06. Migräne, Akuttherapie
*** Tfelt-Hansen P, Teall J, Rodriguez F, Giacovazzo M, Paz J, Malbercq W, Block GA, Reines SA, Visser WH, on behalf of the Rizatriptan 030 Study Group (1998) Oral rizatriptan versus oral sumatriptan: a direct comparative study in the acute treatment of migraine. Headache 38:748-755.
Es gibt in der Zwischenzeit eine ganze Reihe spezifischer Migränemittel, die alle am Serotonin(5HT1B/1D)-Rezeptor angreifen. Die erste Substanz, die erfolgreich untersucht und eingeführt wurde, war Sumatriptan. Sumatriptan ist daher für alle neuen Substanzen der Goldstandard, an dem sich neue spezifische Migränemittel messen müssen.
Rizatriptan ist ein neuer spezifischer 5HT1B/1D-Agonist, der im Vergleich zu Sumatriptan eine raschere Absorption nach oraler Gabe und eine höhere Bioverfügbarkeit hat.
In die Studie wurden 1268 Frauen und Männer im Alter zwischen 18 und 65 Jahren aufgenommen, die an einer Migräne mit oder ohne Aura litten. Die Studie wurde randomisiert, Placebo-kon-trolliert, doppel-blind in 47 Studienzentren in 21 Ländern durchgeführt. Es wurden vier Behandlungsgruppen gebildet, wobei 388 Patienten 100 mg Sumatriptan erhielten, 387 Rizatriptan 10 mg, 164 Rizatriptan 5 mg und 160 Patienten Placebo. Patienten konnten die Studienmedikation einnehmen, wenn die Attacke nicht länger als 6 Stunden anhielt und die Schmerzintensität als mittelgradig oder schwer empfunden wurde. Die Patienten wurden gebeten, nach 30 min, 1 Stunde, 1 _, 2, 3 und 4 Stunden ihre Kopfschmerzintensität, die funktionelle Beeinträchtigung und das Vorhandensein oder die Abwesenheit von Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu und Lärmempfindlichkeit festzuhalten. Frühestens 2 Stunden nach Einnahme der Studienmedikation durfte eine Ausweichmedikation (Rescue medication) eingenommen werden.
Primärer Zielparameter war die Zeit, die verging, bis die Kopfschmerzen einen Schweregrad von leicht oder keine Kopfschmerzen erreicht hatten. Sekundäre Zielparameter waren die üblichen, die in Migränestudien Verwendung finden, nämlich die Besserung der Kopfschmerzen von mittelschwer oder schwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen und der Prozentsatz der Patienten, der nach 2 Stunden schmerzfrei war. Der Prozentsatz der Frauen betrug 80-84%. Das mittlere Alter betrug 37-39 Jahre. 51-56% der Patienten hatten bei Medikamenteneinnahme schwere Kopfschmerzen. Alle aktiven Behandlungen waren signifikant besser wirksam als Placebo. Der Prozentsatz der Patienten, der nach 2 Stunden eine Besserung der Kopfschmerzen berichtete, betrug 40% mit Placebo, 60% mit 5 mg Rizatriptan, 67% mit 10 mg Rizatriptan und 62% mit 100 mg Sumatriptan. Schmerzfrei nach 2 Stunden waren 9% der Patienten mit Placebo, 25% mit 5 mg, 40% mit 10 mg Rizatriptan und 33% mit 100 mg Sumatriptan. Rizatriptan wirkte rascher als Sumatriptan, was sich in einem höheren Prozentsatz von Patienten mit gebesserten Kopfschmerzen nach 1 Stunde widerspiegelt.
