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Spannungskopfschmerz

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7. Andere Kopfschmerzen

*** Graff-Radford SB. SUNCT syndrome responsive to gabapentin (Neurontin). Cephalalgia 2000;20:515-517

Zusammenfassung: SUNCT ist ein Syndrom mit kurzdauernden unilateralen neuralgiformen Schmerzen überwiegend im Bereich des Auges, der Stirn und der Schläfe mit konjunktivaler Injektion Tränen, Rinorrhö und Schweißneigung. Die einzelnen Attacken treten sehr häufig auf und sind sehr kurz, d.h., sie dauern nur 2-3 Minuten. Im vorliegenden Fall wird ein 48jähriger Mann beschrieben, der seit über 10 Jahren unter einem SUNCT Syndrom litt. Alle gängigen therapeutischen Verfahren waren versucht worden. Lediglich die Gabe hochdosierten Cortisons war wirksam, wobei dies wegen der Nebenwirkungen nicht über längere Zeit fortgeführt werden konnte. Der Patient wurde dann auf Gabapentin eingestellt, wobei ab einer Tagesdosis von 1800 mg die Attacken verschwanden. Nachdem er innerhalb der Vereinigten Staaten umgezogen war, bekam er kein Gabapentin mehr verschrieben. Die Schmerzattacken kehrten daraufhin sofort zurück. Drei Jahre später erfolgte ein erneuter Therapieversuch und diesmal war Gabapentin in einer Tagesdosis von 3 x 900 mg erneut wirksam. Unter dieser Behandlung ist der Patient über einen Zeitraum von 12 Monaten schmerzfrei.

Kommentar: Das SUNCT Syndrom ist außerordentlich selten und die Behandlung schwierig. Die hier gemachte Beobachtung kann vom Referenten bestätigt werden, der ebenfalls einen seiner Patienten mit SUNCT erfolgreich mit Gabapentin, in diesem Fall in einer Tagesdosis von 1600 mg, behandelt hat. (HCD)

* Gilron I, Booher SL, Rowan JS, Smoller B, Max MB. A randomized, controlled trial of high-dose dextromethorphan in facial neuralgias. Neurology 2000;55:964-971

Zusammenfassung: Tierexperimentell spielt die Freisetzung von Glutamat eine wichtige Rolle bei der Chronifizierung von Schmerzen. NMDA-antagonisten wie Ketamin oder Dextromethorphan können zumindest im Tierexperiment chronische neuropathische Schmerzen lindern. Im vorliegenden Fall wurde eine kleine randomisierte doppelblinde crossover Studie an 19 Patienten mit Gesichtsschmerzen durchgeführt. Nach einer jeweils sechswöchigen Behandlungsphase wurde dann auf die gegenteilige Behandlung umgesetzt. 11 der Patienten hatten Gesichtsschmerzen mit einer Neuropathie des N. trigeminus, 5 hatten eine Anaesthesia dolorosa und 3 eine idiopathische Trigeminusneuralgie. Dextromethorphan wurde langsam aufdosiert bis zur Toleranzgrenze. Bei den Patienten mit einer Trigeminusneuropathie und Anaesthesia dolorosa war Dextromethorphan unwirksam. Bei den Patienten mit Trigeminusneuralgie wirkte Dextromethorphan im Vergleich zu Plazebo sogar schmerzverstärkend. Von drei Patienten, die während der Studie einen positiven Effekt zeigen, konnte nur einer einen reproduzierbaren therapeutischen Effekt im weiteren Verlauf belegen.

Kommentar: Diese Studie untersuchte an einer viel zu kleinen und völlig inhomogenen Patientengruppe die mögliche Wirkung von Dextromethorphan bei Gesichtsschmerzen. Das Ergebnis ist eindeutig negativ. Dessen ungeachtet ist die Studie methodisch unbrauchbar, da eine wilde Mischung von Gesichtsschmerzen ganz unterschiedlicher Ätiologie in die Studie eingeschlossen wurde. Die Tierexperimente belegen auch weniger eine Wirkung von NMDA-antagonisten bei bereits bestehenden neuropathischen Schmerzen, sondern eher bei der Verhinderung neuropathischer Schmerzen nach der Akutphase des Schmerzes. Dieser Aspekt wurde in der vorliegenden Studie überhaupt nicht berücksichtigt. Für den Referenten erstaunlich ist es, dass eine so schlechte Studie in einer Zeitschrift wie Neurology publiziert werde konnte. Dies ist einzig und allein dadurch zu erklären, dass die Autoren aus den Vereinigten Staaten kommen. (HCD)

