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Kopfschmerz-News

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4. Migräne, Akuttherapie

*****Ferrari MD, Roon KI, Lipton RB, Goadsby PJ. Oral triptans (serotonin 5-HT1B/1D agonists) in acute migraine treatment: a meta-analysis of 53 trials. Lancet 2001;358:1668-1675

Zusammenfassung: Vor 10 Jahren wurde mit Sumatriptan der erste selektive Serotonin 5-HT1B/1D Agonist zur Behandlung akuter Migräneattacken eingeführt. In der Zwischenzeit gibt es in Deutschland 6 verschiedene Triptane, in Kürze kommt ein 7. (Frovatriptan) hinzu. Der Löwenanteil der Patienten nimmt Triptane in oraler Form ein. Nur für einige der Substanzen gibt es direkte Vergleichsstudien mit einem Konkurrenzprodukt, so dass die einzige Möglichkeit alle Triptane bzgl. Wirksamkeit und Nebenwirkungen miteinander zu vergleichen eine grosse Metaanalyse ist. Diese wurde für die oralen Triptane in der folgenden Arbeit unternommen. Es handelt sich um eine Metaanalyse von 53 grossen klinischen Studien, von denen 12 bisher nicht publiziert sind.

Insgesamt wurden die Daten von 24.089 Patienten in die Analyse aufgenommen. Typische Zielkriterien in Kopfschmerzstudien sind eine Besserung der Kopfschmerzen (headache response) 2 Stunden nach Einnahme von schwer oder mittelschwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen und der Anteil der Patienten, der 2 Stunden nach Einnahme schmerzfrei ist. Bei einem Teil der Patienten und der Attacken kommt es innerhalb von 24 Stunden nach guter Wirkung zu einer Wiederverschlechterung der Kopfschmerzen auf die Kopfschmerzstärke schwer oder mittelschwer. Dies wird als wiederauftretender Kopfschmerz oder headache recurrence bezeichnet. Weiterhin wurde bei einem Teil der Studien die Konsistenz der Wirkung gemessen, d.h. bei wieviel von 3 konsekutiven Attacken der Patient eine Wirksam hatte. Darüber hinaus wurden die Nebenwirkungen ausgewertet. In die Metaanalyse selbst wurden nur Studien aufgenommen, die randomisiert und doppelblind waren und entweder im Vergleich zu Placebo oder einem anderen Triptan durchgeführt worden waren. Als Vergleichsmassstab wurde die Wirksamkeit von 100 mg oralem Sumatriptan herangezogen. 59% der Patienten hatten 2 Stunden nach Einnahme eine Besserung der Kopfschmerzen und 29% waren nach 2 Stunden schmerzfrei. Anhaltend schmerzfrei, d.h. keine wiederauftretenden Kopfschmerzen und keine zusätzliche Medikamenteneinnahme hatten 20% der Patienten. Die Konsistenz, d.h. eine positive Wirkung bei 2 von 3 Attacken betrug 67%. Nebenwirkungen (abzüglich der Placeborate) fanden sich bei 13% der Patienten, Nebenwirkungen im Bereich des zentralen Nervensystems bei 6% und ein Druckgefühl im Bereich der Brust bei 1,9%.

Verglichen mit 100 mg Sumatriptan ist 50 mg Sumatriptan fast gleich gut wirksam, hat aber etwas weniger Nebenwirkungen. Rizatriptan in einer Dosis von 10 mg ist wirksamer als 100 mg Sumatriptan, hat allerdings auch eine höhere Rate von wiederauftretenden Kopfschmerzen. Naratriptan und Frovatriptan sind eindeutig weniger wirksam als Sumatriptan. Zolmitriptan hat in einer Dosis von 2,5 und 5 mg eine identische Wirkung wie 100 mg Sumatriptan und ein sehr ähnliches Nebenwirkungsprofil. Eletriptan ist in Dosierungen von 20, 40 und 2 x 40 mg erhältlich und hat in der 80 mg Dosis eine eindeutig bessere Wirksamkeit als Sumatriptan, aber auch mehr Nebenwirkungen. Almotriptan ist für eine Besserung der Kopfschmerzen gleich wirksam wie Sumatriptan, für den Parameter schmerzfrei nach 2 Stunden etwas wirksamer und hat von allen Triptanen die geringste Nebenwirkungsquote. Betrachtet man die Konsistenz der Wirkung über 3 von 3 Attacken hinweg, haben 10 mg Rizatriptan die beste Konsistenz.