Der primäre Zielparameter, nämlich die Zeit bis zur Besserung der Kopfschmerzen war mit einer Hazard-Ratio von 1,17 für den Vergleich von 10 mg Rizatriptan und 100 mg Sumatriptan nicht signifikant unterschiedlich. Auch bezogen auf die Funktionsfähigkeit im Alltag waren 10 mg Rizatriptan besser wirksam als 100 mg Sumatriptan. Die Besserung von Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu und Lärmempfindlichkeit waren zwischen den einzelnen aktiven Behandlungsgruppen nicht signifikant unterschiedlich. Bezüglich der Nebenwirkungen führten die 5HT1B/1D-Agonisten im Vergleich zu Placebo häufiger zu Benommenheit, unsystematischem Schwindel, einem Schwächegefühl und einem Engegefühl im Bereich der Brust, Rizatriptan 5 mg hatte signifikant weniger Nebenwirkungen als Rizatriptan 10 mg. Rizatriptan sollte aufgrund seiner rascheren Resorption schneller wirken als Sumatriptan. Dies konnte in der vorliegenden Studie bezüglich des primären Zielparameters, nämlich Zeit bis zum Eintritt der Besserung der Kopfschmerzen, nicht belegt werden. Nur wenn eine Korrektur der statistischen Auswertung bezüglich des höheren Alters in der Sumatriptan-Gruppe vorgenommen wurde, wurde dieser Unterschied signifikant. Trotzdem läßt sich aber bezüglich der sekundären Zielvariablen eine etwas raschere und auch eine etwas bessere Wirksamkeit von 10 mg Rizatriptan im Vergleich zu 100 mg Sumatriptan nachweisen. Die Nebenwirkungen sind vergleichbar. Die vorliegende Studie führte auch einen Arm mit 5 mg Rizatriptan mit, obwohl dies nicht eine empfohlene therapeutische Dosis ist. Diese Dosis sollte nur Verwendung finden, wenn Patienten gleichzeitig zur Migräneprophylaxe oder aus anderen Gründen den Beta-Rezeptorenblocker Propranolol erhalten. Es besteht eine Interaktion zwischen dem Metabolismus von Rizatriptan und Propranolol. Letztendlich wird die Entscheidung, ob Rizatriptan wirklich etwas wirksamer ist als Sumatriptan von den Patienten im klinischen Alltag getroffen werden. (HCD)
*** Goldstein J, Ryan R, Jian K, Getson A, Norman B, Block GA, Lines C, and the Rizatriptan Protocol 046 Study Group (1998). Crossover comparison of Rizatriptan 5 mg and 10 mg versus Sumatriptan 25 mg and 50 mg in migraine. Headache 38:737-747.
Rizatriptan ist neuer 5HT1B/1D-Rezeptoragonist für die Behandlung akuter Migräneattacken. Die Standarddosis ist 10 mg. Aus Zulassungsgründen war es notwendig, Vergleichsstudien mit dem ältesten bisher zugelassenen Triptan, nämlich Sumatriptan durchzuführen. Gewählt wurden die beiden Sumatriptan-Dosierungen, die in den Vereinigten Staaten am häufigsten angewandt werden, nämlich 25 und 50 mg.
Insgesamt nahmen 1538 Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 90 Jahren an der Studie teil. Alle litten seit mindestens 6 Monaten an einer Migräne mit oder ohne Aura. Die Studie wurde als randomisierte, Placebo-kontrollierte cross-over-Studie durchgeführt. Verglichen mit dem cross-over-Design wurden 5 mg Rizatriptan und 25 mg Sumatriptan, 10 mg Rizatriptan und 50 mg Sumatriptan und Placebo mit Placebo. Pro Attacke konnten die Patienten nur eine Dosis der Studienmedikation einnehmen. Die beiden Attacken, die jeweils behandelt wurden, mußten mindestens 5 Tage auseinander liegen. In einem Kopfschmerztagebuch notierten die Patienten die Intensität der Kopfschmerzen nach _ Stunde sowie nach 1, 2, 3 und 4 Stunden. Darüber hinaus wurde die funktionelle Beeinträchtigung im Alltag sowie die Besserung der Begleitsymptome Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu und Lärmempfindlichkeit registriert. Die Patienten wurden darüber hinaus nach ihrer subjektiven Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit mit der entsprechenden Medikation befragt. Von den 1538 Patienten, die randomisiert wurden, nahmen 209 die Studienmedikation nicht ein. 1329 Patienten behandelten die erste Migräneattacke und 1205 beide Migräneattacken. Für den primären Zielparameter, nämlich die Zeit bis zur Besserung der Kopfschmerzen war 5 mg Rizatriptan besser wirksam als 25 mg Sumatriptan und 10 mg Rizatriptan besser wirksam als 50 mg Sumatriptan.
