Categories
Articles

Migräne, Pathophysiologie

.

< – Inhaltsverzeichnis


3. Migräne, Akuttherapie

**** Lange R, Schwarz JA, Hohn M. Acetylsalicylic acid effervescent 1000 mg (Aspirin®) in acute migraine attacks; a mulitcentre, randomized, double-blind, single-dose, placebo-controlled parallel group study. Cephalalgia 2000;20:663-667

Zusammenfassung: Obwohl Aspirin wahrscheinlich das älteste Migränemittel überhaupt ist, gibt es bisher nur eine geringe Zahl gut durchgeführter, doppel-blinder, plazebokontrollierter Studien zur oralen Einnahme von Acetylsalicylsäure. Es handelte sich um eine multizentrische randomisierte, doppel-blinde Studie an 374 Patienten. Die Patienten erhielten entweder Plazebo oder eine rasch lösliche Form von gepufferter Acetylsalicylsäure in einer Dosis von 1000 mg. Primäres Zielkriterium war die Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder schmerzfrei nach zwei Stunden. Im Rahmen der sekundären Zielkriterien wurde auch die Wirksamkeit der Acetylsalicylsäure auf die autonomen Begleiterscheinungen der Migräne untersucht. Insgesamt konnten die Ergebnisse von 169 Patienten, die Acetylsalicylsäure, und von 174, die Plazebo eingenommen hatten, ausgewertet werden. Eine Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen berichteten 55% der Patienten in der Aspiringruppe und 36,8% in der Plazebogruppe. Schmerzfrei waren nach zwei Stunden 29% in der Aspiringruppe und 16,7% in der Plazebogruppe. Wiederauftretende Kopfschmerzen wurden in beiden Gruppen in einer Häufigkeit von 15% beobachtet. 38,5% der Patienten in der Aspiringruppe und 57,5% in der Plazebogruppe benötigten zusätzliche Schmerzmedika-mente. Bzgl. der Wirksamkeitsparameter war die Acetylsalicylsäure Plazebo signifikant überlegen. Für Übelkeit, Erbrechen und Lärmempfindlichkeit ergab sich kein Unterschied. Die Lichtempfindlichkeit war allerdings unter Acetylsalicylsäure signifikant häufiger gebessert als unter Plazebo. Da die Nebenwirkungen nicht detailliert beschrieben sind, kann keine Aussage zu den Nebenwirkungsraten gemacht werden.

Kommentar: So unglaublich es im Jahre 2001 klingt, Aspirin hatte bis vor kurzem zwar eine Zulassung zur Behandlung von Schmerzen und Kopfschmerzen, aber keine Zulassung zur Behandlung der Migräne. Dies lag daran, dass es bis vor kurzem nur eine kleine Zahl plazebokontrollierter Studien gab und diese darüber hinaus wegen kleiner Patientenzahlen zu einem Großteil nicht verwertbar waren. Die jetzt durchgeführte große multizentrische Studie war in diesem Sinne eine Zulassungsstudie, welche die Wirksamkeit von Acetylsalicylsäure gegen Plazebo eindeutig und überzeugend belegen. Diese Wirkung konnte auch ohne die zusätzliche Gabe von Metoclopramid erzielt werden. Im indirekten Vergleich ist aber der Prozentsatz der Patienten, der nach zwei Stunden schmerzfrei ist, etwas geringer als bei den Triptanen. Leider haben die Autoren nicht erwähnt, wie viele der Patienten zum Behandlungszeitpunkt starke und wie viel mittelstarke Kopfschmerzen hatten. Nur wenn diese Zahlen bekannt sind, lässt sich im Endeffekt der therapeutische Effekt bewerte. Darüber hinaus haben die Autoren auch die Nebenwirkungen nicht detailliert dargestellt, so dass ein Vergleich mit anderen Migränemitteln nicht möglich ist. Die hier durchgeführte Studie ist zwar in weiten Teilen technisch gut durchgeführt, rechtfertigt aber nicht in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, dass mit Migräneaspirin „ein Wundermedikament“ zur Behandlung der Migräne zur Verfügung steht. (HCD)

**** Goadsby PJ. Rizatriptan in acute treatment of migraine: update on new comparative data. Cephalalgia 2000;20(Suppl1):10-15

