V. Migräne Prophylaxe
24. *** Silberstein, SD (1996) Divalproex sodium in headache: Literature review and clinical guidelines. Headache 36: 547-555
Die vorliegende Arbeit gibt einen hervorragenden Überblick über die vorliegenden Daten zur Valproinsäure in der Migränetherapie. Da ein Tiermodell zur Migräneprophylaxe fehlt, beruht der Einsatz prophylaktisch wirkender Medikation in der Migränetherapie auf Zufällen in der klinischer Beobachtung.
In den 80ger Jahren beobachtete man, daß Patienten, die an Epilepsie und Migräne litten, bei einer antiepileptischen Therapie mit Valproinsäure auch hinsichtlich der Migräne profitierten. Experimentelle Daten geben Hinweise darauf, daß Valproinsäure durch eine indirekte erhöhung der GABA Konzentration an vaskulär lokalisierten GABAA Rezeptoren wirkt (Limmroth, V. 1995, Cephalalgia 15, Suppl. 14, p 102). Die Arbeit stellt ausführlich die vorliegenden Studien zur Migräneprophylaxe zusammen und gibt pragmatische Tips zur Therapiedurchführung. Zum Teil wurden offene Studien mit methodischen Mängeln durchgeführt.
Eine der wichtigsten prospektiven, kontrollierten Studien ist die cross over Studie aus dem Jahr 1992 von Hering und Kuritzky. Valproinsäure zeigte eine Reduktion der Intensität, Frequenz und Dauer der Migraineattacken von 86,2 % bei 29 Patienten. Jenssen et al (1994) zeigten an 43 Patienten in einer dreifachblinden, placebokontrollierten Studie, daß Valproinsäure zu einer 50%igen Reduktion der Migränefrequenz führte (Placebo 18%). Im Jahre 1995 veröffentlichten Mathew et al. eine doppelblinde, placebo-kontrollierte Studie, wobei 48 % der Verumgruppe und 14 % der Placebogruppe eine signifikante Reduktion der Migränefrequenz zeigten. Wegen der nicht unerheblichen Nebenwirkungen (Schwindel, Anorexie, Tremor) und der Gefahr des tödlichen Leberversagens und dem Auftreten von Neuralrohrdefekten in der Schwangerschaft sollte die Therapie in der Hand eines Neurologen oder Nervenarztes sein. Die Kontrolltermine sollten kurzfristig durchgeführt werden und Patientinnen eine ausreichende Antikonzeption durchführen. Es fehlen noch größere prospektive Studien, die auch die Wirksamkeit der Valproinsäure gegenüber Substanzen wie Metoprolol oder Flunarizin vergleichen. (AG)
25. ***** Ramadan NM, Schultz LL, Gilkey SJ (1997). Migraine prophylactic drugs: proof of efficacy, utilization and cost. Cephalalgia 17:72-80
Patienten mit häufigen oder sehr schweren Migräneattacken benötigen eine medikamentöse Migräneprophylaxe. Die verwendeten Substanzen und die Reihenfolge ihrer Priorität richtet sich in vielen Ländern wie beispielsweise in Deutschland nach den Therapieempfehlungen der jeweils nationalen Kopfschmerzgesellschaft.
Die Arbeitsgruppe um Ramadan ging diesmal einen anderen Weg. Sie analysierten zunächst gute Placebokontrollierte randomisierte doppelblinde Studien zur medikamentösen Prophylaxe der Migräne. In einem zweiten Schritt befragten sie Neurologen und niedergelassene Hausärzte nach der Priorität der von ihnen eingesetzten Migräneprophylaktika. In einem dritten Schritt wurden für die gängigen Migräneprophylaktika die Behandlungskosten pro Monat berechnet. Alle ausgewählten Studien wurden auf einer Skala von +5 bis -5 eingestuft. +5 bedeutete eine nach methodischen Kriterien weitgehend perfekt durchgeführte Studie, bei der die geprüfte Substanz Placebo hochsignifikant überlegen war. -5 war eine Studie, die gut durchgeführt worden war und bei der sich kein Unterschied zu Placebo zeigte. Der so erzielte wissenschaftliche Score betrug in abnehmender Höhe für Tolfenaminsäure (2 Studien) +5,0, für Metoprolol (3 Studien) 4,3, für Valproinsäure (4 Studien) 3,7, für Atenolol (3 Studien) 2,3, für Flunaricin (6 Studien) 2,17 und für Propranolol (18 Studien) 1,44. Das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin erreichte einen Wert von 2,33 bei insgesamt 3 Studien. Nach diesem Score waren nicht wirksam die Beta-Blocker Timolol, Nadolol, Acebutolol, Pindolol, Oxprenolol und Alprenolol, die Calcium-Blocker Verapamil und Nimodipin sowie Nifedipin, das Antikonvulsivum Carbamazepin, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Fluoxetin, Clonidin und Pizotifen.
