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Kopfschmerz-News 6/1998 Migräne Akuttherapie

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3. Migräne Akuttherapie

* Lanzio G, Balottin U, Zambrino C, Cernibori A, Del Bene E, Gallai V, Guidetti V, Sorge F. (1996) Guidelines and recomendationes for the treatment of migraine in paediatric and adolescent patients. Functional Neurology 11: 269-275.

Dies ist ein italienischer Beitrag zur Modifikation der IHS Kriterien. Die von der Gruppe vorgeschlagenen Veränderungen erschweren jedoch deutlich die Klassifikation von Kopfschmerzen. Die zeitliche Definition für die Dauer einer Migräneattacke von Minuten bis viele Stunden und für den Spannungkopfschmerz Minuten bis viele Tage ist zu vage. Diese Veränderungsvorschläge stützen sich auch nicht auf veröffentlichte klinisch- epidemiologische Studien, sondern scheinen sich aus dem klinischen Eindruck der Gruppe zu entwickeln. Die Beziehung zwischen dem Symtom Kopfschmerz und der Psyche wird thematisiert, wobei die Autoren sehr die Theorie des Kopfschmerzes als Somatisierungstörung favorisieren. Dies scheint angesichts der neueren genetischen und bildgebenden Ergebnisse eine eher anachronistische Tendenz.
Die Therapieempfehlungen zum kindlichen Kopfschmerz entsprechen zum Teil denen, die intenational gebräuchlich sind, nennen in der Prophylaxe jedoch Flunarizin als Mittel der ersten Wahl. Flunarizin ist sicherlich lediglich ein Reservemedikament im Kindesalter,während Betarezeptorenblocker im Kindesalter bevorzugt werden sollten. Zuwenig wird auf die hervorragenden Möglichkeiten der nicht medikamentösen Therapie im Kindesalter eingegangen. Als Grundsatzpapier zur diagnostischen Einordnung und Therapie der Migräne im Kindes und Jugenalter ist dieser Artikel mit schweren inhaltlichen Mängeln behaftet. (AG)

**** Siberstein S D. (1997) Migraine and pregnancy. Adv Headache. 15: 209-231

Diese Übersichtsarbeit bietet eine gute Zusammenfassung zur Epidemiologie, Diagnostik und Therapie von Migräne in der Schwangerschaft. In Einzelfällen tritt Migräne erstmals im Verlauf einer Gravidität auf und muß dann differentialdiagnostisch von einer Sinusvenenthrombose, einer Eklampsie oder einem Schlaganfall abgegrenzt werden. Eine Lumbalpunktion oder eine Kernspintomographie (wegen der fehlenden Strahlenbelastung) sind in der Gravidität diagnostische Mittel der Wahl.
Der Autor stellt epidemiologische Studien zu Migräne in der Schwangerschaft vor. Die Angaben zur Erstmanifestation von Migräne zu diesem Zeitpunkt schwanken je nach Studie zwischen 1,3% und 80%, wobei in allen Studien übereinstimmend gezeigt wurde, daß Migräne sich zumeist vom 2. Trimenon an bessert (70%), und sich zu je 10% verschlechtert, unverändert bleibt oder im Verlauf variiert. Migräne exacerbiert häufig post partum. Sollte in der Gravidität eine medikamentöse Therapie der Migräne unvermeidlich sein, sind in dieser Arbeit die Ergebnisse der FDA und des Teris Risk Factor Ratings zusammengefaßt: Acetylsalizylsäure, Acetaminophen, Ibuprofen und Indomethacin sind die Medikamente der Wahl zur Attackenkupierung in der Gravidität, wobei Acetylsalizylsäure auf die ersten 6 Monate limitiert bleiben sollte. Substanzen, die in Europa nicht zur Migränetherapie eingesetzt werden wie zum Beispiel Barbiturate, werden ebenfalls vorgestellt.
In der Prophylaxe sollten lediglich Betarezeptorenblocker eingesezt werden, wobei bei Metoprolol keine fetalen Malformationen berichtet worden sind. Amitiptylin kann zumindest im ersten Trimenon zur Anwendung kommen. Nicht medikamentöse Therapiestrategien der Migräne sollten jedoch immer bevorzugt werden. Vorteilhaft an dieser Arbeit sind übersichtliche Tabellen, interessierte Leser finden ein ausfühliches Literaturverzeichnis. (AG)

* Hämäläinnen M, Hoppu K, Santavuori P. (1997) Oral dihydroergotamine for therapy-resitant migraine attacks in children. Pediatric Neurology 16: 114-117.

