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5. Spannungskopfschmerz

*** Ashina M, Bendtsen L, Jensen R, Schifter S, Jansen-Olesen I, Olesen J. Plasma levels of calcitonin gene-related peptide in chronic tension-type headache. Neurology 2000; 55:1335-1339

Zusammenfassung: Calcitonin-gene-related-peptide (CGRP) ist ein vasoaktives Peptid, dem eine Schlüsselrolle in der Pathogenese des Migränekopfschmerzes zugeschrieben wird. Anfang der neunziger Jahre konnten Goadsby und Edvinsson während Migräneattacken einen erhöhten CGRP-Spiegel im Blut der V. jugularis externa nachweisen. Dies wurde als ein Hinweis dafür angesehen, dass CGRP während der Migräneattacke aus den kraniellen trigeminalen C-Fasern ausgeschüttet wird. Ferner konnte bei Migränepatienten auch interiktual ein erhöhter CGRP-Spiegel im peripheren Blut nachgewiesen werden.

In der vorliegenden Studie wurde nun die mögliche Rolle von CGRP in der Pathophysiologie des Spannungskopfschmerzes untersucht. Zu diesem Zweck wurden bei 30 Patienten mit chronischem Spannungskopfschmerz interiktual und 34 Kontrollpersonen CGRP-Spiegel im Blut der V. cubitalis untersucht. Bei 15 Patienten und 20 Kontrollpersonen wurde zusätzlich die CGRP-Konzentration im Blut der V. jugularis externa und V. cubitalis während der Kopfschmerzphase und interiktual untersucht. Die Spannungskopfschmerzpatienten hatten im peripheren Blut interiktual etwas höheren CGRP-Spiegel (63 +/-5 pmol/l) als Kontrollpersonen. Statistisch gesehen war jedoch dieser Unterschied nicht signifikant (p=0,06). Ebenfalls kein Unterschied ergab sich zwischen der CGRP-Konzentration während der Kopfschmerzphase und interiktual. Das wichtigste Ergebnis dieser Studie zeigte sich jedoch nach der Subanalyse der klinischen Charakteristika der Spannungskopfschmerz-patienten: die 8 Patienten, deren Kopfschmerz einen pulsierenden Charakter hatte (jedoch keine anderen Migräne-Symptome, somit nach den IHS-Kriterien Spannungskopfschmerz) wiesen eine signifikant höhere CGRP-Konzentration (77 +/- 8 pmol/l) auf als Kontrollen (53 +/- 3 pmol/l). Die Autoren schließen, dass möglicherweise bei einem Teil der Spannungskopfschmerzpatienten ähnlich der Migräne eine gestörte Speicherung und Freisetzung von CGRP vorliegt.

Kommentar: Die vorliegende Arbeit ist ein wichtiger Versuch in der Aufklärung der Pathogenese des Spannungskopf-schmerzes. Die Beobachtung, dass ein Teil der Patienten mit Spannungskopfschmerz (nach aktuellen IHS-Kriterien), die jedoch einen pulsierenden Kopfschmerzcharakter haben und so dem Migränekopfschmerz ähnelt, einen erhöhten CGRP-Spiegel, und somit möglicherweise eine gestörte Speicherung und Freisetzung von CGRP aufweisen, ist sehr interessant. Die Studie weist hin, dass sich hinter dem Begriff „Spannungskopfschmerz“ unter-schiedliche pathogenetische Mechanismen verbergen können. (ZK)

**** White AR, Resch K-L, Chan JCK, Norris CD, Modi SK, Patel JN, Ernst E. Acupuncture for episodic tension-type headache: a mulitcentre randomized controlled trial. Cephalalgia 2000;20:632-637

