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Kopfschmerz-News 12/1997 Migräne Akuttherapie

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3. Migräne Akuttherapie

**** Martin GR, Robertson AD, MacLennan SJ, Prentice DJ, Barrett VJ, Buckingham J, Honey AC, Glies H, Moncada S (1997). Receptor specificity and trigemino-vascular inhibitory actions of a novel 5-HT1B/1D receptor partial agonist, 311C90 (zolmitriptan). Br J Pharmacol 121: 157-164

tierexperimentell

Zolmitriptan, im Handel zugelassen als AscoTop, ist ein neues Migränemittel. In der vorliegenden umfangreichen Publikation werden die wesentlichen tierexperimentellen und molekularbiologischen Daten zu 311C90 (Zolmitriptan) dargestellt. Die Untersuchungen erfolgten in den meisten Fällen im Vergleich zu Sumatriptan. Zunächst wurde die Vasokonstriktion an der Vena saphena des Kaninchens untersucht. Hier ist 311C90 ein potenter Partial-Agonist mit einer doppelt so hohen Potenz verglichen mit Sumatriptan. 311C90 führt auch zu einer konzentrationsabhängigen Konstriktion der A. basilaris von Primaten und von Coronararterien des Menschen. Die vasokonstriktiven Effekte an der A. basilaris sind etwa zwei- bis dreimal höher als für entsprechende Dosierungen von Sumatriptan. Im Vergleich zu Serotonin sind beide Agonisten etwa halb so wirksam wie Serotonin selbst. 311C90 bindet mit hoher Affinität an rekombinant erzeugten menschlichen 5-HT1D und 5-HT1B-Rezeptoren. Dies ist von Bedeutung, da der 5-HT1B-Rezeptor die Vasokonstriktion vermittelt und der 5-HT1D-Rezeptor die inhibitorische Wirkung am N. trigeminus. 311C90 bindet nur minimal oder garnicht an die anderen Serotonin-Subrezeptoren und hat keine Affinität für Adrenozeptoren, Histaminrezeptoren, Muskarinrezeptoren und Dopaminrezeptoren. 311C90 hemmt die neurogene Entzündung, die in diesem Fall beim Meerschweinchen durch eine unilaterale elektrische Stimulation des Ganglion trigeminale hervorgerufen wurde. Damit hat Zolmitriptan wesentliche Charakteristika, wie sie für ein Migränemittel wichtig sind: es führt zu einer Konstriktion von cerebralen und Duraarterien, und es hemmt potent die neurogene Entzündung. Darüber hinaus bindet es spezifisch an 5-HT1D und an 5-HT1B-Rezeptoren. (HCD)

*** Carpay HA, Matthijsse P, Steinbruch M, Mulder PGH (1997). Oral and subcutaneous sumatriptan in the acute treatment of migraine: an open randomized cross-over-study. Cephalalgia 17: 591-595

Sumatriptan ist eine hochwirksame Substanz zur Behandlung akuter Migräneattacken. Es steht in oraler und subkutaner Form, als Zäpfchen und Nasenspray zur Verfügung. Ein Vergleich der oralen mit der subkutanen Behandlung war bisher nur indirekt durch die Analyse von Daten verschiedener Studien möglich. In der vorliegenden Studie wurde nun die orale und subkutane Gabe von Sumatriptan direkt verglichen. Es handelte sich um eine offene randomisierte cross-over-Studie an 124 Patienten mit Migräne. Die Patienten behandelten zunächst drei konsekutive Attacken oder Migräneattacken innerhalb von 3 Monaten mit oraler oder subkutaner Applikation von Sumatriptan und wechselten dann zu anderen Applikationsformen über. Als Zielkriterium wurde das übliche Glaxo-Kriterium benutzt nämlich Besserung der Kopfschmerzen von “schwer” oder “mittelschwer” zu “leicht” oder “keine Kopfschmerzen”. Der Zielpunkt war zwei Stunden nach der subkutanen Applikation oder vier Stunden nach der oralen Applikation. Die orale Dosis betrug 100 mg, die subkutane Dosis 6 mg. Dreiviertel der Patienten hatten schwere Attacken, 25% mittelschwere. Attcken. Über alle drei Attacken gemittelt, erreichten 78% der Patienten nach subkutaner Gabe und 61% nach oraler Gabe das Zielkriterium. Der Unterschied war statistisch signifikant. Auch die Besserung von Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu und Lärmempfindlichkeit war nach subkutaner Gabe signifikant besser als nach oraler Gabe. Bezüglich des Wiederauftretens von Kopfschmerzen ergab sich kein Unterschied. Dieses konnte bei 31% der Patienten beobachtet werden, die ihre Attacken mit subkutanem Sumatriptan behandelten, und bei 32% nach oraler Gabe. Der Zeitpunkt bis zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen war allerdings unterschiedlich. Die mittlere Zeit betrug 18 Stunden nach oralem Sumatriptan und 12 _ Stunden nach subkutaner Applikation. Erwartungsgemäß traten mehr Nebenwirkungen nach der subkutanen Gabe auf. Diese betrugen 1,32 im Mittel pro Attacke für die subkutane Gabe und 0,85 pro Attacke für die orale Gabe. Diese Studie zeigt im direkten Vergleich die bessere Wirksamkeit von subkutanem Sumatriptan, die mit einer höheren Nebenwirkungsrate und einer kürzeren Wirkungszeit erkauft wird. (HCD)