Zusammenfassung: In der vorliegenden Übersicht werden die bisher durchgeführten und publizierten Studien zu Rizatriptan insbesondere Vergleichsstudien mit anderen Triptanen metaanalytisch vorgestellt. In vielen der Vergleichsstudien wird eine Methode benutzt, in der Zeit bis zum Wirkungseintritt innerhalb eines 2 Stundenfensters berechnet wird. In einer Vergleichsstudie zwischen 10 mg Rizatriptan und 100 mg Sumatriptan ergab sich eine Wirksamkeit bzgl. Besserung der Kopfschmerzen nach zwei Stunden bei 67% der mit Rizatriptan und bei 62% der mit Sumatriptan behandelten Patienten. Bei der Auswertung der Daten unter Berücksichtigung des Wirkungseintritts ergab sich eine statistische Überlegenheit von Rizatriptan. In einer Vergleichsstudie zwischen Rizatriptan 10 mg und Naratriptan 2,5 mg waren 21% der Patienten mit Naratriptan und 45% mit Rizatriptan nach zwei Stunden schmerzfrei. Hier ergab sich für die Analyse des Wirkungseintritts eine hazard ratio von 1,62 zugunsten von Rizatriptan. In einer weiteren Vergleichsstudie wurden 10 mg Rizatriptan mit 2,5 mg Zolmitriptan verglichen. Schmerzfrei nach zwei Stunden waren 36% der Patienten nach Zolmitriptan und 43% nach Rizatriptan. Dieser Unterschied war signifikant. Die hazard ratio zugunsten von Rizatriptan betrug 1,31. In einer Studie zur Konsistenz der Wirkung hatten 86% der behandelten Patienten, die 10 mg Rizatriptan erhielten bei 2 von 3 Attacken eine Wirkung und 60% bei 3 von 3 Attacken. Über die Studien hinweg betrug die Wiederauftretensrate von Kopfschmerzen nach initialer Wirkung 32% für Sumatriptan, 21% für Naratriptan und 29% für Zolmitriptan. Für Rizatriptan betrugen die entsprechenden Prozentzahlen 35%, 31% und 28%.

Kommentar: Diese Übersichtsarbeit zeigt, dass für klassische Studienendpunkte Rizatriptan gleich wirksam ist wie 100 mg Sumatriptan und minimal besser wirksam ist als 2,5 mg Zolmitriptan. Es ist aber eindeutig Naratriptan überlegen. Die Wiederauftretensraten von Kopfschmerzen sind denen der anderen Triptane vergleichbar. Allerdings tritt die Wirkung bei Rizatriptan schneller ein als bei den anderen Triptanen. (HCD)

**** Pascual J, Vega P, Diener H-C, Allen C, Vrijens F, Patel K and the Rizatriptan-Zolmitriptan Study Group. Comparison of rizatriptan 10 mg vs. zolmitriptan 2,5 mg in the acute treatment of migraine. Cephalalgia 2000;20:455-461

Zusammenfassung: Zolmitriptan (AscoTop®) ist in einer Dosis von 2,5 mg in Deutschland seit langem zugelassen und hat in der Zwischenzeit den zweithöchsten Marktanteil nach Sumatriptan erreicht. Rizatriptan (Maxalt®) wurde mit dem Ziel entwickelt, eine schnellere Wirksamkeit und eine bessere Wirkung als die bisherigen Migränemittel zu erzielen. Ob ein Migränemittel dem anderen überlegen ist, kann allerdings nur in direkten Vergleichsstudien untersucht werden. Es handelte sich um eine randomisierte doppel-blinde double-dummy und stratifizierte, plazebokontrollierte Studie mit 766 Migränepatienten. Die Randomisierung erfolgte im Verhältnis zwischen Rizatriptan, Zolmitriptan und Plazebo 2:2:1. Die Patienten behandelten eine Migräneattacke und skalierten die Kopfschmerzen als schwer, mittelschwer, leicht oder keine Kopfschmerzen. Primäre Zielkriterien waren Kopfschmerzfreiheit nach zwei Stunden und die Zeit, bis zu der innerhalb von zwei Stunden Kopfschmerzfreiheit erzielt wurde. Dieser Parameter wurde mit Hilfe einer Regressionsanalyse ermittelt. Insgesamt konnten die Ergebnisse von 146 Patienten in der Plazebogruppe, von 292 in der Rizatriptangruppe und von 298 in der Zolmitriptangruppe ausgewertet werden. Die Dosierung von Zolmitriptan betrug 2,5 mg und die von Rizatriptan 10 mg. Zwei Stunden nach Einnahme waren 9,6% der Patienten in der Plazebogruppe, 43,2% in der Rizatriptangruppe und 35,6% in der Zolmitriptangruppe kopfschmerzfrei. Der Unterschied zwischen Zolmitriptan und Rizatriptan war signifikant bei dem Zeitpunkt nach 2 Stunden. Nach _ Std., nach 1 Std. und nach 1,5 Std. bestand kein signifikanter Unterschied zwischen Zolmitriptan und Rizatriptan. Über eine signifikante Besserung der Kopfschmerzen berichteten nach zwei Stunden 29,5% der Patienten in der Plazebogruppe, 70,5% in der Rizatriptangruppe und 66,8% in der Zolmitriptangruppe. Hier waren die Unterschiede zwischen Rizatriptan und Zolmitriptan nicht unterschiedlich. Ein signifikanter Unterschied zugunsten von Rizatriptan fand sich auch für die Funktionsfähigkeit im Alltag, für die Verbesserung der Übelkeit und die Verbesserung der Lichtempfindlichkeit. Keine Unterschiede bestanden bzgl. des Parameters Erbrechen und Lärmempfindlichkeit. Über wiederauftretende Kopfschmerzen berichteten 28% der Patienten, die Rizatriptan eingenommen hatten, 29% der Patienten, die Zolmitriptan erhalten hatten und 16% in der Plazebogruppe. Die häufigst geklagten Nebenwirkungen bei Rizatriptan waren Müdigkeit, unsystematischer Schwindel und Benommenheit, wobei sich numerisch kein Unterschied zu Zolmitriptan fand.

