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07. Migräne, Prophylaxe

***Demirkaya S, Dora B, Topcuoglu MA, Ulas UH, Vural O. A comparative study of magnesium, flunarizine and amitriptyline in the prophylaxis of migraine. J Headache Pain 2000;1:179-186

Zusammenfassung: Es gibt eine Reihe von Studien, die nahelegen, dass bei Patienten mit Migräne ein relativer Magnesiummangel in den Mitochondrien von Neuronen und Muskelzellen vorliegt. Das führte in der Vergangenheit zu einer Reihe von plazebokontrollierten Studien zur Gabe von Magnesium zur Migräneprophylaxe, die allerdings sehr unterschiedliche Ergebnisse zeigten. Zwei der Studien waren positiv, eine weitere war negativ. Die türkischen Autoren führten jetzt eine Studie zur Migräneprophylaxe durch, in die sie initial 100 Patienten einschlossen, die in vier Gruppen randomisiert wurden. 1/4 der Patienten erhielt 1.830 mg Magnesium/Tag, die zweite Gruppe 10 mg Flunarizin zur Nacht, die dritte Gruppe 10 mg Amitriptylin zur Nacht und die vierte Gruppe Plazebo. Der Beobachtungszeitraum umfasste drei Monate und die Patienten erfassten die Häufigkeit und Schwere von Kopfschmerzen in Tagebüchern. Für die Endauswertung standen in den einzelnen Behandlungsgruppen zwischen 20 und 33 Patienten zur Verfügung. Die mittlere Häufigkeit der Migräneattacken betrug zu Beginn der Studie zwischen 4.1 und 4.3/Monat. Die Schwere der Attacken wurde auf einer Skala zwischen 0 und 3 mit durchschnittlich 2.65-2.86 angegeben. Unter Magnesium, Flunarizin und Amitriptylin kam es jeweils zu einer signifikanten Abnahme der Migränehäufigkeit und der Migräneintensität. Die Häufigkeit reduzierte sich auf 1.52-1.90 Attacken/Monat im Vergleich zu Plazebo mit 3.81 und die Schwere der Migränekopfschmerzen auf Werte zwischen 1.05 und 1.35 im Vergleich zu 2.55 mit Plazebo. Typische Nebenwirkungen waren unter Magnesium Durchfall, Schwäche, Übelkeit, Mundtrockenheit und Benommenheit, bei Flunarizin Gewichtszunahme, Benommenheit, allgemeine Schwäche, Mundtrockenheit und gastrointestinale Beschwerden und unter Amitriptylin Benommenheit, Schwäche, Mundtrockenheit und Verstopfung. Prozentual ausgedrückt traten Nebenwirkungen bei 72% der Patienten auf, die Flunarizin einnahmen, bei 70% unter Amitriptylin, bei 48% unter Magnesium und bei 41% unter Plazebo. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine Behandlung mit Magnesium eine bedenkenswerte Alternative zur Prophylaxe der Migräne darstellt.

Kommentar: Die hier vorgelegte Studie zeigt ein eindeutig positives Resultat für eine Behandlung mit Flunarizin, Amitriptylin und Magnesium. Erstaunlich ist, dass eine sehr niedrige Dosis von Amitriptylin, nämlich 10 mg, wirksam war. Dies ist in anderen klinischen Studien zum Einsatz von Amitriptylin in der hier verwendeten niedrigen Dosis nicht beobachtet worden. Es muss allerdings beachtet werden, dass möglicherweise türkische Patienten anders auf Amitriptylin reagieren als Mitteleuropäer und Amerikaner. Erstaunlich ist das Ergebnis, dass eine hohe Dosis von Magnesium migräneprophylaktisch wirksam war. Die hier verwendete Dosis von 1.800 mg ist 3-4mal so hoch wie Dosierungen, wie sie bisher in klinischen Studien verwendet wurden. Erstaunlich dabei ist auch, dass diese hohe Dosis toleriert wurde. Der Autor selbst hat in der Vergangenheit versucht, höhere Dosierungen von Magnesium als 600-800 mg am Tag einzusetzen und scheiterte dann in der Regel daran, dass hohe Dosen zu einer nicht kontrollierbaren Diarrhoe führen. Wenn hohe Dosierungen von Magnesium aber toleriert werden, wäre diese Behandlungsoption zumindest bedenkenswert für Patienten, die andere Formen einer medikamentösen Migräneprophylaxe wegen Nebenwirkungen nicht tolerieren. (HCD)