**** Lewis PJ, Barrington SF, Marsden PK, Maisey MN, Lewis LD (1997). A study of the effects of sumatriptan on myocardial perfusion in healthy male migraineurs using 13NH3 positron emission tomography. Neurology 48: 1542-1550

Sumatriptan ist ein Serotonin 5-HT1D/1B-Agonist mit vasokonstriktiven Eigenschaften mehr an cerebralen als an systemischen Arterien. Eine typische wenn auch seltene Nebenwirkung nach der subkutanen Applikation mehr als nach der oralen Applikation ist ein Engegefühl auf der Brust. Dies entspricht nach seinen klinischen Charakteristika allerdings nicht den typischen Symptomen einer Angina pectoris. Um eine Beeinflussung der myokardialen Durchblutung auszuschließen, wurde die vorliegende Untersuchung durchgeführt, bei der mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie quantitativ die Perfusion des Myokards gemessen wurde. Für die Studie stellten sich 19 Migränepatientinnen zur Verfügung. Das Alter lag zwischen 33 und 62 Jahren. Alle Patientinnen hatten bereits Erfahrung mit der oralen und intravenösen Applikation von Sumatriptan. Das Studiendesign sah eine randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte cross-over Gabe von Placebo oder 6 mg subkutanem Sumatriptan vor. Zunächst wurde eine PET-Scan-Untersuchung der myokardialen Perfusion durchgeführt, die 10 min nach der subkutanen Gabe von Sumatriptan wiederholt wurde. Die regionale myokardiale Perfusion wurde in fünf verschiedenen Regionen des Herzens gemessen. Zwischen der Messung vor der Gabe von Placebo oder Sumatriptan und nach der Gabe der entsprechenden Substanz ergab sich kein Unterschied. Diese Studie zeigt eindeutig, daß bei gesunden Patienten mit Migräne ohne relevante vaskuläre Risikofaktoren Sumatriptan zu keiner Veränderung der regionalen oder globalen myokardialen Perfusion führt und die geklagten “Brustsymptome” nicht auf eine Minderperfusion des Myokards zurückzuführen sind. (HCD)

***** Rosenkranz S, Deutsch HJ, Erdmann E (1997). “Saint Antony’s Fire”: Ergotamin-induzierte Gefäßspasmen als Ursache akuter ischämischer Syndrome. Dtsch. med. Wschr. 122: 450-454

Durch die Einführung von Sumatriptan, einem hochwirksamen Migränemittel, wurden sehr seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen dieser Therapie bekannt. Die Häufigkeit dieser schwerwiegenden Nebenwirkungen beträgt etwa 1:1 Million Anwendungen, wobei bei den meisten Patienten entweder Kontraindikationen oder eine Fehldiagnose vorlag. Dabei blieb häufig unberücksichtigt, daß entsprechende Nebenwirkungen von Ergotamin seit langem bekannt sind, in der Literatur aber meist keine Erwähnung mehr finden, da sie bereits vor längerer Zeit publiziert wurden. Die Kölner Autoren haben nochmals alle relevanten publizierten Nebenwirkungen von Ergotaminhaltigen Präparaten zusammengefaßt. Dazu zählen Ischämien der unteren Extremitäten, Ischämien der oberen Extremitäten, Vasospasmen der A. carotis interna, Myokardinfarkte, Aortenbogensyndrom, Nierenarterienspasmus, Ischämien der Mesenterialgefäße, Gangrän und Nekrosen, retinale Ischämien und perianale Ulzerationen. Bei der klinischen Präsentation läßt sich eine akute gangränöse Form des Ergotismus von einer chronischen Form unterscheiden. Der akute Ergotismus führt durch die akute Ischämie zu heftigsten Schmerzen. Entsprechend der Lokalisation, imponiert die Klinik als Claudicatio intermittens, als Angina pectoris oder Angina abdominalis. Daraus resultieren auch die typischen Kontraindikationen für die Gabe von Ergotamin nämlich periphere arterielle Verschlußkrankheit, coronare Herzkrankheit, arterielle Hypertonie, Leber- und Niereninsuffizienz, Schwangerschaft und Arteriitis. Systematische Studien zur Therapie der Therapiekomplikationen gibt es nicht. Empfohlen wurden neben dem Absetzen der Ergotamin-Präparate Antikoagulantien, Vasodilatatoren, eine Sympathikusblockade, Prostaglandin E1, Natriumnitroprussid, Nifedipin, Papaverin und Nitroglycerin. Diese Übersicht zeigt nochmals, das Ergotamin keineswegs eine harmlose Substanz ist. Aus den hier vorgelegten Ergebnissen ergibt sich auch die Begründung für die Empfehlung, Ergotamin und Sumatriptan nicht zusammen anzuwenden. (HCD)