Kommentar: Derzeit und in Zukunft gibt es eine Vielzahl von Vergleichsstudien zwischen den einzelnen Triptanen. Fasst man die bisher publizierten Studien zusammen, so ergibt sich, dass es zwischen Sumatriptan und Zolmitriptan keine größeren Unterschiede gibt. Nimmt man alle Studien zusammen, ist Rizatriptan etwas wirksamer als Sumatriptan und Zolmitriptan. Eindeutig weniger wirksam als die anderen Triptane ist Naratriptan. Erstaunlich homogen sind die Nebenwirkungen, wobei am häufigsten Müdigkeit, Benommenheit, Schwindel, Schwäche und ein unsystematisches Druckgefühl im Bereich der Brust beklagt werden. Bezogen auf den klinischen Alltag liegt es allerdings in der Hand des verschreibenden Arztes zu beurteilen, ob der hier gefundene Unterschied für den primären Zielparameter klinisch relevant ist. (VL)

***** Lipton RB, Stewart WF, Stone AM, Láinez MJA, Sawyer JPC. Stratified care vs. step care strategies for migraine. The disability in strategies of care (DISC) Study: a randomized trial. JAMA 2000;284:2599-2605

Zusammenfassung: Bei der Behandlung akuter Migräneattacken bei einem Patienten, mit dem erstmals konfrontiert wird, gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten. Man kann entweder eine stufenförmige Behandlung beginnen, d.h., zunächst Analgetika mit oder ohne Antiemetika zu geben, gefolgt von Mutterkornalkaloiden und wenn auch diese nicht wirksam sind von Triptanen. Bei der stratifizierten Behandlung wird die Schwere der Migräneattacken von vornherein ins Kalkül gezogen und gemessen an der Beeinträchtigung sofort eine der drei Therapiestufen eingesetzt. Ob diese beiden unterschiedlichen Ansatzpunkte für eine Therapie auch unterschiedliche Ergebnisse erbringen, wurde jetzt in einer großen internationalen prospektiven Studie untersucht. In die Studie wurden insgesamt 835 erwachsene Migränepatienten in 13 Ländern eingeschlossen. Bei der stratifizierten Behandlung wurden Patienten, die während ihrer Migräneattacken nur mittelschwer beeinträchtigt waren, mit 800-1000 mg Acetylsalicylsäure plus 10 mg Metoclopramid behandelt. Patienten mit schwerer Beeinträchtigung erhielten 2,5 mg Zolmitriptan. Die Patienten behandelten jeweils sechs konsekutive Migräneattacken und durften innerhalb der ersten vier Stunden keine Ersatzmedikation einnehmen. Bei dem Stufenverfahren über Attacken hinweg behandelten Patienten ihre ersten drei Attacken mit Acetylsalicylsäure und Metoclopramid und diejenigen, bei denen keine ausreichende Wirkung bestand, die nächsten drei Attacken mit 2,5 Zolmitriptan. Bei dem Stufenverfahren innerhalb der Attacken begannen die Patienten die Migräneattacke mit Acetylsalicylsäure plus Metoclopramid zu behandeln und nahmen zusätzlich 2,5 mg Zolmitriptan ein, wenn nach zwei Stunden keine ausreichende Besserung der Migränesymptomatik erreicht wurde. Für die Wirksamkeitsanalyse standen 279 Patienten bei der stratifizierten Behandlung zur Verfügung, 271 bei der Stufenbehandlung über Attacken hinweg und 285 bei der Stufenbehandlung innerhalb von Migräneattacken. Etwa 1/3 aller Patienten hatte bisher keinen Kontakt zu Triptanen. Bei durchschnittlich 57% der Patienten bestanden mittelschwere Kopfschmerzen. Der primäre Zielparameter der Studie war die Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen nach zwei Stunden. Dieser Parameter war am häufigsten erreicht in der Gruppe mit stratifizierter Therapie (52,7%), wobei die Erfolgsquote geringer war bei der Stufentherapie über Attacken hinweg (40,6%) oder bei der Stufentherapie innerhalb von Attacken (36,4%). Umgekehrt war der Behinderungsgrad am geringsten bei der stratifizierten Therapie. Die Studie zeigt, dass gemessen an der Wirkung eine stratifizierte Behandlung orientiert an der Beeinträchtigung der Patienten während einer Migräneattacke den höchsten Erfolg hat.

