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Kopfschmerz-News

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11. andere Kopfschmerzen

*** Strupp M, Brandt T, Müller A (1998). Incidence of post-lumbar puncture syndrome reduced by reinserting the stylet: a randomized prospective study of 600 patients. J Neurol 245: 589-592

Die Zahl der Arbeiten zum postpunktionellen Syndrom ist sicherlich viel größer als die 20 zitierten Arbeiten. Allerdings ist dieser diagnostische Eingriff eines der wichtigsten Werkzeuge in der Hand des Neurologen, welches zum Teil von uninformierten Kollegen und Angehörigen, zum Teil durch unbegründete Furcht der Patienten in einem “mysteriösen” Ruf steht. Damit ist jede Anstrengung zu begrüßen, die nachgewiesenermaßen die Inzidenz von Komplikationen senkt.

Die vorliegende Arbeit berichtet über eine prospektive randomisierte Studie mit der atraumatischen “Sprotte-Nadel”, bei der bei 50 % der Patienten die Nadel nach der Punktion wieder in den Mandrin eingeführt wurde, bei 50 % nicht. Ziel der Arbeit war zu untersuchen, ob das Wiedereinführen der Nadel in den Mandrin die Komplikationsrate senkt. Statistisch signifikant war das postpunktionelles Syndrom seltener und weniger schwer, wenn die Nadel wieder in den Mandrin eingeführt wurde. Das postpunktionelle Syndrom wurde nach einem standardisierten Protokoll über “bis zu” sieben Tage offen nachbeobachtet; deshalb mag die Studie durch einen hohen Erwartungsdruck gekennzeichnet sein. Insofern verwundert das Ergebnis nicht. Es wäre allerdings leicht möglich gewesen, daß die Autoren die Nachbeobachtung einem Dritten gegenüber der Punktionstechnik blinden Arzt überlassen hätten. In diesem Fall wäre die Studie, die die Empfehlung aus dem “Handbook of Neurology” mit Zahlen begründet und das praktische Handeln eines jeden Neurologen beeinflußt, noch wertvoller. (GA)

*** Leone M, D’Amico D, Grazzi L, Attanasio A, Bussone G (1998). Cervicogenic headache: a critical review of the current diagnostic criteria. Pain 78: 1-5.

Es gibt wenige Kopfschmerz-Arten, die in ihrer Diagnostik und Therapie so umstritten sind wie der cervicogene Kopfschmerz. Ausdruck dessen ist auch die Tatsache, daß es mindestens drei unterschiedliche operationale Definitionen gibt, nämlich die der Internationalen Gesellschaft für Studium des Schmerzes (IASP), der Internationalen Kopfschmerz-Gesellschaft (IHS) und die von Sjaastad aus Norwegen. Die meisten Klassifikationen sind sich darüber einig, daß es sich um einen strikt unilateralen Kopfschmerz handelt, der durch bestimmte Kopfhaltungen und Kopfbewegungen ausgelöst werden kann, der durch Druck im Nacken provoziert werden kann und der in vielen Fällen in die Schulter oder den Arm ausstrahlt. Uneinig sind sich die Autoren, ob definitionsgemäß eine Abnormalität der knöchernen Strukturen oder der Bandscheiben im Bereich der Halswirbelsäule vorhanden sein muß.