**** Evans RW, Armon C, Frohman EM, Goodin DS. Assessment: prevention of post-lumbar puncture headaches. Report of the Therapeutics and Technology Assessment Subcommittee of the American Academy of Neurology. Neurology 2000;55:909-914

Zusammenfassung: Die Amerikanische Neurologische Gesellschaft gibt immer wieder literaturgestützte Beurteilungen zu bestimmten diagnostischen therapeutischen Verfahren heraus. In diesem Fall haben die Autoren, die zur Verfügung stehende englischsprachige Literatur zu diesem Problem durchgearbeitet und kommen zu den folgenden Schlussfolgerungen:

Die Häufigkeit postpunktioneller Kopfschmerzen hängt von der Nadeldicke ab. Wird die Nadel im 90° Winkel zu den Durafasern eingeführt, reduziert dies ebenfalls die Häufigkeit postpunktioneller Kopfschmerzen. Atraumatische Nadeln sind besser als Nadeln mit scharfer Spitze. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Menge des Liquors, die entnommen wurde bzw. Dauer der Bettruhe nach der Punktion und dem Auftreten postpunktioneller Kopfschmerzen. Flüssigkeitszufuhr verhindert nicht das Auftreten postpunktioneller Kopfschmerzen.

Kommentar: Insgesamt ist erstaunlich, wie wenig die hier publizierten und zusammengefassten Ergebnisse in den klinischen Alltag Eingang gefunden haben. Angesichts der höheren Kosten von atraumatischen Nadeln werden diese insgesamt selten eingesetzt. In dem Artikel wird nicht auf die Tatsache eingegangen, dass bestehende postpunktionelle Kopfschmerzen durch einen sogenannten Blutpatch behandelt werden können. (HCD)

**** Thomas SR, Jamieson DRS, Muir KW. Randomised controlled trial of atraumatic versus standard needles for diagnostic lumbar puncture. BMJ 2000;321:986-990

Zusammenfassung: Postpunktionelle Kopfschmerzen sind eine typische Komplikation einer diagnostischen Liquorpunktion oder einer Spinalanästhesie. Ein wesentlicher Faktor ist die Größe der Nadel. Größere Nadeln führen häufiger zu Kopfschmerzen als Nadeln mit geringerem Durchmesser. Seit einiger Zeit gibt es auch verschiedene Modelle atraumatischer Punktionsnadeln. Die hier verwendete Nadel ist die sogenannte Sprotte-Nadel, die einen Durchmesser von 20 Gauge hat. In die randomisierte Studie wurden 116 Patienten aufgenommen, bei denen eine diagnostische Liquorpunktion notwendig war. Patienten mit erhöhtem Hirndruck und Patienten mit chronischen Kopfschmerzen wurden ausgeschlossen. Für die Endauswertung standen 48 Patienten zur Verfügung, die mit normalen Nadeln punktiert worden waren und 49 Patienten, die mit der atraumatischen Nadel punktiert wurden. Bei den Patienten, die mit der Standardnadel punktiert worden waren, kam es bei 26/48 zu postpunktionellen Kopfschmerzen im Vergleich zu 14/49 mit der atraumatischen Nadel. Dies entspricht einer 26%igen Risikoreduktion zugunsten der atraumatischen Nadel. Eine Behandlungsnotwendigkeit posttraumatischer Kopfschmerzen war nach Verwendung der atraumatischen Nadel um 20% reduziert. Bei 31 Patienten gelang die Punktion beim ersten Mal mit der atraumatischen Nadel im Vergleich zu 37 Patienten mit der Standardnadel. Der Unterschied war aber statistisch nicht signifikant. Obwohl die einzelnen Ärzte den Umgang mit der atraumatischen Nadel etwas schwieriger empfanden, war der Gesamtzeitaufwand für die Liquorpunktion mit beiden Nadeltypen identisch. Durch Verwendung einer atraumatischen Nadel kann die Häufigkeit von posttraumatischen Kopfschmerzen bei diagnostischen Liquorpunktionen verringert werden.