**Göbel H, Heinze A, Heinze-Kuhn K, Jost WH. Evidence-based medicine: botulinum toxin A in migraine and tension-type headache. J Neurol 2001;248 [Suppl 1]:I/34-I/38

Zusammenfassung: Die Autoren aus Kiel und Wiesbaden fassen die bisher durchgeführten Studien zum Einsatz von Botulinum-toxin A zur Prophylaxe der Migräne und zur Behandlung des chronischen Spannungskopfschmerzes zusammen. Für die Indikation Migräne gibt es drei offene und zwei doppel-blinde plazebo-kontrollierte Studien. Eine der beiden plazebokontrollierten Studien hatte nur 36 Patienten in der Verumgruppe und 12 in der Plazebogruppe. Die zweite Studie hatte 82 Patienten in der Verumgruppe und 41 in der Plazebogruppe. Bei der zweiten Studie (Silberstein et al. 2000) fiel auf, dass eine höhere Dosis von Botulinumtoxin nicht wirksam war, während eine niedrigere Dosis von 25 E Botulinumtoxin wirksam war. Für Patienten mit chronischen Spannungskopfschmerzen gibt es neun Studien. Sieben dieser Studien waren offen, zwei waren klein und doppelblind, plazebokontrolliert. Von den plazebokontrollierten Studien waren beide negativ. Überraschenderweise kommen die Autoren zu der Schlussfolgerung, dass die Wirksamkeit von Botulinumtoxin A zur Behandlung chronischer Kopfschmerzen, die auf den Kriterien der Evidenz basierten Medizin beruhen, gesichert sei.

Kommentar: Diese Arbeit ist sowohl in deutscher wie englischer Sprache mehrfach publiziert worden. Im Gegensatz zur Auffassung der Autoren besteht keinerlei Evidenz, dass die Injektion von Botulinumtoxin zur Behandlung chronischer Kopfschmerzen tatsächlich wirksam ist. Die wenigen plazebokontrollierten Studien sind viel zu klein und haben insbesondere eine komplette Verblindung nicht garantiert. Die meisten Patienten können sehr wohl unterscheiden, ob sie mit Botulinumtoxin oder mit Plazebo injiziert wurden. Rein pathophysiologisch wäre eine Wirkung beim chronischen Spannungskopfschmerz denkbar, wenn dadurch eine der pathophysiologischen Stellgrößen in der Pathophysiologie, nämlich eine erhöhte Anspannung perikranieller Muskeln reduziert würde. Dem Referenten erscheint völlig unplausibel, wie die Injektion einer Substanz, die muskelrelaxierend wirkt, die Häufigkeit von Migräneattacken reduzieren sollte. Das endgültige Urteil über eine mögliche Wirkung von Botulinumtoxin A bei chronischen Kopfschmerzen kann erst gefällt werden, wenn die Ergebnisse der derzeit laufenden großen plazebokontrollierten Studien vorliegen. (HCD)

****Newman L, Mannix LK, Sandy S, Silberstein S, Lipton RB, Putnam DGP, Watson C, Jöbsis M, Batenhorst A, O’Quinn S. Naratriptan as short-term prophylaxis of menstrually associated migraine: A randomized, double-blind, placobo-controlled study. Headache 2001;41:248-256

