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Kopfschmerz-News

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01. Migräne, Epidemiologie

*** Hershey AD, Powers SW, Vockell AL, LeCates S, Kabbouche MA, Maynard MK. Development of a questionaire to assess disability of migraine in children. Neurology 2001; 57:2034-2039

Zusammenfassung: Ziel der Studie war ein Analogon zum Fragebogen zu entwerfen und somit die funktionelle Beeinträchtigung durch Migräne bei Kindern und Jugendlichen zu erfassen. Ein Fragebogen mit sechs Punkten wurde erstellt und die Validität anhand von korrelierenden Scores der Kopfschmerzfrequenz und Intensität erstellt. Eine Test/Retest Reliabiltität wurde nach zwei Wochen durchgeführt. Der Endpunkt war die absolute Veränderung des Scores nach Behandlung. Insgesammt 441 Patieten von 724 Patienten wurden mit dem Fragebogen untersucht, wobei der initiale Score 44,3 ± 47,9 betrug, beim ersten folgenden Besuch reduzierte sich der score auf 20.0 ± 32.3. Die Reliabilität wurde für 56 Patienten erhoben, die Validität hinsichtlich Frequenz, Schwere und Dauer betrug 0,58; 0,27 und 0,23. Die Autoren folgern durch diesen Fragebogen ein Instrument zu entwickeln dass die funktionelle Beeinträchtigung von Schulkindern und Adolescenten erfasst und den Behandlungserfolg misst.

Kommentar: Die Gewichtung der Fragen bezieht ein Drittel den schulischen Bereich, zwei Drittel den ausserschulischen Bereich ein. Dies mag für Grundschulkinder gelten trifft jedoch die Anforderungen eines 15 jährigen nicht mehr. Insgesammt erscheint es schwierig eine so altersdifferent Gruppe mit einem Fragebogen zu beurteilen, da sich gerade in dieser Phase des Lebens enorme intra und interindividuelle Unterschiede in der Bewertung der Wichtigkeit bestimmter Felder ergeben. Deutlich wird, dass die untersuchte Population Kinder die in tertiäre Zentren zugewiesen worden sind. Die Zahl der Kopfschmerztage ist mit 9,5 pro Monat hoch. Der Artikel geht sehr detailliert auf statistische Methoden der Durchführung ein. Dem Leser werden übersichtliche Tabellen und Hinweise auf vertiefende Daten online geboten. Unklar bleibt jedoch in welcher Weise Therapie (Änderung der Attackentherapie oder Etablierung einer Prophylaxe) eingesetzt hat. Zu bedenken ist auch dass allein das Monitoring von Kopfschmerzen im Kindesalter zumindest über einen Zeitraum von drei Monaten zu einer drastischen Reduktion von Kopfschmerztagen führen kann. Kritisch anzumerken ist zudem dass der Grad der funktionellen Beeinträchtigung im Kindesalter auf einem Gebiet in der individuellen Wertung schwanken kann – ein 9jähriges Kind mag Schulausfall viel höher bewerten als ein pubertierendes 15 jähriges Mädchen.

Obwohl ein solches Instrument wünschenswert erscheint zumal wenn eine Verbreitung auf primär versorgende Kinderärzte und Hausärzte erfolgt um funktionelle Beeinträchtigung durch Migräne bereits im Kinder und Jugendlichen Alter zu erfassen scheint aufgrund der Heterogenität der Gruppe ein solcher Fragebogen schwierig anzuwenden. (AE)

**** Hagen K, Stovner LJ Vatten L, Holmen J, Zwart J-A, Bovim G: Blood pressure and risk of headache: a prospective study of 22 685 adults in Norway. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2002;72:463-466

Zusammenfassung: Die Kollegen aus Trondheim berichten über die Ergebnisse einer epidemiologischen Studie, die initial 85100 Einwohner älter als 20 Jahren einer Region in Norwegen umfasste. Dabei wurden in den Jahren 1984 bis 1986 (HUNT-1) von 77310 von inital 85100 angeschriebenen Personen einerseits verschiedene Fragen, wie z.B. der Analgetika-Verbrauch, beantwortet und dann bei diesen Personen auch der Blutdruck, Puls und Blutzucker sowie Größe und Gewicht bestimmt. Die Kopfschmerz-Symptomatik wurde damals nicht explizit abgefragt. Insgesamt gaben 41581 Probanden an, niemals Schmerzmittel eingenommen zu haben. In einer zweiten Umfrage (HUNT-2), die zwischen 1995 und1997 durchgeführt wurde, wurden u.a. auch 13 Fragen zur Kopfschmerz-Symptomatik mit eingeschlossen. 22720 Probanden, die sich schon unter den 41581 Personen ohne Schmerzmitteleinnahme der ersten Studie befanden, nahmen diesmal erneut teil. 6317 (28%) von diesen initial vermutlich kopfschmerzfreien Probanden gaben jetzt Kopfschmerz an, wobei insgesamt 7% einen migräneartigen Kopfschmerz und 21% einen nicht-migräneartigen Kopfschmerz, definiert als Fehlen von klaren Aura-Symptomen, Fehlen einer pulsatilen Qualität und Einseitigkeit des Kopfschmerzes, bzw. Fehlen von Übelkeit und Photo- und Phonophobie definiert, hatten. Im weiteren wurde die Auftrittswahrscheinlichkeit von Kopfschmerzen in Beziehung zu dem initial 1984 bis 1986 gemessenen Blutdruck gesetzt. Dabei fand sich im wesentlichen für Frauen als auch Männer ein ähnliches Ergebnis: Personen mit einem Blutdruck > 150 mmHg systolisch, bzw. diastolisch > 90 mmHg, hatten ein reduziertes Risiko, später einen nicht-migräneartigen Kopfschmerz zu entwickeln. Es fand sich keine klare Beziehung zwischen Blutdruck und der Wahrscheinlichkeit einer Migräne. Frauen schienen dabei insbesondere, was den Einfluss des systolischen Blutdrucks und jüngeren Lebensalter angeht, einen größeren Unterschied zu zeigen als Männer. Für beide Geschlechter fand sich um das 60. Lebensjahr eine deutliche Reduktion der Kopfschmerz-Prävalenz. Als mögliche Erklärung diskutieren die Autoren den bekannten Zusammenhang zwischen Baroreflex und Modulation der Schmerzverarbeitung. So ist auch tierexperimentell bekannt, dass eine Hypertension mit einer relativen Hypalgesie einhergeht, welches möglicherweise auf Endorphine und noradrenerge Mechanismen der Blutdruckregulation im Hirnstamm beruht.