**** Sciberras DG, Polvino WJ, Gertz BJ, Cheng H, Stepanavage M, Wittreich J, Olah T, Edwards M, Mant T (1997). Initial human experience with MK-462 (rizatriptan): a novel 5-HT1D-agonist. Br J Clin Pharmacol 43: 49-54

Bis zur Einführung der Triptane standen als spezifische Migränemittel nur Ergotamin und Dihydroergotamin zur Verfügung. Beide werden sehr schlecht und unvorhersehbar oral resorbiert. Sumatriptan war der erste neue spezifische Serotonin 5HT1B/1D-Agonist, der sich in der Behandlung der Migräne bewährte. Sumatriptan hat allerdings eine relativ schlechte orale Wiederverfügbarkeit. MK-462 ist ein neuer 5HT1D-Agonist, der in Tiermodellen etwa 2 – 3 mal potenter ist als Sumatriptan. In der vorliegenden Studie wurde an 16 gesunden männlichen Freiwilligen die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik im Vergleich zu Sumatriptan gemessen. Beide aktive Substanzen wurden mit Placebo verglichen. Die oralen Dosierungen von MK-462 betrugen 10, 20, 40 und 60 mg, die Dosierung von Sumatriptan 100 mg. MK-462 wurde rasch resorbiert mit einer medianen tmax von 1,3 Stunden. Die tmax für Sumatriptan betrug 2,5 Stunden. Der Unterschied war statistisch signifikant. Sowohl MK-462 wie Sumatriptan führten zu einer leichten Erhöhung der systolischen und diastolischen Blutdruckwerte von 5-10 mm Hg ohne Einfluß auf die Herzfrequenz. Die Halbwertszeit für MK-462 lag zwischen 1,4 und 2,1 Stunden, die für Sumatriptan betrug 2,3 Stunden. Sowohl MK-462 wie Sumatriptan führten zu einem leichten Anstieg des Wachstumshormons, beide Substanzen hatten keinen Einfluß auf Prolaktin. Typische beklagte Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Benommenheit, ein unsystematisches Schwindelgefühl und Übelkeit. Zusammengefaßt zeigt diese pharmakokinetische und pharmakodynamische Studie, daß Rizatriptan nach oraler Gabe rasch resorbiert wird, was in klinischen Studien zu einem früheren Wirkungseintritt führen sollte. (HCD)

*** Seaber E, On N, Dixon RM, Gibbens M, Leavens WJ, Liptrot J, Chittick G, Posner J, Rolant PE, Peck RW (1997). The absolute bioavailability and metabolic disposition of the novel antimigraine compound zolmitriptan (311C90). Br J Clin Pharmacol 43: 579-587

