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10. Medikamenten-induzierter Kopfschmerz

* Drucker P, Tepper S (1998). Daily sumatriptan for detoxification from rebound. Headache 38:687-690

Medikamenteninduzierer Dauerkopfschmerz ist ein häufiges Problem in Kopfschmerzambulanzen. Die amerikanischen Autoren berichten hier über 35 Patienten mit medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerzen, die in abnehmender Häufigkeit nicht-steroidale Antirheumatika, Paracetamol, Mutterkornalkaloide, Antihistaminika, Codein, Opioide oder Phenazon-Abkömmlinge täglich einnahmen.

Neun Patienten nahmen an dem hier vorgestellten Protokoll nicht teil. Alle Patienten hatten ursprünglich unter einer episodischen Migräne gelitten. Die Patienten wurden aufgefordert, 3 x täglich 25 mg Sumatriptan über 10 Tage zu nehmen und die bisher eingenommene Medikation abzusetzen. Von den 26 Patienten, die die Studie beendeten, berichteten 58% nach 1 Monat, daß der Dauerkopfschmerz verschwunden oder gebessert war.

Die Autoren schließen daraus, daß Sumatriptan eine wertvolle Substanz ist, um Patieten mit medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerzen zu behandeln. Dieser Schlußfolgerung muß heftigst widersprochen werden. Erkenntnisse aus Deutschland zeigen, daß Sumatriptan, wenn es regelmäßig eingenommen wird, seinerseits Migräneattacken und medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz induziert und dies wahrscheinlich schneller als normale Schmerzmittel, nicht-steroidale Antirheumatika oder Opioide. Daher ist es geradezu widersinnig, Patienten, die medikamentenabhängig wurden und bisher keine Triptane benutzt hatten, mit Hilfe von Triptanan von ihrem Dauerkopfschmerz zu entziehen. (HCD)

**** Haag G, Baar H, Grotemeyer KH, Pfaffenrath V, Ribbat MJ, Diener HC (1999) Prophylaxe und Therapie des medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerzes. Therapieempfehlung der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Der Schmerz 13: 52-57.

Genaue Erhebungen über den medikamentös induzierten Dauerkopfschmerz liegen nicht vor, Schätzungen ergeben Zahlen von 0,3 bis 1,0 %, während von den spezialisierten Kopfschmerzzentren Zahlen bis zu 40 % angegeben werden. Komplikationen und Folgekosten medikamentös induzierter Kopfschmerzen führen zu erheblichen medizinischen und volkswirtschaftlichen Problemen.

Dieser Artikel stellt die aktuellen Therapieempfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft dar. Prädisponiert für medikamentös induzierten Dauerkopfschmerz sind Patienten, die primär einen idiopathischen Kopfschmerz (Migräne, Kopfschmerz vom Spannungstyp) aufweisen. Die Symptomatik des medikamentös induzierten Dauerkopfschmerzes ist durch den dumpf-drückenden holocephalen Dauerkopfschmerz, der bereits morgens auftritt, gekennzeichnet, Typische Medikamente, die zu einem medikamentös induzierten Dauerkopfschmerz führen, sind analgetische Mischpräparate, Ergotamin, Triptane, Tranquilizer und Kodein enthaltende Analgetikazubereitungen. Ne-ben dem medikamentös induzierten Dauerkopfschmerz können Spätfolgen (z. B. der Ergotismus, Nierenschäden, rezidivierende Magen- und Duodenalulcera) auftreten.

