06. Migräne, Akuttherapie
**** Dahlöf C, Diener H-C, Goadsby PJ, Massiou H, Olesen J, Schoenen J, Wilkinson M, Sweet RM, Klein KB (1998) Zolmitriptan, a 5-HT1B/1D receptor agonist for the acute oral treatment of migraine: a multicentre, dose-range finding study. Eur J Neurol 5: 535-543
Auch mit dieser Arbeit von Dahlöf und den anderen europäischen Investigatoren gibt es neue Erkenntnisse zur Migräne-Therapie. Zolmitriptan – seit ca. einem Jahr als AscoTop® im Handel – ist mittlerweile in der Triptan-Therapie als etabliert einzuordnen. Diese relativ spät publizierte Arbeit stammt offensichtlich aus den ersten Phase-III-Studien. In ihrem Design entspricht sie dem weltweit etablierten Richtlinien zur Durchführung von Migräne-Studien, also einem Placebo-kontrollierten, doppelblinden Design, das als Effektivitätskriterium den üblichen Rückgang von schwer zu leicht bzw. mäßig zu schmerzfrei beinhaltet, auch wenn nicht ganz klar ist, ob in dieser Studie nicht ein Rückgang der Kopfschmerzen von mäßig auf mild auch als effektiv gewertet wurde.
Die Dosisfindungsstudie untersuchte Dosen, die heute im klinischen Gebrauch nicht mehr eingesetzt werden, nämlich 5, 10, 15 und 20 mg gegen Placebo. Alle untersuchten Dosen waren effektiv gegenüber Placebo, wobei in den untersuchten Dosen bereits nach einer Stunde eine signifikante Besserung zu beobachten war. Alle untersuchten Dosen hatten stärkere Nebenwirkungen im Vergleich zu Placebo, wobei ein leichter Trend hinsichtlich höherer Dosen beobachtet wurde. Als einzige schwerwiegende unerwünschte Wirkung wurde eine Sinustachykardie bei präexistierendem Wolff-Parkinson-White-Syndrom be-obachtet. Ferner berechneten die Autoren aufgrund der Dosiswirkungsbeziehung eine optimale Wirkung, die sie unterhalb von 5 mg annahmen. Das führte zu einer neueren Anschluß-Studie, die aber bereits früher publiziert wurde (Rapoport, Neurology, 1997). Das Überraschende dieser Studie ist eine geringe Placebo-Rate von 19 %, obwohl nur 1/9 der Patienten Placebo erhielt und nach gängiger Vorstellung bei einem derart kleinen Placebo-Arm die Erwartungshaltung – und damit die Placebo-Rate – sehr hoch sind.
Die Studie zeigt, daß man über unterschiedliche Placebo-Raten keine durchgängigen Erklärungsmodelle anbieten kann. Die Berechnung des therapeutischen Gewinns wird damit noch problematischer. Vergleicht man die erwähnte Studie von Rapoport mit der vorliegenden, so zeigt sich, daß die Absolutzahlen für 5 und 10 mg nahezu identisch sind, bei einem Placebo-Effekt von 34 % der therapeutische Gewinn von Zolmitriptan in der amerikanischen Studie jedoch deutlich geringer ausfällt. Allein aus diesem Grund leistet diese sorgfältig konstruierte Studie einen weiteren Beitrag zu Erkenntnissen über die Möglichkeiten der Akuttherapie der Migräne, auch wenn die verwendeten Dosen kaum noch klinische Relevanz haben. Die große therapeutische Breite von Triptanen wird eindeutig unterstrichen. (GA)
**** Valentin JP, Bonnfaous R, John GW (1998). Contractile responsed evoked by dihydroergotamine, naratriptan and sumatriptan in the canine isolated coronary artery. Fundam Clin Pharmacol 12:152-157
Dieser Artikel vergleicht die konstriktiven Effekte von Dihydroergotamin, Naratriptan und Sumatriptan an isolierten Koronararterien des Kaninchens. Darüber hinaus war es Ziel der Verfasser zu evaluieren, inwieweit die vasokonstriktorischen Effekte bei nicht intaktem Endothel variieren würden. Eine Dysfunktion des Endothels erreichten sie durch die Gabe des Nitric Synthetase Inhibitors L-Arginine. Die drei Agonisten kontrahierten die Koronararterien in der folgenden Ordnung: Dihydroergotamin stärker als Naratriptan und Naratriptan stärker als Sumatriptan. Die Gabe von L-Arginine führte zunächst zu einer deutlichen Erhöhung der Gefäßspannung und der maximalen Konstriktionsantwort. So waren auch die maximal konstriktiven Werte aller drei Testsubstanzen größer in der Anwesenheit von L-Arginine.