In der Befragung der 100 Neurologen und der 96 praktischen Ärzte ergaben sich die folgenden prozentualen Präferenzen: die Neurologen benutzten am häufigsten Propranolol (25%), Amitriptylin (15%), Verapamil (14%) und Valproinsäure (11%). Die praktischen Ärzte benutzten am häufigsten Propranolol (28%), an zweiter Stelle Verapamil mit 15%, an dritter Stelle Amitriptylin mit 11% und an vierter Stelle lagen die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß Metoprolol in den Vereinigten Staaten für die Migräneprophylaxe keine Zulassung besitzt und Flunarizin, Pizotifen und Dihydroergotamin zur Migräneprophylaxe in den Vereinigten Staaten nicht verfügbar sind. Von den genannten Substanzen sind die monatlichen Behandlungskosten für Amitriptylin und Propranolol am niedrigsten mit 4 bzw. 13 $ pro Monat. Am höchsten sind sie für Valproinsäure und Fluoxetin. Es ergab sich ein positiver Zusammenhang zwischen der Qualität der einzelnen Substanzen nach wissenschaftlichen Studien und Verschreibungsverhalten der Ärzte und keine Korrelation zwischen den Kosten der Behandlung und der Verschreibung.
Die Studie zeigt aber sehr eindrucksvoll, daß viele Ärzte in den vereinigten Staaten Migräneprophylaktika verschreiben, deren Wirksamkeit nicht belegt ist oder für die belegt ist, daß sie nicht wirksam sind. Ob dies auch in Deutschland der Fall ist, wird im Moment in einer prospektiven Studie untersucht. (HCD)
26. ***** Goadsby PJ (1997). How do the currently used prophylactic agents work in migraine? Cephalalgia 17:85-92
Der Titel der vorliegenden Publikation ist etwas irreführend, weil der Autor sich nicht nur mit der möglichen Wirkung von Migräneprophylaktika sondern schwerpunktmäßig mit der Wirkung von Medikamenten zur Behandlung akuter Migräneattacken auseinandersetzt.
In der Zwischenzeit gibt es eine Reihe von Hinweisen, daß zumindest spezielle Formen der Migräne wie die familiär hemiplegische Migräne durch einen genetischen Defekt begründet sind. Ein Genlokus wurde auf dem Chromosom 19 gefunden. Hier wird ein Calciumkanal codiert. In der Nähe des entsprechenden Genlokus finden sich aber auch Genloci zur Codierung von Natrium- und Kaliumkanälen. Dies ist von Bedeutung, da bei einzelnen Patienten mit therapierefraktärer Migräne Acetazolamid wirksam ist, eine Substanz, von der man weiß, daß sie Ionenkanäle stabiliert. In Einzelfällen wurde beobachtet, daß Flunarizin bei Patienten mit periodischer Ataxie wirksam ist.