311C90, Zolmitriptan, ist in der Zwischenzeit unter dem Namen AscoTop in Deutschland zur Behandlung der Migräne zugelassen. In der vorliegenden Studie wurde die Bioverfügbarkeit und der Metabolismus von Zolmitriptan an gesunden Versuchspersonen untersucht. Die Wiederverfügbarkeit wurde nach intravenöser Gabe von 3,5 mg und nach oraler Gabe von 10 mg 311C90 an 6 Männern und 6 Frauen in einem randomisierten cross-over-Design untersucht. Der Metabolismus wurde mit radioaktiv markiertem Zolmitriptan untersucht. Die mittlere orale Bioverfügbarkeit betrug 0,49 für Männer und 0,60 für Frauen. Nach oraler Gabe war die maximale Konzentration bei Frauen fast doppelt so hoch wie bei Männern. Die Halbwertszeit war nach oraler Gabe signifikant länger als nach i.v.-Gabe (im Mittelwert um 22%). Die Ausscheidung von Zolmitriptan erfolgte zu 65% im Urin, der Rest wurde über den Darm ausgeschieden. 10% wurde unverändert im Urin ausgeschieden, 31% als ein inaktiver Metabolit. Im Stuhl fand sich überwiegend unverändertes Zolmitriptan, was dem Anteil entspricht, der oral nicht absorbiert wird. Die genauere Analyse zeigte, daß Zolmitriptan zu einem aktiven Metaboliten und zu zwei intakten Metaboliten abgebaut wird. Dieser Untersuchungen zeigen, daß Zolmitriptan einem first pass Metabolismus in der Leber unterliegt und daß dieser bei Männern eine größere Rolle spielt als bei Frauen. Die orale Bioverfügbarkeit beträgt etwa 49% für Männer und 60% für Frauen. Die Halbwertszeit liegt zwischen 2,6 und 3,6 Stunden. Der Zeitpunkt bis zum Erreichen der Maximalkonzentration liegt zwischen 3,25 und 3,5 Stunden. Damit zeigt Zolmitriptan eine gute Bioverfügbarkeit. (HCD)

*** Frid A, Hardebo J-E. (1997). The thigh may not be suitable as an injection site for patients self-injecting sumatriptan. Neurology 49: 559-561

In dieser vom Ansatz her originellen Arbeit gingen die Autoren der Frage nach, ob die vom Hersteller von Sumatriptan empfohlene Region für den Imigran®-Autoinjektor empfehlenswert ist. Sie folgten der implizit zugrunde liegenden Hypothese, daß am Oberschenkel die Subkutanschicht zu dünn sein könnte. In einer offenen Studie wurden 20 Patienten mit Cluster-Kopfschmerz gebeten, zwei Attacken am lateralen Außenrand des Oberschenkels wie gewohnt mit dem Imigran-Autoinjektor zu behandeln, zwei weitere Attacken in der Glutealregion. Die Tiefe des subkutanen Fettgewebes wurde mit Ultraschall ausgemessen, Wirksamkeits- und Sicherheitskriterien waren neben der Schmerzreduktion die Häufigkeit von Nebenwirkungen wie Blutungen, lokales Schmerzgefühl und Druckgefühl in der Brust. Zusätzlich hat ein Autor sehr anschauliche CT-Bilder vom eigenen Oberschenkel geliefert, wo sowohl die Injektion von Sumatriptan als auch die Injektion von Röntgen-Kontrastmittel demonstriert wird. Die Ultraschall-Messungen ergaben, daß die Subkutanschicht am Oberschenkel durchschnittlich 4 mm dick ist(Bereich von 2-5 mm). Die einzige weibliche Patientin hatte eine deutlich dickere Subkutanschicht mit 12 mm. Demgegenüber ist die mittlere Subkutanschicht in der Glutealregion 45 mm (Bereich von 34-68 mm), was die Länge der Injektionsnadel des Autoinjektors von 6 mm deutlich übersteigt. Hinsichtlich der Effektivität waren zur Behandlung des Cluster-Kopfschmerzes beide Injektionsorte gleich, Unterschiede gab es im Bereich der Nebenwirkungen, wo lokale Blutungen, lokale Schmerzen und Engegefühl in Nacken oder Brust signifikant häufiger bei Injektion am Oberschenkel auftraten. In der Diskussion wird auf den wichtigen Geschlechtsunterschied eingegangen: es war nur eine einzige weibliche Cluster-Patientin in der Studie, während bei der Migräne die Patientinnen überwiegen. Statistische Aussagen über die Dicke des Subkutangewebes im Vergleich von Mann und Frau fehlen, jedoch wird diskutiert, daß Frauen vor allem nach der Menopause ebenfalls eine dünne Subkutanschicht haben könnten. Dieser Artikel ist ohne Frage ein sehr origineller Beitrag; für den praktisch tätigen Arzt bedeutet er, daß vor allem Männer mit Cluster-Kopfschmerz und ältere Damen mit Migräne eventuell den Injektionsort wechseln sollten. Möglicherweise wird sich das Problem verringern, wenn sich die nasale Applikationsform von Sumatriptan weiter durchsetzt. (GA)