Zusammengefaßt bedeutet dies für die Koronararterien des Kaninchens, daß die konstriktiven Effekte von 5HT1D-Agonisten bei intaktem Endothel weniger stark ausgeprägt sind als bei geschädigtem Endothel. Darüber hinaus zeigt die Studie eindeutig, daß die konstriktiven Effekte am stärksten durch den unspezifischen Agonisten Dihydroergotamin waren, aber daß Naratriptan ebenfalls stärker Koronargefäße konstringierte als Sumatriptan. Inwieweit sich diese Ergebnisse direkt auf den Menschen übertragen lassen, muß zunächst offen bleiben, doch wären Studien dieser Art zweifellos hochinteressant. (VL)
*** Nilsson F, Nilsson T, Edvinsson L, Björkman S, Nordström CH (1997). Effects of dihydroergotamine and sumatriptan on isolated human cerebral and peripheral arteries and veins. Acta Anaesthesiol Scand 41:1257-1262
Die Autoren verfolgen den Gedanken, daß die Konstriktion cerebraler Gefäße bei Patienten mit erhöhtem intracraniellen Druck zu einer Reduktion des Drucks führen kann. Pathophysiologisch sollte dabei eine mittelgradige Vasokonstriktion präkapillärer Widerstands-gefäße vorteilhaft sein, da die Reduktion des intrakapillären Blutdrucks und die Konstriktion cerebraler Venen das intracranielle Blutvolumen insgesamt und damit auch den intracerebralen Druck reduziert. Hierfür untersuchten die Autoren die Reaktivität isolierter kleiner humaner cerebraler, subcutaner sowie mesenterialer Arterien und Venen im Hinblick auf ihre vasokonstriktiven Effekte nach Behandlung mit Dihydroergotamin (DHE) und Sumatriptan.
Im Ergebnis waren die vasokonstriktiven Effekte an cerebralen Arterien nach Gabe von Sumatriptan stärker als nach der Gabe von Dihydroergotamin, während an subkutanen Arterien die konstriktiven Effekte von Dihydroergotamin stärker waren als die von Sumatriptan. Mesenteriale Arterien wurden weder von Sumatriptan noch von Dihydroergotamin konstringiert. Die konstriktiven Effekte an cerebralen Venen hingegen waren bei beiden Substanzen etwa gleich groß. Subkutane Venen wurden durch Dihydroergotamin etwas stärker konstringiert als durch Sumatriptan. Die Autoren folgern hieraus, daß beide Substanzen isolierte Gefäße des menschlichen Cortex bereits bei relativ niedrigen Konzentrationen konstringieren können. Die unterschiedlichen Effekte beider Substanzen sind möglicherweise dadurch erklärt, daß DHE weniger spezifisch an Serotonin-Rezeptoren bindet, anders als Sumatriptan hingegen auch alpha-adrenerge Rezeptoren aktiviert. Aufgrund der längeren Halbwertzeit des DHE schließen die Autoren daraus, daß DHE neben der Therapie von akuten Migräneattacken möglicherweise auch in der Therapie des erhöhten intracerebralen Drucks nach Schädelhirntrauma erfolgreich eingesetzt werden könnte. (VL)
**** Cumberbatch MJ, Hill RG, Hargreaves RJ (1997). Rizatriptan has central antiociceptive effects aginast durally evoked responses. Eur J Pharmacol 328:37-40
Die Autoren dieser Studie untersuchten die zentralen Effekte von Rizatriptan (jetzt als Maxalt® für die Behandlung der akuten Migräneattacken erhältlich) auf die Aktionspotentiale, die von einzelnen Neuronen des Nucleus trigeminus caudalis abgeleitet wurden, nachdem die Dura mater elektrisch stimuliert worden war. Rizatriptan ist ein neuer 5-HT1B/1D-Rezeptoragonist, der extracerebrale Blutgefäße aber auch intracranielle Blutgefäße konstringiert und neurogene Vasodilatation sowie neurogene Extravasation blockiert. Die Beeinflussung von Aktionspotentialen in Hirnstammkernen wurde in dieser Studie durch die Ableitung von Aktionspotentialen aus einzelnen Neuronen vorgenommen.
