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Migräne, Prophylaxe

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4. Migräne, Prophylaxe

****Mathew NT, Rapoport A, Saper J, Magnus L, Klapper J, Ramadan N, Stacey B, Tepper S. Efficacy of gabapentin in migraine prophylaxis. Headache 2001;41:119-128

Zusammenfassung: Gabapentin ist ein neu eingeführtes Antiepileptikum mit einem sehr guten Nebenwirkungsprofil. In seiner Wirksamkeit ist es allerdings anderen Antiepileptika unterlegen. Dies führte dazu, daß die Substanz auch vermehrt für andere Indikationen untersucht wurde, so beispielsweise für neuropathische Schmerzen und zuletzt im Rahmen der Migräneprophylaxe. Hier sind wirksame Substanzen mit wenig Nebenwirkungen sehr erwünscht, da viele Patienten die wirksamen Therapien, beispielsweise mit Betablockern oder Kalziumantagonisten wegen Nebenwirkungen abbrechen. In die prospektive doppelblinde und randomisierte sowie plazebo-kontrollierte Studie wurden 143 Patienten mit Migräne aufgenommen, die im Verhältnis 2:1 zwischen Gabapentin und Plazebo randomisiert wurden. Es wurde zunächst eine vierwöchige Plazebo-Baseline durchgeführt und anschließend eine 12wöchige doppelblinde Behandlungsphase. Gabapentin wurde zunächst über vier Wochen hinweg auftitriert und dann über acht Wochen in einer konstanten Dosis weitergegeben. Die Anfangsdosis betrug 300 mg und die Enddosis 2.400 mg. Gabapentin wurde dreimal täglich appliziert. Das primäre Zielkriterium war die Häufigkeit der Migräneattacken in den letzten vier Wochen der Behandlung bei den Patienten, die 2.400 mg Gabapentin am Tag eingenommen hatten. Diese Periode wurde mit der Baseline-Periode verglichen. Sekundäres Zielkriterium war die Zahl der Responder, d.h. der Patienten, die eine mindestens 50%ige Reduktion der Migräneattacken in den letzten vier Wochen der Behandlung aufwiesen. 98 Patienten erhielten Verum und 45 Patienten erhielten Plazebo. 33 Patienten, dies entspricht 24,1%, brachen die Studie vorzeitig ab. Der häufigste Grund waren Nebenwirkungen. In der Baseline-Phase betrug die durchschnittliche Zahl der Migräneattacken 4,2 in der Verumgruppe und 4,1 in der Plazebogruppe.

Am Ende der 12wöchigen Behandlungsphase war die Häufigkeit der Migräneattacken 2,7/Monat in der Gabapentingruppe und 3,5 in der Plazebogruppe. Der Unterschied war statistisch signifikant. Als Responder konnten 46,4% der Patienten in der Gabapentingruppe und 16,1% in der Plazebogruppe angesehen werden. Hierbei muß allerdings kritisch angemerkt werden, daß nur 56 Patienten in der Gabapentingruppe die Enddosis von 2.400 mg erreichten. Für Patienten, die geringere Dosen von Gabapentin einnahmen, ergab sich keine signifikante Wirkung. Nebenwirkungen waren unter Gabapentin signifikant häufiger als unter Plazebo. Die häufigst genannten Nebenwirkungen waren mit einer Häufigkeit von 20-25% Schwindel, Müdigkeit, Schwäche und Schwächegefühl.

Kommentar: Dies ist die erste, prospektiv durchgeführte plazebo-kontrollierte Studie, die eine Wirksamkeit von Gabapentin bei der Migräneprophylaxe im Vergleich zu Plazebo belegt. Es muß allerdings kritisch angemerkt werden, daß für die Auswertungen nur die Patienten genommen wurden, die die endgültige Enddosis von 2.400 mg Gabapentin am Tag erreichten. Wenn im Rahmen einer intention to treat-Analyse alle Patienten, die Gabapentin eingenommen hatten, ausgewertet würden, ist der Unterschied zu Plazebo nicht mehr signifikant. Wie üblich, muß dieses Ergebnis in einer zweiten plazebo-kontrollierten Studie verifiziert werden. Dann müßten Vergleichsstudien zu den gängigen Prophylaktika, wie beispielsweise Betablockern oder Valproinsäure durchgeführt werden. Gabapentin wurde gut vertragen, die Nebenwirkungsraten sind allerdings, wie üblich bei Migränepatienten, höher als bei Patienten, die wegen einer Epilepsie mit Gabapentin behandelt werden. (HCD)