Kommentar: Die hier durchgeführte Metaanalyse ist methodisch sauber durchgeführt und klar dargestellt. Den Autoren wurden leider Restriktionen bzgl. der Länge ihres Manuskriptes aufgegeben, so dass sie nicht, wie ursprünglich vorgesehen, alle direkten Vergleichsstudien zweier Triptane miteinander aufführen können. Direkte Vergleichsstudien mit grossen Patientenzahlen gelten immer noch als der Goldstandard mit dem die Wirksamkeit von Kopfschmerzmedikamenten verglichen wird. Eine Metaanalyse wird vorwiegend dort benötigt, wo direkte Vergleichsstudien nicht vorliegen. Insgesamt gesehen bestätigen die Ergebnisse der Metaanalyse aber was aus direkten Vergleichsstudien bekannt ist. So haben direkte Vergleichsstudien keinen Unterschied in der Wirksamkeit zwischen Sumatriptan und Zolmitriptan ergeben und reproduzierbar eine schlechtere Wirkung von Naratriptan und Frovatriptan im Vergleich zu den anderen Triptanen. Eletriptan ist das einzige Triptan mit einer Dosiswirkungsbeziehung, d.h. die Wirksamkeit steigt von 20 über 40 auf 80 mg an, wobei aber auch die zentralen Nebenwirkungen häufiger werden. In direkten Vergleichsstudien war Rizatriptan 10 mg wirksamer als Sumatriptan, Zolmitriptan und Naratriptan. In anderen direkten Vergleichsstudien waren 80 mg Eletriptan wirksamer als 50 und 100 mg Sumatriptan und 2,5 mg Zolmitriptan und 40 mg Eletriptan waren wirksamer als 2,5 mg Naratriptan. Alle diese Ergebnisse änderen nichts daran, dass im Einzelfall nichts anderes übrig bleibt, als bei einem Patienten im Zweifelsfall verschiedene Triptane auszuprobieren um herauszubekommen, wie individuell das Verhältnis zwischen Wirksamkeit und Verträglichkeit ist. (HCD)

**** Burke-Ramirez P, Asgharnejad M. Webster C, Davis R, Laurenza A. Efficacy and tolerability of subcutaneous sumatriptan for acute migraine: a comparison between ethnic groups. Headache 2001;41:873-88

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Zusammenfassung: Die Wirksamkeit der Triptane ist bislang an vielen grossen multizentrischen Studien einwandfrei nachgewiesen worden, wobei jedoch immer implizit akzeptiert worden ist, dass die Studienpopulationen sich fast ausschliesslich aus der sog. kaukasischen Gruppe zusammensetzen und andere ethnische Gruppen kaum berücksichtigt worden sind. Da zunehmend besser verstanden wird, dass genetische Prädispositionen, die eben auch von der jeweiligen ethnischen Zugehörigkeit abhängen, einen wichtigen Einfluss auf die Verstoffwechslung und damit Wirksamkeit von Medikamenten haben, ist es von hohem Interesse zu wissen, ob die Triptane in allen ethnischen Gruppen gleich gut wirken.

Die hier vorliegende Arbeit hat in einem mehrstufigen Design akute Migräneattacken von 150 nicht-kaukasischen Patienten (Schwarze, Hispanier und andere) und von 50 kaukasischen Patienten mit 6 mg subkutanem Sumatriptan behandeln lassen. Die Studie war doppelblind und im cross-over Design. Insgesamt wurden bis zu 12 Attacken von einem Patienten behandelt. Die Response-Rate nach 2 Stunden war in allen ethnischen Gruppen ungefähr gleich hoch und deutlich signifikant besser als nach Placebo. Die demographischen und klinischen Charakteristika der verschiedenen Gruppen unterschieden sich nicht signifikant voneinander, auch die Nebenwirkungen waren in allen Gruppen sehr ähnlich verteilt. Interessanterweise lag die Placeborate bei allen Parametern in der kaukasischen Patientengruppe deutlich niedriger als in den verschiedenen nicht-kaukasischen Patientengruppen.

Kommentar: Das grosse Verdienst dieser Studie liegt darin, dass erstmals systematisch verschiedene ethnische Gruppen daraufhin untersucht worden sind, ob Sumatriptan gleichermassen wirksam ist und gleichermassen gut vertragen wird. Die Ergebnisse zeigen, dass dies der Fall ist. Es gibt jedoch einige kritische Aspekte, die die Ergebnisse der Studie leider einschränken.