Die Eleganz dieser Studie liegt darin, daß es den Autoren gelungen ist, dies bei Ratten durchzuführen, während alle bisherigen Gruppen Experimente dieser Art nur bei größeren Säugetieren durchführen konnten. Rizatriptan zeigte hierbei eine dosisabhängige Reduktion der nach Stimulation der Dura im Hirnstamm abgeleiteten Potentiale. Die maximale Inhibition betrug dabei 60% bei einer Dosis von 3 mg/kg bei i.v.-Applikation. Damit konnte nachgewiesen werden, daß die Substanz offensichtlich auch zentrale Effekte auf Hirnstammebene vermitteln kann. Im Hinblick auf die hohe Dosierung, die zur Unterdrückung der Potentiale notwendig war (entspricht auf den Menschen übertragen der 20-fachen therapeutischen Dosierung) von therapeutischer Relevanz bei der Behandlung der Migräne ist, muß in diesem Zusammenhang offen bleiben. Dennoch darf festgestellt werden, daß es den Autoren gelungen ist, einen möglicherweise wichtigen Aspekt von Antimigräne-Therapeutika im Tierversuch zu überprüfen. (VL)
*** Diamond S, Elkind A, Jackson T, Ryan R, DeBussey S, Asgharnejad M (1998). Multiple-attack efficacy and tolerability of sumatriptan nasal spray in the treatment of migraine. Arch Fam Med 7: 234-240.
Sumatriptan wurde von einiger Zeit auch als Nasenspray in der Therapie eingeführt, um Patienten zur Verfügung zu stehen, die früh erbrechen oder unter Übelkeit leiden und deswegen keine Tabletten einnehmen können, darüber hinaus auch für Patienten, die sich nicht selbst injizieren wollen. Neben der Wirksamkeit ist auch wichtig, wie reproduzierbar die Wirkung eines Migränemittels eintritt. Deshalb wurden in letzter Zeit auch zunehmend Studien zur Akuttherapie der Migräne durchgeführt, bei denen mehr als eine Attacke behandelt wird und untersucht wird, bei wievielen von 3 bzw. 5 behandelten Attacken jeweils eine Wirkung des Migränemittels zu verzeichnen ist.
Die hier vorliegende Studie wurde in den Vereinigten Staaten durchgeführt. Insgesamt 1086 Patientinnen und Patienten nahmen an der Studie teil. Die Studie wurde als doppelblinde, Placebo-kontrollierte Parallelgruppen-Studie durchgeführt. Bei mittelschweren oder schweren Migränekopfschmerzen applizierten die Patienten entweder 5, 10 oder 20 mg Sumatriptan Nasenspray oder Placebo bei insgesamt 3 konsekutiven Migräneattacken. Als Erfolg wurde gewertet, wenn ein mittelschwerer oder schwerer Kopfschmerz sich innerhalb von 2 Stunden zu einem leichten Kopfschmerz zurückentwickelt hatte oder wenn kein Kopfschmerz mehr bestand. Darüber hinaus wurde die Beeinträchtigung der Patienten und der Prozentsatz der Patienten, die unter Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu und Lärmempfindlichkeit litten ermittelt. Die Erfolgsquote 2 Stunden nach Applikation des Nasensprays betrug für die 20, 10 und 5 mg-Dosis 60%, 54% und 44%, während in der Placebo-Gruppe die Erfolgsquote bei 33% lag. Die Unterschiede waren gegenüber Placebo signifikant. Auch die 10 und 20 mg-Dosis war der 5 mg-Dosis signifikant überlegen. Zwei Drittel der Patienten, die alle 3 Attacken mit 20 mg behandelten, hatten eine Wirkung bei mindestens 2 von 3 Migräneattacken. Die entsprechenden Häufigkeiten für die niedrigen Dosierungen betrugen 59% für 10 mg, 46% für 5 mg und 34% für Placebo. Das Sumatriptan-Nasenspray verbesserte auch das Allgemeinbefinden und unterdrückte Übelkeit, Lichtscheu und Lärmempfindlichkeit. Bei im Mittel 34% aller Patienten kam es innerhalb der nächsten 24 Stunden nach Wirksamkeit zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen, was eine erneute Applikation des Nasensprays notwendig machte. Die Nebenwirkungen waren typisch, wie sie für Sumatriptan beobachtet werden und waren nicht dosisabhängig. Vier Patienten brachen die Studie wegen Nebenwirkungen ab. Am häufigsten wurde ein unangenehmer oder bitterer Geschmack als Nebenwirkung geklagt.