Die doppelblinde, placebokontollierte, 4-fach cross over Studie untersucht die Wirksamkeit von oralem Ergotamin im Kindesalter. 20 µg DHE wurden mit 40 µg DHE pro kg/KG verglichen. Primäres Zielkriterium der Studie war die Reduktion der Kopfschmerzintensität auf einer 5 Punkte Skala bei 30-minütigen Meßabständen innerhalb von fünf Stunden. Kinder, die innerhalb dieses Zeitfensters einschliefen, wurden als Responder klassifiziert. Dies ist sicherlich ein signifikanter Mangel des Designs. Einnahme von Ersatzmedikation klassifizerte Nonresponder. 12 Kinder aus der DHE-Gruppe und 13 Kinder aus der Placebogruppe konnten ausgewertet werden, wobei das ursprüngliche N der Studie nicht angegeben wird. Die Höhe der Responderrate wird schwer verständlich angegeben. Bei dem jeweils kleinen N der 4 armigen Auswertung wäre eine Tabelle hilfreich. Zusammengefaßt erreichten 7 Kinder nach Einnahmen von DHE eine Verbesserung von 2 Stufen, was auch für 2 Kinder der Placebogruppe zutraf. Kopfschmerzfrei waren 5 Kinder nach DHE, wobei 2 Kinder innerhalb von 2 Stunden einen wiederauftretenden Kopfschmerz erfuhren. Diese Studie weist, abgesehen von einem kleinen N, schwere methodische Mängel auf. Zudem waren 11 der Kinder bereits studienerfahren, was eine bestimmte Selektion zeigt. In die Definition der Responder die Kinder zu integrieren, die nach der Behandlung einschlafen, ist sicher genauso fraglich, wie die Reponder, die sich um 2 Grade verbessern mit den tatsächlich kopfschmerzfreien Kindern gleichzeitig als Responder zu werten.
Die Schlußfolgerung, DHE sei in der Therapie Placebo überlegen, obwohl keine statistisch signifikanten Unterschiede festgestellt wurden, ist aufgrund dieser Studie nicht zu ziehen und spiegelt letztendlich nur den subjektiven Eindruck, den der Untersucher anscheinend im klinischen Alltag gewonnen hat, wieder. Der Einsatz von DHE in der Therapie der kindlichen Migräne sollte zum einen nur erfahrenen Therapeuten vorbehalten sein und nur selten für bestimmte Kinder zur Anwendung kommen. Abzuwarten sind Studienergebnisse zum Einsatz von Serotoninagonisten ab dem 12. Lebensjahr, wobei dieser Substanzklasse im Jugendsalter bei positiven Studienergebnissen der Vorzug zu geben wäre. (AG)