In absoluten Zahlen betrug die Besserung der Kopfschmerzen gemessen als eine Reduktion der Kopfschmerzen von stark oder mittelstark auf leicht oder keine Kopfschmerzen nach 2 Stunden 68% mit 5 mg und 72% mit 10 mg Rizatriptan im Vergleich zu 62% mit 25 mg und 68% mit 50 mg Sumatriptan. Die Placebo-Quote betrug 38%. Schmerzfrei nach 2 Stunden waren 33% der Patienten mit 5 mg und 41% mit 10 mg Rizatriptan im Vergleich zu 28% mit 25 mg Sumatriptan und 37% mit 50 mg Sumatriptan. Neun Prozent der Patienten in der Placebo-Gruppe waren nach 2 Stunden schmerzfrei.
Bezüglich der funktionellen Beeinträchtigung waren die Patienten nach Rizatriptan häufiger gebessert als nach Sumatriptan. Bezüglich der subjektiven Einschätzung der Wirkung bestanden zwischen Sumatriptan und Rizatriptan keine Unterschiede. Bezüglich einer zusätzlichen Medikation wegen Wirkungslosigkeit bestand zwischen den vier aktiven Behandlungsgruppen kein Unterschied. Nur in der Placebo-Gruppe mußte signifikant häufiger eine Ersatzmedikation eingenommen werden. Die Häufigkeit des Wiederauftretens der Kopfschmerzen nach initialer Wirksamkeit war zwischen den vier aktiven Behandlungsgruppen nicht unterschiedlich und schwankte zwischen 31 und 35%. Auch die Dauer bis zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen war mit einem Zeitraum zwischen 9,3 und 12,6 Stunden zwischen den vier aktiven Behandlungsgruppen nicht verschieden. Bezüglich der Nebenwirkungen bestanden keine großen Unterschiede. Sumatriptan führte etwas häufiger zu einem Engegefühl im Bereich der Brust und Rizatriptan etwas häufiger zu Benommenheit. Insgesamt wurde die Studienmedikation aber gut vertragen.
Für die Zulassung neuer Migränemittel ist es nicht nur wichtig, die Wirksamkeit im Vergleich zu Placebo zu belegen, sondern vor allem auch die Wirksamkeit im Vergleich zu Sumatriptan, dem am längsten etablierten Tripttan zu beweisen. Die hier vorliegende Studie benutzt ein cross-over-Design, d. h. Patienten behandelten zwei konsekutive Migräneattacken mit zwei verschiedenen Medikamenten. Dies schließt Patienten-spezifische Variablen aus und läßt einen relativ sicheren Vergleich zweier Migränemittel zu. Die Dosierungen orientieren sich allerdings am amerikanischen und nicht am europäischen Markt. In den Vereinigten Staaten haben 25 und 50 mg Sumatriptan den höchsten Anteil am Markt. In Deutschland werden am häufigsten 50 und 100 mg Sumatriptan gegeben. Für deutsche Verhältnisse ist daher nur der Vergleich zwischen 10 mg Rizatriptan und 50 mg Sumatriptan relevant. Hier zeigt sich eine etwas raschere Wirkung und eine etwas bessere Wirkung von Rizatriptan im Verhältnis zu Sumatriptan. Bei den Nebenwirkungen bestehen lediglich geringe Unterschiede. Da Rizatriptan seltener zu einem Engegefühl im Bereich der Brust führt, sollte es Patienten gegeben werden, die unter diesen Nebenwirkungen nach Sumatriptan leiden. Rizatriptan hat eine höhere Durchgängigkeit durch Bluthirnschranke, was erklärt, warum es häufiger zu Müdigkeit und unsystematischem Schwindel führt. (HCD)
*** LeJeunne C, Pascual Gómes J, Pradalier A, Titus I Albareda F, Joffroy A, Liaño H, Henry P, Lainez JM, Geraud G (1999) Comparative efficacy and safety of calcium carbasalate plus metoclopramide versus ergotamine tartrate plus caffeine in the treatment of acute migraine attacks. Eur Neurol 41:37-43.