Die hier vorliegende Studie belegt, daß offenbar die optimale Dosis für die Verwendung des Nasensprays 20 mg sind. Hier besteht das beste Verhältnis zwischen Wirkung und Nebenwirkung. Sumatriptan-Nasenspray ist auch bei wiederholten Migräneattacken reproduzierbar gut wirksam. (HCD)
***** Tfelt-Hansen P (1998). Efficacy and adverse events of subcutaneous, oral, and intranasal sumatriptan used for migraine treatment: a systematic review based on number needed to treat. Cephalalgia 18: 532-538.
Es gibt in der Zwischenzeit eine fast unübersehbare Zahl von Publikationen zu Sumatriptan. Da in den einzelnen Studien unterschiedlich große Patientenzahlen verwendet wurden, ergeben sich sehr stark variable 95%-Konfidenzintervalle so-wohl für die Wirkung wie für die Placebo-Quote. Darüber hinaus ist es auch schwierig, Studien miteinander zu vergleichen, da die Placebo-Rate sehr schwankt.
Der dänische Autor hat daher eine neue Methode angewandt, um die einzelnen Sumatriptan-Studien untereinander vergleichbar zu machen. Er berechnet dazu zunächst den “therapeutischen Gewinn” als den Prozentsatz der Patienten, die eine positive Wirkung zeigen, minus der entsprechenden Prozentzahl der Patienten, die auf Placebo ansprechen. Daraus berechnet er dann die Zahl der Patienten, die behandelt werden müssen, um einen therapeutischen Erfolg zu erzielen (reziproker Wert des therapeutischen Gewinns). Im Englischen wird dieser Begriff als number needed to treat (NNT) bezeichnet. Der Autor identifizierte insgesamt 12 Studien, in denen 6 mg Sumatriptan subkutan mit Placebo verglichen wurden. Die hier angegebenen Erfolgsquoten beziehen sich auf eine Stunde nach Applikation. Insgesamt 1337 von 1927 Patienten hatten eine positive Antwort. Dies entspricht 69%. Bei Placebo betrug der Anteil 226 von 1200, dies entspricht 19%. Damit ergibt sich ein NNT von 2,0 mit einem 95%-Konfidenzintervall von 1,9-2,1. Für die orale Gabe von 100 mg Sumatriptan standen 12 Studien zur Verfügung. 1067 von 1854 Patienten zeigten eine positive Antwort nach 2 Stunden, dies entspricht 58%. Die entsprechende Erfolgsquote von Placebo betrug 256 von 1036 = 25%. Die NNT beträgt 3,0 mit 95%-Konfidenzintervall von 2,8-3,4. Sechs Studien gab es zu Sumatriptan-Nasenspray 20 mg. Hier lag die Erfolgsquote nach 2 Stunden bei 61%, entspricht 563 von 917 behandelten Patienten, und die Placebo-Quote betrug 30% = 149 von 503 behandelten Patienten. Die NNT beträgt 3,1 mit einem 95%-Konfidenzintervall von 2,7-3,8.