Zusammenfassung: Es gibt eine Reihe von Frauen, bei denen die Migräneattacken fast nur oder überwiegend während der Periode auftritt. Bei diesen Frauen ist eine Langzeitprophylaxe mit Betablockern oder Sibelium in der Regel nicht angezeigt. Bisherige Versuche einer Kurzzeitprophylaxe wurden mit Naproxen oder Östrogenpflastern durchgeführt. In einer offenen Studie zeigte sich, dass die zweimal tägliche Gabe von 25 mg Sumatriptan als Kurzzeitprophylaxe zu einer Reduktion der menstruationsbezogenen Migräneattacken um 52% führte. Hier unternahmen die amerikanischen Autoren jetzt eine prospektive plazebokontrollierte Studie mit 1 und 2.5 mg Naratriptan zur Kurzzeitprophylaxe von menstruationsbezogenen Migräneattacken vor. In die Studie wurden 206 Frauen aufgenommen, die relativ regelmäßig unter menstruationsbezogenen Migräneattacken litten. Es handelte sich um eine randomisierte, doppel-blinde Parallelgruppenstudie mit Plazebo-Kontrolle. Die Behandlung erfolgte entweder mit 2 x 1 mg, 2 x 2.5 mg Naratriptan oder 2 x Plazebo über einen Zeitraum von fünf Tagen, jeweils 2 Tage vor der zu erwartenden Periodenblutung. Es wurden vier konsekutive Menstruationszyklen behandelt. Endpunkte waren die Zahl der menstruationsbezogenen Migräneattacken, die Gesamtzahl der Migränetage, die Kopfschmerzintensität, Verlust an Arbeitszeit oder Freizeit, die Lebensqualität und Nebenwirkungen. 220 Frauen wurden in die Studie aufgenommen und 171 behandelten vier konsekutive Zyklen. Der Median der menstruationsbezogenen Migräneattacken betrug 4 in der Plazebogruppe, 2 in 1 mg Nara-triptangruppe und 3 in der 2.5 Naratriptangruppe. Der Unterschied war bzgl. der 1 mg Dosis signifikant. Die Zahl der Migränetage betrug 7 in der Plazebogruppe, 4 in der 1 mg und 4 in der 2.5 mg Gruppe Naratriptan. Die Kopfschmerzintensität unterschied sich nicht in den drei Behandlungsgruppen. Bezogen auf alle perimenstruellen Zeiträume waren 23% der Frauen kopfschmerzfrei im Vergleich zu 8% unter Plazebo. Die Nebenwirkungen unterschieden sich nicht in den drei Behandlungsgruppen. Alle Ergebnisse für 2.5 mg Naratriptan zeigten einen positiven Trend, aber keinen statistisch signifikanten Unterschied zu Plazebo.

Kommentar: Die vorliegende Studie ist methodisch gut durchgeführt und erfüllt alle Kriterien der Evidenz basierten Medizin. Es wurde auch eine Plazebogruppe integriert. Die Autoren konnten überzeugend zeigen, dass die zweimal tägliche Einnahme von 1 mg Naratriptan das Auftreten menstruationsbezogener Migräneattacken signifikant reduzieren kann. Es bleibt allerdings unklar und wissenschaftlich auch schwer zu erklären, warum derselbe Effekt nicht mit 2.5 mg Naratriptan erzielt werden konnte. Rein statistische Erklärungen sind unwahrscheinlich, da die Gruppengrößen der einzelnen Behandlungsarme ausreichend groß waren. Die Ergebnisse dieser wichtigen Studie haben im Moment noch keine praktische Konsequenz, da im Handel nur die 2.5 mg Dosis von Naratriptan erhältlich ist, die in der hier vorliegenden Studie nicht wirksam war. Es ist bisher nicht bekannt, ob die Fa. GlaxoSmithKline erwägt, die 1 mg Dosis zur Kurzzeitprophylaxe menstruationsbezogener Migräneattacken auf den Markt zu bringen (HCD).

