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Kopfschmerz-News

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9. Entwurf der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie

Cluster-Kopfschmerzen

Definition:

Der Cluster-Kopfschmerz (CK) ist klinisch definiert als ein attackenartig auftretender, streng einseitiger, extremster Kopfschmerz mit retroorbitalem Punctum maximum, der Männer und Frauen im Verhältnis 3:1 betrifft. Obligat ist das Auftreten von autonomen Symptomen (Horner-Syndrom, Lakrimation, Rhinorrhoe) gleichzeitig und ipsilateral zum Schmerz nach der Klassifikation der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS). Die Attacken treten bis zu 8 mal täglich auf, klassischerweise mit einer nächtlichen Häufung und dauern zwischen 15 und 180 Minuten. Typischer Weise berichten die Patienten eine Bewegungsunruhe (pacing around) während der Attacken. Bei der überwiegend vorkommenden episodischen Form des CK (80%) werden die symptomatischen Episoden (bout), die wenige Wochen bis Monate dauern, von symptomfreien Zeitspannen von Monaten bis Jahren unterbrochen. Dauert die Clusterperiode über ein Jahr ohne spontane Remission an, oder sind die Remissionsphasen kürzer als 2 Wochen, so spricht man vom chronischen Cluster-Kopfschmerz. Die Attacken treten oft zur gleichen Stunde im Tagesverlauf auf, gehäuft 1-2 Stunden nach dem Einschlafen (und/oder in der ersten REM-Phase) oder in den frühen Morgenstunden (>50%). Ein weiterer Hinweis auf das Vorliegen einer biologischen Rhythmusstörung zeigt sich in der gehäuften Frequenz von Clusterepisoden im Frühjahr und Herbst sowie Störungen der zirkadianen Ausschüttung vieler Hormone.

A: Mindestens 5 der Kriterien B-D:
B: Schwere unilaterale orbitale, supraorbitale und/oder temporale Kopfschmerzen die unbehandelt 15-180 Minuten anhalten.
C: Mindestens eines der folgenden Begleitsymptome ipsilateral zum Kopfschmerz:
  1. Conjunctivale Injektion 5. Miosis
  2. Lacrimation 6. Ptosis
  3. Rhinorrhoe 7. Lidödem
  4. nasale Kongestion 8. Schwitzen in Stirn und Gesicht
D: Frequenz: 1 Attacke alle 48h bis zu 1-8 Attacken pro Tag
E: Anamnese, neurologische und klinische Untersuchung und apparative Zusatzuntersuchung schliessen eine symptomatische Ursache aus.

IHS-Kriterien für den Cluster-Kopfschmerz.

Pathophysiologie

Im Rahmen des bisherigen Verständnisses von Cluster Kopfschmerz als vaskulärer Kopfschmerz wurde ein entzündlicher Prozess des Sinus cavernosus und der abführenden Venen als Ursache der Schmerzen und autonomen Symptome vorgeschlagen. Wenn man sich allerdings den ausgeprägt zirkadianen Rhythmus der Attacken und die Periodizität der aktiven Perioden vor Augen führt, kann eine ausschliesslich vasogene Ursache das gesamte klinische Bild des Cluster Kopfschmerzsyndroms nicht erklären. Mittels der funktionellen Bildgebung konnte eine spezifische Aktivierung von Hirnarealen ausschliesslich im Cluster Kopfschmerz, nicht jedoch in anderen Schmerz- und insbesondere Kopfschmerzarten gezeigt werden. Diese Aktivierung im inferioren posterioren hypothalamischen Grau, einem Hirnareal, dass für zirkadiane und Schlaf-Wach Rhythmen verantwortlich ist, ist vermutlich bei Cluster-Kopfschmerzpatienten generell verändert und könnte die Triggerregion für die uhrwerkartig auftretenden Kopfschmerzattacken sein. Die Häufigkeit der pathologischen Veränderungen in der orbitalen Phlebographie ist im Cluster Kopfschmerz nicht höher als im zervikogenen Kopfschmerz, der Migräne und dem Spannungskopfschmerz. Wenn pathologische Befunde gefunden wurden, waren diese nicht spezifisch für ein spezielles Kopfschmerzsyndrom. Da eine Dilatation von Gefässen auch im experimentellen Schmerz nachgewiesen werden konnte, ist sie nicht wie bisher angenommen spezifisch für eine bestimmte Kopfschmerzform, sondern ein Epiphänomen eines starken trigeminalen Reizes. In Zusammenschau mit den klinischen Befunden einer gestörten zirkadianen Rhythmik im Cluster-Kopfschmerz legen diese Daten nahe, dass eine Aktivierung des Hypothalamus den Schmerzprozess des Cluster-Kopfschmerzes direkt z.B. im Sinne eines modulierenden Elementes beeinflusst.