Diese sehr gute Übersicht belegt eindrucksvoll, daß sich mit hohen Patientenzahlen reproduzierbare Erfolgsquoten mit niedrigen Konfidenzintervallen erreichen lassen. Dabei zeigt sich, daß die Wirksamkeit von oralem Sumatriptan und 20 mg intranasalem Sumatriptan vergleichbar ist. Eindeutig belegen läßt sich auch hier, daß die subkutane Gabe von Sumatriptan besser wirksam ist. Beeindruckend ist auch die große Variation der Placebo-Quote, die im Extremfall zwischen 6 und 47% variierte. Unabhängig davon berechnete er auch die Zahl der Patienten, die behandelt werden mußten, damit Nebenwirkungen auftraten. Hier waren Nebenwirkungen bei der subkutanen Applikationsform signifikant häufiger als bei der oralen und nasalen Form. Die hier vorgestellte Methodik eignet sich nicht nur, um die verschiedenen Anwendungsformen von Sumatriptan zu vergleichen, sondern ermöglicht auch die indirekten Vergleiche zwischen den einzelnen Triptanen. (HCD)
*** Dahlöf CGH, Mathew N (1998). Cardiovascular safety of 5HT1B/1D agonists – Is there a cause for concern? Cephalalgia 18: 539-545.
In einer kritischen Übersicht setzen sich die beiden Autoren mit den potentiellen schwerwiegenden kardiovaskulären Nebenwirkungen der neuen Gruppe der 5HT1B/1D-Agonisten auseinander. Ihre Analyse orientiert sich zunächst an den Sicherheitsdaten der Firma Glaxo Wellcome. Hier sind 450.000 behandelte Migräneattacken bei mehr als 80.000 Migränepatienten dokumentiert.
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen nach der oralen Gabe von Sumatriptan waren Müdigkeit (9%), unsystematischer Schwindel (6%), Engegefühl im Bereich des Halses (3%), allgemeines Schwächegefühl (3%) und ein Steifheitsgefühl im Bereich des Nackens (3%). Ein Engegefühl im Bereich der Brust wird von 3-5% der Patienten geklagt, die Sumatriptan erhalten, wobei dies bei der subkutanen Injektion häufiger war als bei der oralen Applikation. Bemerkenswert ist, daß bei der subkutanen Gabe die Nebenwirkungen innerhalb von 5-10 min auftreten, aber auch innerhalb von 30 min spontan wieder abklingen. Im Gegensatz zu den klinischen Studien berichten im klinischen Alltag mehr Patienten über ein Engegefühl im Bereich der Brust. In Schweden waren dies 20% der Patienten nach oraler Gabe von Sumatriptan und 40% nach der subkutanen Injektion. Gemessen daran sind allerdings schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse außerordentlich selten. Bis Ende 1996 waren weltweit 140 Mio Dosierungen von Sumatriptan appliziert worden. In dieser Zeit waren 39 Todesfälle kardiovaskulärer Ursache innerhalb von 24 Stunden nach der Gabe von Sumatriptan berichtet worden. Bei einer Reihe dieser Fälle kann auch nicht notwendigerweise von einer kausalen Beziehung ausgegangen werden da der Zeitraum zwischen Einnahme bzw. Injektion und Auftreten des Ereignisses viel zu lang war. Interessant ist, daß die eigentliche Ursache des Engegefühls im Bereich der Brust ungeklärt ist. Untersuchungen mit Hilfe der Positronen-Emmissions-Tomographie (PET) und kardiologische Untersuchungen belegen aber, daß es sich nicht um eine Verengung der Koronararterien handelt. Am ehesten könnte es sich um eine Hypersensitivität von Nervenendigungen im Bereich der Haut handeln.
Zusammenfassend kommen die Autoren zu dem Schluß, daß beim Löwenanteil der Patienten das Engegefühl im Bereich der Brust nicht durch eine Kontraktion von Koronararterien bedingt ist. Sehr wahrscheinlich haben Migränepatienten eine niedrige Schwelle für Schmerzstimuli innerhalb ihrer Gefäßwände oder im Bereich der glatten Muskulatur innerer Organe. Dies könnte erklären, warum diese Nebenwirkungen nach Gabe von Triptanen häufiger bei Migränepatienten auftreten als bei Menschen, die nicht unter einer Migräne leiden. Dessen ungeachtet sollten aber Patienten mit vaskulären Risikofaktoren oder vaskulären Begleiterkrankungen wie Myokardinfarkt, Angina pectoris oder nach stattgehabtem Schlaganfall nicht mit Triptanen behandelt werden. (HCD)
* Knudsen JF, Friedman B, Chen M, Goldwasser JE (1998). Ischemic colitis and sumatriptan use. Arch Intern Med 158: 1946-1948.