Kommentar: Die diagnostische Liquorpunktion hat in den vergangenen Jahren viel von ihrem Schrecken verloren. Dies liegt zum einen daran, dass dünnere Nadeln als früher verwendet werden und zum anderen, dass in vielen Kliniken atraumatische Nadeln zum Einsatz kommen. Eine weitere Möglichkeit, die häufig vergessen wird, ist die Schnittfläche der Nadel nicht horizontal sondern vertikal einzuführen. In der hier durchgeführten Studie zeigt es sich allerdings, dass die Punktion mit atraumatischen Nadeln bei deutlich übergewichtigen Patienten technisch scheitert. Hier müssen dann die traditionellen Nadeln angewandt werden, wobei in dieser Patientenpopulation dessen ungeachtet posttraumatische Kopfschmerzen seltener sind. Trotz des höheren Preises ist der Einsatz atraumatischer Punktionsnadeln gerechtfertigt, da hierdurch unangenehme Konsequenzen für die Patienten vermieden werden und die Liegezeit im Krankenhaus verkürzt wird. Atraumatische Nadeln sind auch ideal für Liquorpunktionen im ambulanten Setting. (HCD)

Solaro C, Messmer Uccelli M, Uccelli A, Leandri M, Mancardi GL. Low-dose gabapentin combined with either lamotrigine or carbamazepine can be useful therapies for trigeminal Neuralgia in multiple sclerosis. Eur Neurol 2000;44:45-48

Zusammenfassung: In einer nicht verblindeten, nicht kontrollierten Pilotstudie wurde die Wirksamkeit von Gabapentin in Kombination mit entweder Carbamazepin oder Lamotrigin bei der Trigeminusneuralgie bei 11 Patienten mit einer fortgeschrittenen Multiplen Sklerose untersucht. Sechs Patienten wurden zunächst mit Carbamazepin und 5 Patienten zunächst mit Lamotrigin behandelt und zeigten hierunter eine leicht- bis mittelgradige Reduktion der Schmerzintensität. Wegen des Auftretens schwerer unerwünschter Nebenwirkungen wurde die Carbamazepin-Dosis von durchschnittlich 670 mg/Tag auf 400 mg/Tag und die Lamotrigin-Dosis von durchschnittlich 210 mg/Tag auf 150 mg/Tag erniedrigt. Durchschnittlich wurden 850 bzw. 780 mg Gabapentin hinzu kombiniert. Dies führte bei 10 von 11 Patienten zur vollständigen Schmerzfreiheit. Ein Patient litt weiterhin unter leichten Schmerzen. Gleichzeitig konnten leichtgradige Nebenwirkungen bei lediglich 2 der 11 Patienten beobachtet werden. Schlussfolgernd erwies sich die Kombinationsbehandlung einer lange bestehenden Trigeminusneuralgie bei Multiple-Sklerose-Patienten bestehend aus entweder Gabapentin und Carbamazepin oder Gabapentin und Lamotrigin als erfolgreich. Gleichzeitig konnte eine weitestgehende Vermeidung von Nebenwirkungen durch die Applikation beider Substanzen in niedriger bis mittlerer Dosierung erreicht werden.

Kommentar: Gabapentin hat seine Wirksamkeit bei der Behandlung einiger neuropathischer Schmerzformen unter Beweis gestellt und besitzt in Deutschland mittlerweile eine Zulassung für die Behandlung der diabetischen Neuropathie. Die Erfahrungen bei der Behandlung der Trigeminusneuralgie sind ebenfalls positiv, jedoch vergleichsweise gering. Die vorliegende Studie weist auf eine Wirksamkeit von Gabapentin in der Kombination mit Carbamazepin oder Lamotrigin hin. Das Erstaunliche ist, dass hierfür nur niedrige bis mittlere Dosierungen aller Medikamente notwendig waren. Hierdurch konnten gleichzeitig Nebenwirkungen weitestgehend vermieden werden. Zu postulieren ist hier ein additiver Effekt verschiedener Wirkmechanismen. Während einer der Hauptwirkmechanismen bei Lamotrigin und Carbamazepin die Hemmung eines spannungsabhängigen Natriumkanals ist führt Gabapentin zu einem Anstieg von GABA-Spiegeln im Gehirn und verändert offensichtlich zusätzlich den Metabolismus und die Konzentration von Glutamat. Neben der geringen Fallzahl von N=11 gibt es allerdings weitere Schwachpunkte der Arbeit. So erfährt man beispielsweise nichts über die Serumkonzentrationen der beteiligten Medikamente. Auch die Zeitachse der Auftittrierung der Medikamente und der Beobachtungszeitraum werden nicht genannt. Von den Autoren selbst wird die Durchführung größerer, randomisierter, doppelblinder Vergleichsstudien gefordert. Erst hierdurch wird zu entscheiden sein, ob die obigen Kombinationstherapien den Monotherapien mit den gleichen Medikamenten in Punkto Wirksamkeit und Verträglichkeit überlegen sind. (AH)


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