**Fichtel A, Larsson B. Does relaxation treatment have differential effects on migraine and tension-type headache in adolescents? Headache 2001; 41:290-296

Zusammenfassung: Aus aktuellen Meta-Analysen und Reviews zur Evaluation nicht-pharmakologischer Behandlungsansätze im Kopfschmerzbereich ist bekannt, dass Migränepatienten deutlich besser von Entspannungsverfahren profitieren als Patienten mit Spannungskopfschmerzen. Die vorliegende Studie untersucht diese syndromspezifische Wirkung im Bereich von jugendlichen Betroffenen (13-16 J.). 31 Schüler mit Kombinationskopfschmerzen und 5 Schüler mit isolierter Migräne wurden randomisiert einer Relaxationsbehandlung oder einer Wartegruppe zugeordnet. Alle Probanden mussten ,vor und nach der Behandlung resp. Wartezeit sowie 8 und 12 Monate später, viermal am Tag die Intensität und Dauer ihrer Kopfschmerzen einschätzen, d.h. beide KS-Typen (Mig. oder SKS) getrennt. Die Behandlung bestand aus 8-10 Sitzungen eines standardisierten Muskelentspannungstrainings, das einzeln oder in Kleingruppen gelernt wurde. Die Entspannungsgruppe verbesserte sich von prä nach post signifikant gegenüber der Wartegruppe in den Parametern ‘Intensität’ und ‘Frequenz’ der Gesamtkopfschmerzen und der Migräne. Klinisch relevante Verbesserungen der Kopfschmerzen (Reduktion um 50%) wurden bei 50% der behandelten Patienten beobachtet gegenüber 12% der unbehandelten Patienten. Gruppenunterschiede und klinisch relevante Verbesserungen traten bei Spannungskopfschmerzpatienten nicht auf. Post- vs. Follow-Up-Unterschiede gab es bei keinem Vergleich.

Kommentar: Die Ergebnisse dieser Studie mit heranwachsenden Kopfschmerzpatienten scheinen die Ergebnisse im Erwachsenenbereich zu bestätigen. Die Besonderheit der Studie besteht in dem methodischen Ansatz, ein Individuum mit zwei Kopfschmerzarten diese getrennt einschätzen zu lassen und dadurch Informationen über syndromspezifische Behandlungseffekte zu erzielen. Was die Arbeitsgruppe als fortschrittlichen Ansatz sieht, ist für Kliniker kaum nachvollziehbar: Wie sollen Jugendliche mit erst kurzer Kopfschmerzerfahrung trotz erfolgter Einweisung die beiden Kopfschmerzentitäten sauber auseinanderhalten?! Diese Aufgabe fällt selbst nach langer Kopfschmerzdauer vielen Erwachsenen äußerst schwer. Weitere methodische Mängel machen diese Studie wenig überzeugend: Die Zellenbesetzung (20 vs. 16 Pbn.) ist für generelle Rückschlüsse zu niedrig. In welcher Gruppe befanden sich die Teilnehmer mit isolierter Migräne? Die Teilnehmer waren freiwillige Schüler, die über das Vorhaben informiert wurden (Rekrutierungs-Bias). Man erfährt nichts über die häuslichen Anwendungsbedingungen während und nach der Trainingsphase. Obwohl sich in den Endpunkten keine signifikanten Unterschiede zeigten zwischen der Einzel- und der Gruppenbehandlung zeigten, hätte das Setting als unabhängige Moderator-Variable statistisch kontrolliert gehört. Zudem gab es einen signifikanten Ausgangsunterschied in der Kopfschmerzaktivität zwischen den Geschlechtern, der vom statistischen Prozedere nicht berücksichtigt wurde.

Anmerkung: Bei dieser Art von Studien wird immer vorausgesetzt, dass ein Entspannungstraining eine spezifische Wirkung auf die Patienten hat. Hat es sicherlich auch. Es wäre jedoch naheliegend, dass der besondere Profit von Relaxation für Migränepatienten substantiell auf den unspezifischen Effekt einer Erhöhung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung zurückgeht, die bei attackenhaften Kopfschmerzen besonders erniedrigt ist. Eine Untersuchung dieser Frage (dito bei Biofeedback) steht noch aus. (GF)

** Saper J R, Winner P K, Lake III A E. An open-label dosetitration study of the efficacy and tolerability of tizanidine hydrochloride tablets in the prophylaxis of chronic daily headache. Headache 2001;41:357-368.