**Schrader H, Stovner LJ, Helde G, Sand T, Bovim G. Prophylactic treatment of migraine with angiotensin converting enzyme inhibitor (lisinopril): randomised, placebo controlled, crossover study. BMJ 2001;322:19-22

Zusammenfassung: Es gibt eine Vielzahl von Substanzen zur Prophylaxe der Migräne, wobei deren Wirkung in aller Regel zufällig entdeckt wurde, da sie zunächst für andere Indikationen eingesetzt wurden. Dies gilt beispielsweise für die Wirkung der Betablocker zur Prophylaxe der Migräne. Die norwegischen Autoren hatten bei einigen ihrer Frauen, die sie wegen einer Hypertonie mit einem ACE-Hemmer behandelten, eine Abnahme der Migränefrequenz beobachtet und entschlossen sich daher, eine prospektive, plazebo-kontrollierte Studie zum Einsatz des ACE-Hemmers Lisinopril bei der Migräne durchzuführen.

In die Studie wurden Männer und Frauen mit einer Migräne nach den Kriterien der Inernationalen Kopfschmerzgesellschaft im Alter zwischen 18 und 60 Jahren eingeschlossen. Zunächst wurde eine vierwöchige Plazebo-run-in-Phase durchgeführt, in der die Zahl der Migräneattacken registriert wurde. Dann erfolgte über einen Zeitraum von einer Woche die Gabe von 10 mg und über weitere 11 Wochen von 2 x 10 mg Lisinopril. Die Häufigkeit, Schwere und Ausprägung der Attacken wurde in Migränetagebüchern festgehalten. Der primäre Endpunkt war die Zahl der Stunden mit Kopfschmerzen, die Zahl der Tage mit Kopfschmerzen und die Zahl der Tage mit Migräne. In die Studie wurden 60 Patientinnen und Patienten aufgenommen, jeweils 30 in der Verum- und in der Plazebogruppe. Nach dem Crossover in die jeweils andere Therapie standen am Ende für die Auswertung noch die Ergebnisse von 47 Patienten zur Verfügung. Für die primären Wirksamkeitsvariablen ergab sich eine 20%ige Reduktion der Stunden mit Kopfschmerzen, eine 17%ige Reduktion der Tage mit Kopfschmerzen und eine 21%ige Reduktion der Tage mit Migräne. Unter Lisinopril wurden auch signifikant weniger Triptane eingenommen. Die Einnahme von Analgetika veränderte sich nicht. Wurde eine Intention-to-treat-Analyse bei allen Patienten durchgeführt, war der signifikante Effekt bzgl. der Stunden mit Kopfschmerzen nicht mehr vorhanden. Lisinopril wurde gut vertragen. Es kam bei acht Patienten zu dem typischen ACE-induzierten Reizhusten und bei sieben Patienten zu unsystematischem Schwindel.

Kommentar: Diese Studie ist ein typisches Beispiel dafür, daß Ergebnisse zwar statistisch signifikant sein können, klinisch aber weitgehend irrelevant sind. So sind hier die drei Zielparameter, nämlich Reduktion der Stunden mit Kopfschmerzen, der Tage mit Kopfschmerzen und der Tage mit Migräne signifikant, wobei aber eine Reduktion um jeweils 20% klinisch nicht bedeutsam ist. Normalerweise werden für zulassungsrelevante Studien von Medikamenten zur Migräneprophylaxe verlangt, daß die Reduktion der Migräneattacken mindestens 40-50% betragen muß. Außerdem war die Zahl der Patienten in der vorliegenden Studie viel zu gering, um einen definitiven Wirkungsnachweis führen zu können. Erschwerend kommt hinzu, daß Migränetage nicht definiert wurden, d.h. es wurde nicht wie in anderen Studien üblich, verlangt, daß mindestens zwei Stunden ein typischer Migränekopfschmerz vorhanden sein mußte, damit der entsprechende Tag als Migränetag gewertet werden konnte. Zusammengefaßt kann aus dieser Studie keineswegs geschlossen werden (aber auch nicht widerlegt werden), daß ACE-Hemmer zur Behandlung der Migräne wirksam sind. (HCD)


DMKG