Calciumcarbasalat ist eine lösliche Form der Acetylsalicylsäure, die besser magenverträglich sein soll. In der vorliegenden französischen und spanischen Studie wurde in einer randomisierten, doppel-blinden, multizentrischen Parallelgruppenstudie 1144 mg Calciumcarbasalat (entspricht 900 mg Acetylsalicylsäure) in Kombination mit 10 mg Metoclopramid mit 1 mg Ergotamintartrat in Kombination mit 100 mg Coffein verglichen.
Die Patienten behandelten eine Attacke mit Studienmedikation und dokumentierten Kopfschmerzintensität und Ausmaß der Begleitsymptome sowie Bedarfsmedikation nach 2 Stunden und Wiederauftreten der Kopfschmerzen in einem Kopfschmerz-Tagebuch. 151 Patienten wurden in die Calciumcarbasalat- und 155 in die Ergotamintartrat-Gruppe randomisiert. Je 136 und 132 Patienten behandelten tatsächlich eine Migräneattacke. Insgesamt 235 Patienten behandelten eine zweite Migräneattacke mit Studienmedikation.
Eine Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen berichteten bei der ersten Attacke 54% und bei der zweiten Attacke 60% der Patienten, die Calciumcarbasalat plus Metoclopramid benutzten. Für die Kombination Ergotamintartrat und Coffein waren die entsprechenden Erfolgsquoten 36% und 44%. Die Unterschiede waren jeweils signifikant. Der Prozentsatz der Patienten, die kopfschmerzfrei waren nach 2 Stunden betrug 20% in der Calciumcarbasalat-Gruppe und 8% in der Ergotamin-Gruppe. Bei der zweiten Attacke waren die entsprechenden Prozentzahlen 24% und 17%. Nur für die erste Attacke war der Unterschied signifikant. Zwei Stunden nach Behandlung klagten noch 42% der Patienten in der Calciumcarbasalat-Gruppe über Übelkeit und 63% mit Ergotamintartrat. Dieser Unterschied war signifikant. Insgesamt wurden beide Substanzen gut vertragen. Die Gesamtzahl der Nebenwirkungen war zwischen den beiden Behandlungsformen nicht unterschiedlich. Gastrointestinale Nebenwirkungen waren allerdings mit 21% bei Ergotamintartrat plus Coffein häufiger als bei Calciumcarbasalat plus Metoclopramid. Für das Verständnis der hier vorliegenden Studie muß die Situation in den Ländern Frankreich und Spanien betrachtet werden. In beiden Ländern hat Ergotamintartrat in Kombination mit Coffein einen hohen Marktanteil. Daher bot es sich an, die Vergleichsstudie gegen Calciumcarbasalat in dieser Form durchzuführen. Interessant wäre es gewesen, Calciumcarbasalat im Vergleich zu einem Triptan insbesondere Sumatriptan zu sehen. Rein pharmakologisch kann man sich die Frage stellen, ob 900 mg Acetylsalicylsäure in Kombination mit 10 mg Metoclopramid tatsächlich äquivalent wirksam sind zu 1 mg Ergotamintartrat. Die meisten Ergotamin-haltigen Zäpfchen in Deutschland enthalten beispielsweise 2 mg Ergotamintartrat. (HCD)
*** Dahlöf CGH, Saiers J (1998) Sumatriptan injection and tablets in clinical practice: results of a survey of 707 migraineurs. Headache 38:756-763.
Klinische Studien werden üblicherweise an hochselektionierten Patientenpopulationen vorgenommen. Meistens werden auch nur eine Attacke oder maximal drei Migräneattacken behandelt. Daher ist es wichtig, auch Informationen über Wirksamkeit und Nebenwirkungen von Patienten zu erhalten, die Sumatriptan im Alltag benutzen. Carl Dahlöf von der Migräne-Klinik in Göteborg (Schweden) hat daher über 700 Patienten, denen er Sumatriptan-Tabletten oder Injektionen verschrieben hatte, in einem strukturierten Telefon-Interview über ihre Erfahrungen befragt.