Bei der amerikanischen Gesundheitsbehörde sind in den Jahren 1992 bis 1996 acht Fälle eines möglichen Zusammenhangs einer ischämischen Colitis mit der Einnahme von Sumatriptan gemeldet worden. Eine Reihe von Medikamenten werden angeschuldigt, eine ischämische Colitis zu verursachen, so u.a. orale Kontrazeptiva, nicht-steroidale Antirheumatika und Vasokonstriktoren wie Vasopressin und Dihydroergotamin. Typische Symptome sind abdominelle Schmerzen und Teerstuhl. Die Autoren selbst berichten 2 Fälle, die sie beobachtet hatten, wobei bei einer Patientin, die in der Vergangenheit bereits unter einer Colitis gelitten hatte, innerhalb 24 Stunden nach der letzten Einnahme einer oralen Dosis von 25 mg Sumatriptan eine ischämische Colitis auftrat. Bei der zweiten Patientin bestand ein Colon irritabile. 48 Stunden nach der letzten Einnahme von 2 Tbl. Sumatriptan 50 mg entwickelte sie abdominelle Schmerzen und Teerstuhl. Bei den anderen Patienten sind die Angaben so unvollständig, daß nicht beurteilt werden kann, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Sumatriptan und einer ischämischen Colitis besteht. Auffällig bei den beiden im Detail beschriebenen Patientinnen ist, daß sie beide bereits zuvor unter einer Erkrankung des Dickdarms gelitten hatten.
Aus der Literatur ist bekannt, daß sowohl Dihydroergotamin wie Ergotamin eine ischämische Colitis hervorrufen können. Die meisten beschriebenen Fälle wurden allerdings bei Patienten beobachtet, die DHE oder Ergotamin häufig einnahmen. Obwohl die bisher eingegangenen Spontanberichte einen kausalen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Sumatriptan und einer ischämischen Colitis nicht eindeutig belegen, hat die Firma Glaxo Wellcome die ischämische Colitis als seltene Nebenwirkung in die Fach- und Gebrauchsinformation aufgenommen. (HCD)
**** Kramer MS, Matzura-Wolfe D, Polis A, Getson A, Amaraneni PG, Solbach MP, McHugh W, Feighner J, Silberstein S, Reines SA and the Rizatriptan Multiple Attack Study Group (1998). A placebo-controlled crossover study of rizatriptan in the treatment of multiple migraine attacks. Neurology 51: 773-781.
Rizatriptan ist ein neuer potenter 5HT1B/1D-Rezeptoragonist, der seit kurzem als Maxalt� im Handel ist. Die vorliegende Studie untersuchte in einem sehr interessanten Design, ob die Wirkung von Rizatriptan über mehrere Migräneattacken hinweg reproduzierbar ist.
Zu diesem Zweck wurden 473 Patienten mit mittelschweren oder schweren Migräneattacken in eine von 5 Gruppen randomisiert. Jeder der Patienten sollte 4 Migräneattacken behandeln. In 4 der Gruppen erhielten die Patienten 10 mg Rizatriptan für 3 der 4 Migräneattacken und Placebo für eine Attacke. Die Patienten in der 5. Behandlungsgruppe erhielten 10 mg Rizatriptan für alle Attacken. Es galten die üblichen Kriterien, nämlich Verbesserung der Kopfschmerzen von mittelschwer oder schwer auf leicht oder kein Kopfschmerz und die funktionelle Beeinträchtigung. Diese Maße wurden nach 30, 60, 90, 120, 240 und 360 min nach der Einnahme erhoben. Nach der ersten Attacke betrug die Wirksamkeit von Rizatriptan bezogen auf das Zielkriterium 77%. Die Wirkung von Placebo betrug 37%. Insgesamt 313 Patienten behandelten alle 4 Migräneattacken. Zwei Stunden nach der Einnahme waren die Erfolgsquoten von 10 mg Rizatriptan über die 4 Attacken hinweg 76,9%, 78,4%, 79,9% und 74,5%. Die entsprechenden Placebo-Quoten betrugen 36,6%, 37%, 28% und 54,4%. Schmerzfrei nach 2 Stunden waren über die 4 Attacken hinweg bei Rizatriptan 44,4%, 44,3%, 49%, 44,7% und nach Placebo 7,3%, 12,3%, 10,7% und 21,1%. Von den Patienten, die alle 4 Attacken behandelt hatten, sprachen 4,8% überhaupt nicht an, 6,3% bei einer von 4 Attacken, 15,9% bei 2, 36,5% bei 3 und weitere 36,5% bei allen 4 Attacken. Dies belegt, daß bei Zweidrittel aller Patienten eine konsistente und reproduzierbare Wirkung ein-tritt. Das Nebenwirkungsprofil entspricht dem anderer Studien mit Rizatriptan. Am häufigsten geklagt wurden unsystematischer Schwindel, Benommenheit, Übelkeit, Schwäche, Parästhesien, Engegefühl im Bereich der Brust, Mundtrockenheit und Hautrötung.