Kommentar: Die Ergebnisse der hier durchgeführten Studie sind intuitiv jedem Arzt, der Migränepatienten behandelt, nachvollziehbar. In einem idealen Umfeld würde auch jeder Arzt entsprechend handeln. Die Tatsache, dass in Deutschland in der Regel die Stufentherapie benutzt wird, beruht darauf, dass ein Arzneimittelbudget besteht und bei der häufigen Verschreibung von Triptanen der Nachweis geführt werden muss, dass die Patienten auf eine Behandlung mit Analgetika in Kombination mit Metoclopramid nicht angesprochen haben. Ein Schönheitsfehler, der hier durchgeführten Studie ist, dass ein Vergleich zwischen Mutterkornalkaloiden und dem Triptan fehlt. Im Rahmen der Budgetierung wäre es durchaus auch vorstellbar, dass Patienten mit mittelschweren Migräneattacken zunächst mit einem Mutterkornalkaloid behandelt werden und nur, wenn dieses nicht wirksam ist, in der nächsten Stufe ein Triptan eingesetzt wird. (HCD)

***Tfelt-Hansen P, Ryan RE. Oral therapy for migraine: comparisons between rizatriptan and sumatriptan. A review of four randomized, double-blind clinical trials. Neurology 2000;55(Suppl2):S19-S24

Zusammenfassung: Sumatriptan war das erste Triptan, das in den deutschen Markt eingeführt wurde. Es ist seit 1991 verfügbar. Neun Jahre später wurde Rizatriptan zugelassen, dessen orale Standarddosis 10 mg beträgt. Die beiden Autoren unternahmen eine Metaanalyse von vier randomisierten Studien, in denen Rizatriptan in Dosen von 5,10 und 40 mg, mit Sumatriptan in Dosen von 25, 50 und 100 mg verglichen wurde. Alle Studien waren plazebokontrolliert. Drei der Studien waren Parallelgruppenstudien. Eine Studie war eine crossover Studie. Bezogen auf den Parameter Besserung der Kopfschmerzen nach zwei Stunden ergab sich zwischen 5 mg Rizatriptan und 50 mg Sumatriptan kein Unterschied. Dasselbe war der Fall wenn 10 mg Rizatriptan mit 50 mg Sumatriptan verglichen wurden. Beim direkten Vergleich zwischen 10 mg Rizatriptan und 100 mg Sumatriptan ergab sich ein schnellerer Wirkungseintritt für Rizatriptan, wobei Rizatriptan nach einer Stunde signifikant wirksamer war als Sumatriptan. Nach zwei Stunden bestand kein signifikanter Unterschied mehr. 40 mg Rizatriptan hatten zu viele Nebenwirkungen und wurden in der Folgezeit nicht weiter untersucht. In zwei der Studien waren 10 mg Rizatriptan bezogen auf den Parameter schmerzfrei nach zwei Stunden signifikant wirksamer als 50 bzw. 100 mg Sumatriptan. Die Rate wiederauftretender Kopfschmerzen war bei Rizatriptan etwas höher und betrug zwischen 35 und 41% im Vergleich zu Sumatriptan, wo die entsprechenden Zahlen zwischen 31 und 41% lagen.