Die hier dargestellten Ergebnisse stützen sich auf 76.000 Injektionen von 6 mg Sumatriptan, 56.000 Einnahmen von 100 mg Tabletten und 20.000 Einnahmen von 50 mg Tabletten Sumatriptan. 83% der Patienten waren Frauen. Das mittlere Alter betrug 43 Jahre. Die mittlere Dauer der Migräne betrug 24 Jahre und die mittlere Häufigkeit der Attacken betrug 4 pro Monat. 499 Patienten benutzten Sumatriptan-Injektionen, 323 Patienten 100 mg Tabletten, 142 Patienten 50 mg Tabletten. Im Schnitt mußten 1,6 Injektionen und 2 Tabletten à 100 mg pro Attacke eingesetzt werden. Wurden Patienten, die alle drei Formen der Anwendung benutzten, nach ihrer Präferenz befragt, so bevorzugten 32% die 100 mg Tablette gegenüber der Injektion (15%) oder den 50 mg Tabletten (7%). Gründe für die Präferenz für die Tabletten waren geringere Nebenwirkungen und die leichtere Form der Anwendung. Bei den Patienten, die die Injektion bevorzugten, waren die häufigsten Gründe die Geschwindigkeit des Wirkungseintritts und die Wirksamkeit selbst.
Nach den Nebenwirkungen befragt, gaben die meisten Patieten an ein Wärmegefühl (34%), Druckgefühl im Bereich der Brust (31%) und Schmerzen an der Injektionsstelle (31%). Andere Nebenwirkungen waren Müdigkeit (27%), Engegefühl im Bereich des Nackens oder Halses (20%), Engegefühl im Bereich des Kopfes (17%). Insgesamt wurden bei den Patienten, die Tabletten einnahmen, weniger Nebenwirkungen berichtet als bei den Patienten, die Injektionen bevorzugten. 56% der Patienten, die Sumatriptan-Tabletten einnahmen, und 46% der Patienten, die die Injektion benutzten, berichteten über gelegentliche oder regelmäßig wiederkehrende Kopfschmerzen innerhalb derselben Migräneattacke. Die mittlere Dauer bis zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen betrug 13,9 Stunden für die 100 mg Tablette und 9,9 Stunden für Sumatriptan-Injektion. Insgesamt 105 Patienten (14,8%) nahmen kein Sumatriptan mehr ein. Die am häufigsten genannten Gründe waren die kurze Dauer der Wirksamkeit, Angst vor Nebenwirkungen oder mangelnde Wirksamkeit.
Befragt nach dem Vergleich von Sumatriptan mit der früher benutzten Migränemedikation gaben 94% der Patienten an, daß Sumatriptan besser wirksam war.
Interessant war die Beobachtung, daß nur die Hälfte der Patienten wußte, wie teuer Sumatriptan-Injektionen und Tabletten sind.
Die hier gemachten Beobachtungen stimmen relativ gut mit klinischen Erfahrungen in Deutschland überein. Interessant ist die Beobachtung, daß wiederkehrende Kopfschmerzen in der täglichen Praxis offenbar noch häufiger sind als in den klinischen Studien. Dies mag daran liegen, daß in den klinischen Studien Patienten mit sehr langen Migräneattacken von vornherein ausgeschlossen werden. Überzeugend zeigt allerdings diese Studie, daß Sumatriptan definitiv der von den meisten Patienten bis dahin genommenen Migränemedikation überlegen war. (HCD)
*** Block GA, Goldstein J, Polis A, Reines SA, Smith ME and the Rizatriptan Multicenter Study Group (1998) Efficacy and safety of rizatriptan versus standard care during long-term treatment for migraine. Headache 38:764-771.
