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Kopfschmerz-News 12/1997 Migräne Prophylaxe – DMKG

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4. Migräne Prophylaxe

**** Whitmarsh TE, Coleston-Shields DM, Steiner TH (1997). Double-blind randomized placebo-controlled study of homoeopathic prophylaxis of migraine. Cephalalgia 17: 600-604

Homöopathie ist eine der beliebtesten Therapieformen der Komplementärmedizin. Bisher lagen nur zwei Placebokontrollierte Studien zur Migräneprophylaxe vor. In einer italienischen Studie aus dem Jahre 1987 fand sich in der Gruppe der Patienten, die Homöopathie erhielten, der höchste jemals in einer Migräneprophylaxestudie beobachtete Verumeffekt bei dem gleichzeitig niedrigsten jemals beobachteten Placeboeffekt. In eine große Studie, die in Deutschland durchgeführt worden war und im vergangenen Jahr in Cephalalgia publiziert wurde (Wallach et al. 1996) zeigte keinen Unterschied zwischen homöopathischer Behandlung und Placebo. In eine gut konzipierte englische Studie wurden 63 Patienten aufgenommen, die an einer Migräne mit oder ohne Aura litten. Alle Patienten erhielten zunächst über 4 Wochen lang Placebo. Dann erfolgte die Randomisierung. Die Studie wurde als Placebokontollierte, doppelblinde Parallelgruppenstudie durchgeführt, wobei die homöopathische Behandlung individualisiert war. Es standen insgesamt 11 verschiedene homöopathische Zubereitungen zur Verfügung. Für die endgültige Analyse standen 30 Patienten in jeder Behandlungsgruppe zur Verfügung. Die Freuqenz der Migräneattacken besserte sich unter beiden Therapien. Unter der homöopathischen Behandlung ging die Attackenfrequenz um 19% zurück, unter Placebo um 16%. Für keinen der anderen untersuchten Parameter, wie die Zahl der Tage mit Migräne pro Monat, der Verbrauch an Schmerzmitteln und die subjektiven Angaben zur Wirksamkeit ergaben einen signifikanten Unterschied zwischen Verum und Placebo. Schwachpunkt der Studie ist allerdings die sehr geringe Patientenzahl. Moderne Studien zur Migräneprophylaxe sollten mit einer Mindestzahl von 80 bis 100 Patienten pro Studienarm durchgeführt werden. (HCD)

* Kaniecki RG (1997). A comparison of divalproex with propranolol and placebo for the prophylaxis of migraine without aura. Arch Neurol 54: 1141-1145

Valproinsäure, ein potentes Antiepileptikum, hat sich in letzter Zeit als ein Migräneprophylaktikum erwiesen. In der vorliegenden randomisierten, Placebokontrollierten Studie wurden 37 Patienten behandelt, 32 beendeten die Studie. Einer vierwöchigen baseline-Phase folgte eine vierwöchige Placebo-Behandlung. Dann erfolgte die Behandlung mit Valproinsäure oder Propranolol über einen Zeitraum von 11 Wochen, und nach dreiwöchigen washout-Phase erfolgte die zweite Behandlungsperiode von 11 Wochen. Die Dosierung von Valproinsäure wurde langsam gesteigert, wobei die Enddosis zwischen 1500 und 2000 mg/Tag lagen. Der mittlere Valproinsäure-Spiegel betrug 68,5 mg/L. Die Propranololdosis lag zwischen 180 und 240 mg/Tag. Die Studie selbst war einfach blind, d. h. die Patienten wurden über die eingenommene Substanz nicht informiert, der Untersucher wußte allerdings, welcher Patient welche Substanz einnimmt. Das Hauptzielkriterium war die Reduktion der Migränehäufigkeit. Als Zielkriterium wurde der Prozentsatz der Patienten angesehen, der in den letzten 3 Wochen der jeweiligen Behandlungsphase eine über 50%ige Reduktion der Migränehäufigkeit aufwies. Placebo führte bei 19% der Patienten zu einer signifikanten Reduktion der Migränehäufigkeit. Die entsprechenden Zahlen für Valproinsäure betrugen 66% und für Propranolol 63%. Eine signifikante Reduktion der Tage mit Migräne pro Monat fand sich bei 22% in der Placebo-Phase, bei 66% unter Valproinsäure und bei 69% unter Propranolol. Die häufigsten Nebenwirkungen unter Valproinsäure waren Übelkeit, Müdigkeit, Schwindel, Gewichtszunahme und Tremor. Die häufigsten Nebenwirkungen unter Propranolol waren Müdigkeit, Benommenheit und Depression. Selten kam es auch zu Impotenz und Schlafstörungen. Die Studie ist aus vielen Gründen zu kritisieren. Um Einflüsse des Untersuchers zu minimieren, sind aus gutem Grunde doppel-blinde-Studien und multi-zentrische Studien empfohlen. Beides war hier nicht der Fall. Die Zahl der Patienten, die behandelt wurden, war auch viel zu klein, um eine statistisch signifikante Aussage machen zu können. Dies gilt insbesondere hier, da die formulierte Hypothese auf Äquivalenz der Behandlung und nicht auf Unterschiede in der Behandlung untersuchte. (HCD)

* Cleland PG, Barnes D, Elrington GM, Loizou LA, Rawes GD (1997). Studies to assess if pizotifen prophylaxis improves migraine beyond the benefit offered by acute sumatriptan therapy alone. Eur Neurol 38: 31-38