*** Mathew NT (1997). Serotonin 1D (5-HT1D) agonists and other agents in acute migraine. Neurological Clinics 15:61-83

In dieser Übersichtsarbeit stellt der Leiter der Kopfschmerz-Ambulanz in Houston/Texas seine und die amerikanischen Vorstellungen zur Akuttherapie der Migräne vor.
Sehr ausführlich wird auf Sumatriptan und Dihydroergotamin eingegangen, während die anderen neuen Triptane nur am Rande erwähnt werden. Da die großen Studien zu Sumatriptan in den Kopfschmerz-News bereits alle referiert wurden, soll nur auf den Abschnitt eingegangen werden, in dem die Anwendung von Sumatriptan bei bestimmten Patientenpopulationen diskutiert wird. Der Autor berichtet dabei, daß in einer prospektiven Studie Sumatriptan bei den Patienten, die bereits morgens mit heftigen Kopfschmerzen im Rahmen ihrer Migräne aufwachen, genauso gut wirksam ist, wie bei Patienten, bei denen die Kopfschmerzen erst im Laufe des Tages beginnen. Menstruelle Migräneattacken gelten als besonders schwer und lang anhaltend. In zwei Studien zeigte sich, daß, wenn 6 mg Sumatriptan subcutan angewandt werden, die Kopfschmerzen genauso häufig erfolgreich behandelt werden können, wie wenn die Attacken zwischen der Menstruation auftreten. Die jeweiligen Erfolgquoten lagen bei 80% nach 1 Stunde mit Sumatriptan und 19% mit Placebo. Leider geht der Autor nicht auf das vermehrte Risiko eines Wiederauftretens der Kopfschmerzen bei lang anhaltenden Migräneattacken im Rahmen einer menstruellen Migräne ein. Bezüglich der Verträglichkeit ergaben sich keine Probleme bei der Anwendung von Sumatriptan bei Patienten mit Asthma bronchiale.
Sumatriptan sollte nicht in der Schwangerschaft und in der Stillzeit gegeben werden. Bei einigen wenigen Patienten mit einer Epilepsie aufgrund einer strukturellen Hirnschädigung wurden Anfälle nach der Gabe vom Sumatriptan beobachtet. Daher sollten Patienten mit dieser Form der Epilepsie nicht mit Sumatriptan behandelt werden. Interaktionen mit den Migräneprophylaktika Verapamil, Amitriptylin und Propranolol bestehen nicht. Monoaminoxidase-A-Hemmer behindern den Abbau von Sumatriptan und führen zu deutlich höheren Blutspiegeln. In diesen Fällen sollte die Sumatriptan-Dosis halbiert werden. Eine Interaktion mit MAO-B-Hemmern besteht nicht. Dihydroergotamin ist in den Vereinigten Staaten zur Injektion und seit neuestem als Nasenspray verfügbar. In unkontrollierten offenen Studien konnten 90% aller Attacken durch die intravenöse Gabe von 1-2 mg Dihydroergotamin erfolgreich behandelt werden. Bei 26% der Patienten kommt es zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen nach initialer Wirkung. Im Vergleich zu Ergotamin hat Dihydroergotamin geringere vasokonstriktive Eigenschaften und führt seltener zu Übelkeit und Erbrechen. Bei nasaler Applikation von Dihydroergotamin tritt die Wirkung deutlich später ein als bei der intravenösen Injektion. Hier beginnt die Wirkung nach etwa 1_ Stunden.
Da Dihydroergotamin seinerseits zu Übelkeit und Erbrechen führen kann, sollte es grundsätzlich mit einem Antiemetikum kombiniert werden. Nach Ansicht des Autors ist die parenterale Gabe von Dihydroergotamin auch zur Durchbrechung eines Status migraenosus geeignet. Dies geht allerdings nur, wenn der Status nicht durch eine zu häufige Einnahme von Ergotamin oder Triptanen verursacht wurde.
Nicht erwähnt wird von dem Autor, daß ein Status migraenosus auch erfolgreich mit Cortison durchbrochen werden kann. Der Autor erwähnt auch nicht, daß ähnlich wie bei Ergotamin eine zu häufige parenterale oder nasale Anwendung von Dihydroergotamin zur Behandlung akuter Attacken zu einer Häufung von Migräneattacken und später zu einem medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz führen kann. (HCD)

* Ottervanger JP, Valkenburg HA, Grobbee DE, Stricker BHC (1997). Characteristics and determinants of sumatriptan-associated chest pain. Arch Neurol 54:1387-1392

Sumatriptan ist eine seit mehreren Jahren zugelassene, hochwirksame Substanz zur Behandlung von Migräneattacken. Da sie über einen vasokonstriktiven Mechanismus wirkt, ist es durchaus möglich, daß auch bei einem Teil der Patienten die Koronarien mitreagieren. Ein Teil der Patienten (je nach Applikationsart zwischen 2 und 8%) klagt nach der Einnahme von Sumatriptan über ein Engegefühl auf der Brust, in sehr seltenen Fällen über einen Schmerz im Bereich der Brust. Die holländischen Autoren, unter ihnen kein Fachmann für Migräne, wollten untersuchten, ob Patienten, die Schmerzen im Bereich der Brust bei der Einnahme von Sumatriptan beklagten, sich bezüglich biologischer Parameter und Begleiterkrankungen von solchen unterschieden, die diese Symptome nicht aufweisen. Aus dem Nebenwirkungsregister der Niederlande identifizierten sie 137 Patienten, die über Schmerzen im Bereich der Brust nach der subkutanen oder oralen Applikation von Sumatriptan geklagt hatten. Diese 137 Patienten wurden mit 229 Patienten verglichen, die dieses Symptom nicht hatten.
In einer multivariablen Analyse stellte sich heraus, daß jüngeres Alter, Hypertonie und eine positive Familienanamnese bezüglich Myokardinfarkten mit einem erhöhten Risiko von Brustschmerz nach der Applikation von Sumatriptan einhergingen. Die Autoren schließen daraus, daß die geklagten Nebenwirkungen von Sumatriptan belegen würden, daß Sumatriptan an den Koronarien tatsächlich eine vasokonstriktive Wirkung hat.
Die hier referierte Publikation ist aus methodischen Gründen völlig unbrauchbar. Jeder Kliniker, der mit der Substanz umgeht, weiß, daß ein Druckgefühl im Bereich der Brust insbesondere nach subcutaner Applikation von Sumatriptan nicht selten ist, währenddessen tatsächlich Schmerzen im Bereich der Brust eine außerordentliche Rarität darstellen. Den Patienten muß daher die Semantik der Begriffe Schmerzen im Bereich der Brust und Druckgefühl im Bereich der Brust genau erklärt werden, bevor solche Erhebungen durchgeführt werden. Ein im Einsatz von Sumatriptan erfahrener Neurologe hätte dieses Problem mit Sicherheit lösen können. Dies schließt natürlich nicht aus, daß Patienten mit gehäuften vaskulären Risikofaktoren, einer nicht eingestellten Hypertonie und einer koronaren Herzerkrankung nicht mit Sumatriptan behandelt werden sollten. (HCD)

