöchentlich 1/2 Std. Aerobic und Muskeldehnungsübungen durchführen. In den beiden aktiven Trainingsgruppen fanden insgesamt 9 Sitzungen statt, dann sollten die Patientinnen die Übungen selbständig fortführen.

Primärer Endpunkt der Studie waren Nackenschmerz und Beeinträchtigung gemessen auf einer visuellen Analogskala. Die Folgeuntersuchungen erfolgten nach 2, 6 und 12 Monaten. Nach 12 Monaten hatten sowohl der Nackenschmerz wie die Beeinträchtigung durch Nackenschmerzen in beiden Trainingsgruppen verglichen mit der Kontrollgruppe signifikant abgenommen. Die Kraft der Nackenmuskulatur hatte im Schnitt um 110% zugenommen. Auch die passive Beweglichkeit der Halswirbelsäule war in den beiden Trainingsgruppen signifikant besser als in der Kontrollgruppe.

Kommentar: Es ist immer wieder beeindruckend, dass es für die häufigsten Krankheitsbilder wie Kopfschmerzen, Rücken-und Nackenschmerzen kaum Studien gibt, die die Wirkung von Krankengymnastik, Fitness-Training oder physikalischer Therapie in einem randomisierten Design untersucht hätten. Die hier vorliegende Studie ist deswegen eindrucksvoll, weil sie ganz auf die Gabe von Medikamenten verzichtet und sich auf das Erlernen von Übungen konzentrierte, wie sie von erfahrenen Krankengymnastinnen und Krankengymnasten vermittelt werden können. Ein gravierender Nachteil ist allerdings, dass ein solch intensives Trainingsprogramm in der Regel das Budget eines Kassenarztes für Krankengymnastik sprengt, während er relativ problemlos Medikamente gegen die Schmerzen verschreiben könnte. Hier wäre ein Umdenken im Gesundheitssystem wünschenswert. (HCD)

**** Kasch H, Bach FW, Stengaard-Pedersen K, Jensen TS. Development in pain and neurologic complaints after whiplash. Neurology 2003;60:743-761

Zusammenfassung: Die Arbeitsgruppe um Helge Kasch untersuchte in der hier vorgestellten Studie den prospektiven Verlauf von 141 Patienten nach Schleudertrauma über einen Zeitraum von 12 Monaten zu den Untersuchungszeitpunkten 1 Woche sowie 1, 3, 6, und 12 Monate im Vergleich zu einer 40 Patienten umfassenden Kontrollgruppe von Patienten nach Sprunggelenksdistorsion. Die untersuchten Zielparameter waren Schmerzintensität und Schmerzfrequenz (von Kopf-, Nacken-, Schulter-/Arm-und lumbale Schmerzen) sowie Auftreten assoziierter Symptome. In der Gruppe der Schleudertraumapatienten zeigte sich keine unterschiedliche initiale Schmerzintensität (mediane Gesamt VAS 20) im Vergleich zu den Patienten mit Sprunkgeleksdistorsion (mediane Gesamt VAS 15), während sich die Schmerzintensität nach 11 bzw. 12 Tagen (VAS 23 vs. 0) und nach 12 Monaten (VAS 14 vs. 0) signifikant unterschied. Signifikant different war ebenfalls die Schmerzfrequenz nach 11 bzw. 12 Tagen (96% vs. 33%) sowie nach 12 Monaten (74% vs. 47%). Weiterhin traten bei den Schleudertraumapatienten 2 bis 3 mal häufiger neurologische Symptome auf, die eine signifikante Korrelation mit der Schmerzintensität zeigten. Bei 12% der Schleudertraumapatienten wurde ein Persistieren der Symptomatik beobachtet, das zusätzlich mit reduzierten Leistungen in der Arbeitskraft einherging. Risikofaktoren hierfür waren höhere initiale Schmerzintensität, ~frequenz, zunehmende Bewegungseinschränkung und niedrigerer Bildungsstand. Die Autoren schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass in hoher Frequenz bei jedoch niedriger Intensität sowohl bei Schleudertraumawie auch Patienten mit Sprunggelenksdistorsion posttraumatische Schmerzen auftreten. Für das Überdauern posttraumatischer Symptome, die nur bei Patienten mit Schleudertrauma auftreten, werden sowohl für Nackenverletzungen spezifische Faktoren, wie auch unspezifische posttraumatische Reaktionen verantwortlich gemacht.

Kommentar: Die Autoren legen zum ersten Mal Ergebnisse einer prospektiven Beobachtungsstudie bei Schleudertraumapatienten vor, die mit einer Kontrollgruppe von Patienten mit vergleichbarem traumatischen Ausmaß geführt wird, wobei das Trauma jedoch an einer entfernten Körperstelle (distale untere Extremität) auftritt. Die Studie ist methodisch sehr gut geplant, ein methodischer Bias wurde durch den konstanten Einsatz eines Untersuchers (HK) sowie durch genaue Analysen der Studienverweigerer, Ausschlüsse und Drop-outs versucht zu minimieren, konnte jedoch nicht ausgeschlossen werden. Der Einsatz der Kontrollgruppe gewährleistet darüber hinaus eine Berücksichtigung des möglichen konfundierenden Faktors „Teilnahme an klinischer Observation“. Interessant ist auch die Beobachtung, dass schleudertraumaähnliche Symptome auch in der Distorsionsgruppe auftreten, was den Schluß nahe legt, dass andere Faktoren als das lokale Trauma selbst für die Entwicklung posttraumatischer Beschwerden im allgemeinen verantwortlich sind. Diese Beobachtungen entsprechen zum einen dem biopsychosozialen Schmerzmodell von Ferrari, zum anderen lassen sie sich mit Beobachtungen von Nederhand et al. 2003 in Einklang bringen, die eher eine Abnahme der EMG-Aktivität in den betroffenen Nackenmuskeln bei zunehmender Schmerzintensität beschrieben haben. Die Einordnung dieser Faktoren als dass „der Nacken eine kritischere Struktur darstellt“ wird leider nicht weiter diskutert. Wenig neues gibt es auch in der Beantwortung der Frage zu Risikofaktoren der Chronifizierung. Hier hätte die Studie sicherlich von der Anwendung subtiler Auswertungsroutinen unter Berücksichtigung multipler Regressionsanalysen, von Varianzanalysen und Vorhersagemodellen profitiert. (PS)


DMKG