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Kopfschmerz-News

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Migräne, Akuttherapie

**** Lewis DW, Kellstein D, Dahl, G, Burke B, Frank LM, Toor S, Northam RS, White LW, Lawson L. Children’s ibuprofen suspension for the acute treatment of pediatric migraine. Headache 2002;42:780-786

Zusammenfassung:

In der Akutbehandlung der Migräne bei Kindern herrscht ein ausgesprochener Mangel an evaluierten medikamentösen Therapiestrategien. Für die Altersgruppe unter 12 Jahren steht praktisch nur Ibuprofen zur Verfügung. Der Stellenwert von Ibuprofen-Suspension wurde erstmals mit einer Dosis von 7,5mg/kg in einer plazebo-kontrollierten, randomisierten Parallel-gruppenstudie an 84 Kindern in der Altersgruppe von 6 – 12 Jahren geprüft. Die Verumgruppe war bezüglich des Ansprechens innerhalb von 2 Stunden mit einem Nettogewinn von 23%, der Besserung von Übelkeit, Intensität, Stabilität der Wirkung und Einnahme von Zusatzanalgetika signifikant überlegen. Die Geschlechter unterschieden sich deutlich, wobei die Mädchen nicht zwischen Plazebo und Verum diskriminierten.

Kommentar:

Die vorliegende Untersuchung hat die Aussage von Hämäläinen (1997; 10 mg/kg Ibuprofen in Tablettenform) im Wesentlichen bestätigt, obwohl Ibuprofen in einer niedrigeren Dosis und kindgerechter Saftform eingesetzt wurde. Überraschend war jedoch die Tatsache, daß nur die Jungen profitierten. Ein solcher therapeutischer Geschlechtsunterschied ist bislang weder aus der Literatur noch unter pädiatrischen Schmerzexperten bekannt. Eine Erklärung könnte allerdings sein, dass Mädchen stärker unter Kopfschmerzen leiden als Jungen und deshalb die Dosis von 7,5mg/kg Ibuprofen nicht ausreichte. Zur sicheren Beantwortung der Frage müssten bei zukünftigen (multizentrischen) Studien die Ausgangswerte der Beeinträchtigung mit erfasst werden. Außerdem empfiehlt sich eine höhere Dosis von 10mg/kg zu verwenden. In jedem Fall hat die Studie zu mehr Sicherheit in der Behandlung der kindlichen Migräne beigetragen. (RP)

*** Bussone G, D’ Amico D, McCaroll, K, Gerth W, Lines CR. Restoring migraine sufferers’ ability to function normally: A comparison of Rizatriptan and other triptans in randomized trials. Europ. Neurol 2002,48,172-177

Zusammenfassung:

Zur Feststellung migränebedingter Funktionseinbußen wurden retrospektiv Subgruppendaten aus 5 randomisierten plazebo-kontrollierten Doppelblindstudien analysiert. Dabei wurde jeweils der Effekt von Rizatriptan (in Dosen von 10 mg) mit Sumatriptan 100 mg, 50 mg oder 25 mg, andererseits Naratriptan 2,5 mg und schließlich Zolmitriptan 2.5 mg an jeweils mehreren hundert Patienten verglichen. Die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit bzw. das Ausmaß der Behinderung wurden auf einer 4-teiligen Skala von „normal“ bis „Bettruhe erforderlich“ im Zeitraum von 30 Minuten bis 4 Stunden nach Einnahme der Medikation zu jeweils 6 Meßzeiten festgehalten. Es fand sich, dass sich in jeder der untersuchten Gruppen fast alle Patienten zumindest in irgendeinem Ausmaß beeinträchtigt gefühlt haben. Nach dem Hauptmesspunkt am Ende der 2. Stunde nach Tabletteneinnahme ergab sich für Rizatriptan 10 mg ggü. allen untersuchten Triptanen eine signifikante Überlegenheit wieder Normalfunktionen erreicht zu haben. Diese Aussagen sind statistisch signifikant abgesichert, die Odds-Ratio lag dabei zwischen 1,2 bis 1,7, lediglich ggü. Naratriptan bei 2,5, die prozentuelle Größenordnung der nach 2 Stunden erreichten Normalfunktion lag zwischen 39 und 48%.