*** Hämäläinen ML, Hoppu K, Valkeila E, Santavuori P (1997) Ibuprofen or acetaminophen fot the acute treatment of migraine in children: a double-blind, randomized, placebo-controlled, crossover study. Neurology 48: 103-107

An drei finnischen Kinderkliniken wurde diese doppelblinde, randomisierte Therapiestudie im Crossover-Design bei Kindern mit Migräne durchgeführt. Dazu wurde bei drei Kopfschmerzattacken nacheinander die Wirksamkeit von 10 mg/kg Ibuprofen, 15 mg/kg Acetaminophen und Placebo in Saftform untersucht (88 Kinder in der intent-to-treat-Gruppe, 66 mit vollständigem Behandlungsprotokoll). In die Studie eingeschlossen wurden alle Kinder (4-15,8 J.) mit Migräne ohne oder mit Aura, die mit der bisherigen Therapie nicht zufrieden waren und entweder eine 5-Punkt-Symbolskala oder eine visuelle Analogskala (deren Werte in die 5-Punkt-Skala überführt wurden) ausfüllen konnten. Behandelt wurden Kopfschmerzen mit mindestens drei Punkten (mittelstarker Schmerz) auf der 5-Punkte-Skala, und als erfolgreiche Behandlung wurde die Reduktion um mindestens zwei Punkte gewertet. Für den Zeitpunkt eine Stunde nach Behandlung waren beide aktiven Substanzen etwa dreimal wirksamer als Placebo (odds ratio). Zwei Stunden nach Behandlung war Ibuprofen immer noch etwa dreimal effektiver als Placebo, während die Wirkung von Acetaminophen abgenommen hatte und nur noch doppelt so gut wie Placebo war. Initiale Kopfschmerzintensität und erzielte Schmerzabnahme korrelierten positiv bei Ibuprofen und negativ bei den anderen Behandlungen, so daß gefolgert werden könnte, daß Ibuprofen in dieser Dosierung besonders bei stärkeren Schmerzen vorteilhaft ist. Die Rate eingenommener Ersatzmedikation und die Nebenwirkungen unterschieden sich zwischen den drei Behandlungen nicht signifikant. Die Studie ist korrekt angelegt und ausgewertet. Auch ist die behandelte Frage nach dem Stellenwert nicht-steroidaler Antirheumatika in der Migränetherapie bei Kindern klinisch relevant. Leider werden die Befunde nur ungenügend diskutiert: Der als Motivation genannte Vergleich mit modernen Migränetherapeutika wird nicht vorgenommen, und es wurde auch versäumt, die Ergebnisse in die vorhandene Literatur zur Therapie der Migräne mit nichtsteroidalen Antirheumatika einzuordnen. (JN)

*** Ferrari A, Stefani M, Sternieri S, Bertoletto M, Sternieri E (1997) Analgesic drug taking: beliefs and behavior among headache patients. Headache 37: 88-94

Die Arbeit aus dem Kopfschmerzzentrum in Modena/Italien beschreibt die Ergebnisse einer Fragebogenerhebung an konsekutiven neu zugewiesenen Kopfschmerzpatienten. Von 637 Patienten zwischen 18 und 65 Jahren waren 280 bereit, den Fragebogen auszufüllen, und erfüllten die Einschlußkriterien, d.h. litten unter Migräne, episodischem oder chronischem Spannungskopfschmerz. Ziel der Untersuchung war es, die Einstellung zur Behandlung mit Analgetika zu ermitteln und mit dem tatsächlichen Verhalten zu vergleichen. Insgesamt war die Einstellung gegenüber freiverkäuflichen Medikamenten positiver als gegenüber verschreibungspflichtigen. Verschreibungspflichtige Medikamente wurden relativ wenig von Patienten mit starkem episodischen Kopfschmerz gebraucht, obwohl bei dieser Gruppe der Einsatz am sinnvollsten wäre. Häufig war ein stoisches Verhalten, bei dem generell eine medikamentöse Behandlung schweren, unerträglichen Schmerzen vorbehalten wurde. Dabei unterschied sich aber von dem Verhalten die Einstellung, nämlich daß die Behandlung eher früh einsetzen sollte. An Arbeitstagen wurden bereitwilliger Medikamente eingenommen als an anderen Tagen, an denen häufiger Freizeitaktivitäten geopfert wurden, um Medikamente zu vermeiden. Patienten mit chronischem Kopfschmerz nahmen auch in der Freizeit eher Medikamente ein. Es wird diskutiert, daß die Einnahme von Medikamenten mehr von den Umständen als vom Schmerz selbst oder von der Verfügbarkeit guter Medikamente abhängt.