Die Autoren berichten hier über zwei multizentrische Studien, von denen die eine Placebo-kontrolliert und doppel-blind und die andere eine offene Studie war. Sie wollten untersuchen, ob eine Prophylaxe mit Pizotifen einer alleinigen Attackenbehandlung mit Sumatriptan überlegen ist. In die doppel-blinde Studie wurden 88 Patienten, in die offene Studie 63 Patienten aufgenommen. Die Behandlungsperioden erstreckten sich jeweils über 12 Wochen. Alle Migräneattacken wurden mit 100 mg Sumatriptan behandelt. Bei Wiederauftreten der Kopfschmerzen konnte eine zweite Sumatriptandosis eingenommen werden. Pizotifen wurde über einen zweiwöchigen Zeitraum bis zu einer Gesamtdosis von 1,5 mg/Tag aufdosiert. In der doppel-blinden Studie erhielten die Patienten entweder Pizotifen oder Placebo. Unter der Gabe von Pizotifen kam es zu keiner signifikanten Reduktion der Häufigkeit der Migräneattacken. Unter Pizotifen ergab sich keine Interaktion zwischen der Prophylaxe und der Wirksamkeit von Sumatriptan. Die Autoren schließen hieraus, daß eine Prophylaxe mit Pizotifen nicht geeignet ist, zu einer relevanten Einsparung von Sumatriptan zu führen. Dieser Schluß ist allerdings unberechtigt, da in der vorliegenden Studie offenbar eine nicht wirksame Prophylaxe benutzt wurde. Es bleibt rätselhaft, warum die Autoren sich nicht entschlossen haben, eine Prophylaxe mit nachgewiesener Wirksamkeit wie die BetaBlocker Propranolol oder Metoprolol einzusetzen. Desweiteren ist völlig ungeklärt, warum nicht alle Patienten in die doppel-blinde Studie aufgenommen wurden. Offene Studien sind nicht geeignet, die hier gestellte Frage zu beantworten, da ein zu hoher Einfluß der Erwartung sowohl von Seiten der Patienten wie von Seiten der Untersucher vorliegt. (HCD)

*** van de Ven LLM, Franke CL, Koehler PJ on Behalf of the Investigators (1997). Prophylactic treatment of migraine with bisoprolol: a placebo-controlled study. Cephalalgia 17: 596-599

Für die Betablocker Propranolol und Metoprolol ist eine migräne-prophylaktische Wirkung durch zahlreiche Studien gesichert. 1992 zeigten Wörz et al., daß auch der Beta-Blocker Bisoprolol eine migräneprophylaktische Wirkung hat. Zum definitiven Nachweis einer Wirksamkeit sind allerdings zwei Studien, die unabhängig voneinander durchgeführt wurden, notwendig. Die hier vorliegende Studie wurde nach den Kriterien der Internationalen Kopfschmerz-Gesellschaft durchgeführt. Insgesamt 226 Patienten mit Migräne mit und ohne Aura wurden in eine doppel-blinde, Placebo-kontrollierte Studie aufgenommen. Sie mußten seit mindestens 2 Jahren unter Migräne leiden und mußten mindestens drei dokumentierte Migräneattacken in der 28 Tage dauernden Run-in-Periode aufweisen. 70 Patienten wurden mit 5 mg und 77 mit 10 mg Bisoprolol täglich und 75 mit Placebo behandelt. Die drei Gruppen waren bezüglich Geschlecht, Alter und anderer biologischer Parameter vergleichbar. Die meisten hatten mittelschwere bis schwere Migräneattacken. Die Behandlungsperiode erstreckte sich über 12 Wochen. Hauptzielparameter war eine Reduktion der Attackenhäufigkeit. Die Attackenfrequenz betrug während der 12wöchigen Beobachtungsphase 2,6 + 1,7 pro 4 Wochen für 5 mg Bisoprolol, 2,6 + 1,9 für 10 mg Bisoprolol und 3,2 + 1,5 für Placebo. Der Unterschied bezüglich der Reduktion der Migränehäufigkeit von 39% versus 22% war signifikant. Auch die Dauer der Attacken war mit 5 mg Bisoprolol mit 9,5 + 6,5 Stunden signifikant kürzer als mit Placebo (13,2 + 11,9 Stunden). Zwischen 10 mg Bisoprolol und Placebo war kein Unterschied. Die Kopfschmerzintensität wurde durch die Prophylaxe nicht beeinflußt. In allen drei Behandlungsgruppen brachen etwa gleich viele Patienten die Behandlung ab. Unter dem Beta-Blocker ergab sich eine signifikante Reduktion der Herzfrequenz und des Blutdrucks. In absoluten Werten waren die entsprechenden Veränderungen aber zu vernachlässigen. Diese Studie bestätigt die Ergebnisse einer früheren Studie, bei der Bisoprolol dem Metoprolol vergleichbar war. Hier zeigt sich eine signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo. Da die 10 mg-Dosis etwas mehr Nebenwirkungen verursachte als die 5 mg-Dosis, sollte die letztere im klinischen Alltag verwendet werden. Bisoprolol ist ein Beta-1-selektiver Beta-Blocker ohne intrinsische sympathomimetische Aktivität. Da auch Propranolol in der Migräneprophylaxe wirksam ist, scheint die Selektivität eines Beta-Blockers keinen Einfluß auf seine Wirksamkeit zu haben. Vergleicht man die hier gewonnenen Ergebnisse indirekt mit den Ergebnissen von Propranolol und Metaprolol, ist die Reduktion der Attackenfrequenz etwas geringer, wobei in der vorliegenden Studie aber auch der Placeboeffekt mit 22% etwas geringer war als in den meisten anderen Studien mit 30%. Nach den hier vorgelegten Ergebnissen steht in Zukunft neben Metoprolol und Propranolol ein weiterer Beta-Blocker nämlich Bisoprolol mit nachgewiesener Wirksamkeit für die Migräneprophylaxe zur Verfügung. (HCD)


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