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Kopfschmerz-News 12/1997 Medikamenten-induzierter Kopfschmerz

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7. Medikamenten-induzierter Kopfschmerz

**** Gaist D. Hallas J, Sindrup SH, Gram LF (1996). Is overuse of sumatriptan a probelm? A population-based study. Eur J Clin Pharmacol 50: 161-165

Sumatriptan ist eine hochwirksame Substanz zur Behandlung akuter Migräneattacken und zur Behandlung des Cluster-Kopfschmerzes. Die allgemeine Empfehlung lautet, nicht mehr als drei Applikationen à 100 mg oral oder zwei Injektionen à 6 mg pro Tag anzuwenden. Die Langzeit-Studien mit Sumatriptan zeigten keinen Hinweis für eine Tachyphylaxie oder einen Abusus der Substanz. In diese Studien wurden allerdings Problempatienten mit sehr vielen Migräneattakken oder einem vorausgegangenen Medikamentenabusus nicht aufgenommen. In der Zwischenzeit haben eine ganze Reihe von Kopfschmerzzentren die Erfahrung gemacht, daß Sumatriptan ebenso wie Ergotamin, wenn es zu häufig appliziert wird, zu einer Steigerung der Attackenfrequenz und am Ende zu einem medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz führen kann. Die dänische Studie, die hier vorgelegt wird, bezieht sich auf einen Zeitraum von 27 Monaten, nachdem Sumatriptan in Dänemark zugelassen worden war. In Dänemark gibt es eine pharmako-epidemiologische Datensammlung, in der alle ärztlichen Verschreibungen in einem bestimmten Bereich mit 465.000 Einwohnern erfaßt werden. Leider erfaßt die Datenbasis nicht die Diagnose, wofür die Verschreibung erfolgte. Erfaßt wurde die Häufigkeit, mit der die tägliche Dosis von Sumatriptan beschrieben wurde. Als tägliche Dosis wurden definiert 100 mg oral oder 6 mg subkutan. Die Patienten wurden in drei Kategorien eingeteilt. Patienten mit geringerem Verbrauch benutzten weniger als 30 Dosierungen pro Monat, Patienten mit mittelhohem Verbrauch benutzten 30-59 Dosierungen pro Monat und Patienten mit hohem Verbrauch 60 und mehr Dosierungen pro Monat. Auf diese Weise wurden 2878 Patienten identifiziert, die Sumatriptan verwendeten. 78% davon waren Frauen, und das mittlere Alter betrug 43 Jahre. 1283 Patienten erhielten nur eine einmalige Verschreibung von Sumatriptan, 1423 benutzten weniger als 30 Dosierungen pro Monat, 127 zwischen 30 und 60 und 45 über 60 Applikationen pro Monat. Die letzte Gruppe umfaßte 1,6% aller Patienten und verbrauchte 52,2% der Gesamtmenge von Sumatriptan. Die mittlere individuelle Wahl der Dosierungen im Beobachtungszeitraum betrug 500 für diese Gruppe bei einer mittleren Beobachtungszeit von 580 Tagen. Dies bedeutet, daß diese 45 Patienten offenbar fast täglich Sumatriptan benutzten. Für einen Mißbrauch spricht auch die Tatsache, daß in dieser Gruppe überproportional häufig andere starke Analgetika, Codeinhaltige Migränemittel und Mutterkornalkaloide eingenommen wurden. Da die Diagnose nicht bekannt war, ist es nicht auszuschließen, daß es sich bei einem Teil der Betroffenen um Patienten mit chronischem Cluster-Kopfschmerz handelt. Dies kann aber nicht für die Gesamtgruppe gelten, da der Anteil von Frauen in der Höchstdosisgruppe überwog und Cluster-Kopfschmerz ganz überwiegend bei Männern auftritt. Diese Erhebung, obwohl indirekt, ist ein weiterer Hinweis dafür, daß Sumatriptan bei entsprechend disponierten Patieten zu einer Häufung von Migräneattacken und zu Medikamentenmißbrauch führen kann. (HCD)

** Warner JS. Analgesic rebound as a cause of hemicrania continua. Neurology (1997) 48: 1540-1541

In diesem case report wird der Fall einer 42-jährigen Patientin geschildert, die auf dem Boden einer Migräne ohne Aura einen medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz entwickelte. Dieser Dauerkopfschmerz der in der Kopfschmerzliteratur auch chronic daily headache oder transformed migraine genannt wird, tritt meist bilateral auf, ist häufig von dumpfdrückendem Charakter und stetig. Er kann migräneartigen Charakter annehmen und ist üblicherweise jeden Tag vorhanden. In der überwiegenden Anzahl der Fälle trägt ein regelmäßiger Analgetikakonsum zu der Symptomatik bei, in diesem Fall verschwindet der tägliche Kopfschmerz nach Analgetikaentzug und macht der ursprünglichen Kopfschmerzform (meist Migräne) Platz. Das Besondere an dem vorliegenden case report ist, daß der Kopfschmerz, den die Patientin unter einem exzessiven Analgetikaabusus entwickelte, einer äußerst raren Kopfschmerzform ähnelte, der hemicrania continua. Diese Kopfschmerzform ist charakterisiert durch einen kontinuierlich vorhanden aber in der Stärke fluktuierenden Kopfschmerz, der meist einseitig und von moderater Ausprägung ist. Häufig ist er begleitet von autonomen Symptomen, wenn auch nicht so ausgeprägt wie bei der chronisch paroxysmalen Hemicranie und spricht auf Indomethacin an. Fakultativ erleben diese Patienten (wie bei der Migräne) “jabs and jolts”, d.h. einschießende, heftige punktförmige Kopfschmerzen von Sekunden Dauer. Der von dem Autor beschriebene Kopfschmerz ähnelt im weitesten Sinne diesem Syndrom. Der Kopfschmerz verschwand allerdings fast völlig nach Analgetikaentzug. Obwohl wenige Fälle von hemicrania continua mit täglichem Analgetikakonsum beschrieben sind, läßt sie sich durch Analgetikaentzug nicht ‘heilen’. Üblicherweise spricht diese Kopfschmerzform exclusiv auf Indomethacin an (nur 4 Fälle in der Weltliteratur sind Indomethacin Nonresponder). Insofern ist der Titel irreführend: Vermutlich handelt es sich um eine transformed migraine, die in diesem Falle ein wenig der hemicrania continua ähnelt. In einem aber muss man dem Autor zustimmen: Der Analgetika-abusus ist ein zunehmendes Problem und bei Kopfschmerzpatienten mit täglichen Kopfschmerzen muß sensibel mit der Verschreibung von Kopfschmerzmitteln umgegangen werden. (MAY)


DMKG