Bisher gibt es keine Möglichkeiten, die Prodromalphase der Migräne mit ihren vegetativen Symptomen pharmakologisch zu beeinflussen. Dasselbe gilt für die Migräneaura. Selbst wenn man unterstellt, daß es sich beim Menschen um das Äquivalent der “spreading depression” im Tierexperiment handelt, ist es bisher nicht gelungen, diesen Prozeß pharmakologisch zu beeinflussen. Für viele der prophylaktisch wirksamen Substanzen wird der Wirkungsmechanismus postuliert, ohne daß er experimentell bewiesen wurde. Methysergid und Pizotifen greifen an 5-HT1- und 5-HT2-Rezeptoren an. Beta-Blocker haben Bindungsstellen an Beta-Rezeptoren und an 5-HT2-Rezeptoren. Amitriptylin wirkt auf Noradrenalin- und Serotoninrezeptoren. Flunarizin hat Bindungsstellen an Serotoninrezeptoren sowie an Calcium- und Natriumkanälen. Der Autor erwähnt nicht, daß Flunarizin auch an Dopamin- und Histamin-Rezeptoren bindet. Valproinsäure ist ein Antikonvulsivum, das an GABA-Rezeptoren bindet aber auch an Kalium-, Natrium- und Calciumkanälen.
Bisher stehen noch keine Substanzen zur Verfügung, die an 5-HT4- bis 5-HT7-Rezeptoren bindet und für die Anwendung am Menschen geeignet wären. Im Gegensatz dazu sind die Bindungsstellen der Substanzen zur Akutbehandlung der Migräne sehr gut bekannt.
Die derzeit im Einsatz befindlichen oder kurz vor der Zulassung stehenden Substanzen wie Sumatriptan, Eletriptan, Zolmitriptan, Rizatriptan und Naratriptan binden alle an 5-HT1B- und 5-HT1D-Rezeptoren. Rizatriptan und Dihydroergotamin binden zusätzlich an 5-HT1E- und Sumatriptan und Zolmitriptan an 5-HT1F-Rezeptoren. Nur für Valproinsäure und Flunarizin konnte bisher wahrscheinlich gemacht werden, daß die Substanzen über eine Modulation von Ionenkanälen wirken könnten.
Der Wirkungsmechanismus der Trizyklika ist weiterhin rein hypothetisch. In diesem Zusammenhang ist wichtig, daß selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Fluoxetin in der Migräneprophylaxe nicht wirksam sind. Zusammengefaßt ist der vermutete Wirkungsmechanismus der meisten Migräneprophylaktika noch rein hypothetisch. Dies bedingt auch, daß die Neuentwicklung von Migräneprophylaktika nach dem Prinzip Versuch und Irrtum erfolgt. (HCD)
27. ***** Klapper J, on behalf of the Divalproex Sodium in Migraine Prophylaxis Study Group (1997). Divalproex sodium in migraine prophylaxis: a dose-controlled study. Cephalalgia 17:103-108
Natrium-divalproex ist eine Kombination von Sodiumvalproat und Valproinsäure im Verhältnis 1:1. Die Substanz ist in den Vereinigten Staaten als Antiepileptikum zugelassen. Seit 1996 existiert in den Vereinigten Staaten auch eine Zulassung zur Prophylaxe der Migräne.
In einer Reihe von Placebokontrollierten Studien wurde die migräne-prophylaktische Wirkung von Valproinsäure belegt. Die Substanz scheint aber mehr auf die Migränehäufigkeit als auf die Schwere der Attacken zu wirken. In den meisten bisher durchgeführten Studien wurden Dosierungen von Valproinsäure verwendet, wie sie in der Epilepsie-Behandlung üblich sind (1000-1500 mg).
Die amerikanischen Autoren führten jetzt eine Dosisfindungsstudie mit Natrium-Divalproex durch. Es handelte sich um eine multizentrische doppelblinde Placebo-kontrollierte Parallelgruppenstudie. Zunächst nahmen alle Patienten an einer vierwöchigen Baselinephase teil, in der sie Placebo erhielten und in der sie ein Tagebuch führten. Patienten, die während dieser Zeit zwei und mehr Migräneattacken hatten, wurden randomisiert und erhielten Valproinsäure in einer Tagesdosis von 500 mg, 1000 mg, 1500 mg oder Placebo. Die Behandlungsdauer erstreckte sich über 12 Wochen. In den ersten 4 Wochen erfolgte eine Dosissteigerung bis zu der für diese Gruppe randomisierten Dosis, die weiteren 8 Wochen wurden mit einer konstanten Dosis fortgeführt. Insgesamt 172 Patienten wurden randomisiert, davon 44 in die Placebo-Gruppe. Am Ende waren Daten von 137 Patienten vorhanden, die die Studie beendeten. Die mittlere Zahl der Tage mit Migräne pro Monat in der Baselinephase betrug mit Placebo 6,5 und in den drei Divalproex-Gruppen 5,8, 5,8 und 5,9 für die Dosisgruppen 500, 1000 und 1500 mg. Die Zahl der Migräneattacken, bei denen eine symptomatische Medikation notwendig wurde, betrug 7,1 Tage innerhalb von 4 Wochen für Placebo und 6,0, 6,0, 6,5 für die Valproinsäure.