Kommentar:

Man geht in der Bewertung der Effektivität und praxisnahen Anwendbarkeit von Kopfschmerztherapeutika, insbesondere für die Behandlung von Migräneattacken, in jüngerer Zeit –abgesehen von Wirkintensität, Zeitverlauf bis zum Abklingen von Kopfschmerz oder Dauer der Ansprechzeit etc.- zunehmend auch auf die Wirksamkeit im Zusammenhang mit sozioökonomischen Fragestellungen und der unmittelbaren Lebensqualität ein. Es wird dabei untersucht, inwieweit abgesehen vom Abklingen des Schmerzes etc. auch die zuvor reduzierte oder aufgehobene Arbeitsleistung (bezahlte Arbeit, Leistungen im häuslichen Bereich) wieder auf üblichem Niveau möglich werde und/oder auch familiäre/soziale Verpflichtungen und Aktivitäten erfüllt werden können. Es muß die Beendigung von Kopfschmerzen allein nicht gleichbedeutend mit vollem Einsatz am Arbeitsplatz sein, wie auch ebensowenig jedwede Migräneattacke ohne Berücksichtigung der Intensität und Begleitsymptomatik automatisch zu einer Arbeitsunterbrechung oder relevant reduzierter Arbeitsleistung führt. In vorliegender Studie wird gezeigt, dass standardisierte Dosen von Triptanen auch für diese Fragestellung relevant sind. Die Autoren kommen zum Schluß, dass mit Rizatriptan 10 mg verglichen mit verschiedenen Sumatriptandosierungen, aber auch Zolmitriptan und Naratriptan mehr Migränepatienten eine „normale Funktion“innerhalb von 2 Stunden wiedererlangen. Die Ergebnisse sind statistisch abgesichert, wobei die verwendeten Methoden korrekt sind und auch infolge der relativ hohen Probanden- bzw. Attackenzahl eine praxisnahe Aussagekraft entsteht. Es ist zwar nicht verwunderlich, dass die Referenzsubstanz ggü. Sumatriptan 25 mg und Naratriptan 2,5 mg (für letztere mit einer odds ratio von 2,5, somit einer 250%igen Überlegenheit!) überlegene Wirkquoren erreicht, andererseits sind die gefühlsmäßigen Erfahrungserwartungen z.B. ggü. Zolmitriptan (odds ratio 1,6) überraschend, ebenso dass Sumatriptan 50 mg letztlich bessere Werte als Sumatriptan 100 mg erzielt.

Die absoluten Ansprechraten mit durchwegs unter 50% sind insgesamt nicht besonders hoch (aber alle aktiven Substanzen sind Plazebo überlegen), es ist auch nicht beurteilbar, was sich im Verlauf nach der 2. Stunde tatsächlich abspielt und bei Berücksichtigung der Baseline und der Normalfunktion nach 2 Stunden besteht der Eindruck, dass in erster Linie jene Patienten profitiert haben, die a priori nur milde und weniger häufig schwere Beeinträchtigungen gehabt haben. Man muß bedenken, dass es sich hiebei um Vergleichwerte von unterschiedlichen Studien im Sinne einer Metaanalyse handelt und dass diese Studien retrospektiv für diese Fragestellung ausgewertet worden sind. Eine speziell die Funktionsbeeinträchtigung untersuchende prospektive mehrarmige Studie wäre wünschenswert. (PW)

*** Christie S, Göbel H, Mateos V, Allen C, Vrijens F, Shivaprakash M and the Rizatriptan-Ergotamine/Caffeine Preference Study Group. Crossover comparison of efficacy and preference for rizatriptan 10 mg versus ergotamine/caffeine in migraine. Eur Neurol 2003;49:20-29

Zusammenfassung:

Vor mehr als 70 Jahren wurde Ergotamin als neues Therapieprinzip in die Behandlung der Migräne eingeführt. In der Folgezeit stellte sich dann heraus, daß die orale Resorption verbessert werden kann, wenn Ergotamin mit Coffein kombiniert wird. Daher steht in den meisten Ländern als kommerzielles Produkt die Kombination von Ergotamin 1 mg und Coffein 100 mg als Cafergot® zur Verfügung. Bisher gibt es nur wenige Studien, die einen direkten Vergleich zwischen der Kombination von Ergotamin und Coffein und ein Triptan durchgeführt haben. Die hier vorliegende Studie wurde als randomisierte, doppelblinde, crossover Studie durchgeführt, wobei die Patienten 2 konsekutive Migräneattacken entweder mit 10 mg Rizatriptan oder 2 Tbl. Cafergot, d.h. 2 mg Ergotamin und 200 mg Coffein, behandelten. Von den ursprünglich 488 rekrutierten Patienten behandelten 439 beide Attacken und füllten die Tagesbücher ordnungsgemäß aus. Es wurden die üblichen Endpunkte für Migränestudien erfaßt, wie beispielsweise Besserung der Kopfschmerzen nach 2 Std., kopfschmerzfrei nach 2 Std., in diesem Fall aber auch die Präferenz für eine der beiden Behandlungen. Für die Auswertung standen die Ergebnisse von 362 Patienten zur Verfügung. Rizatriptan war bzgl. der Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen nach 2 Std. mit einem Prozentsatz von 75,9% signifikant wirksamer als die Kombination von Ergotamin und Coffein mit 47,3%. Schmerzfrei nach 2 Std. waren 49% der Patienten, die Rizatriptan erhalten hatten im Vergleich zu 24,3% mit Ergotamin und Coffein. Der erste Zeitpunkt, zu dem Rizatriptan sich signifikant von Ergotamin und Coffein unterschied, war 1 Std. nach Einnahme der Studienmedikation. Von den 358 Patienten, die die Präferenzfrage beantworteten, hatten 39, d.h. 10,9%, keine Präferenz. Von den übrigen Patienten präferierten 69,9% Rizatriptan und 30,1% Ergotamin und Coffein. Rizatriptan zeigte auch Überlegenheit bzgl. der Endpunkte Übelkeit, Erbrechen, Photophobie, Phonophobie und zusätzliche Medikation. Nur in einem Punkt schnitt Ergotamin und Coffein besser ab, nämlich bei dem Prozentsatz der Patienten, bei denen die Migränekopfschmerzen innerhalb von 24 Std. wieder auftraten. Dies war bei 31,4% der Patienten nach Rizatriptan und 15,3% nach Ergotamin und Coffein der Fall. Beide Medikamente wurden gut vertragen und die am häufigsten genannten Nebenwirkungen, wie Schwindel, Benommenheit und Engefühl in der Brust, wurden bei beiden Medikamenten gleich häufig genannt. Unterschiede ergaben sich lediglich in der Nennung von Übelkeit, die häufiger bei Ergotamin und Coffein auftrat.

Kommentar:

Es ist erstaunlich, daß es erst 3 Studien gibt, in denen Triptane mit der üblichen Kombination von Ergotamin und Coffein verglichen werden. Eine Studie liegt 10 Jahre zurück und belegte, daß 100 mg Sumatriptan besser wirksam sind als die Kombination von Ergotamin und Coffein. Vor einem Jahr konnte gezeigt werden, daß dies auch für 40 und 80 mg Eletriptan gilt. Diese Studie hatte eine Plazebogruppe. Die hier vorliegende Studie wurde als crossover Studie durchgeführt, um den Patienten zu ermöglichen, eine Präferenz auszudrücken. Es wurde in allen 3 Studien eindeutig belegt, daß das jeweilige Triptan der Kombination von Ergotamin und Coffein in allen Endpunkten mit einer Ausnahme überlegen war. Mutterkornalkaloide haben offenbar eine niedrigere Rate von wiederkehrenden Kopfschmerzen als Triptane. (HCD)


DMKG