Die vorliegende Studie zeigt, daß Rizatriptan nicht nur wirksam ist sondern auch reproduzierbar wirkt. Das hier verwendete, sehr intelligente Design verhindert, daß Patienten bei mehr als einer Attacke im Laufe einer Studie Placebo einnehmen müssen. Gleichzeitig wird aber eine Placebo-Gruppe mitgeführt, so daß ein Vergleich mit anderen Substanzen und Studien möglich ist. Bei 41 bis 47% der Attacken kam es zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen. Dies ist minimal höher als bei den Studien mit oralem Sumatriptan. Dies könnte aber auch bedeuten, daß die gute Wirksamkeit mit einer etwas höheren Häufigkeit von Wiederauftreten von Kopfschmerzen erkauft wird. (HCD)
**** Dahlöf C, Hogenhuis L, Olesen J, Petit H, Ribbat J, Schoenen J, Boswell D, Fuseau E, Hassani H, Winter P (1998). Early clinical experience with subcutaneous naratriptan in the acute treatment of migraine: a dose-ranging study. Eur J Neurol 5: 469-477.
Naratriptan ist ein weiterer selektiver 5HT1B/1D-Agonist zur Behandlung der Migräne. In Tiermodellen der Migräne ist Naratriptan potenter als Sumatriptan. Frühe Dosisfindungsstudien und Studien zur Erfassung von Nebenwirkungen sollten idealerweise mit intravenöser oder subkutaner Applikation einer neuen Substanz durchgeführt werden, um zu garantieren, daß die wechselhafte und nur teilweise orale Absorption keine Rolle spielt.
Aus diesem Grund wurde an 335 Migränepatienten eine randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Dosisfindungsstudie durchgeführt, um die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von 5 verschiedenen subkutanen Dosen von Naratriptan (0,5, 1, 2,5, 5 oder 10 mg) im Vergleich zu 6 mg Sumatriptan und Placebo zu untersuchen. Aus Sicherheitsgründen wurde diese Studie im Krankenhaus durchgeführt. Es galten die üblichen Erfolgskriterien nämlich Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen nach 60 und 120 min. Bei einem Teil der Patienten wurden darüber hinaus Daten zur Pharmakokinetik und Pharmakodynamik gewonnen. Bei allen Patienten wurden auch EKGs durchgeführt. 63 Patienten wurden mit Placebo, 60 mit 0,5 mg, 55 mit 1 mg, 42 mit 2,5 mg, 34 mit 5 mg und 34 mit 10 mg Naratriptan behandelt. Weitere 47 Patienten erhielten 6 mg Sumatriptan. Die Gruppengrößen erlaubten Aussagen zum Verhältnis von Verum und Placebo zu machen. Signifikanzberechnungen zu Unterschieden zwischen den Dosierungen von Naratriptan waren nicht möglich. Besserungen der Kopfschmerzen nach 2 Stunden ergaben sich bei 41% in der Placebo-Gruppe, bei 89% der Patienten in der Sumatriptan-Gruppe und mit ansteigender Häufigkeit bei Naratriptan 0,5 mg = 65%, 1 mg = 75%, 2,5 mg = 83%, 5 mg = 94%, 10 mg = 91%. Kopfschmerzfrei nach 2 Stunden waren mit Placebo 17%, mit Sumatriptan 55%, mit 0,5 mg Naratriptan 30%, mit 1 mg 44%, mit 2,5 mg 60%, mit 5 mg 79% und mit 10 mg 88%.