Hier zeigt sich bereits ein mögliches Problem der Studie, da die Migränehäufigkeit in der Placebogruppe höher war als in den späteren Behandlungsgruppen. Die mittlere Reduktion der Migräneattacken innerhalb von 4 Wochen bezogen auf die 12 Wochen Behandlungszeit betrug 0,5 in der Placebo-Gruppe, 1,7 bei 500 mg, 2,0 bei 1000 und 1,7 bei 1500 mg. Die Unterschiede waren gegenüber Placebo signifikant. Als zweites Zielkriterium wurde eine mindestens 50%ige Reduktion der Migränehäufigkeit erfaßt. Dies erreichten 21% der Patienten in der Placebo-Gruppe und 44% der Patienten, die mit Valproinsäure behandelt worden waren. Bezüglich Schwere und Dauer der Attacken ergab sich allerdings kein signifikanter Vorteil von Valproinsäure und Placebo. Bei den erfaßten Nebenwirkungen waren Übelkeit, Schwindel und Tremor unter Valproinsäure signifikant häufiger als unter Placebo. Innerhalb der Patienten, die mit Valproinsäure behandelt worden waren, waren Nebenwirkungen in der Hochdosisgruppe signifikant häufiger als bei 500 und 1000 mg.
Zusammengefaßt belegt die Studie nicht nur die Wirksamkeit von Natrium-Divalproex sondern zeigt auch, daß es sinnvoll ist, mit einer Anfangsdosis von 500 mg zu beginnen. Tritt dann nach 2 – 3 Monaten keine Reduktion der Migränehäufigkeit ein und wird die Substanz gut toleriert, kann eine Dosissteigerung bis zu 1000 mg vorgenommen werden. Leider hat keiner der europäischen Hersteller von Valproinsäure es bisher für notwendig gefunden, die in Europa verwendete Valproinsäure für die Anwendung bei der Migräne einer entsprechenden klinischen Prüfung zu unterziehen. (HCD)
28. **** Steiner TJ, Findley LJ, Yuen AWC (1997). Lamotrigine versus placebo in the prohylaxis of migraine with and without aura. Cephalalgia 17:109-112
Lamotrigin ist ein neues Epileptikum. Es wirkt über eine Hemmung spannungssensitiver Natriumkanäle und führt so zu einer Hemmung der Freisetzung des exzitatorischen Neurotransmitters Glutamat. Glutamat spielt eine wichtige Rolle bei der Auslösung der “spreading depression”. Deshalb lag es nahe, Lamotrigin hinsichtlich seiner migräneprophylaktischen Wirkung zu untersuchung.
In England wurden daher 110 Patienten in eine Placebo-kontrollierte Parallelgruppenstudie eingeschlossen. Alle Patienten erhielten zunächst über 1 Monat Placebo. Dann wurden alle Personen ausgeschlossen, die auf Placebo ansprachen oder die die Medikation nicht regelmäßig einnahmen. 77 Patienten konnten innerhalb der Studie randomisiert werden. 37 Patienten erhielten Lamotrigin und 40 Placebo. Die Behandlungsdauer erstreckte sich über 30 Monate. Zu Beginn der Studie erhielten alle Patienten zunächst die volle Lamotrigindosis von 200 mg täglich. Da 40% der so Behandelten über Hautausschlag klagten, wurden die folgenden Patienten mit einer langsamen Dosissteigerung behandelt. Die mittlere Zahl der Mitgräneattacken pro Monat betrug in der Baselinephase 3,6 für Lamotrigin und 4,4 für Placebo. Im letzten Behandlungsmonat betrug die Migränehäufigkeit unter Lamotrigin 3,2 und unter Placebo 3,0. Die Besserung der Migräne war unter Placebo ausgeprägter als unter Lamotrigin. Diese Studie belegt eindeutig, daß Lamotrigin in der Migräneprophylaxe nicht wirksam ist. (HCD)
29. ***** Walach H, Haeusler W, Lowes T, Mussbach D, Schamell U, Springer W, Stritzl G, Gaus W, Haag G (1997). Classical homeopathic treatment of chronich headaches. Cephalalgia 17:119-126
Etwa ein Drittel aller Patienten, bei denen die Migräne länger als 10 Jahre besteht, berichten über einen Therapieversuch mit homöopathischer Medizin. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil es für diese Therapie bisher keinerlei wissenschaftlichen Beweis gibt.