Kommentar: Die hier vorgelegte Publikation ist keine echte Metaanalyse, da nicht alle Daten in einen Datensatz eingegeben und dann neu gerechnet wurden. Es handelt sich die Zusammenstellung von vier Einzelstudien. Insgesamt gesehen ergeben sich nur geringe Unterschiede zwischen Rizatriptan und Sumatriptan. Für die meisten Parameter besteht kein Unterschied. Rizatriptan hat einen etwas schnelleren Wirkungseintritt und bezogen auf den Parameter schmerzfrei nach zwei Stunden eine etwas bessere Wirkung. In absoluten Zahlen sind die Unterschiede allerdings nicht groß. (HCD)

**** Pascual J, Falk RM, Piessens F, Prusinski A, Docekal P, Robert M, Ferrer P, Luria X, Segarra R, Zayas JM. Consistent efficacy and tolerability of almotriptan in the acute treatment of multiple migraine attacks: results of a large, randomized, double-blind placebo-controlled study. Cephalalgia 2000;20:588-596

Zusammenfassung: Almotriptan ist ein neues Triptan, dass im Vergleich zu Sumatriptan (14%) mit 70% eine bessere orale Bioverfügbarkeit hat. In früheren Studien war bereits belegt worden, dass das beste Verhältnis zwischen Wirksamkeit und Nebenwirkungen für eine Dosis von 12,5 mg Almotriptan bestehen. In der hier vorliegenden Studie sollten Dosierungen von 6,25 und 12,5 mg bei drei konsekutiven Migräneattacken mit Plazebo verglichen werden, um die Konsistenz der Wirkung untersuchen zu können. Es handelte sich um eine randomisierte, doppelblinde Parallelgruppen- und plazebokontrollierte Studie, die in 133 Studienzentren an 722 Patienten durchgeführt wurde. Die Randomisierung zwischen Plazebo, 6,25 und 12,5 mg Almotriptan betrug 1:2:2. Behandelt wurden 131 Patienten in der Plazebogruppe, 287 mit 6,25 mg Almotriptan und 304 Patienten mit 12,5 mg. Die Häufigkeit, mit der die Kopfschmerzen zwei Stunden nach Einnahme der Medikation von schwer oder mittelschwer auf leicht oder kein Kopfschmerz gebessert war, betrugen 70,3% für 12,5 mg Almotriptan, 59,9% für 6,25 mg Almotriptan und 38,4% für Plazebo. Der Unterschied zwischen Plazebo und beiden Dosierungen von Almotriptan war ebenso signifikant wie der Unterschied zwischen der niedrigen und hohen Dosis von Almotriptan. Schmerzfrei nach zwei Stunden waren zwischen 15,3 und 17,7% der Patienten mit Plazebo, zwischen 28,6 und 34,8% der Patienten mit 6,25 mg Almotriptan und zwischen 39,2 und 42,7% mit 12,5 mg Almotriptan. Diese Unterschiede waren ebenfalls signifikant. Bezogen auf die Konsistenz war eine Linderung der Kopfschmerzen bei 2 von 3 Attacken bei 74,5% in der 12,5 mg Almotriptangruppe, bei 63,8% der 6,25 mg Almotriptandosis und bei 35,7% in der Plazebogruppe zu verzeichnen. Wiederauftretende Kopfschmerzen wurden bei 28,7% mit 6,25 mg und bei 30,1% mit 12,5 mg Almotriptan beobachtet. Bei 210 von 910 Patienten kam es zu insgesamt 403 Nebenwirkungen. Die Nebenwirkungen nahmen zwischen 1. und 3. Attacke deutlich ab. Die Häufigkeit von Nebenwirkungen war unter Almotriptan gering. Ein Unterschied zu Plazebo fand sich lediglich für Müdigkeit, Parästhesien und Benommenheit.

Kommentar: Das neue Triptan Almotriptan zeigt, wenn man alle Studien zusammennimmt, eine Dosiswirkungsbeziehung, wobei die optimale Dosis bei 12,5 mg liegt und darüber liegende Dosierungen nicht deutlich wirksamer sind, dafür aber mehr Nebenwirkungen haben. Die 6,25 mg Dosis ist signifikant weniger wirksam als die 12,5 mg. Indirekte Vergleiche zeigen, dass Almotriptan und Sumatriptan gleich gut wirksam sind. Insgesamt scheint aber Almotriptan weniger Nebenwirkungen zu haben, so dass es sich für Patienten anbietet die orales Sumatriptan wegen Nebenwirkungen nicht tolerieren. Wichtig ist auch, dass Konsistenzdaten vorgelegt wurden, die durchaus vergleichbar, zum Teil sogar etwas besser als die anderer Triptane. Almotriptan wird wahrscheinlich im März 2001 in Deutschland zugelassen. (HCD)

** Heywood J, Bomhof MAM, Pradalier A, Thaventhiran L, Winter P, Hassani H, on behalf of the Naratriptan Long-Term Study Group. Tolerability and efficacy of naratriptan tablets in the acute treatment of migraine attacks for 1 year. Cephalalgia 2000;20:470-474.