Kommentar: Es handelt sich um eine interessante große epidemiologische Studie. Wie bei allen epidemiologischen Studien ergeben sich Schwierigkeiten, einzelne Fragen eindeutig zu klären. In der vorgelegten Studie gilt das insbesondere für die initiale Kopfschmerzhäufigkeit. Da diese nicht in der initialen epidemiologischen Studie 1984 bis 1986 direkt abgefragt wurde, müssen die Autoren den Analogie-Schluss machen, dass Probanden, die keine Analgetika einnehmen, auch keinen Kopfschmerz haben. Dieses ruft natürlich einige Unschärfen hervor. Andererseits sind die gefundenen Prävalenzen von etwa 7% Migräne in der Bevölkerung und 21% nicht-migräneartigen Kopfschmerzen glaubwürdig. Unklar ist, inwieweit die geänderten Blutdruckgrenzen in der Berechnung der Odds-Ratios (hier wurde die Grenze > 160 mmHg gelegt) im Vergleich zur im Text angegebenen initialen Grenze von > 150 mmHg Einfluss auf die statistische Auswertung hat. Überhaupt muss einschränkend beachtet werden, dass es sich bei den Blutdruckgrenzen um relativ willkürliche Werte handelt, die kein metrisches Verhältnis wiedergeben, da ein Bereich von 90-99 mmHg nich unbedingt mit einem < 90 mmHg verglichen werden kann. Andererseits bestätigt die Studie frühere kleinere Studien, bzw. auch tierexperimentelle Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen Blutdruck und Schmerzwahrnehmung zeigen. Indirekt stützen diese Ergebnisse auch das Konzept, dass das eine primären Störung der zentralen Schmerzverarbeitung im Sinne einer zentralen Sensitivierung die Ursache des Spannungskopfschmerzes ist, da nur die Häufigkeit nicht-migräne-artigen Kopfschmerzen durch einen erhöhten Blutdruck, der ja die Schmerzschwellen anhebt, reduziert war. Daneben bestätigt die Studie die IHS-Klassifikation, die erhöhten RR nicht automatisch als Kopfschmerzursache ansieht. (AS)

*** Dzoljic E, Sipentic S, Vlajinac H, Mrinkovic J, Brzakovic B, Ponkrajac M, Kostic V: Prevalence of Menstrually related Migraine and Nonmigraine Primary Headache in Female students of Belgrade University. Headache 2002;42:185-193

Zusammenfassung: Ziel der Studie war es, die Prävalenz von menstrueller Migräne und Kopfschmerzen bei Studentinnen der Belgrader Universität zu erfassen. Dazu wurde ein Fragebogen verteilt, der sich zum einen an IHS Kriterien zum anderen an Anne MacGregors strikter Definition von menstrueller Migräne orientierte. (MM ist Migräne plus / minus 2 Tage vor und nach der Menstruation und sonst zu keinem anderen Zeitpunkt). Von 1943 Studentinnen (Alter 18-28 Jahre) litten 66,8% (1298) an primären Kopfschmerzen, wobei 12,6% (245) Migräne und 54,2% (1053) andere Kopfschmerzen hatten. Die Prävalenzraten zu verschiedenen Zeitpunkten im Zyklus zeigt die folgende Tabelle:

  Nicht migränöser Kopfschmerz 54,2% Migräne 12,6%
Premenstruell 2-7 Tage vor Mens 4,4% 0,9%
Menstruell 1,5% 1,5%
menstruell verstärkt mit zusätzlichen nicht menstruellen Attacken 10,1% 6,1%
Nicht menstruelle/menstruelle Attacken ohne Verstärkung 19,2% 2,7%
nicht menstruell gebunden 18,9% 1,4%

Kommmentar: Überraschenderweise berichtete keine der Patientinnen einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Ersteinnahme der Pille und Auftreten von Migräne. Dieses mag an der kleinen Population mit hormoneller AK in dieser Stichprobe liegen (72,5 % hatten einen irregulären Zyklus). Studentinnen mit menstrueller Migräne berichteten eine positive Familienanamnese für Migräne und alle Subgruppen eine deutlich verminderte Produktivität zu Zeiten des Kopfschmerz / der Migräne. Die epidemiologischen Daten zur Prävalenz liegen etwas niedriger als in vergleichbaren Erhebungen, was wahrscheinlich an der Population (Studentinnen, Alter) liegen liegt. Die Daten zur reinen menstruellen Migräne (12%) liegen höher als bei Mac Gregor (7,2%). Die Unterschiede zu MacGregor mögen durch das unterschiedliche Kollektiv begründet sein, wobei bei MacGregor Patientinnen mit hormoneller Antikonzeption nicht in die Erhebung eingingen. Dieser Artikel bietet über die eher eintönige Erhebung von epidemiologischen Daten hinaus aber einen exzellenten Überblick über die Studienlage zu menstrueller Migräne und ist daher lesenswert. (AE)


DMKG