So wurde nicht für soziale Faktoren korrigiert, die in der Wirksamkeit von Medikamenten auch eine Rolle spielen können. Die Studie wurde schwerpunktmässig in Puerto Rico und in verschiedenen Bundesstaaten der USA durchgeführt, wo es sehr wahrscheinlich ist, dass Weisse überwiegend einer andere sozialen Schicht angehören als z.B. Schwarze. Dies könnte bestimmte Trends systematisch verfälscht haben. Weiterhin ist anzufragen, warum die hispanische Bevölkerung als nicht-kaukasisch klassifiziert worden ist (in der genetisch-epidemiologischen Forschung wird zwar zwischen Nord- und Süd-Europäern getrennt, beide gehören aber zur kaukasischen Population). Schliesslich ist sehr bemerkenswert, dass die Placeborate, sowohl bei der Wirksamkeit als auch bei der Nebenwirkungsrate, bei der nicht-kaukasischen Bevölkerung deutlich höher lag als bei der kaukasischen. Leider haben die Autoren hierfür keine Signifikanzberechnungen durchgeführt. Es scheint sich aber um einen signifikanten Unterschied zu handeln. Ausserdem sind sämtliche Wirksamkeitsraten bei der kaukasischen Gruppe etwas höher als bei der nicht-kaukasischen. Insofern wäre es aussagekräftiger gewesen, den therapeutischen Gewinn (‘therapeutic gain’) zu berechnen und zwischen den einzelnen Gruppen zu vergleichen. Ob die unterschiedliche Placeborate ihre Ursache in biologisch-ethnischen oder in sozialen Faktoren hat, kann natürlich dadurch nicht ausgesagt werden. Es ist aber tendenziell so, dass der therapeutische Gewinn in den nicht-kaukasischen Gruppen niedriger ausfällt. (SE)

*** Lipton RB, Pascual J, Goadsby PJ, Massiou H, McCarroll KH, Vandormael K, Jiang K, Lines CR. Effect of rizatriptan and other triptans on the nausea symptoms of migraine: a post-hoc analysis. Headache 2001; 41: 754-763

Zusammenfassung: In der vorliegenden Arbeit wurden fünf internationale, multizentrische, doppel-blinde, placebo-kontrollierte klinische Studien retrospektiv auf die Wirkung der beteiligten Triptane auf das Symptom Übelkeit hin untersucht. Diese Studien wurden alle als Vergleichstudien zur primären Fragestellung der Wirkung auf Migränekopfschmerzen von der Firma Merck (MSD) durchgeführt. In die vorliegende Metaanalyse gingen die zusätzlich erhobenen Daten dieser fast 4000 Patienten (behandelt p.o. jeweils nur eine Attacke) und die Substanzen Rizatriptan (10mg), Zolmitriptan (2.5mg), Sumatriptan (50 und 100mg) sowie Naratriptan (2.5mg) ein. Hierbei fand sich, dass Triptane nur selten Übelkeit als Nebenwirkung hervorrufen Etwa 10% der Patienten entwickelten unter Placebo Übelkeit. Insofern wurden ausschliesslich die Daten von Patienten verwertet, die ohne Medikation (sog. Baseline-werte) bereits unter Übelkeit litten, dies waren etwa 60% der ursprünglich 4000 Patienten. Wenn man nur die Placeboraten heranzieht, wird sich bei etwa 30-50% der Patienten mit Übelkeit bei Baseline die Übelkeit in den nächsten 2 Stunden verringern. Verglichen mit Placebo hatten alle Triptane eine gute Wirkung auf das Symptom Übelkeit, wobei Rizatriptan (in 66-68% Wirkung) leichte Vorteile aufwies (Zolmitriptan 61%, Sumatriptan 57-59% und Naratriptan 45%).