Zusammenfassung: Tizanidin ist eine etablierte Substanz zur Behandlung einer Spastizität bei Hirn- oder Rückenmarkserkrankungen bzw. -verletzungen. Als Wirkmechanismus wird ein Agonismus an ·2-Adreno-rezeptoren im zentralen Nervensystem angenommen, der zu einer Freisetzungshemmung von Noradrenalin sowohl im Hirnstamm als auch im Rückenmark führt. Tizanidin ist damit ein zentral wirkendes Muskelrelaxans. Darüber hinaus konnte in teils offen, teils kontrolliert durchgeführten klinischen Untersuchungen verschiedener schmerzhafter Erkrankungen u.a. eine Reduktion von akuten Rückenschmerzen und von chronischen Kopfschmerzen vom Spannungstyp durch Tizanidin gezeigt werden.

In der vorliegenden Arbeit wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tizanidin in der prophylaktischen Behandlung von chronischen Kopfschmerzen untersucht. Hauptbedingung für die Aufnahme in die Studie war das Vorliegen von Kopfschmerzen an mindestens 15 Tagen im Monat während der letzten 3 Monate, nicht das Vorliegen einer bestimmten Kopfschmerzerkrankung. Von den letztlich ausgewerteten 39 Patienten (38 Frauen, 1 Mann, im Durchschnitt 22.74 Kopfschmerztage/Monat) erfüllten 33 die IHS-Kriterien einer Migräne mit oder ohne Aura, einer die eines chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp und die restlichen fünf die einer migräneartigen Störung. Eine Kopfschmerzakutmedikation war an maximal 3 Tagen pro Woche während der beiden letzten Wochen vor Studienbeginn erlaubt, um medikamenteninduzierte Kopfschmerzen auszuschließen. Nach einer Baseline-Phase von 4 Wochen erfolgte eine ca. 4-wöchige offene Auftitration von Tizanidin beginnend mit 2 mg bis zur maximal tolerierten Dosis oder einer festgelegten Höchstdosis von 18 mg (auf 3 Tagesdosen verteilt). Im Durchschnitt nahmen die Patienten 13.77 mg Tizanidin täglich ein (Spanne: 4 bis 18 mg). Die gesamte Behandlungsphase betrug 12 Wochen. Sowohl in der Baseline- als auch in der Behandlungsphase dokumentierten die Patienten täglich die durchschnittliche und maximale Schmerzintensität auf einer 6-Punkt-Kategorienskala, die tägliche Kopfschmerzstundenzahl, die maximale funktionelle Behinderung auf einer 4-Punkt-Kategorienskala, den Einsatz von Kopfschmerzakutmedikation und schließlich mittels VAS (0=extrem schlecht, 10=extrem gut) den „generellen Kopfschmerzstatus“, Schlaf, Stimmung, Lebensqualität und Sexualleben. Weiterhin wurden 2 Kopfschmerzindizes errechnet: ein „overall headache index“ als Produkt von Kopfschmerzhäufigkeit x durchschnittlicher Kopfschmerzintensität x durchschnittlicher Kopfschmerzdauer / 28 Tage und ein „peak headache index“ als Produkt von Kopfschmerzhäufigkeit x maximaler Kopfschmerzintensität / 28 Tage. Als „Responder“ wurde jeder Patient gewertet, bei dem es im Vergleich zur Baseline-Phase zu einer Abnahme eines der beiden Kopfschmerzindices oder der Kopfschmerzhäufigkeit um mindestens 50% kam. 9 Patienten (23%) beendeten die Studie vorzeitig, 3 davon wegen Nebenwirkungen.