** Joffe RT, Sokolov STH (1997).Co-administation of fluoxetine and sumatriptan: the Canadian experience. Acta Psychiatr Scand 95:551-552

Migräne und Depression treten häufig gemeinsam auf. Heute werden Depressionen sehr häufig mit selektiven Serotonin-Wiederauf-nahmehemmern behandelt. Einer von diesen ist Fluoxetin. Rein theoretisch könnte es bei der Kombination der beiden Medikamente zu einem sog. Serotonin-Syndrom kommen, das mit Übelkeit, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Fieber und Verwirrtheit einhergeht. Die Autoren erhielten Einblick in die Nebenwirkungsunterlagen der Firma Lilly, dem Hersteller von Fluoxetin. Insgesamt liegen 22 Meldungen von Nebenwirkungen nach zeitlich eng zusammenliegender Einnahme von Fluoxetin und Sumatriptan vor. Bei 6 der Ereignisse kamen die Autoren zu dem Schluß, daß möglicherweise eine Medikamenteninteraktion vorlag. Die Autoren gehen allerdings nicht näher darauf ein, wie der mögliche Zusammenhang hergestellt wurde.
Der hier vorliegende Bericht widerspricht den Ergebnissen prospektiver Studien, in denen bei Patienten, die Fluoxetin einnahmen, keine erhöhte Nebenwirkungsrate bei der Applikation von Sumatriptan zu sehen war. Dies ist auch unwahrscheinlich, da Sumatriptan zum einen die Bluthirnschranke nicht überwindet und zum anderen an Rezeptoren bindet, die für die Wiederaufnahme von Serotonin keine Rolle spielen. (HCD)

**** Goldstein DJ, Wang O, Saper JR, Stoltz R, Silberstein ST, Mathew NT (1997). Ineffectiveness of neurokinin-1 antagonist in acute migraine: a crossover study. Cephalalgia 17:785-790

Bis vor kurzem war das Konzept der neurogenen Entzündung die schlüssigste Hypothese, um die Kopfschmerzen bei Migräneattacken zu erklären. Gemäß dieser Hypothese sollte es im Rahmen der neurogenen Entzündung zur Freisetzung von Substanz P und Calcitonin gene related Peptide zu einer Vasodilatation und zu einer aseptischen perivaskulären Entzündung kommen. Substanz P-Antagonisten wirken auf Neurokinin-1 (NK-1) Rezeptoren. Eine Reihe von NK-1 Rezeptorantagonisten sind hochwirksame Hemmer der neurogenen Entzündung im Tierexperiment. In der vorliegenden Studie wurde der NK-1 Antagonist Lanepitant der Fa. Lilly untersucht. Es handelte sich um eine Placebo-kontrollierte doppelblinde crossover-Studie, in der LY303870 in Dosierung von 30, 80 und 240 mg mit Placebo verglichen wurde. 61 Patienten mit einer Migräne mit und ohne Aura wurden in die Studie aufgenommen, 40 behandelten nach Stundenprotokoll jeweils 4 Migräneattacken. Zu den primären Zielkriterien zählten die Besserung der Kopfschmerzen, die Funktionsfähigkeit im Alltag und die mit der Migräne assoziierten Symptome. Über einen Zeitraum von 2 Stunden ergab sich für keine der 3 untersuchten Dosierungen von LY-303870 ein Effekt auf die Kopfschmerzen bzw. auf die typischen Begleitsymptome der Migräne. Auch die subjektive Einschätzung der Patienten ergab, daß die Betroffenen der Meinung waren, daß die Substanz nicht wirkt. Die Substanz führte bei wenigen Patienten über ihre vasodilatatorische Wirkung zu orthostatischen Beschwerden. Ansonsten war die Verträglichkeit gut.
Diese Studie zeigt eindrucksvoll in einem guten Design, daß ein selektiver NK-1 Antagonist zur Behandlung akuter Migräneattacken nicht wirksam ist. Dies ist auch in der Zwischenzeit für einen anderen NK-1 Antagonisten nämlich RPR100893 gezeigt worden. Die negativen Ergebnisse dieser Studien zeigen auch, daß das Modell der neurogenen Entzündung mit Ausnahme von spezifischen 5-HT1B/D Agonisten keine Vorhersagekraft bezüglich der Wirkung bei Migräne hat. (HCD)