Kommentar: Anti-Migräne Substanzen wie Triptane sind im klinischen Alltag und in zahlreichen Studien hochwirksam in der (Kopfschmerz-) Attackencoupierung der Migräne. Diese Metaanalyse belegt nun auch die Wirksamkeit gegen die Übelkeit. Die eigentlich interessante Frage jedoch ist, warum sie wirken. Die traditionelle Antwort wäre, dass die Übelkeit allein durch den Kopfschmerz entsteht und also jedes Medikament welches den Kopfschmerz behandelt, auch sekundär effektiv gegen die vegetativen Begleiterscheinungen ist. Die vorliegenden Daten geben eine Aufschlüsselung der Korrelation zwischen Kopfschmerzstärke und Übelkeit nicht her. Auch wird und wurde in Medikamentenstudien zur Attackencoupierung der Migäne die Übelkeit (wie auch Photo- und Phonophobie) nur als “Alles-oder-Nichts” und nicht etwa wie der Kopfschmerz graduell erfasst. Die zweite Möglichkeit wäre, dass die Medikamente direkt selber einen (dann: zentralen) Effekt auf die Übelkeit haben. Hierfür spricht der Trend der Studie, dass, mit Ausnahme von Naratriptan, je lipophiler eine Anti-Migränemedikation ist, desto wirksamer diese gegen Übelkeit hilft. Dieser Trend erreicht jedoch keine Signifikanz und muss die hohe Besserungsquote der Placebogruppe berücksichtigen. (MAY)

**** Goadsby PJ, Akerman S, Storer RJ. Evidence for postjunctional serotonin (5-HT1) receptors in the trigeminocervical complex. Ann Neurol 2001;50:804-807

Zusammenfassung: Die Bedeutung der Serotonin- (5-HT1-) Rezeptoren bei der Migräne ist vor allem durch die Therapieerfolge mit spezifischen 5-HT1B/D-Rezeptoragonisten, den Triptanen, weitläufig bekannt. Allerdings sind die Wirkorte und die Mechanismen, die der therapeutischen Wirkung der Triptane zugrundeliegen, noch immer nicht vollständig geklärt. Es ist dabei unklar, wie wichtig die experimentell gut belegten peripheren Wirkungen, nämlich die Hemmung der Neuropeptidfreisetzung und die Vasokonstriktion im trigeminovaskulären Gebiet sind, denn auch zentrale Angriffspunkte der Triptane sind heute nicht mehr zu bestreiten. So gibt es mehrere experimentelle Hinweise darauf, dass durch Aktivierung von 5-HT1B/D-Rezeptoren die nozizeptive Transmission im spinalen Trigeminuskern vermindert wird, indem die Triptane an den zentralen Terminalen der trigeminalen Afferenzen, also durch einen präsynaptischen Mechanismus, die Neuropeptidfreisetzung hemmen. Diese Vorstellung wird durch die tierexperimentellen Untersuchungen der vorliegenden Arbeit relativiert.

Mit Hilfe mehrläufiger Mikroelektroden wurden im zervikalen Hinterhorn der Katze Neurone lokalisiert, die durch elektrische Stimulation des Sinus sagittalis superior aktiviert werden konnten (und somit wahrscheinlich afferenten Einstrom aus den Hirnhäuten erhielten). Dann wurden durch Mikroiontophorese kleine Mengen des exzitatorischen Transmitters Glutamat oder eines Glutamat-Rezeptoragonisten in die Ableitungsstelle injiziert und damit die untersuchten Neurone unter Umgehung der normalen nozizeptiven Transmission direkt zur Entladung gebracht. Schliesslich wurden 5-HT1B/D-Rezeptoragonisten (darunter auch Sumatriptan) iontophoretisch appliziert, was den erregenden Effekt der Glutamat-Stimulation deutlich und dosisabhängig verringerte. Diese Wirkung der Triptane ist am besten durch postsynaptische Mechanismen zu erklären und gilt als starkes Argument für die Annahme, dass 5-HT1-Rezeptoren auch postsynaptisch, d.h. auf den zentralen Neuronen selbst lokalisiert sind.

