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Kopfschmerz-News 3/1999 Migräne, Akuttherapie – DMKG

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07. Prophylaxe

***** Report and recommendations of the ethics subcommittee of the International Headache Society (1998). Ethical issues in headache research and management. Cephalalgia 18: 505-529.

Ein spezielles Subkomitee der Internationalen Kopfschmerz-Gesellschaft hat Richtlinien erarbeitet, die die ethischen Prinzipien umfassen, die bei klinischen Studien im Kopfschmerz-Bereich angewandt werden sollten. Zu diesen gehört, daß Patienten grundsätzlich bei der Teilnahme an klinischen Studien ihr schriftliches Einverständnis geben müssen. Epidemiologische Studien können allerdings auch ohne Einverständnis der Betroffenen durchgeführt werden.

Die ärztliche Schweigepflicht darf durch die Teilnahme an klinischen Studien nicht verletzt werden.

Bezogen auf die Finanzierung der klinischen Forschung im Kopfschmerz-Bereich hat das Subkomitee ein schwerwiegendes Problem identifiziert, daß nämlich die entsprechende Forschung fast ausschließlich von pharmazeutischen Firmen finanziert wird. Andere staatliche und private Forschungsinstitutionen haben offenbar sehr wenig Interesse an der Erforschung der Therapie von Kopfschmerzen. Dies führt naturgemäß zu einer gewissen Schieflage, da die meisten so finanzierten Studien sich mit der Therapie durch neue Substanzen beschäftigen.

Bei der Teilnahme an klinischen Studien sollten klinisch-relevante Endpunkte benutzt werden, so wie die Internationale Kopfschmerz-Gesellschaft sie vorschlägt (z.B. Kopfschmerzfrei nach 2 Stunden ohne Wiederauftreten der Kopfschmerzen). Die Teilnahme an reinen Marketing-Studien ist unethisch.

Alle klinischen Studien müssen von einer Ethik-Kommission beurteilt werden. Die Patienten müssen adäquat aufgeklärt werden.

Publikationen über klinische Studien sollten grundsätzlich klarlegen, woher die finanzielle Unterstützung der Studie kam. Geld, das für klinische Studien bezahlt wird, sollte idealerweise an die Institution fließen, in der die Studie durchgeführt wird, und nicht an Individuen, die die Studie durchführen.

Ärzte, die als Untersucher in klinischen Studien teilnehmen, müssen die Richtlinien der good clinical practice (GCP) beherrschen. Klinische Studien müssen auch sorgfältig überwacht werden entsprechend den Richtlinien der good clinical practice. Studien mit schlechtem Design, die a priori keine vernünftigen Ergebnisse erwarten lassen (inadäquate Patientenzahl, inadäquate Zielkriterien) sind unethisch.

Am umfangreichsten wird die Placebo-Frage diskutiert. Das Komitee kommt zu dem Schluß, daß der Einsatz von Placebo ethisch und methodisch gerechtfertigt ist. Dies setzt natürlich voraus, daß Patienten über den Einsatz von Placebo informiert werden. Nur durch den Einsatz von Placebo können Studien indirekt miteinander verglichen werden. Die Placebo-Quote gibt einen Hinweis darauf, wie die Population, die untersucht wird, zusammengesetzt war.

Klinische Studien sollten auch sog. “Stoping”-Regeln haben. Diese sind vor allem wichtig, um Sicherheitsprobleme oder unerwartete Nebenwirkungen oder wenn bei einer bestimmten rekrutierten Patientenzahl bereits hochsignifikante Ergebnisse erzielt werden, die eine weitere Rekrutierung von Patienten unethisch erscheinen lassen. Wenn Interimsanalysen geplant sind, sollten diese im Protokoll vorspezifiziert sein.

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Frage, wem die wissenschaftlich gewonnenen Daten gehören. Im Studienprotokoll sollte daher vermerkt werden, daß diese Daten sowohl Eigentum des Sponsors wie Eigentum der Untersucher sind.

Studienprotokolle sollten den Zusatz erhalten, daß die Studienergebnisse auf jeden Fall publiziert werden, auch wenn die Studie negativ ausgegangen ist.