***** Gijsman H, Kramer MS, Sargent J, Tuchman M, Matzura-Wolfe D, Polis A, Teall J, Block G, Ferrari MD (1997). Double-blind, placebo-controlled, dose-finding study of rizatriptan (MK-462) in the acute treatment of migraine. Cephalalgia 17:647-651

Rizatriptan (MK-462) ist ein neuer 5-HT1D/1B Rezeptoragonist, der gemäß seiner Pharmakologie schneller oral resorbiert wird als Sumatriptan. Hier handelt es sich um die erste größere Dosisfindungsstudie, in der in einem multizentrischen, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Design 2,5, 5 und 10 mg Rizatriptan mit Placebo verglichen wurden. Insgeamt wurden 417 Patienten mit mittelschweren und schweren Migräneattacken in die Studie aufgenommen. Die Placebo-Gruppe umfaßte 67 Patienten. 75 Patienten nahmen 2,5 mg, 130 Patienten 5 mg und 145 Patienten 10 mg Rizatriptan. Primäres Zielkriterium war die Besserung der Kopfschmerzen von mittelschwer oder schwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen nach 2 Stunden. Nach 2 Stunden betrug der prozentuale Anteile der Responder für Placebo, 2,5 mg, 5 mg und 10 mg Rizatriptan 18%, 21,3%, 45,4% und 47,6%. Nach 4 Stunden lagen die Erfolgquoten bei 56,7%, 38,7%, 61,5% und 68,3%. Die Unterschiede waren für die 5- und 10 mg-Dosierungen von Rizatriptan signifikant. Erstmals 1,5 Stunden nach der Einnahme war ein signifikanter Vorteil der höheren Rizatriptan-Dosis gegenüber Placebo und 2,5 mg Rizatriptan zu sehen. Kopfschmerzfreiheit nach 2 Stunden fand sich bei 3% der Patienten mit Placebo, 9,3% unter 2,5 mg, 22,3% unter 5 mg und 27,6% unter 10 mg Rizatriptan. Patienten konnten beim Wiederauftreten von Kopfschmerzen innerhalb von 24 Stunden eine zweite Dosis der Studienmedikation einnehmen. Dies war bei 82% der Placebo-Patienten und bei 72%, 52% und 55% bei Rizatriptan 2,5 mg, 5 mg und 10 mg erforderlich. Das Wiederauftreten der Kopfschmerzen nach initialem Therapieerfolg innerhalb von 24 Stunden trat bei 33% unter Placebo sowie bei 40%, 52,1% und 36,5% bei 2,5 mg, 5 mg und 10 mg Rizatriptan auf. Rizatriptan hatte auch einen signifikanten Effekt auf die allgemeine Befindlichkeit sowie auf die typischen Nebnwirkungen der Migräne wie Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu und Lärmempfindlichkeit. Die Nebenwirkungen waren dosisabhängig. Die häufigsten Nebenwirkungen bei 5 und 10 mg waren unsystematischer Schwindel (7%), leichte Benommenheit (4-5%), Schwächegefühl (5%), Mundtrockenheit (1-3%) und Schwitzen (3%).
Diese Studie zeigt eindrucksvoll, daß 5 und 10 mg Rizatriptan bei einem sehr guten Nebenwirkungsprofil eine hohe Wirksamkeit zur Behandlung akuter Migräneattacken aufweist. Diese Studie zeigt, daß Rizatriptan 5 und 10 mg signifikant wirksamer sind als Placebo und die Wirkung relativ früh einsetzt. 5 und 10 mg Rizatriptan werden daher in weiteren Studien insbesondere in Vergleichsstudien zu Sumatriptan untersucht. (HCD)