Die Daten sind korrekt dargestellt und werden von den Autoren kritisch diskutiert. Es ist anzumerken, daß die Studie möglicherweise durch regionale Besonderheiten beeinflußt war, daß freiwillige Studienteilnehmer in der Regel höher gebildet und höher motiviert sind als die durchschnittliche Bevölkerung und daß viel mehr Frauen (83%) als Männer in die Studie eingeschlossen wurden. (JN)

***** Kunka RL, Hussey EK, Shaw S, Warner P, Aubert B, Richard I, Fowler PA, Pakes GE (1997) Safety, tolerability, and pharmacokinetics of sumatriptan suppositories following single and multiple doses in healthy volunteers. Cephalalgia 17: 532-540

Einer der besonderen Vorteile von Sumatriptan in der Therapie von Migräneattacken ist, daß eine breite Anzahl von verschiedenen therapeutischen Optionen dieses Wirkstoffes zur Verfügung steht. Es ist möglich, zwischen der oralen Applikation in verschiedenen Dosen, der subkutanen Applikation, der nasalen Applikation und schließlich auch der rektalen Applikation zu wählen. Insbesondere in Deutschland ist die Gabe von Migränewirkstoffen in Form von Suppositorien sehr weit verbreitet und in manchen Gegenden Deutschlands werden über 50% aller Migräneattacken mit Suppositorien behandelt. Die rektale Applikation von Sumatriptan kann insbesondere sinnvoll sein bei Patienten, die mit der subkutanen Applikation nicht zurechtkommen oder sie nicht vertragen und bei denen die orale Applikation nicht zu einer ausreichenden Effektivität führt oder bei denen starke Übelkeit oder Erbrechen bestehen. Vorliegende Arbeit beschreibt zwei unabhängige Studien, in denen doppelblind und randomisiert, die Sicherheit, Verträglichkeit und Pharmakokinetik von Sumatriptan-Suppositorium nach Einzeldosen und multiplen Dosen bei gesunden Probanden untersucht wurde. Die Suppositorien wurden im allgemeinen gut toleriert, vorübergehende Müdigkeit und Kopfschmerzen wurden am häufigsten als unerwünschte Ereignisse berichtet. Für die verschiedenen untersuchten Dosen stellte sich die maximale Plasmakonzentration innerhalb von 2 Stunden ein. Die Halbwertszeit betrug ca. 2 Stunden. In einer zweiten Studie wurden an 12 gesunden Probanden 50 mg Sumatriptan rektal mit Placebogabe verglichen. Dabei wurden zweimal täglich 11 Dosen verabreicht. Unerwünschte Ereignisse zeigten sich sowohl in der Placebo-Gruppe als auch in der Sumatriptan-Gruppe in gleicher Häufigkeit. Die pharmakokinetischen Daten unterschieden sich während der 6 Applikationstage nicht. Auch fand sich, daß keine klinisch bedeutsam Akkumulation von Sumatriptan auftrat. Insgesamt belegen die Untersuchungen, daß Sumatriptan-Suppositorien gut vertragen werden, schnell resorbiert werden und keine Akkumulation bei Langzeitanwendung aufweisen. Die rektale Applikation von Migränewirkstoffen ist gerade in Mitteleuropa weit verbreitet. Warum Sumatriptan-Suppositorien erst einige Jahre nach der Einführung dieses Wirkstoffes angeboten werden, hängt damit zusammen, daß in anglo-amerikanischen Ländern generell Suppositorien kaum bekannt sind und auch in diesem Kulturkreis trotz der pharmakologischen Vorteile aus ästhetischen Gründen abgelehnt werden. (HG)

* Karabetsos A, Karachalios G, Bourlinou P, Reppa A, Koutri R, Fotiadou A (1997) Ketoprofen versus paracetamol in the treatment of acute migraine. Headache 37: 12-14

Es handelt sich um eine randomisierte Doppelblindstudie an 64 ambulanten Patienten in Athen. Patienten mit “einfacher” oder “klassischer” Migräne wurde während einer Migräneattacke intra-muskulär entweder 100 mg des nichtsteroidalen Antirheumatikums Ketoprofen oder 500 mg Paracetamol injiziert. Kopfschmerzstärke und Begleitsymptome je auf einer Skala von 0 bis 3 wurden vor und bis 180 min nach Injektion des Analgetikums dokumentiert. Nach 30-40 min war der Kopfschmerz in der Ketoprofengruppe (n = 34) bei 82% der Patienten, in der Paracetamolgruppe (n = 30) nur bei 17% der Patienten vollständig beseitigt.