Kommentar: Dieser elegante Versuchsansatz löst einen Teil des bekannten experimentellen Dilemmas, dass man bei extrazellulären elektrophysiologischen Messungen an zentralen Neuronen praktisch nie sicher entscheiden kann, ob zentral wirkende Substanzen prä- oder postsynaptisch angreifen. Hier wurden zum ersten Mal deutliche Hinweise erbracht, dass die Triptane die nozizeptive Übertragung im spinalen Trigeminuskern durch eine (wie auch immer geartete) Interaktion mit den postsynaptischen Glutamatrezeptoren der zentralen Neurone hemmen könnten und nicht nur, indem sie präsynaptisch die Freisetzung von Neurotransmittern hemmen. Wie von den Autoren andiskutiert wird, besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass die Vorgänge durch Beteiligung von dritten Neuronen (d.h. hemmenden oder erregenden Interneuronen) kompliziert werden. Es könnte nämlich auch sein, dass die Triptane z.B. die Freisetzung von Neurotransmittern und Neuropeptiden aus erregenden Interneuronen hemmen, welche durch die trigeminalen Afferenzen über einen glutaminergen Mechanismus angetrieben werden. Immerhin gibt es im spinalen Trigeminuskern einen hohen Anteil intrinsischer (d.h. nicht primär afferenter) Neurone, die z.B. Substanz P enthalten. Die Autoren greifen in ihrem Experiment auf einen etablierten Versuchsansatz zurück, der wie alle anderen elektrophysiologischen Modelle zur Erforschung der Pathophysiologie des Kopfschmerzes nur bedingt aussagekräftig ist. Trotz starker elektrischer Stimulation des Sinus sagittalis wurden nur Zellen mit Ad-Faser-Input gefunden, und die Ableitung der Neurone im Segment C2 ist weiter kaudal, als es der überwiegenden Lokalisation der Neurone mit Einstrom aus den Hirnhäuten entspricht. Es muss auch die mangelnde Sorgfalt der Publikation kritisiert werden. So wurde in zwei verschiedenen Abbildung dasselbe Impulshistogramm verwendet und mit verschiedenen Wirkstoffen überschrieben. Es ist verwunderlich, dass ein solch gravierender Fehler weder bei der Begutachtung noch beim Druck durch den renommierten Verlag Wiley-Liss aufgefallen ist. (KM)

**** Lines CR, Vandormael K, Malbecq W. A comparison of visual analog scale and categorical ratings of headache pain in a randomized controlled clinical trial with migraine patients. Pain 2001;93:185-190

Zusammenfassung: Bei der Behandlung akuter Migräneattacken im Rahmen klinischer Studien wird üblicherweise zur Evaluierung des Therapieerfolges die sog. „Glaxoskala“ benutzt, d.h. eine Besserung der Kopfschmerzen auf einer 4 Punkte Skala von 3=schwer oder 2=mittelschwer auf leicht=1 oder schmerzfrei=0. In der übrigen Schmerzforschung werden im Gegensatz dazu visuelle Analogskalen benutzt. Die Autoren, die eine Reihe von Migränestudien mit Rizatriptan im Auftrag der Fa. MSD durchführten, untersuchten, ob es Unterschiede in der Erfassung der Wirksamkeit eines Migränemittels gibt, wenn dieses mit der „Glaxoskala“ untersucht werden oder mit einer visuellen Analogskala. Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine randomisierte, placebo-kontrollierte, doppelblinde Studie mit 792 Migränepatienten, die ihre Attacken entweder mit 5 mg Rizatriptan, 50 mg Sumatriptan oder Placebo behandelten. Zwei Stunden nach Behandlung hatten 63% der 349 Patienten, die 5 mg Rizatriptan erhalten hatten, eine Schmerzlinderung auf der Glaxoskala verglichen mit 67% der 356 Patienten, die 50 mg Sumatriptan erhalten hatten und 23% der 80 Patienten, die mit Placebo behandelt worden waren. Die mittlere Änderung gegenüber dem Ausgangswert betrug bei der Kategorialskala minus 1,12 für Rizatriptan, minus 1,22 für Sumatriptan und minus 0,24 für Placebo. Die entsprechenden Veränderungen in Millimeter auf der visuellen Analogskala betrugen minus 29 mm bei Rizatriptan, minus 31 mm bei Sumatriptan und minus 2 mm bei Placebo. Diese Ergebnisse zeigen, dass die visuelle Analogskala wie die kategorielle Glaxoskala in gleicher Weise einen Therapieerfolg darstellen. Beide Skalen waren hochkorreliert mit einem Korrelationsquotienten von 0,91. Die Autoren schlussfolgern, dass sich beide Methode zur Erfassung des Therapieerfolges bei Studien zur Behandlung akuter Migräneattacken eignen.