Zusammenfassung: Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Überprüfung der Verträglichkeit und Wirksamkeit von Naratriptan 2,5 mg Tabletten zur Behandlung akuter Migräneattacken im Langzeiteinsatz von 1 Jahr. In der offenen Multicenter-Studie behandelten 417 Patienten insgesamt 15301 Migräneattacken mit Naratriptan 2,5 mg. Unerwünschte Ereignisse und Wirksamkeitsparameter (Kopfschmerzintensität vor sowie 2 und 4 Stunden nach Medikation, Auftreten von Wiederkehrkopfschmerzen, Einnahme von Notfallmedikation) wurden durch die Patienten mittels Tagebüchern dokumentiert. 28% der Patienten beendeten die Studie vorzeitig; Hauptgründe waren mangelnde Wirksamkeit in 17% und Nebenwirkungen in 3% der Fälle. In 84% aller Attacken traten keine unerwünschten Ereignisse auf. Die einzigen häufigeren Nebenwirkungen waren Übelkeit (3% der Attacken), Mundtrockenheit (2%) und Müdigkeit (2%). Typische Nebenwirkungen der Triptan-Klasse wie Brustsymptome, Parästhesien oder Wärmegefühl wurden bei weniger als 1% der Attacken angegeben. Eine Reduktion der Kopfschmerzintensität von mittelstark oder stark auf leicht oder kein Schmerz (sogenanntes Glaxokriterium) zeigte sich nach 2 Stunden im Mittel bei 49% aller Attacken und nach 4 Stunden bei 70% aller Attacken. Die Wirksamkeit blieb konstant im Vergleich der ersten mit der zweiten 6-Monatsperiode. Bei 16% der Attacken erfolgte die Einnahme einer 2. Dosis aufgrund von Wiederkehrkopfschmerzen. In 19% der Attacken wurde die Einnahme einer Notfallmedikation erforderlich. Die Wirksamkeit von Naratriptan 2,5 mg wurde von den Patienten bei 64% der Attacken als gut oder exzellent eingeschätzt.

Kommentar: Offene Langzeitstudien sind in erster Linie wichtig zur Überprüfung der Sicherheit und Verträglichkeit von Akuttherapeutika im Alltag. In der Regel werden – wie in der vorgestellten Studie – deutlich höhere Patientenzahlen und mehr behandelte Attacken als in randomisierten Studien erfasst. Zudem ist das untersuchte Patientenkollektiv meist repräsentativer für die Migränepopulation als das ausgewählte Patientengut in kontrollierten Untersuchungen. Die häufig euphorische Darstellung besonders guter Verträglichkeit und noch viel mehr überzeugender Wirksamkeit von Substanzen über alle Attacken hinweg in Langzeitstudien muss jedoch relativiert werden. Es gilt die Regel, dass die Patienten eine Substanz häufiger einsetzen, die eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit beobachten. Die überwiegende Anzahl von untersuchten Attacken entfällt damit im Sinne einer Positivauslese nur auf eine Untergruppe aller Patienten. Offene Langzeitstudien mit Triptanen erreichen auf diese Weise in der Regel Wirksamkeitsraten von 85 bis 90% im Glaxokriterium – im Vergleich zu 55-70% Effektivität in kontrollierten Studien mit nur einer behandelten Attacke. Um Langzeitstudien beurteilen zu können, ist damit erforderlich, dass nicht nur die Verträglichkeit und Wirksamkeit über alle Attacken angegeben wird, sondern auch die Ergebnisse bei der ersten behandelten Attacke – das heißt vor Beginn von Selektionsphänomenen. Haben viele Patienten wenige und wenige Patienten viele Attacken behandelt? Genau diese Angaben fehlen jedoch leider in der vorliegenden Publikation. Wichtig zur Beurteilung der Verträglichkeit wäre außerdem die absolute Zahl der Patienten, die unerwünschte Ereignisse angegeben haben. Es fehlt weiterhin die Auskunft über die Anzahl der Patienten, die Wiederkehrkopfschmerzen registrierten. Allein die nackte Zahl der Attacken, in denen eine zweite Naratriptan-Dosis eingenommen wurde, erlaubt keine Schlussfolgerung einer niedrigen Recurrencerate. Einige Patienten dürften sicherlich alternative Medikamente eingenommen haben. In Unkenntnis der angeführten wichtigen Detailinformationen und unter Berücksichtigung erforderlicher Einschränkungen bei der Beurteilung eher falsch positiv gefärbter Ergebnisse in offenen Langzeitstudien, bleibt festzustellen, dass die Wirksamkeitsparameter in der vorgestellten Studie erstaunlich schlecht sind, wenn man sie mit denen anderer Triptane vergleicht (s.o.). Ein Kommentar hierzu fehlt in der Publikation, die gerade eine gute Wirksamkeit von Naratriptan hervorhebt. Letztlich erlaubt der veröffentlichte Teil der Studie lediglich eine positive Aussage: Die Tatsache, dass von insgesamt 417 Patienten nur ein Patient aufgrund von Brustschmerzen (ohne EKG- oder Enzymauffälligkeiten) und ein Patient aufgrund eines Blutdruckanstieges die Studie vorzeitig abbrachen, spricht viel deutlicher für die sehr gute Verträglichkeit von Naratriptan als eine Zahl von 84% behandelten Attacken ohne Nebenwirkungen. (AHK)

