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Clusterkopfschmerz

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6. Clusterkopfschmerz

*** Torelli P, Cologno D, Cademartiri C, Manzoni GC. Possible predicitive factors in the evolution of episodic to chronic cluster headache. Headache 2000;40:798-808.

Zusammenfassung: Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, mögliche prädiktive Faktoren für die Entwicklung eines chronischen Clusterkopfschmerzes aus einer primär episodischen Verlaufsform heraus zu identifizieren. Hierfür erfolgte eine retrospektive Auswertung von Krankenakten von Patienten, die zwischen 1975 und 1998 im Kopfschmerzzentrum Parma aufgrund von Clusterkopfschmerzen behandelt wurden. Verglichen wurden dabei die Krankheitsverläufe von insgesamt 28 Patienten mit einem chronischen Clusterkopfschmerz (CCH) nach primär episodischem Verlauf mit denen einer Kontrollgruppe von 258 Patienten mit einem episodischen Clusterkopfschmerz (ECH). Bedingung für die Aufnahme in die Kontrollgruppe war dabei ein episodisches Auftreten von Clusterkopfschmerzen seit mindestens 4,5 Jahren bei Frauen und 7 Jahren bei Männern, Zeitspannen, nach denen die 28 Patienten mit sekundär chronischen Clusterkopfschmerzen im Mittel aus einer episodischen in eine chronische Verlaufsform übergegangen waren. Die beiden Gruppen (CCH und ECH) unterschieden sich nicht in der Geschlechtsverteilung (Männer:Frauen = 2,5:1) und der Häufigkeit von mitbetroffenen Familienmitgliedern ersten Grades (CCH 7,1%; EEH 5%), so daß weder Geschlecht noch die Familienanamnese das Risiko einer sekundären Chronifizierung eines episodischen Clusterkopfschmerzes zu beeinflussen scheinen. Auffällig war hingegen, daß Patienten der CCH-Gruppe bei erstem Auftreten von Clusterkopfschmerzattacken im Durchschnitt älter waren als Patienten der ECH-Gruppe, wobei bei den Frauen der Unterschied besonders deutlich ausgeprägt war (CCH: 36,1 Jahre; ECH: 25,7 Jahre). Vor der sekundären Chronifizierung wies die CCH-Gruppe mehr Patienten mit längeren Clusterkopfschmerzperioden (mehr als 8 Wochen), mit häufigeren Clusterkopfschmerzperioden (mindestens 2 Perioden im Jahr) und mit kürzeren Remissionsperioden (unter 6 Monaten) auf. Hinsichtlich der Attackencharakteristika auffällig war, daß in der CCH-Gruppe mehr Patienten eine von den IHS-Kriterien abweichende Attackendauer von unter 15 Minuten bzw. von über 180 Minuten aufwiesen, mehr Patienten mindestens 5 clusterkopf-schmerztypische Begleitsymptome beschrieben und die linke Kopfhälfte häufiger betroffen war als in der ECH-Gruppe.

Zum Zeitpunkt des ersten Auftretens von Clusterkopfschmerzattacken rauchten 93% in der CCH- und 79,5% in der ECH-Gruppe. Einen täglichen Alkoholkonsum bei Diagnosestellung gaben 67,9% in der CCH- und 71,7% in der ECH-Gruppe an. Patienten der CCH-Gruppe nahmen jedoch deutlich häufiger mehr als 100g Alkohol täglich zu sich und Frauen dieser Gruppe rauchten im Schnitt doppelt so viel Zigaretten wie in der Vergleichsgruppe. Ein Schädel-Hirn-Trauma mit Bewußtlosigkeit war in beiden Gruppen dem Auftreten von Clusterkopfschmerzattacken in gleicher Häufigkeit vorangegangen, während Schädelprellungen ohne Bewußtlosigkeit von mehr Patienten der CCH-Gruppe berichtet wurden.

Kommentar: Ca. 10 bis 15% der Clusterkopfschmerzpatienten weisen eine chronische Verlaufsform der Erkrankung auf. Neben den primär chronisch verlaufenden Formen treten dabei auch sekundär chronische Formen nach primär episodischem Verlauf auf. In Anbetracht der im Vergleich zur episodischen Form eingeschränkten Behandlungs-möglichkeiten (nicht jede wirksame Clusterkopfschmerz-pro-phylaxe ist auch für eine Dauertherapie geeignet, z.B. Prednisolon, Ergotamin, Methysergid) bei gleichzeitig immensem Leidensdruck ist die Identifizierung von möglichen prädiktiven Faktoren für und damit vor einer sekundären Chronifizierung von großem Interesse. Die Aussagekraft der vorliegenden Untersuchung wird sicherlich durch die geringe Fallzahl der Patienten insbesondere in der CCH-Gruppe eingeschränkt, wobei dies bei der relativen Seltenheit der Erkrankung verständlich ist. Sicherlich handelt es sich auch bei der Arbeit mehr um eine umfangreiche Auflistung retrospektiv ermittelter Variablen, in denen sich Patienten mit CCH und ECH möglicherweise unterschieden, als um eine sichere Ermittlung prädiktiver Faktoren. So könnte z.B. letztlich nur eine prospektive Untersuchung feststellen, ob eine Veränderung des Alkohol- oder Nikotinkonsums bei Patienten mit ECH im Vergleich mit einer Kontrollgruppe tatsächlich einen Einfluß auf eine mögliche Chronifizierung hat.

Der Wert der Studie liegt darin, daß das gewählte Thema überhaupt erstmals umfangreich bearbeitet wurde und damit Clusterkopfschmerzpatienten und -therapeuten für dieses Thema sensibilisiert werden. Auch bei noch ausstehender Verifizierung der genannten möglichen Prädiktoren, lassen sich doch praktische Konsequenzen ableiten. Wenn die Untersuchung u.a. zu dem Ergebnis kommt, daß eine höheres Alter bei erstmaligem Auftreten von Clusterkopfschmerzattacken (insbesondere bei Frauen), kurze Remissionsphasen, lange und häufige Clusterkopfschmerzperioden ein erhöhtes Risiko für eine sekundäre Chronifizierung darstellen, so stellt sich in diesen Fällen die Frage, ob nicht eine effektive und gut verträgliche Prophylaxe über ein Ende der aktuellen Clusterkopfschmerzepisode weitergeführt werden sollte. Und jeder Patient sollte seinen Genußmittelkonsum überdenken – wenn schon nicht wegen seiner Gesundheit im allgemeinen, dann wegen des Clusterkopfschmerzes im speziellen. (AHK)


DMKG