Kommentar: Unsere Arbeitsgruppe war die erste, die im grösseren Umfang in Migränestudien sowohl visuelle Analogskalen wie kategorielle Skalen verwendete. Wir konnten wie die Autoren hier ebenfalls keinen Unterschied in der Erfassung der Wirksamkeit eines Medikamentes in Abhängigkeit von der verwendeten Messinstrument finden. Zweifelsfrei ist aber eine visuelle Analogskala komplizierter und zeitaufwendiger in der Auswertung. Daher sollte folgend den Empfehlungen der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft die Glaxoskala bei der Behandlung akuter Migräneattacken Verwendung finden. Bei leichten Kopfschmerzen, insbesondere bei Studien zur Therapie des Spannungskopfschmerzes ist allerdings eine visuelle Analogskala sinnvoller. (HCD)

*** Codispoti JR, Prior MJ, Fu M, Harte CM, Nelson EB. Efficacy of nonprescription doses of ibuprofen for treating migraine headache. A randomized controlled trial. Headache 2001;41:665-679

Zusammenfassung: Auch im Zeitalter der Triptane gibt es noch viele Patienten, die ihre Migräneattacken ausreichend mit einem nichtsteroidalem Antirheumatikum behandeln können. Ibuprofen steht in den Vereinigten Staaten wie in Deutschland in einer Dosis von 200 mg als freiverkäufliche Substanz zur Verfügung. Die höhere Dosis von 400 mg ist dagegen verschreibungspflichtig. Die amerikanischen Autoren führten eine randomisierte und doppelblinde Studie an Patienten mit mittelschweren oder schweren Migräneattacken durch. 216 Patienten wurden mit 200 mg Ibuprofen behandelt, 223 mit 400 mg Ibuprofen und 221 mit Placebo. Der primäre Endpunkt der Studie war eine Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen nach 2 Std. Der Prozentsatz der Patienten mit einer Besserung der Kopfschmerzen nach 2 Std. betrug 41,7% mit 200 mg Ibuprofen und 40,8% mit 400 mg Ibuprofen. 28,1% der Patienten, die mit Placebo behandelt wurden, hatten eine positive Antwort. Bei den Patienten mit starken Kopfschmerzen bei Behandlungsbeginn war Ibuprofen 400 mg signifikant wirksamer als Placebo, was sich für die Dosis von 200 mg Ibuprofen nicht nachweisen liess. Ansonsten bestand zwischen den beiden Dosierungen von Ibuprofen kein Unterschied in der Wirkung. Nebenwirkungen waren insgesamt selten und unterschieden sich nicht in den beiden Ibuprofengruppen und der Placebogruppe. Die Autoren schliessen, dass Ibuprofen in einer Dosis von 200 oder 400 mg eine wirksame und preiswerte sowie gut verträgliche Therapie akuter Migräneattacken ist.

Kommentar: Die hier vorliegende Studie ist die erste Studie zum Einsatz von Ibuprofen bei der akuten Migräneattacke, die aufgrund ihrer hohen Patientenzahl eine vernünftige statistische Aussage zulässt. Insgesamt liegt aber der therapeutische Gewinn mit 14% deutlich unter dem, der mit Triptanen zu erreichen ist. Für den klinischen Alltag ist allerdings bedeutsam, dass 200 mg Ibuprofen fast genauso gut wirksam sind wie 400 mg. Die höhere Dosis ist nur bei Patienten mit hoher Kopfschmerzintensität gerechtfertigt. Leider haben die Autoren keine Angaben über die Häufigkeit wiederauftretender Kopfschmerzen gemacht. Erwartungsgemäss war das Nebenwirkungsprofil von Ibuprofen sehr günstig. (HCD)

**** Gerth WC, McCarroll KA, Santanello NC, Vandormael K, Zhang Q, Mannix LK. Patient satisfaction with rizatriptan versus other triptans: direct head-to-head comparisons. Int J Clin Pract 2001;55:552-556