Rizatriptan ist ein neuer 5HT1B/D-Agonist zur Behandlung zur Behandlung akuter Migräneattacken. Die vorliegende Studie ist eine Langzeit Sicherheits- und Wirksamkeitsstudie, in die insgeamt 1831 Patienten eingeschlossen wurden. Die meisten Patienten hatten bereits an Studien zur Akuttherapie von Migräneattacken teilgenommen.
Die Patienten durften zwischen einer und acht Migräneattacken pro Monat haben. Die Patienten wurden in drei Behandlungsgruppen im Verhältnis 2:2:1 randomisiert: 5 mg Rizatriptan, 10 mg Rizatriptan oder die übliche von den Patienten benutzte Therapie. Für den Zeitraum der Studie durften die Patienten keine Monoaminoxidasehemmer oder Methysergid einnehmen. Da bereits bekannt war, daß eine Medikamenteninteraktion mit Propranolol besteht, war diese Substanz zur Migräneprophylaxe untersagt. In der Gruppe der Patienten, die ihre Standardtherapie einsetzten, benutzten 76% Sumatriptan, die übrige nicht-steroidale Antirheumatika, Paracetamol, Barbiturate und Opioide. Die Patienten wurden gebeten, soweit wie möglich alle im Zeitraum von 12 Monaten aufgetretenen Migräneattacken mit Studienmedikation zu behandeln und den Erfolg in einem Migränetagebuch festzuhalten. Insgesamt wurden 46.773 Migräneattacken mit Studienmedikation behandelt. Die mittlere Zahl der Migräneattacken pro Monat lag zwischen 3,4 und 4,1. Mit 10 mg Rizatriptan berichteten 90% der Patienten nach 2 Stunden eine Besserung der Kopfschmerzen von mittelschwer oder schwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen. Die entsprechenden Zahlen für Rizatriptan 5 mg betrugen 80% und für die übliche Behandlung 70%. Der Unterschied war bezüglich Rizatriptan 10 mg signifikant (p<0,05). Schmerzfrei nach 2 Stunden waren 50% der Patienten in der Rizatriptan 10 mg-Gruppe, 35% in der 5 mg-Gruppe und 29% bei den Patienten, die ihre Standardtherapie benutzten. Auch hier war der Unterschied mit p < 0,01 zugunsten von Rizatriptan 10 mg signifikant.
Bezüglich der Erfolgsquoten ergab sich kein Unterschied zwischen Frauen und Männern, kein Einfluß des Alters oder der ethnischen Herkunft. Rizatriptan 10 mg und die Standardtherapie führte insgesamt zu mehr Nebenwirkungen als Rizatriptan 5 mg. Die häufigst genannten Nebenwirkungen waren unsystematischer Schwindel, Müdigkeit, Schwäche und Engegefühl im Bereich der Brust. Die Nebenwirkungen lagen insgesamt alle unter 4%. Bei keinem der Patienten kam es zu ernsthaften Nebnwirkungen. Über die Behandlungsdauer hinweg ergab sich kein Hinweis für einen Wirkungsverlust von Rizatriptan.
Die hier vorliegende Studie zeigt wie die Langzeitstudien der anderen Triptane eine gute Wirksamkeit von Rizatriptan über die Zeit. Dabei ist die 10 mg-Dosis eindeutig wirksamer als die 5 mg-Dosis. Leider wurden in dieser Studie wiederauftretende Kopfschmerzen nicht registriert. Alle Langzeitstudien leiden unter dem selben Mangel: es erfolgt ein Bias zugunsten von Patienten, die auf die Studienmedikation ansprechen. Alle Patienten, die in den Akutstudien keine oder keine ausreichende Wirkung hatten, hätten auch nicht an einer Langzeitstudie teilgenommen. Dies erklärt die hohen Erfolgsquoten. Aus der Tatsache, daß über einen Zeitraum von 12 Monaten keine vermehrte Einnahme von Rizatriptan beobachtet werden konnte, kann nicht geschlossen werden, daß es nicht wie bei den anderen Triptanen bei ausgewählten Patienten bei zu häufiger Einnahme von Rizatriptan zu einer erhöhten Migränehäufigkeit kommen kann. Patienten mit sehr häufigen Migräneattacken, die zu diesem Phänomen neigen, wurden aus der Langzeitstudie a priori ausgeschlossen. (HCD)
***** Goadsby PJ (1998) Serotonin 5-HT1B/1D receptor agonists in migraine. Comparative pharmacology and its therapeutic implications. CNS Drugs 10:271-286.