Interessant ist hier zu beobachten, daß im Gegensatz zu den früheren Sumatriptan-Studien offenbar eine eindeutige lineare Dosiswirkungsbeziehung bei parenteral gegebenem Naratriptan besteht. Die Zahl der Patienten mit Wiederauftreten von Kopfschmerzen nach initialer Wirksamkeit war bei Naratriptan deutlich geringer als bei Sumatriptan. Die Quote betrug 40% bei Sumatriptan und schwankte zwischen 21 und 41% für Naratriptan. Auch die mittlere Zeit bis zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen war bei Naratriptan mit 9,6-17,3 Stunden deutlich länger als bei Sumatriptan mit 8 Stunden. Bezüglich der anderen Zielkriterien nämlich Funktionsfähigkeit im Alltag, Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu und Lärmempfindlichkeit ergaben sich keine relevanten Unterschiede zwischen Sumatriptan und Naratriptan. Nebenwirkungen waren mit Naratriptan außer mit der 10 mg-Dosis eher geringer ausgeprägt als mit Sumatriptan.
Die pharmakologischen Untersuchungen zeigten eine lineare Beziehung zwischen Dosis von Naratriptan und den Serumspiegeln. Die Halbwertzeit wurde mit 4,5-5,6 Stunden berechnet. Der Zeitpunkt, bis die maximale Konzentration erreicht wurde, betrug 10 Minuten. Diese Studie zeigt eindrucksvoll, daß subkutanes Naratriptan eine sehr wirksame Substanz ist, die Sumatriptan zumindest ebenbürtig ist. Interessant ist die Beobachtung, daß bei der oralen Applikationsform Naratriptan signifikant weniger wirksam ist und später wirkt als Sumatriptan. Dies belegt auch, daß der Unterschied in der Wirkung offenbar durch einen sehr langsame Resorption nach oraler Einnahme bedingt ist. (HCD)
* Treves TA, Kuritzky A, Hering R, Korczyn AD (1998). Dihydroergotamine nasal spray in the treatment of acute migraine. Headache 38: 614-617.
Dihydroergotamin ist ein wirksames Migränemittel, das oral allerdings relativ schlecht und unzuverlässig resorbiert wird. Pharmakologische Untersuchungen zeigen, daß die Resorption nach intranasaler Gabe besser ist. In den Vereinigten Staaten und einigen europäischen Ländern ist DHE als Nasenspray bereits zugelassen. Die israelische Studie schloß in eine doppelblinde, Placebo-kontrollierte Parallelgruppenstudie 52 Migränepatienten ein.
Die Patienten behandelten die Migräneattacke entweder mit 0,5 oder 1 mg DHE intranasal, wobei die Dosierung nach 30 oder 60 min wiederholt werden konnte, wenn notwendig. Die Maximaldosis betrug so in der ersten Gruppe 2 mg, in der 2. Gruppe 1,5 mg. Vier konsekutive Migräneattacken wurden behandelt. Es galten die üblichen Zielkriterien von Migränestudien. 22-24% der Patienten in den beiden Dosisgruppen beurteilten DHE als sehr gut oder gut. Dies war bei 18% der Patienten in der Placebo-Gruppe der Fall. In der Verträglichkeit ergaben sich keine Unterschiede.
Diese Studie ist aus vielen Gründen unbrauchbar. Zum einen ist die Zahl der Patienten pro Behandlungsgruppe mit zwischen 16 und 19 viel zu klein, um statistische Aussagen machen zu können. Einschätzungen der Wirksamkeit durch Patienten können als sekundäres Zielkriterium, aber nicht als primäres Zielkriterium Verwendung finden. Wenn schon, wie in dieser Studie, 4 Attacken behandelt wurden, wäre es wünschenswert gewesen, wenn berichtet worden wäre, wie gut die Reproduzierbarkeit der Wirkung war. Weiterhin macht es keinen Sinn, eine große Variationsbreite an Dosierungen anzubieten, da dies statistische Vergleiche zwischen den einzelnen Dosisgruppen unmöglich macht. Aus der vorliegenden Studie kann jedenfalls nicht geschlossen werden, ob intranasales Dihydroergotamin wirksam ist oder nicht. (HCD)