Zusammenfassung: Üblicherweise wird in Migränestudien als Mass für die Wirksamkeit bei der Behandlung akuter Migräneattacken die „Glaxoskala“ verwendet, bei der der Kopfschmerz skaliert wird als schwer, mittelschwer, leicht oder kein Kopfschmerz. Diese Skala erfasst allerdings nicht das Verhältnis zwischen potentieller Wirkung und möglichen Nebenwirkungen. Um dieses Verhältnis zu erfassen, sind Skalen, welche die Patientenzufriedenheit untersuchen besser geeignet. In einer Reihe von Vergleichsstudien von Rizatriptan mit anderen Triptanen wurde u.a. 2 Std. nach Gabe des entsprechenden Medikamentes der Patient auf einer 7 Punke Skala nach seiner Zufriedenheit mit der Studienmedikation befragt. An einem Ende stand die Antwort komplett zufrieden, Therapie könnte nicht besser sein und am anderen Ende komplett unzufrieden, Behandlung konnte nicht schlechter sein. Für die hier publizierte Analyse wurden die Daten von 5 doppelblinden, placebo-kontrollierten Studien eingeschlossen. In einer Parallelgruppenstudie an 916 Patienten wurden 10 mg Rizatriptan mit 100 mg Sumatriptan verglichen. In zwei crossover Studien mit 1.599 Patienten wurden 50 mg Sumatriptan mit 10 mg Rizatriptan verglichen. In einer weiteren Parallelstudie mit 502 Patienten wurde Rizatriptan mit Naratriptan 2,5 mg und in einer Parallelstudie mit 701 Patienten mit 2,5 mg Zolmitriptan verglichen. Dargestellt wurden die Patienten, die komplett oder weitgehend mit der Behandlung zufrieden waren. Für alle Vergleiche erzielte Rizatriptan jeweils statistisch höhere Zufriedenheitswerte als die Vergleichssubstanz. Die entsprechenden Zahlen waren 33% versus 26% für Rizatriptan versus 100 mg Sumatriptan, 40% versus 35% für Rizatriptan versus Sumatriptan 50 mg, 33% versus 19% für Rizatriptan versus Naratriptan und 38% versus 30% für Rizatriptan versus Zolmitriptan. In allen Studien ergaben sich sehr grosse Unterschiede im Vergleich zu Placebo.

Kommentar: Die vorliegende Studie hat ein globales Mass zur Evaluation des Therapieerfolges bei akuten Migräneattacken verwendet, wobei die Patientenzufriedenheit sowohl Wirkung wie mögliche Nebenwirkungen darstellt. Es liess sich hier reproduzieren, was auch für den primären Zielpunkt klinischer Studien zu verzeichnen war, dass für die meisten Studien Rizatriptan 10 mg besser wirksam ist als 50 oder 100 mg Sumatriptan, 2,5 mg Naratriptan oder 2,5 mg Zolmitriptan. Dies wurde auch durch die vor kurzem publizierte Metaanalyse von Ferrari et al. im Lancet bestätigt. (HCD)

**** Dahlöf C, Tfelt-Hansen P, Massiou H, Fazekas A, on behalf of The Almotriptan Study Group. Dose finding, placebo-controlled study of oral almotriptan in the acute treatment of migraine. Neurology 2001;57:1811-1817

Zusammenfassung: Almotriptan ist als Almogran‚ in der Zwischenzeit in Deutschland als weiteres Triptan zur Behandlung akuter Migräneattacken zugelassen. Erst vor kurzem wurde jetzt die Dosisfindungsstudie publiziert, auf die sich die zugelassene Dosis von 12,5 mg Almotriptan bezieht. Es handelte sich um eine placebo-kontrollierte, doppelblinde Parallelgruppenstudie. Untersucht wurden neben Placebo orale Dosierungen von Almotriptan von 2 mg, 6,25 mg, 12,5 mg und 25 mg. Insgesamt wurden 742 Migräneattacken analysiert. Die Besserung der Kopfschmerzen betrug 32,5% mit Placebo und 30% für 2 mg, 56% für 6,25 mg, 58% für 12,5 mg und 66,5% für 25 mg Almotriptan. Ab einer Dosis von 6,25 mg waren die Unterschiede zu Placebo signifikant. Bezüglich der Verträglichkeit hatten 6,25 und 12,5 mg Almotriptan dieselben Nebenwirkungen wie Placebo. Die höhere Dosis hatte mehr Nebenwirkungen.

Kommentar: Die hier publizierte Dosisfindungsstudie erklärt, warum die klinisch eingesetzte Dosis von Almotriptan 12,5 mg beträgt. Hier besteht das beste Verhältnis zwischen Wirkung und geringen Nebenwirkungen. Auffällig ist allerdings die relativ hohe Placeborate in der hier publizierten Almotriptanstudie. Leider wurde nicht angegeben, wie häufig es bei den einzelnen Dosierungen von Almotriptan zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen kam. Ungewöhnlich ist auch, dass die teilnehmenden Zentren an der Studie in der Publikation nicht genannt werden. (HCD)


DMKG