Die italienischen Autoren überprüften diese Vorgaben der Diagnostik an 404 eigenen konsekutiven Kopfschmerz-Patienten, die sie zwischen 1993 und 1995 sahen. Unter diesen waren nur 6 Patienten, die ihre halbseitigen Kopf- und Nackenschmerzen durch bestimmte Kopfhhaltungen oder Nackenbewegungen provozieren konnten. Nur zwei der Patienten hatten lang anhaltende unilaterale Kopfschmerzen. Damit würde nach den o. g. Kriterien die Häufigkeit von cervicogenen Kopfschmerzen nur 0,4% betragen. Bei keinem der 404 konsekutiv gesehenen Patienten ließen sich Kopfschmerzen durch Druck im Bereich der Nackenmuskulatur provozieren. Etwa die Hälfte aller Patienten mit lang anhaltenden halbseitigen Kopfschmerzen klagten, daß die Kopfschmerzen in den Bereich der Schulter ausstrahlten. Da die meisten dieser Patienten eine Migräne hatten, ist dieses Kriterium ebenfalls differentialdiagnostisch nicht verwertbar. In der Literatur wird weiterhin berichtet, daß zur Diagnose des cervicogenen Kopfschmerzes gehört, daß er sich durch eine lokale Blockade mit Anästhetika entweder des N. occipitalis major oder der Wurzel C2 unterbrechen läßt. Eine kritische Durchsicht der Literatur zeigt, daß dies allerdings auch bei Patienten mit Migräne und Kopfschmerzen nach Schleudertrauma der Halswirbelsäule der Fall ist, so daß auch dies kein spezifisches Kriterium ist.

Letztendlich zeigt der Artikel, daß es einen dringenden Bedarf gibt, den cervicogenen Kopfschmerz operational neu zu definieren und zu validieren. (HCD)

*** Evers S, Husstedt IW (1998). Kopfschmerzen und HIV-Infektion. Nervenheilkunde 17: 283-289.

Kopfschmerzen sind ein häufiges Symptom der HIV-Infektion, wobei eine Einteilung und Zuordnung der Kopfschmerzen aufgrund einer häufigen multifaktoriellen Genese aus direkter Folge der Virusinfektion, Folge opportunistischer Infektionen des ZNS oder extracerebraler opportunistischer Infektionen und aus Nebenwirkungen HIV-spezi-fischer Medikamente erschwert ist.

Die Autoren versuchen in ihrer Arbeit eine Übersicht über die unterschiedlichen Kopfschmerzformen, die im Rahmen der HIV-Infektion auftreten können, zu geben. Die Einteilung stützt sich dabei zum einen auf eine an der Unversitätsklinik Münster durchgeführten interdisziplinären Studie und zum anderen auf bereits publizierte Studien zu diesem Thema.

Nach der Genese teilen die Autoren die Kopfschmerzen zunächst grob in die folgenden vier Formen ein:

  1. mit der HIV-Infektion assoziierte Kopfschmerzen,
  2. durch opportunistische Infektionen und Neoplasmen verursachte Kopfschmerzen,
  3. Kopfschmerzen als Nebenwirkung der HIV-assoziierten Therapie und
  4. Veränderungen primärer Kopfschmerzformen durch die HIV-Infektion.

Die häufigste Kopfschmerzform ist ein Spannungskopfschmerz, der in der in Münster an 180 Patienten durchgeführten Studie in 53% der Patienten zu finden war. Dieser Spannungskopfschmerz tritt überdurchschnittlich häufig in der Gruppe der Patienten mit einem fortgeschrittenen Immundefekt und in der Gruppe der Patienten mit einem auffälligen Liquorbefund auf. Inwieweit er durch die Neuroinvasion des Virus selbst, durch eine chronische HIV-Meningitis oder durch nicht erkannte opportunistische Infektionen wie z.B. die intravitam schwer zu erfassende CMV-Enzephalitis verursacht wird, bleibt bisher nicht eindeutig geklärt. Die Autoren schlagen dennoch vor, v.a. aufgrund der sehr einheitlichen Semiologie dieses Kopfschmerzes und der hohen Prävalenz bei HIV-infizierten Patienten, den HIV-assoziierten Kopfschmerz als eine eigenständige Entität in das Klassifikationssystem der IHS aufzunehmen. Die vorgeschlagene Behandlung sollte zunächst analog der Behandlung des üblichen Spannungskopfschmerzes vorgenommen werden.