Zunächst ist die intramuskuläre Injektion von nichtsteroidalen Antirheumatika nicht indiziert. Nur den Ketoprofen-Patienten wurde eine zweite Injektion bei mangelnder Wirkung angeboten. Ein Vergleich mit Paracetamol ist in dieser Hinsicht nicht möglich. Es fragt sich auch, wie “doppelblind” die Studie dann sein konnte. Es gab keine Placebogruppe, so daß ein Eindruck vom Ausmaß der Effekte schwierig zu erhalten ist. Der Arbeit fehlt ferner Transparenz. Es wird nicht klar, bei welcher Kopfschmerzstärke behandelt wurde, wie die Ausgangskopfschmerzintensität in den beiden Gruppen war, und es fehlt eine Verlaufsdarstellung der analgetischen Effekte. In der Diskussion werden Befunde erörtert, die im Ergebnisteil gar nicht dargestellt sind, wie überhaupt die Fülle von Daten, die entstanden sein müßte, nicht analysiert oder dargestellt wurde. Zum Teil beziehen sich die wiedergegebenen Effekte, anscheinend willkürlich gewählt, auf die 56 Patienten, deren Attacke bei Behandlung höchstens zwei Stunden zuvor begonnen hatte. Zum Formalen: Prozentangaben sind falsch; es werden drei statistische Tests erwähnt, aber nicht zugeordnet, und die Anwendung ist nicht legitim (t-Test bei ordinalskalierten Daten); die angegebene Beobachtungsdauer beträgt mal drei, mal vier Stunden. Alle Patienten hätten die Studie erfolgreich abgeschlossen: warum hatte dann eine Behandlungsgruppe vier Patienten mehr als die andere? Die Arbeit ist voller Ungereimtheiten, die kein Vertrauen zu den Daten geben. (JN)

***Wilke A, Hesse H, Hufnagel G, Maisch B (1997). Mitral, aortic and tricuspid valvular heart disease associated with ergotamine therapy for migraine. Eur Heart J 18: 701.

Im vorliegenden Bericht wird über den Fall einer 45jährigen Frau berichtet, bei der es aufgrund eines 5 Jahre andauernden Ergotaminabusus (Cafergot” Suppositorien: 2 mg Ergotamintartrat, 100 mg Coffein, bis zu 10 Stück pro Tag) bei Migränekopfschmerz zu einer Schädigung der Aorten-(Stenose III°) , Mitral- (Insuffizienz IV°) und Trikuspidalklappe (Insuffizienz) kam. Zusätzlich mußte ein Einkammerschrittmachersystem (VVI) infolge einer symptomatischen Bradyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern implantiert werden. Alle drei Klappen mußten aufgrund der klinischen Symptomatik ersetzt werden. Obwohl die Autoren letztendlich nicht beweisen können, daß der Ergotaminabusus zu der Destruktion der Klappen geführt hat, erscheint dieses hochwahrscheinlich, da andere häufige Krankheiten, die dieses verursachen können, sorgfältig ausgeschlossen wurden (angeborener Herzfehler, infektiöse Endokarditis, rheumatisches Fieber, Scharlach, Kardiomyopathie mit links-ventrikulärer Dilatation, Vaskulitis). Bei der histologischen Untersuchung der Klappen zeigte sich kein Hinweis auf eine Degeneration des Klappenapparates (Verkalkung), sondern eine diffuse Verdickung der Klappen und Sehnenfäden, eine Proliferation der Fibroblasten und der glatten Muskelzellen. Eine entzündliche Infiltration wurde nicht gefunden. Zusätzlich bestand bei der Frau eine Claudicatio der Beine, die angiographisch durch verschiedene, diffuse langstreckige Stenosen der iliakalen und femoralen Arterien objektiviert werden konnten. Auch hier war ein Zusammenhang zwischen Auftreten der Beschwerden und Beginn des Ergotaminabusus gegeben. Obwohl es unumstritten ist, daß die Secale Alkaloide aufgrund ihrer Affinität besonders zu den a-Rezeptoren zu ischämischen Läsionen der Extremitäten führen können – schon im Mittelalter bei Massenvergiftungen durch Mutterkorn (Pilzmycel von Claviceps purpurea, Getreideähren des Roggen) als “St. Antons Feuer” bekannt – ist die Schädigung des Herzens durch die Destruktion des Klappenapparates – im Gegensatz zur Potenz der Substanz, Stenokardien auszulösen – bisher nicht allgemein akzeptiert. Dies ist u.a. darin begründet, daß der genaue Schädigungsmechanismus (Störung der Mikrozirkulation?) nicht nachgewiesen werden konnte. Trotzdem gibt es in der Literatur neben diesem sehr gut dokumentierten Fall auch andere Kasuistiken, die den Zusammenhang zwischen Ergotaminabusus – insbesondere nach langjähriger Einnahme von Methysergid – und Klappendestruktion hochwahrscheinlich machen. Bei dem geschilderten Fall handelt es sich zwar nicht um die alltägliche Praxis, doch zeigen die drastischen Einschränkungen der mit den Operationen verbundenen Lebensqualität und -quantität, wie fatal sich gerade der Abusus ergotaminhaltiger Schmerzmittel bei migränebedingten Kopfschmerzen im Einzelfall auswirken kann. (JBF)