Bei der außerordentlich lesenswerten Übersichtsarbeit von Peter Goadsby handelt es sich um die bisher umfassendste Darstellung aller zugelassenen und in Entwicklung befindlichen 5-HT1B/1D-Agonisten.
Neben einer umfangreichen Beschreibung der Pharmakologie berechnet der Autor eine Korrelation zwischen klinischer Wirksamkeit und Rezeptorbindungsverhalten am 5-HT1B-Subrezeptor und 5-HT1D-Subrezeptor. Nimmt man diese Korrelation ernst, wird die Wirksamkeit dieser Substanzen am ehesten über den 5-HT1D-Rezeptor vermittelt. Interessant ist auch die Darstellung der Ergebnisse von Avitriptan, einer Substanz, die nicht klinisch weiterentwickelt wurde. Diese Substanz ist sehr viel weniger wirksam in der Hemmung der neurogenen Entzündung im Tierexperiment, aber ebenso wirksam beim Menschen in der Behandlung akuter Migräneattacken. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, daß die neurogene Entzündung bei der menschlichen Migräne wahrscheinlich keine wichtige Rolle spielt.
Wichtig ist auch die Beschreibung, daß der 5-HT1F-Rezeptor eine wichtige Rolle spielt. Die meisten Triptane binden auch an diesen Rezeptor. Hier wird entscheidend sein, ob die von der Fa. Lilly entwickelte Substanz LY 334370, die ein spezifischer 5-HT1F-Agonist ist, bei der Migräne wirksam ist. Weiterhin beobachtete der Autor, daß eine gewisse Korrelation zwischen der Lipophilie der Triptane und ihrer klinischen Wirksamkeit ist: je höher die Lipophilie, um so besser die Wirksamkeit. Pharmakokinetische Untersuchungen zeigen ganz eindeutig, daß die Resorptionsgeschwindigkeit den Wirkungseintritt und die Wirkung bestimmt. Dies erklärt auch, warum die subkutane Injektion die beste Wirksamkeit aufweist. Bezogen auf wiederkehrende Kopfschmerzen scheint kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Halbwertzeit der Triptane und der Häufigkeit, mit der Kopfschmerzen wiederauftreten, zu bestehen. Zweifelsfrei ist aber, daß nach Dihydroergotamin in oraler und intravenöser Form wiederauftretende Kopfschmerzen häufig geringer sind. Dies könnte damit zu tun haben, daß Dihydroergotamin sich langsamer vom Rezeptor löst als die Triptane.
Zusammengefaßt handelt es sich um eine wichtige Übersichtsarbeit, die von jedem wissenschaftlich Interessierten gelesen werden sollte, der ein tieferes Verständnis für die Wirkmechanismen der 5-HT1B/1D-Rezeptoren wünscht. (HCD)
**** Diener H-C, Goadsby P (1998) Die Behandlung der akuten Migräneattacke: Neues in der Kopfschmerzforschung. Akt. Neurologie 25:329-336.
Letztlich auch bedingt durch die Neuentwicklung von Pharmaka konnte in den letzten Jahren neben einem therapeutischen Fortschritt auch ein wesentlicher Fortschritt im Verständnis der Pathophysiologie der Migräne erzielt werden. In der vorgelegten Arbeit geben die beiden Autoren, die ausgewiesene Experten sind und selbst maßgebend an vielen der zusammengefaßten Studien beteiligt waren, eine Übersicht über 1) die heutige Vorstellung der Rolle von serotinergen Mechanismen in der Pathophysiologie der akuten Migräneattacke und 2) die therapeutischen Möglichkeiten der Triptane im Vergleich zu Acetylsalicylsäure.