**** Überall MA, Denecke H, Kröner-Herwig B. Kopfschmerztherapie im Kindes- und Jugendalter. Schmerz 2000;14:351-361

Zusammenfassung: Aktuelle Untersuchungen zur Prävalenz von Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland belegen, dass 83 % der 8 bis 9-jährigen bzw. 90 % der 11 bis 12-jährigen Kinder an Kopfschmerzen leiden. 60 % aller Kinder und Jugendliche leiden an Kopfschmerzen vom Spannungstyp, 10 bis 12 % unter Migräne. Die Internationale Kopfschmerzklassifikation legt für die Einordnung des kindlichen Kopfschmerzes die gleichen Kriterien wie für Kopfschmerzen im Erwachsenenalter zugrunde, lediglich für Migräneattacken wird eine kürzere Dauer (2 Stunden im Vergleich zu 4 Stunden) gefordert. Sekundäre Kopfschmerzen im Kindesalter (meist infolge einer Infektion) werden häufig in Eigenregie von Eltern therapiert, dazu kommen Paracetamol oder Ibuprofen in Frage. Die Autoren empfehlen Ibuprofen wegen der besseren Studienlage und des geringeren Nebenwirkungsprofils. Zur medikamentösen Attackentherapie der Migräne empfehlen die Autoren ein Attackenschema für leichte Migräneattacken mit Paracetamol, Ibuprofen, Ketoprofen oder Acetylsalicylsäure und tendieren bei starken Migräneattacken zu Triptanen. Für typische Migräneäquivalente wie den gutartigen paroxysmalen Lagerungsschwindel wird Domperidon (Motilium) empfohlen. Therapieempfehlungen zum Spannungskopfschmerz sind, ähnlich wie im Erwachsenenalter, nicht medikamentöse Verfahren. Clusterkopfschmerz im Kindesalter, der ab dem Lebensjahr beschrieben wird, sollte in Analogie zum Erwachsenenalter mit 7 l Sauerstoff pro Minute über 15 Minuten behandelt werden oder ggf. Sumatriptan (Imigran 0,3 bis 0,6 mg/kg Körpergewicht). Bei der Prophylaxe der Migräne und des Spannungskopfschmerzes im Kindesalter sollte das Schwergewicht auf nicht medikamentösen Maßnahmen liegen, die aus Unterbrechung der ursprünglichen Tagesaktivität, Reizabschirmung, Entspannung, ätherischen Ölen oder Akupressur bestehen sollten, dringend empfohlen wird auch das Führen eines Kopfschmerztagebuches. Als Migräneprophylaxe kommen Metoprolol sowie Flunarizin in Frage (Metoprolol 1 bis 2 mg pro kg Körpergewicht pro Tag, Flunarizin 5 mg pro Tag als abendliche Einmaldosis, wobei die Behandlungsdauer zwischen 4 und 6 Monaten liegen sollte). Für den chronischen Spannungskopfschmerz im Kindesalter empfehlen die Autoren Amitriptylin (Saroten zwischen 5 und 10 bis zu 25 mg Einzeldosis einmalig abends). Psychologische Interventionen sind angezeigt bei einer Erkrankungsdauer über 6 Monaten mit mehr als 2 Attacken pro Monat sowie bei einer Anfallsdauer über einer Stunde. Sowohl Entspannungsverfahren (Muskelrelaxationstraining nach Jacobson) und Biofeedback-Therapie sind geeignet. Auch kognitiv-behaviorale Therapien von z. B. McGrath mit einem 8-wöchigen multistrategischen Therapieprogramm sind sinnvoll. Die Autoren ziehen das Resümee, dass kindliche Kopfschmerzen multifaktoriell behandelt werden sollten, wobei nicht medikamentöse und medikamentöse Behandlungsmaßnahmen kombiniert werden sollten.