** Gross MLP, Dowson AJ, Deavy L, Duthie T (1996) Impact of oral sumatriptan 50 mg on work productivity and quality of life in migraineurs. Br J Med Economics 10: 231-246

In dieser Studie wird eine Kosten-Nutzenanalyse einer Behandlung mit Sumatriptan 50 mg in der Therapie der Migräne vorgenommen. Ein besonderes Merkmal ist, daß nicht einzelne Bewertungsparameter herangezogen werden, sondern sowohl direkte als auch indirekte Kosten der Behandlung berücksichtigt werden. Zusätzlich werden auch Lebensqualitätsparameter erfaßt. Das Hauptaugenmerk der Studie richtete sich auf die Analyse der Reduktion der Arbeitsproduktivität und der Lebensqualität und auf die Verbesserung dieser Parameter durch die Behandlung mit Sumatriptan 50 mg. Als Ergebnis zeigte sich, daß bei einer Behandlung mit Sumatriptan eine Reduktion der migränebedingten Ausfallzeiten am Arbeitsplatz um 40 % ermöglicht wird. Während vor der Behandlung im Mittel 17,5 Fehltage vorhanden waren, zeigte sich bei der Umstellung der Therapie auf Sumatriptan 50 mg eine mittlere Fehlzeit von 10,7 Tagen pro Patient und pro Jahr. Damit wird deutlich, daß durch die Umstellung auf Sumatriptan eine Woche/Jahr Arbeitszeit gewonnen werden kann und damit ein direkter Vorteil für den Betroffenen, den Arbeitgeber und die Kollegen besteht. Die Arbeitsproduktivitätsreduktion durch Migräne wurde auch einer ökonomischen Analyse unterzogen. Bei Berechnung der direkten Kosten vor der Therapie mit Sumatriptan zeigt sich, daß pro Patient £ 8091 pro Jahr durch Arbeitszeitverluste verloren gehen. Durch die Therapie mit Sumatriptan konnte ein Betrag von £ 546 ‘allein aufgrund der Vermeidung von Arbeitsunfähigkeit eingespart werden. Berücksichtigt man die Behandlungskosten, können pro Patient £ 124 pro Jahr als ökonomischer Nettonutzen gewonnen werden. Neben diesem direkten wirtschaftlichen Nutzen konnte durch die Therapie mit Sumatriptan 50 mg eine deutliche Besserung der Lebensqualität auch zwischen den Attacken erzielt werden. Die Studie belegt sehr überzeugend, daß durch eine adäquate Migränetherapie nicht nur wirtschaftliche Vorteile für die Gesamtpopulation erzielt werden können, sondern auch die betroffenen Patienten eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensqualität erreichen. Eine Kontrollgruppe war in dieser Studie nicht vorgesehen. Dieser Nachteil wurde jedoch durch eine sehr lange Beobachtungsphase wieder neutralisiert, der einen PlaceboEffekt weitgehend in den Hintergrund treten läßt. Ein weiteres Problem bei der Interpolation der Kosten ist, daß Migränepatienten z.T. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen oder aber innerhalb von Unternehmen eine reduzierte Arbeitsproduktivität eines Mitarbeiters durch einen Reservepool zeitweise überbrückt und aufgefangen werden kann. Unabhängig von diesen Limitierungen zeigt die Studie deutlich, daß moderne Therapieverfahren, die auf den ersten Blick teuer erscheinen, zu einem deutlichen Einspareffekt im Gesundheitswesen führen können und darüber hinaus auch den Leidensdruck der Betroffenen zu reduzieren vermögen. (HG)


DMKG