* Mathew NT, Asgharnejad M, Peykamian M, Laurenza A on behalf of the Naratriptan S2WA3003 Study Group (1997). Naratriptan is effective and well tolerated in the acute treatment of migraine. Results of a double-blind, placebo-controlled, crossover study. Neurology 49:1485-1490

Sumatriptan war der erste von der Fa. Glaxo entwickelte Serotonin-Agonist zur Behandlung akuter Migräneattacken. Da Sumatriptan oral relativ schlecht resorbiert wird, entwickelte die Firma einen weiteren 5-HT1B/D Agonisten mit besserer Resorption. Ziel der Entwicklung war darüber hinaus, eine Dosis zu finden, die wirksam ist, sich bezüglich ihrer Nebenwirkungen aber möglichst nicht von Placebo unterscheidet. Der angestrebte Markt für Naratriptan sollten Patienten mit mittelschweren Migräneattacken sein oder Patienten, die Sumatriptan wegen unerwünschter Nebenwirkungen nicht einnehmen wollen oder können. Bei der vorliegenden Studie handelte es sich um eine von zwei großen Dosisfindungsstudien, in der Naratriptan in Dosierungen von 0,25 mg, 1 mg und 2,5 mg in einem randomisierten, doppelblinden crossover-Design mit Placebo verglichen wurde. 586 Patienten wurden in die Studie aufgenommen. Eine signifikante Besserung der Kopfschmerzen vom Schweregrad �schwer” oder �mittelschwer” zu �leicht” oder �keine Kopfschmerzen” berichteten 4 Stunden nach Einnahme der Dosierung 68% der Patienten nach 2,5 mg, 57% nach 1 mg und 39% nach 0,25 mg Naratriptan. Die Erfolgquote nach Placebo lag bei 33%.
In dieser Studie registrierten die Patienten die Kopfschmerzintensität und mögliche Nebenwirkungen über einen Zeitraum von 24 Stunden. Darüber hinaus wurde zusätzliche Medikation und das Wiederauftreten von Kopfschmerzen nach initialer Wirksamkeit analysiert. Kopfschmerzfrei nach 4 Stunden waren 45% der Patienten nach 2,5 mg, 33% nach 1 mg, 20% nach 0,25 mg Naratriptan und 15% nach Placebo. Naratriptan hatte auch signifikante Wirkung bezüglich der Besserung von Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu, Lärmempfindlichkeit und allgemeinem Krankheitsgefühl. Zusätzliche Medikation benötigten 26% der Patienten nach 2,5 mg, 34% nach 1 mg und 48% nach 0,25 mg Naratriptan im Vergleich zu 52% der Patienten nach Placebo. Wiederauftreten der Kopfschmerzen betrug 27% mit 2,5 mg, 33% mit 1 mg, 34% mit 0,25 mg Naratriptan und 36% mit Placebo. Die mittlere Dauer bis zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen betrug 11,2 Stunden bei 2,5 mg, 11 Stunden bei 1 mg, 10 Stunden bei 0,25 mg Naratriptan und 8 _ Stunden bei Placebo. In allen drei Dosisstufen war Naratriptan genauso gut verträglich wie Placebo. Es traten auch keinerlei Veränderungen vom Blutdruck oder Laborwerten auf. Diese Studie hätte sehr eindrucksvoll eine eindeutige Wirkung von 1 und 2,5 mg Naratriptan bei hervorragendem Nebenwirkungsprofil zeigen können.
Allerdings hat die Fa. Glaxo-Wellcome aus nicht nachvollziehbaren Gründen die Erfolgsquoten nach 2 Stunden verschwiegen und ermöglicht so dem Leser des Artikels nicht, einen indirekten Vergleich mit Sumatriptan oder anderen Triptanen herzustellen. Diese Publikationspolitik ist wissenschaftlich nicht akzeptabel. Die einzige Erklärung für dieses Verhalten mag darin liegen, daß mit einer Ausnahme die an der Studie beteiligten Neurologen nicht Ko-Autoren der Publikation waren. Mit diesem Publikationsverhalten wird auch ein dunkler Schatten auf eine Substanz geworfen, die nach Erfahrung des Autors gut wirksam ist und insbesondere ein hervorragendes Verträglichkeitsprofil aufweist. (HCD)