Eine Arbeitsgruppe der Universitäten Freiburg und Ulm entwickelte deshalb mit Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung ein Studienprotokoll zur Untersuchung der Wirksamkeit der klassischen Homöopathie bei chronischen Kopfschmerzen. Mit Absicht wurden Patienten mit Migräne, Spannungskopfschmerzen und Kombinationsschmerz eingeschlossen, um so nahe wie möglich an der Alltagssituation zu sein. Die Qualität der homöopathischen Behandlung wurde durch die teilnehmenden Ärzte gewährleistet, die alle erfahrene Homöopathen waren. Nach einer sechswöchigen Beobachtungsphase erhielten die Patienten entweder die individuelle homöopathische Medikation oder Placebo. Die Behandlungsdauer erstreckte sich über 12 Wochen. Zielkriterien waren die Häufigkeit der Kopfschmerzen, sowie die Dauer und die Stärke gemessen mit einem Kopfschmerz-Tagebuch. 98 Patienten wurde in die Studie aufgenommen, 37 erhielten Placebo, 61 erhielten die homöopathische Behandlung. Das mittlere Alter betrug 48,5 Jahre. 71% der Patienten hatten Migräne ohne Aura, 5% Migräne mit Aura, 51% Spannungskopfschmerzen. 69% der eingeschlossenen Patienten waren mit Medikamenten vorbehandelt worden. Die mittlere Kopfschmerzdauer pro Woche betrug 3 Tage, die mittlere Kopfschmerzdauer pro Tag über 8 Stunden.
Am Ende der Studie hatten sich bei 40% der Patienten die Kopfschmerzen verschlechtert, bei 39% waren sie unverändert und bei 21% gebessert. Für keinen der gemessenen Parameter ergab sich ein Unterschied zwischen Verum und Placebo. Durch diese von methodischer Seite exzellent durchgeführte Studie ist schlüssig belegt, daß Homöopathie in der Behandlung chronischer Kopfschmerzen keine Wirkung hat. Die Studie zeigt aber auch, daß eine wissenschaftliche Evaluierung von Therapiemethoden ohne Unterstützung durch die Industrie nur durch private Geldgeber zu bewerkstelligen ist. (HCD)
30. * Welge-Lüßen A, Hauser R, Probst R (1996). 3 Jahre Nachuntersuchung nach endonasaler mikroskopischer Nasennebenhöhlenchirurgie bei Migräne und Cluster Headache. Laryngo-Rhino-Otol. 75:392-396
Die Schweizer Autoren postulieren, daß es bei einigen Patienten Pathologika in der Nase gäbe, die Migräneattacken und Clusterattacken auslösen könnten. In einem Zeitraum von 18 Monaten behandelten sie 20 Patienten im Alter von durchschnittlich 44 Jahren wegen therapieresistenter Migräne oder Cluster-Kopfschmerz endonasal chirurgisch.