Am Häufigsten beklagt wurden als unerwünschte Ereignisse Somnolenz (42.5%), Abgeschlagenheit (35%), Mundtrockenheit (25%) und Schwindel (10%). Bei einer Patienten kam es unter der Behandlung zu einem Anstieg der Transaminasen (SGOT 133 U/l) und ÁGT (320 U/l), die nach Absetzten der Behandlung komplett rückläufig waren. Praktisch in allen untersuchten Parametern und berechneten Indices kam es bei den über den gesamten Studienverlauf verbliebenen 30 Patienten zu einer signifikanten Besserung, häufig schon innerhalb der ersten 4 Wochen. So sank die durchschnittliche Kopfschmerzhäufigkeit von 22.4 auf 15.8 Tage und die durchschnittliche Kopfschmerzdauer von 7 auf zuletzt 4 Stunden. Zieht man den „overall headache index“ heran, waren von den (ausgewerteten) 30 Patienten maximal 69.7% (während Woche 5-9) Responder, betrachtet man jedoch nur die Abnahme der Kopfschmerzhäufigkeit, kommt man auf lediglich 37% Responder.

Kommentar: Sicherlich handelt es sich bei der vorliegenden Studie nur um eine nicht kontrollierte Untersuchung mit einer geringen Zahl von nur 39 einbezogenen Patienten. Zu kritisieren ist natürlich die unglückliche Patientenzusammenfassung unter der Diagnose eines „chronic daily headache“, hinter der sich in diesem Fall schon nach Autorenangaben 3 IHS-Kopfschmerzentitäten verbergen. Noch wahrscheinlicher dürfte jedoch bei vielen der Patienten das parallele Vorliegen zumindest zweier unterschiedlicher Kopfschmerzen sein (Migräne und Kopfschmerzen vom Spannungstyp). Auch das Phänomen, dass Kopfschmerzen an 15 Tagen im Monat überhaupt als chronic daily headache bezeichnet werden, bedürfte eigentlich eines Kommentars. Berechtigt erscheint auch die Frage, ob die Vielzahl der statistisch formal signifikant verbesserten Untersuchungsparameter und gerade auch die Ergebnisse in den komplex berechneten Indices für der Praxis relevant sind? Die Einnahmehäufigkeit von Kopfschmerzakutmedikation jedenfalls verringerte sich lediglich von 1,8 auf 1,4 Tage pro Woche im Behandlungsverlauf. Und bei Heranziehen des üblichen „harten“ Parameters Abnahme der Kopfschmerzhäufigkeit um 50% können letztlich gerade 10 von gestarten 39 Patienten als Responder betrachtet werden. Wobei die Verträglichkeit mit einer Somnolenzrate von 42.5% und einer Angabe von Abgeschlagenheit bei 35% der Patienten auch nicht als optimal zu bezeichnen ist.

Was ist dann das eigentlich Bemerkenswerte an dieser Studie? Es ist letztlich die Erkenntnis, dass eine Substanz, die als Muskelrelaxans lange bekannt ist, tatsächlich eine prophylaktische Wirkung bei Migräne haben könnte. Die nötige ausstehende wissenschaftliche Belegung dieser Wirkung in ausreichend großen und kontrollierten Studien einmal ebenso beiseite gelassen, wie mögliche zentrale Wirkmechanismen außerhalb der reinen Muskelrelaxation, finden sich interessante Parallelen zu einer weiteren Substanz, die letztlich primär als Muskelrelaxans bekannt ist und heute Gegenstand von aktuellen Untersuchung zur Kopfschmerzprophylaxe ist – zum Botulinum-Toxin A. Sollte der beiden Substanzen gemeinsame Mechanismus der Muskelrelaxation effektiv in der Prophylaxe von Kopfschmerzen sein, lägen die Vorteile sicherlich eher auf Seiten des Botulinum-Toxin A, ist es doch zum einen gezielter einsetzbar und damit ohne systemische Nebenwirkungen, zum anderen entfiele aufgrund der mehrmonatigen Wirkung die Notwendigkeit der regelmäßigen Tabletteneinnahme. (AHK)


DMKG