Als ultima ratio schlagen die Autoren eine Behandlung mit Kortikosteroiden über zwei Wochen vor, wobei dies nur nach Ausschluß aktueller opportunistischer Infektionen und regelmäßiger ambulanter Kontrolle empfohlen werden kann. Im weiteren werden die Ursachen eines Kopfschmerzes durch opportunistische Infektionen oder Neoplasmen vorgestellt, wobei hier erwartungsgemäß am häufigsten eine Kryptokokken-Meningitis und eine Toxoplasma-Enzephalitis verantwortlich sind. Kopfschmerzen als medikamentöse Nebenwirkung der antiretroviralen Therapie sind bei fast allen zur Zeit verwandten Medikamente zu beobachten, aber treten nach mehreren von den Autoren genannten Studien am häufigsten bei Azidothymidin (Retrovir”) auf. Interessanterweise nahmen nach Ergebnissen der von den Autoren durchgeführten Studie bei Patienten, die bereits vor der HIV-Infektion unter einer Migräne litten, die Anzahl Migräneattacken pro Monat ab (3.1 vorher, 1.8 während der HIV-Infektion). Als mögliche Ursachen für diesen Rückgang werden eine Modulation der migränespezifischen neurogenen Entzündung der Gefäßwände durch die HIV-Infektion, eine migräneprophylaktische Wirkung von Azidotyhmidin und eine Abnahme der Aktivität des sympathischen Nervensystems diskutiert. Die Ergebnisse sollten aufgrund der geringen Anzahl der untersuchten Migränepatienten (N=19) einer Überprüfung in einer größeren prospektiven Studie unterzogen werden.

Insgesamt bietet der Artikel einen guten Überblick über die verschiedenen Kopfschmerzformen, die während einer HIV-Infektion zu beobachten sind, und präsentiert v.a. beim Spannungskopfschmerz und bei der Migräne neuere interessante Ergebnisse (MM).

*** Nebe J, Keidel M, Lüdecke C, Diener HC (1998) Schmerzquantifizierung nach HWS-Schleudertrauma mittels computerinteraktiver Druckalgesimetrie. Nervenarzt 69: 924-928.

In dieser Arbeit wird ein experimentell algesimetrisches Verfahren zur klinischen Anwendung eingesetzt. Ziel der Untersuchung ist, eine objektive Messung der muskulären Schmerzemfpindlichkeit zu ermöglichen. Das Verfahren erlaubt eine exakte Angabe des Meßfehlers und der Reabilität. Die Methodik ermöglicht auch eine inter-subjektive Messung. Die Differenzen zwischen unterschiedlichen Untersuchern sind gering. Die Übertragbarkeit der Befunde ist damit gewährleistet. Das Meßprinzip wurde von H. Göbel am physiologischen Institut der Universität Würzburg entwickelt und wird mittlerweile weltweit von vielen Arbeitsgruppen zur objektiven Algesimetrie verwendet. Nebe und Mitarbeiter haben eine computergesteuerte Weiterentwicklung vorgenommen. Erstmalig haben sie das Verfahren bei Patienten nach HWS-Schleudertrauma eingesetzt und mit einer Kontrollgruppe verglichen. Dabei konnten sie zeigen, daß sich signifikant erhöhte Werte der experimentellen Schmerzempfindlichkeit nach Schleudertrauma für den Musculus splenius beidseits, den linken Musculus trapezius und den linken Finger aufdecken lassen. An anderen Meßorten zeigte sich zwar eine leicht erhöhte Schmerzempfindlichkeit, die Signifikanzgrenze wurde jedoch nicht überschritten.

Die Ergebnisse deuten daraufhin, daß die erhöhte Schmerzempfindlichkeit bei HWS-Schleudertrauma nicht allein durch lokale Veränderungen in Muskel und Sehnen entsteht, sondern zentrale Mechanismen zu einer insgesamt erhöhten Sensibilisierung der Schmerzwahrnehmung beitragen. (HG)


DMKG