Zusammenfassung: In Deutsch-land ist die Akupunktur die am weitest verbreitete Methode zur Prophylaxe von Migräne und Spannungskopfschmerzen. Dies gilt, obwohl der therapeutische Nutzen der Akupunktur nicht oder nicht ausreichend belegt ist. Die englischen und deutschen Autoren führten jetzt eine randomisierte Studie an 50 Patienten mit episodischem Spannungskopfschmerz durch. Bei der Hälfte der Patienten wurde eine klassische Akupunktur mit Akupunkturpunkten im Bereich des Nackens, der Hand und der Schultern durchgeführt. Die Nadeln wurden eingestochen und dann für 15 Sekunden manipuliert. In der Kontrollgruppe wurde lediglich ein stumpfer Gegenstand mit geringer Fläche benutzt und an denselben Stellen auf die Haut aufgesetzt und mit leichtem Druck rotiert. Klassische Akupunkturregionen mussten vermieden werden. Ohne das dies ausgedrückt wird, muss davon ausgegangen werden, dass die Patienten während der Prozeduren die Augen geschlossen hielten. Die Kopfschmerzen wurden mit Hilfe von Tagebüchern erfasst. Die Auswertung der Tagebücher erfolgte durch Krankenschwestern und Arzthelferinnen, unabhängig von dem Arzt, der die Akupunktur durchführte. Die Auswertung erfolgte über insgesamt 4 Perioden à 3 Wochen, eine Run in Phase, eine dreiwöchige Behandlungsphase, eine frühe und eine späte Nachbeobachtungsphase. Für keinen der Parameter, nämlich Zahl der Kopfschmerztage/Woche, Kopfschmerzdauer und Kopfschmerzintensität ergab sich ein Unterschied zwischen der echten und der Scheinakupunktur. Zusammengefasst ergab sich keine Wirkung der Akupunktur beim episodischen Spannungskopfschmerz.

Kommentar: Es ist erfreulich zu sehen, dass ganz langsam auch wissenschaftliche Untersuchun-gen in die Akupunkturszene vordringen. Die hier vorliegende Studie ist bzgl. der Patientenzahlen zwar relativ gering, wurde aber nach strikten methodischen Kriterien inkl. eine Fallzahlschätzung durchgeführt. Da alle Ergebnisse in dieselbe Richtung weisen, können schwerwiegende methodische Mängel ausgeschlossen werden. Die Autoren haben sich auch sehr bemüht, eine Scheinakupunktur durchzuführen, die von den Patienten nicht als solche erkannt wurde. Das Ergebnis dieser Studie passt zu einer vor kurzem publizierten Metaanalyse, in der sich ebenfalls keine Wirkung der Akupunktur gegenüber der Scheinakupunktur bei Patienten mit Spannungskopfschmerz fand. (HCD)

**** Karst M, Rollnik JD, Fink M, Reinhard M, Piepenbrock S. Pressure pain threshold and needle acupuncture in chronic tension-type headache – a double-blind placebo-controlled study. Pain 2000;88:199-203

Zusammenfassung: Die Pathophysiologie des chronischen Spannungskopfschmerzes wird immer noch nicht richtig verstanden. Es gibt aber eindeutige Hinweise darauf, dass eine Korrelation zwischen der Spannung der Nacken- und Schultermuskulatur und der Ausbreitung der Kopfschmerzen besteht, wobei aber nicht klar ist, was die Ursache und was die Folge ist. Die Autoren der Studie aus Hannover unterstellten, dass es möglich sein müsste, mit Hilfe der Akupunktur bei Patienten mit Spannungskopfschmerz und verspannter Muskulatur einen Therapieerfolg zu erzielen. Zu diesem Zweck wurden 39 Patienten (19 Frauen und 20 Männer) mit chronischen Spannungskopfschmerzen in die Studie aufgenommen. Die Patienten begannen vier Wochen vor Behandlungsbeginn ein Kopfschmerztagebuch zu führen. Dann erfolgte die Behandlung über fünf Wochen und die Schmerzwerte wurden über weitere sechs Wochen registriert. Daneben wurden die Schmerzschwellen auf Druck im Bereich des M. temporalis gemessen. Die eine Hälfte der Patienten wurden lege artis akupunktiert, wobei die Akupunkturpunkte zum Teil am Kopf, im Nacken aber auch distal an Händen und Beinen lagen, während die Kontrollakupunktur mit Nadeln erfolgte, deren Spitze stumpf war. Mit geschlossenen Augen können Patienten in der Regel die Scheinakupunktur nicht von der echten Akupunktur unterscheiden. Akupunktur und Scheinakupunktur erfolgte zweimal wöchentlich über einen Zeitraum von fünf Wochen. Sowohl nach der Behandlungsphase wie sechs Wochen später fand sich kein Unterschied zwischen Verum und Plazebo bzgl. der Schmerzintensität auf der visuellen Analogskala, der Häufigkeit der Kopfschmerzen und der Einnahme von Medikamenten. Es kam allerdings in beiden Behandlungsgruppen zu einer Besserung der Kopfschmerzen, die etwa 20-30% betrug. Die Schmerzschwellen für Druck stiegen in der Verumgruppe an und blieben in der Plazebogruppe unverändert.