Diese Empfehlungen sind unabdingbare Voraussetzungen für den Umgang zwischen Ärzten, Patienten und Sponsoren in klinischen Studien. Sie sind daher jedem, der an klinischen Studien teilnimmt, zur Lektüre dringend empfohlen. (HCD)

*** Silberstein SD (1998). Methysergide. Cephalalgia 18: 421-435.

Methysergid ist eine der ältesten Substanzen in der Migräneprophylaxe. Bedingt durch seine sehr seltenen, allerdings dann schwerwiegenden Nebenwirkungen ist es weitgehend in der Migräneprophylaxe in Vergessenheit geraten. Pharmakologisch ist Methysergid ein Antagonist an 5HT2-Rezeptoren und ein Agonist an 5HT1-Rezeptoren.

In der Zeit vor 1967 wurden 27 offene Studien zu Methysergid in der Migräneprophylaxe durchgeführt. Viele dieser Studien hatten mehr als 500 Patienten. In allen Studien war Methysergid wirksam, wobei eine Reduktion der Migränehäufigkeit von mehr als 50% bei zwischen 50 und 70% der Patienten beobachtet wurde. In der Literatur finden sich 11 doppelblinde, randomisierte klinische Studien, in denen Methysergid mit Placebo oder anderen Prophylaktika, in den meisten Fällen Pizotifen, verglichen wurde. In den meisten Fällen wurde eine Dosis zwischen 3 und 6 mg Methysergid am Tag eingesetzt. In den vier Placebo-kontrollierten Studien war Methysergid signifikant wirksamer als Placebo. In vier weiteren Untersuchungen war es vergleichbar wirksam mit Pizotifen. Drei weitere Studien fanden eine vergleichbare Wirksamkeit gegenüber Lisurid, Propranolol und Flunarizin. Es müßte allerdings kritisch angemerkt werden, daß die Studien zum Teil relativ kleine Patientenzahlen hatten und naturgemäß nicht den modernen Anforderungen an Migräneprophylaxe-Studien entsprachen. Im Mittel der Studien lag die Wirksamkeit von Methysergid bezogen auf eine über 50%ige Reduktion der Migränehäufigkeit zwischen 40 und 60%. Zwischen 20 und 45% der Patienten, die Methysergid einnahmen, beklagten Nebenwirkungen, 10% beendeten aus diesen Gründen die Behandlung. Am häufigsten waren Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtszunahme, epigastrische Schmerzen, Ödeme und belastungsabhängige Schmerzen in den Beinen. Bei einigen Patienten entwickelte sich eine AVK-Symptomatik, die nach Absetzen reversibel war. Die schwerwiegendsten Nebenwirkung ist eine Retroperiontealfibrose, wobei berücksichtigt werden muß, daß diese in 88% der Fälle idiopathisch ist und nicht mit der Einnahme von Medikamenten zusammenhängt. Initial wurden 19 Patienten berichtet, die aber alle mehr als 6 mg Methysergid am Tag eingenommen hatten.

Betrachtet man alle Nebenwirkungsmeldungen, dann liegt die Häufigkeit einer Retroperitonealfibrose, einer Lungenfibrose oder einer Fibrose der Herzklappen bei etwa 1:5000, wobei diese fast nur auftraten, wenn die Behandlung länger als 6 Monate durchgeführt wurde. In anderen Beobachtungsstudien wurde einmal jährlich bei der Gabe von Methysergid eine vierwöchige Therapiepause eingelegt. Unter diesem Regime trat keine einzige Retroperitonealfibrose auf.

Für den klinischen Alltag empfiehlt sich die Behandlung mit 1 mg Methysergid zu Beginn und langsame Dosissteigerung bis zu einer Enddosis von 6-8 mg am Tag. Üblicherweise sollte die Behandlung 6 Monate durchgeführt werden, dann 1 Monat Therapiepause. Kontraindikationen sind Schwangerschaft, AVK, symptomatische Arteriosklerose, koronare Herzerkrankung, schlecht therapierbare Hypertonie, Thrombophlebitis, Magen- und Darmulcera, Lungenerkrankungen, Kollagenerkrankungen, Erkrankungen von Leber oder Niere, Erkrankungen der Herzklappen und schwerwiegende Infektionen. Patienten, die aus therapeutischen Gründen kontinuierlich mit Methysergid behandelt werden, sollten in regelmäßigen Abständen mit Hilfe von Ultraschall-Untersuchungen (Retroperitonaeum) bzw. Auskultation des Herzens überwacht werden. (HCD)


DMKG