Untersuchungen

Notwendig:

  • Neurologischer Status mit besonderer Berücksichtigung der Lokalregion und des ophthalmischen Astes des N. trigeminus
  • ggf. Neurographie: Blinkreflex (bei klinischem Hinweis auf Schädigung V1, wenn pathologisch, dann weitere Diagnostik)
  • ggf. Ausschluss Glaukom

Im Einzelfall erforderlich:

Nur beim erstmaligen Auftreten, bei auffälliger neurologischer Untersuchung, Auftreten in hohem Alter (Erstmanifestation > 60 Jahre) oder bei untypischer Symptomatik:

  • CCT der Schädelbasis (Ausschluss knochendestruierende Prozesse)
  • MRT des Cerebrums mit kraniozervikalem Übergang, ggf. MRT-Angiographie (Ausschluss mittellinien-nahe cerebrale Pathologie, Ausschluss AVM)
  • Ggf. Liquoruntersuchung (Ausschluss entzündliche Erkrankungen)

Therapie

Prinzipiell wird zwischen der Therapie der Einzelattacke und der Prophylaxe unterschieden:

Attackenkupierung

1. Inhalation von 100 %igem Sauerstoff über Gesichtsmaske (7-15 l/min über 15-20min)
2. 6 mg Sumatriptan s.c. (bislang offiziell nicht publiziert: Zolmitriptan Nasenspray)
3. 1 mg Dihydroergotamin s.c./i.m.
4. intranasale Applikation von Lidocain 4 %

Die topische Anwendung von Lokalanästhetika, wie auch die von Sauerstoff hilft nur einem Teil der Patienten und auch nicht immer. Trotzdem sollte jeder Patient mit Cluster-Kopfschmerzen einmal im Leben diese Therapien ausprobiert haben, da bei Wirksamkeit systemische Nebenwirkungen vermieden werden. Dies ist umso wichtiger, als die Attackenfrequenz 8-12 Attacken pro 24h umfassen kann. Im übrigen ist Sumatriptan Mittel der Wahl, da es parenteral verabreicht werden kann und eine oral zugeführte Medikation wegen der kurzen Attackendauer von 15-180 Minuten zu spät wirkt.

Prophylaxe

1. Verapamil 3-4 mal tgl. 80 mg (vorher EKG nötig)
2. Methysergid bis zu 8 mg/d (Medikation bis max. 6 Monate Dauer)
3. Prednison 100 mg/d für 5 Tage, dann abdosieren
4. Lithium 600-1500 mg/d (Serumspiegel 0,6-0,8mml/l)
5. Pizotifen 1,5-3 mg/d (Wirkung ungesichert)

Kortikosteroide werden nur noch additiv, z.B. im Sinne einer überbrückenden Therapie bei langsamen Wirkungseintritt von Verapamil eingesetzt. Ergokamin-Suppositorien können in der Kurz-Prophylaxe (d.h. bis eine andere prophylaktische Therapie greift) abends eingesetzt werden, vor allem für Patienten, die unter nächtlichen Attacken leiden. Einzelberichte beschreiben einen positiven Effekt von Topiramat und Melatonin. Im Gegensatz zu anderen trigemino-autonomen Kopfschmerzen wirkt Indomethacin nicht. Insbesondere die Therapie des chronischen Clusterkopfschmerz ist schwierig, und benötigt häufig auch Kombinationen der oben genannten Medikamente. In dem Falle ist meist eine Überweisung zu einer spezialisierten Kopfschmerzambulanz nötig. Bei abschätzbar bekannter Länge der aktiven Periode wird eine wirksame Prophylaxe erst dann langsam reduziert und sukkzessive abgesetzt. Bei chronischen Cluster-Kopfschmerzen sollte etwa alle 6 Monate ein Versuch der Reduzierung der Medikation versucht werden.

Ambulant/Stationär

  • Bei bekanntem, typischen Cluster-Kopfschmerz ambulant
  • Bei Suizidalität, bei Therapieproblemen und ggfls. zur erstmaligen Sauerstofftherapie stationär
  • Übersendung zu einem spezialisierten Zentrum, wenn Verapamil über 480mg/die dosiert werden muss, wenn Methysergid über 6 Monate Dauer eingesetzt werden muss und wenn Kombinationstherapien nötig sind.

Literatur

Goadsby PJ, Lipton RB. A review of paroxysmal hemicranias, SUNCT syndrome and other short-lasting headaches with autonomic feature, including new cases. Brain 1997;120:193-209.

Ekbom K. Cluster headache: an overview. Ital J Neurol Sci 1999;20 Suppl 1:S1-S3.

Göbel H, Diener H, Grotemeyer K, Pfaffenrath V. Therapie des Clusterkopfschmerzes. Deutsches Ärzteblatt 1998;95:2760-2769.

Kudrow L. Cluster Headache, Mechanism and Management. In. 1 ed. New York: Oxford University Press; 1980.

May A, Goadsby PJ. Cluster headache: imaging and other developments. Curr Opin Neurol 1998;11:199-203.

Pfaffenrath V, Diener HC, Soyka D, Grotemeyer KH. Treatment of cluster headache. Recommendations of the German Migraine and Headache Society. Med Monatsschr Pharm 1992;15:140-5.

Dodick D, Rozen T, Goadsby P, Silberstein S. Cluster head-ache. Cephalalgia 2000;20:787-803.

Selbsthilfegruppen

www.clusterheads.de/

www.clusterkopfschmerzen.de/

www.clusterkopf.de/

Verfahren zur Konsensbildung:

Expertengruppe

PD Dr. med. S. Evers, Münster

Dr. med. V. Limmroth, Essen

PD Dr. med. A. May, Regensburg (Sprecher)

Prof. Dr. med. A. Straube, München

Federführend: PD Dr. Arne May

Neurologische Universitätsklinik Regensburg, Universitätsstrasse 84, 93053 Regensburg

email: [email protected]


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