Kommentar: Dieser Übersichtsartikel behandelt ausführlich verschiedene Kopfschmerzformen im Kindesalter und gibt im Literaturverzeichnis einen guten Überblick über die aktuelle Literatur. Hervorzuheben sind die Dosierungsempfehlungen, die in übersichtlicher Tabellenform einen schnellen Zugang zu medikamentösen Maßnahmen ermöglichen. Der Einsatz von Triptanen im Kindesalter ist sicher nur einer kleinen Subgruppe notwendig, die Ergebnisse vom Sumatriptan nasal wurden von Überall veröffentlicht, zum Zweck der Indikationserweiterung werden Studien zum Einsatz von Zolmitriptan und Sumatriptan durchgeführt. Die Übersicht über psychologische Interventionsmöglichkeiten bei kindlichem Kopfschmerz ist sehr informativ. Im Text wird die Notwendigkeit erläutert, besonders bei Kopfschmerz im Kindesalter auf nicht medikamentöse Maßnahmen, insbesondere kognitiv-behaviorale Therapien zurückzugreifen und diese vorzugsweise in Gruppen durchzuführen. Wünschenswert wäre eine weitere Verbreitung dieser Programme und bessere Zugänglichkeit für den einzelnen Patienten, was bisher durch Abrechnungspraxis und spärliche Verbreitung dieser Techniken im ambulanten Sektor noch schwierig erscheint. (AG)

*** T. D. Rozen. Treatment of a prolonged migrainous aura with intravenous furosemide. Neurology 2000;55:732

Zusammenfassung: Es werden zwei Patienten mit Migräne beschrieben deren prolongierte Aurasymptomatik sich innerhalb weniger Stunden nach Gabe von 20 mg Furosemid (IV) zurück bildete.

Kommentar: Bis jetzt existieren keine etablierten Behandlungskonzepte für normale, prolongierte oder hemiplegische Migräneauren. Der Therapieversuch von Dr. Rozen basiert auf einem tierexperimentellen Modell für ‘Cortical Spreading Depression’ (CSD), in dem Furosemid einen verkürzenden Effekt auf CSD zeigt (Read et al. Cephalalgia 1997;17(8):826-32.). CSD beruht auf einer langsamen Depolarisationswelle kortikaler Neurone und wird hauptsächlich durch exzitatorische Aminosäuren (zB Glutamat) über NMDA-Rezeptoren und hohe extrazelluläre Kaliumkonzentrationen vermittelt (Lauritzen , Hansen. J Cereb Blood Flow Metab 1992;12: 223-229). Sehr wahrscheinlich ist CSD das pathophysiologische Korrelat für die, sich langsam ausbreitenden, neurologischen Reiz- und Ausfallsymptome der Migräneaura. Klinisch im Vordergrund steht die Sorge, dass prolongierte Auren stark behindern und in einen migränösen Infarkt münden können. Bisher existieren zur Therapie der Aura nur eine negative kontrollierte Studien und positive Einzelfallbeschreibungen und kleine Serien. Sumatriptan ist nicht wirksam gegen Aurasymptome (Bates, for the Study Group. Cephalalgia 1993; 13(Suppl. 13):188). Der NMDA-Rezeptor-Antagonist Ketamin kann bei einigen Patienten mit hemiplegischer Migräne die Ausbreitung blockieren ( Kaube et al. Neurology 2000;55(1):139-41) und bei einzelnen Patienten mit visuellen Auren und Hirnstammauren mit Bewußtseinsstörungen war die Gabe von Naloxon bzw. Flumazenil erfolgreich (Sicuteri et al. Headache 1983;23:179-83; Requena et al. Rev Neurol 1999;29:1048-51). In der vorliegenden Studie wurde Furosemid mehrere Tage nach dem Persistieren der Aurasymptomatik verabreicht. Zu diesem Zeitpunkt würde eine Verkürzung der unmittelbaren kortikalen DC-Auslenkung nach CSD im Minutenbereich, wie sie in dem o.g. Tiermodell beobachtet wurden, wahrscheinlich keine Rolle mehr spielen. Für prolongierte Auren gibt es derzeit kein gültiges Tiermodell. Dennoch bleibt die Information über eine potentielle Wirksamkeit von Furosemid in der Migräneaura – auch an zwei Patienten – interessant. In Ermangelung anerkannter Alternativen sind Wiederholungen dieses Therapieversuchs und später kontrollierte Studien mit Furosemid sicherlich sinnvoll und wünschenswert. (HK)


DMKG