Als kritische kumulative Monatsdosis werden z. B. 24 mg Ergotamintartrat und 1200 mg Sumatriptan oral betrachtet. Gründe, die zu einer kontinuierlichen Einahme dieser Substanzen führen, sind z. B. Angst vor einer Migräneattacke insbesondere unter hohem sozialem Druck. Über diesen Weg mündet ein Rebound-Kopfschmerz vermutlich in einen Abusus. Die Behandlung des medikamentös induzierten Dauerkopfschmerzes besteht im ambulanten oder stationären Medikamentenentzug; erst danach stellt sich der ursprüngliche zugrundeliegende idiopathische Kopfschmerz heraus, und es können eine adäquate Akuttherapie und Prophylaxe erfolgen. Neben der medikamentösen Therapie bilden die verhaltenstherapeutische Begleittherapie und Nachbehandlung wesentliche Bestandteile der Rezidivprophaxe eines medikamentös induzierten Dauerkopfschmerzes. Die Rezidivrate des mediamentös induzierten Dauerkopfschmerzes beträgt 30 % und spiegelt damit Probleme der Langzeitbehandlung des mediamenteninduzierten Dauerkopfschmerzes wieder.

Dieser Artikel stellt einen sehr gelungenen deutschsprachigen Übersichtsartikel zur Prophylaxe und Therapie des mediakemteninduzierten Dauerkopfschmerzes dar, der anhand der wissenschaftlichen Datenlage klare diagnostische und therapeutische Leitlinien darstellt. Die Therapieempfehlungen müssen in der Praxis wesentlich mehr berücksichtigt werden, als es in der Regel außerhalb spezialisierter Kopfschmerzambulanzen der Fall ist. Eine Publikation in einer allgemeinmedizinischen und internistischen Zeitschrift ist dringend wünschenswert. (IWH)

*** Limmroth V, Kazarawa Z, Fritsche G, Diener H-C (1999). Headache after frequent use of serotonin agonists zolmitriptan and naratriptan. Lancet 353:378-381.

Die regelmäßige und relativ hochfrequente Einnahme von Analgetika kann als Langzeitnebenwirkung Kopfschmerzen auslösen. Ursprünglich wurde dieses Phänomen beim “Mißbrauch” der heute weitgehend verschwundenen analgetischen Mischpräparate aufgezeigt. Später stellte sich heraus, daß auch nach der regelmäßigen Anwendung von Ergotamin – kein Analgetikum im klassischen Sinne – Dauerkopfschmerzen auftreten können. Die Hoffnung, daß dieses Risiko bei den spezifischeren 5-HT-Agonisten fehlen würde, erfüllte sich nicht und wie die jetzt von Limmroth et al vorgelegten Kasuistiken beweisen, kann diese Nebenwirkung auch bei der regelmäßigen Einnahme “therapeutischer” Dosen der Nachfolgesubstanzen von Sumatriptan beobachtet werden. Diese Nebenwirkung hat demnach wohl nichts mit der relativ kurzen Wirkdauer von Sumatriptan zu tun, sondern scheint ein Charakteristikum aller wirksamen Therapeutika zur Behandlung des Migräneanfalls zu sein.

Aufmerksamkeit verdient der Hinweis der Autoren, daß ein Zunahme der Häufigkeit von Migräneattacken als ein Anzeichen für einen sich entwickelnden Dauerkopfschmerz aufgefaßt werden kann. Die Beobachtung ist zum einen als Hinweis auf eine Arzneimittelnebenwirkung von unmittelbarer praktischer Bedeutung, sie wirft aber auch eine ganze Reihe hochinteressanter wissenschaftlicher Fragestellungen auf: Führen wirksame Migränetherapeutika – wie es die 5-HT1D-Agonisten sind – zu einer Hyperalgesie, die langsam abklingt und bei regelmäßiger Anwendung der Agonisten kumuliert? Darf aus der Beobachtung der Autoren, daß bei den Patienten, bei denen sich die Attackenfrequenz wahrscheinlich pharmakogen erhöhte, die einzelne Attacke trotzdem noch immer mit einem Triptan beherrscht werden konnte, geschlossen werden, daß die Population der 5-HT1D-Rezeptoren unter der Therapie unverändert ist (down-regulation, receptor-shift)? Würde die regelmäßige Einnahme von Triptanen bei gesunden Versuchspersonen ebenfalls Dauerkopfschmerzen verursachen oder sind diese ein den Migränepatienten auszeichnendes Problem.? (AZ)


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