Auf dem Boden der Beobachtungen, daß die Ausscheidung der Abbauprodukte des Serotonins im Urin nach einer Attacke erhöht ist, daß der Gehalt von Serotonin in den Thrombozyten initial absinkt und daß Serotonin die Kopfschmerzen bei einer Migräneattacke bessert, wurde schon in den 70iger Jahren eine Verbindung von Serotoninstoffwechsel und Migräne postuliert. Als Resultat einer intensivierten Grundlagenforschung wurden in den letzten Jahren 7 Untergruppen der Serotoninrezeptoren herausgearbeitet, wobei besonders der 5-HT1B-Rezeptor und der 5-HT1D-Rezeptor für die Migräne wichtig zu sein scheinen. Der 5-HT1B-Rezeptor scheint nicht nur für die Vasokonstriktion der cerebralen Blutgefäße verantwortlich zu sein, sondern auch für die Plasmaextravasation. Aktivierung des 5-HT1D-Rezeptors verhindert die Ausscheidung von Neuropeptiden an den Nerventerminalen an den Blutgefäßen und reduziert die Aktivität von nozizeptiver Neuronen im Trigeminuskern. Die Rolle von 5-HT1F-Rezeptoren ist noch unklar.
Eine interessante Beobachtung der letzten Zeit ist, daß die Hemmung dieser neurogenen Entzündung nicht notwendigerweise mit der positiven Wirkung einer Substanz in der Therapie der Migräneattacke einhergeht. So sind Substanzen, die weniger wirksam bezüglich dieser Hemmung sind, auch in der Migräne wirksam und umgekehrt. Experimentell, z.B. bei Reizung des Sinus sagittalis superior, oder in der Migräne-Attacke wird CRGP (Calcitonin gene related Peptide) ausgeschüttet. Dieses kann durch die Triptane verhindert werden. Für Triptane, die hirngängig sind, wird noch ein weiterer Wirkungsort angenommen. So läßt sich tierexperimentell nachweisen, daß diese Triptane nozizeptive Neurone im Nucl. trigeminus hemmen können. Diese Funktion wird vermutlich durch 5-HT1D-Rezeptoren vermittelt.
Im zweiten Teil der Arbeit wird eine Übersicht über den Studienstand bezüglich der Wirksamkeit der Triptane gegeben. Um die einzelnen Substanzen zu vergleichen, wird der Kunstbegriff “therapeutischer Gewinn” eingeführt. Darunter versteht man den Anteil der Responder auf Verum minus den Anteil, die auf Placebo alleine reagieren. Dieses stellt eine Vereinfachung dar und mag nicht für alle Studien zulässig sein. Diesen Vorbehalt beachtend zeigt sich, daß die s.c. Gabe von Sumatriptan die höchste Rate (60%) hat, daß Sumatriptan oral bei etwa 37% liegt, Zolmitriptan bei 34% und Rizatriptan bei 42%; nur Naratriptan zeigte einen signifikant niedrigeren Wert von 21%. Das Nebenwirkungsprofil ist für alle Triptane sehr ähnlich. Naratriptan scheint etwas seltener Nebenwirkungen zu verursachen. Mit dem Wiederauftreten der Kopfschmerzen ist in circa 30-40% zu rechnen, wobei Naratriptan bei schlechterer initialer Wirksamkeit möglicherweise hier günstiger ist (17%).
Wichtig ist noch die Feststellung, daß Sumatriptan s.c. leicht wirksamer als 1000mg Acetylsalicylsäure i.v. ist (50% gegenüber 45% kopfschmerzfrei nach 2h) aber 1) teuerer ist und 2) auch signifikant mehr Nebenwirkungen hat. Die Übersicht gibt einen kurzen und übersichtlichen Einblick in den Stand der Diskussion über die Physiologie der Triptanwirkung und ihrer klinischen Wirksamkeit. Leider bleiben einige Punkte etwas unklar, z.B. die Bedeutung der 5-HT1B-Rezeptoren bei der Plasmaextravasation, die Unlinearität der sogenannten GLAXO-Kriterien sowie die Pharmakokinetik von Zolmitriptan/Rizatriptan. (AS)