Kommentar: Es ist sehr erfreulich zu beobachten, dass endlich jetzt auch vielgeübte Therapien wie beispielsweise die Nadelakupunktur bei chronischen Spannungskopfschmerzen rigoros in wissenschaftlichen Evaluierungen unterzogen werden. Die hier vorgelegte Studie ist prospektiv durchgeführt und hat ein sauberes Studiendesign. Man könnte lediglich kritisieren, dass die Zahl der Patienten etwas gering war. Da die Variation der hier gemessenen Parameter aber nicht sehr groß war, ist die Studiengröße vertretbar. Die Studie zeigt auch, dass periphere Mechanismen wie beispielsweise erhöhte Anspannung der Nacken- und Kopfmuskulatur bei der Pathogenese des chronischen Spannungskopfschmerzes keine große Rolle spielen. (HCD)

**** Murros K, Kataja M, Hedman C, Havanka H, Säkö E, Färkkilä M, Peltola J, Keränen T, for the Finnish Sirdulad Study Group. Modified-release formulation of tizanidine in chronic tension-type headache. Headache 2000;40:633-637

Zusammenfassung: Tizanidin ist ein zentraler Alpha 2 Adrenoagonist. Die Substanz wirkt als Muskelrelaxans und hat schmerzlindernde Eigenschaften. Daher bot es sich an, nach einer kleineren Machbarkeitsstudie die Substanz an einer größeren Population von Patienten mit chronischem Spannungskopfschmerz zu untersuchen. In die Studie wurden 138 Frauen und 47 Männer im Alter zwischen 18 und 79 Jahren in Finnland eingeschlossen, bei denen ein chronischer Spannungskopfschmerz bestand. Die Patienten dokumentierten zunächst über zwei Wochen ihre Kopfschmerzen. Dann wurden sie randomisiert in drei Gruppen und erhielten entweder 6 mg Tizanidin, eine retardierte Form von 12 mg Tizanidin oder Plazebo. Zielkriterien waren Schmerzintensität auf einer visuellen Analogskala, die Zahl kopfschmerzfreier Tage, die Dauer der Kopfschmerzen/Tag und die Einnahme von Paracetamol. 156 Patienten beendeten die Studie, davon 56 in der 6 mg Tizanidingruppe, 49 in der 12 mg Gruppe und 55 in der Plazebogruppe. Am Ende der sechswöchigen Behandlungsphase hatte die Schmerzintensität auf der visuellen Analogskala in allen drei Behandlungsgruppen zwischen 48 und 53% abgenommen. Die Zahl der kopfschmerzfreien Tage innerhalb von zwei Wochen hatte sich fast verdoppelt und die mittlere Dauer der täglichen Kopfschmerzen um über 30% gebessert. Allerdings bestand kein Unterschied zwischen den einzelnen Therapiegruppen. Die einzige relevante Nebenwirkung von Tizanidin war eine Mundtrockenheit.

Kommentar: Aus dieser Studie kann nicht geschlossen werden, dass Tizanidin tatsächlich völlig unwirksam ist. Dies liegt daran, dass die Studie eine überraschend hohen Plazeboeffekt hat. Vergleichbare Studien mit Amitriptylin vs Plazebo hatten ebenfalls einen ähnlich hohen Plazeboeffekt beobachtet. Die einzige Möglichkeit dieses Dilemma zu vermeiden sind längere Behandlungsperioden. Die Plazebowirkung lässt meistens nach drei Monaten nach, so dass bei Studien, die länger als drei Monate dauern, mit höherer Wahrscheinlichkeit Verum und Plazebo voneinander unterschieden werden können. So lange eine solche Studie aber nicht durchgeführt ist und positiv ausgegangen ist, kann Tizanidin zur Behandlung chronischer Spannungskopfschmerzen nicht empfohlen werden. (HCD)


DMKG