**** Proietti-Cecchini A, Áfra J, Schoenen J (1997). Intensity dependence of the cortical auditory evoked potentials as a surrogate marker of central nervous system serotonin transmission in man: demonstration of a central effect for the 5HT1B/1D agonist zolmitriptan (311C980, Zomig®). Cephalalgia 17:849-854

Zolmitriptan (AscoTop®) ist ein neues, in Deutschland seit einiger Zeit zugelassenes Migränemittel. Im Gegensatz zu Sumatriptan überwindet es unter physiologischen Umständen die Blut/Hirn-Schranke. Pharmakologisch und tierexperimentell ließ sich ein zentraler Angriffspunkt an Neuronen des Nucleus caudalis des N. trigeminus nachweisen. Die Arbeitsgruppe von Schoenen in Lüttich/Belgien entwickelte eine neue experimentelle Methode beim Menschen, um den möglichen zentralen Angriffspunkt von Migränemitteln studieren zu können. Die Arbeitsgruppe untersuchte die Amplitude akustisch evozierter Potentiale bei ansteigenden Reizintensitäten. Hier kommt es zu einem linearen Anstieg der Potentialamplitude. An der vorliegenden Studie nahmen 27 gesunde Kontrollpersonen und 16 Migränepatienten teil. Alle Ableitungen wurden anschließend blind, d. h. ohne Kenntnis der Diagnose und Behandlungsgruppe, ausgewertet. Gesunde Versuchspersonen und Patienten wurden zunächst vor der Einnahme und 2 Stunden nach der Einnahme von 10 mg Zolmitriptan, 5 mg Zolmitriptan, Placebo, 100 mg Sumatriptan, Lorazepam 1,25 mg (ein Tranquilizer) und Dexfenfluramin 15 mg untersucht.
Die Arbeitshypothese war, daß die serotonerge Transmission in diesem Fall durch 311C90 moduliert wird. Tatsächlich ließ sich nachweisen, daß die Steigerung der Intensität-Amplitudenfunktion akustisch evozierter Potentiale nach 10 und 5 mg 311C90 dosisabhängig höher war und sich unter Sumatriptan, Lorazepam und Placebo nicht veränderte. Dexfenfluramin hatte den entgegengesetzten Effekt wie pharmakologisch zu erwarten und führte zu einer Abnahme der Steigerung der Funktion. Die belgische Arbeitsgruppe hat hier ein interessantes humanes Modell entwickelt, um die zentrale Wirkung von Serotoninagonisten zu untersuchen. (HCD)

**** Rapoport AM, Ramadan NM, Adelman JU, Mathew NT, Elkind AH, Kudrow DB, Earl NL on behalf of the 017 Clinical Trial Study Group (1997). Optimizing the dose of zolmitriptan (Zomig® 311C90) for the acute treatment of migraine. A multicenter, double-blind, placebo-controlled, dose range-finding study. Neurology 49:1210-1218