Alle Patienten wurden innerhalb von 3 Jahren viermal nachuntersucht. Bei keinem der Patienten war offenbar vor der Operation eine vernünftige Kopfschmerzprophylaxe durchgeführt werden. Im Rahmen dieser Studie wurden die Schmerzattacken der Migränepatienten und der Cluster-Patienten aufsummiert. Bei der ersten postoperativen Nachuntersuchung nach 6 Monaten waren 11 Patienten völlig beschwerdefrei. Die übrigen zeigten eine Besserung oder unveränderte Beschwerden. Diese Studie ist wie viele andere, da unkontrolliert, völlig unbrauchbar. Sie birgt in sich das Risiko, daß in Zukunft Patienten mit Migräne- und Cluster-Kopfschmerzen unnötig Hals-Nasen-Ohren-ärztlich operiert werden. In dieser Studie ist auch nicht klar, warum die Patienten therapierefraktär waren. Solange die bisher durchgeführte Therapie nicht bekannt ist, kann auch nicht ermessen werden, ob sie adäquat war. In einem vernünftigen wissenschaftlichen Design wären die Patienten randomisiert worden. Die eine Hälfte wäre – wie hier durchgeführt – operiert worden, die andere Hälfte hätte sich einer Scheinoperation unterziehen müssen.
Der hier beobachtete Erfolg liegt genau im Rahmen der Placebo-Erfolge von medikamentösen Migräne-Prophylaxestudien. In der hier behandelten Altersgruppe kommt es auch häufig spontan zu einem völligen Sistieren der Migräne. (HCD)
31. ** Schellenberg, R. Schwarz, A. Niederberger, U. Bölsche, F. Schindler, M. Gerber, W.-D. Wedekind, W. Soyka, D. (1997) Zur Langzeitwirkung von Cyclandelat und Propranolol bei Migräne nach Beendigung einer viermonatigen medikamentösen Prophylaxe. Nervenheilkunde 16: 183-7
Die Studie untersucht die Langzeitwirkung einer Prophylaxe mit Cyclandelat (1600 mg/d) gegenüber Propranolol (160 mg/d) nach viermonatigem Therapiezyklus über ein weiteres Jahr. Nach Absetzen der medikamentösen Prophylaxe wurde die Migränedauer in Stunden sowie die Anzahl notwendiger Kopfschmerzmedikation in einem Kopfschmerztagebuch dokumentiert.
Von den ursprünglich 62 Patienten des medikamentösen Teils der Studie nahmen zunächst 23 Patienten an der Nachbeobachtungsphase teil, wobei letztlich 14 Patienten nach einem Jahr ausgewertet werden konnten. In der Respondergruppe der mit Cyclandelat behandelten Patienten (Reduktion des Kopfschmerzes um mindestens 50% im 4. Behandlungsmonat) reduzierte sich die Anzahl der Kopfschmerztstunden von 52 auf 6. Die Kopfschmerzstundenanzahl stieg in der Verlaufsbeobachtung an (32 Stunden) um dann wieder auf 6 Stunden zu sinken. In der Propranololgruppe reduzierte sich die Kopfschmerzstundendauer von 85 auf 12 Stunden und stieg im Verlauf auf 45 Stunden an. Der Gebrauch von Begleitmedikation blieb im Verlauf des Jahres in der Cyclandelatgruppe konstant niedrig, stieg in der Propranololgruppe im Verlauf wieder an.
Hauptkritikpunkte an dieser Studie sind das kleine Patientenkollektiv und die anscheinend unterschiedlichen Schweregrade von Migräne in den Behandlungsgruppen, die sich an der initialen Stundendauer der Kopfschmerzen mißt. Studien von Gerber und Schellenberg belegen die Wirksamkeit von Cyclandelat in der Migräneprophylaxe. Im Gegensatz dazu veröffentlichten Diener et al.(1996) Daten, die die vergleichbare Wirksamkeit von Cyclandelat gegenüber anderen Prophylaktika in Frage stellte (Diener et al., Cyclandelate in the prophylaxis of migraine: a randomized, parallel, double-blind study in comparison with placebo and propranolol; Cephalalgia 1996, 16: 441-7). Klinisch hat Cyclandelat eine migräneprophylaktische Wirkung und zeichnet sich vor allem durch das nahezu gänzliche Ausbleiben von Nebenwirkungen aus.
Der Ansatz der vorliegenden Arbeit, den Langzeiteffekt von prophylaktisch wirksamer Medikation zu untersuchen und mit anderen Medikamenten zu vergleichen scheint wichtig, ist aber anhand des kleinen N dieser Studie und den untersuchten Zielkriterien durch diese Studie nicht belegt. (AG)