Zolmitriptan (AscoTop®) ist ein neuer Serotonin 5HT1B/1D Agonist, der besser oral resorbiert wird als Sumatriptan und einen zentralen Angriffspunkt hat. In der vorliegenden amerikanischen Dosisfindungsstudie, die doppelblind, randomisiert und Placebo-kontrolliert durchgeführt wurde, wurden Dosierungen von 1, 2,5, 5 oder 10 mg Zolmitriptan bei der Behandlung schwerer oder mittelschwerer Migräneattacken untersucht. 1144 Patienten wurden in die Studie aufgenommen. 999 Patienten standen für die Endauswertung zur Verfügung.
Es zeigte sich über einen Zeitraum von 4 Stunden eine Dosisabhängigkeit der Wirkung zwischen Zolmitriptan 1 mg und 2,5 mg. 5 und 10 mg Zolmitriptan waren nicht wirksamer als 2,5 mg. Der Prozentsatz der Responder nach 2 Stunden betrug 65% für 2,5 mg Zolmitriptan und 34% für Placebo. Kopfschmerzfrei nach 2 Stunden waren 27% der Patienten nach 2,5 mg Zolmitriptan und 7% nach Placebo. 4 Stunden nach der Einnahme waren 45% der Patienten kopfschmerzfrei nach Zolmitriptan verglichen mit 11% unter Placebo. In den Zolmitriptan-Studien wurde ein anderer Kopfschmerzparameter ebenfalls erfaßt nämlich die sog. vollständige Besserung der Kopfschmerzen definiert als eine Besserung der Kopfschmerzintensität von mittelschwer und schwer auf leicht oder kein Kopfschmerz über einen Zeitraum von 24 Stunden ohne Wiederauftreten der Kopfschmerzen und ohne die Notwendigkeit, weitere Medikamente einzunehmen. Dieser Prozentsatz betrug 40% mit 2,5 mg Zolmitriptan und 17% mit Placebo. Wiederauftreten der Kopfschmerzen wurde bei 37% der Patienten mit Zolmitriptan und 46% unter Placebo beobachtet. Zolmitriptan hatte in Dosierungen von 2,5, 5 und 10 mg auch einen signifikanten Einfluß auf die Migräne-assoziierten Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu und Lärmempfindlichkeit. Beim Wiederauftreten der Kopfschmerzen durften die Patienten im Rahmen des Studienprotokolls eine weitere Dosis Zolmitriptan einnehmen. Hier betrug die Wirksamkeit kumuliert über die drei wirksamen Dosierungen 54%. Die Verträglichkeit war sehr gut. Nebenwirkungen umfaßten Schwindelgefühl, Müdigkeit, Parästhesien, Schwächegefühl, Wärmegefühl, Engegefühl im Bereich des Halses und Engegefühl im Bereich der Brust. Die Häufigkeit der Nebenwirkungen war dosisabhängig und nahm von 2,5 mg zu 10 mg zu. Die Nebenwirkungshäufigkeit lag allerdings mit Ausnahme von unsystematischem Schwindel unter 10%. In dieser Dosisfindungsstudie stellte sich die Dosis von 2,5 mg Zolmitriptan, die auch später zur Behandlung akuter Migräneattacken zugelassen wurde, als die ideale Dosis bezüglich guter Wirkung und geringer Nebenwirkungen heraus. (HCD)

**** Solomon GD, Cade RK, Klapper JA, Earl NL, Saper JR, Ramadan NM on behalf of the 042 Clinical Trial Study Group (1997). Clinical efficacy and tolerability of 2,5 mg zolmitriptan for the acute treatment of migraine. Neurology 49:1219-1225

In Dosisfindungsstudien hatte sich gezeigt, daß 2,5 mg Zolmitriptan das optimale Verhältnis zwischen guter Wirksamkeit und geringen Nebenwirkungen hat. Höhere Dosierungen waren nicht besser wirksam, hatten aber mehr Nebenwirkungen. Daher wurde in einer weiteren Placebo-kontrollierten, doppelblinden Studie die Wirksamkeit von 2,5 mg Zolmitriptan mit Placebo verglichen. Insgesamt wurden in die amerikanische Studie 327 Patienten rekurtiert. 219 erhielten 2,5 mg Zolmitriptan und 108 Placebo. Eine Besserung der Kopfschmerzen nach 2 Stunden beobachteten 62% der Patienten, die Zolmitriptan erhalten hatten im Vergleich mit 36% nach Placebo. Nach 4 Stunden war die Besserung der Kopfschmerzen bei 70% in der Verumgruppe verglichen mit 37% in der Placebo-Gruppe. Kopfschmerzfrei waren 22% der Patienten unter Zolmitriptan nach 2 Stunden verglichen mit 10% unter Placebo. Alle wesentlichen Begleitsymptome der Migräne wurden ebenfalls durch Zolmitriptan signifikant gebessert. Wiederauftreten der Kopfschmerzen nach initialer Wirksamkeit wurde bei 22% der Patienten beobachtet, die Zolmitriptan eingenommen hatten. Die Verträglichkeit war gut. Häufiger als unter Placebo auftretende Nebenwirkungen umfaßten Schwindel (9%), Parästhesien (6%), Engegefühl im Bereich der Brust (5%), Benommenheit (5%). In dieser Studie konnte wie in einer anderen Studie die signifikante Wirkung von Zolmitriptan gegenüber Placebo bei einer relativ niedrigen Rate wiederauftretender Kopfschmerzen und einer guten Verträglichkeit belegt werden. (HCD)


DMKG