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Kopfschmerz-News

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6. Medikamenten-induzierter Kopfschmerz

*** Linton-Dahlöf P, Linde M, Dahlöf C. Withdrawal therapy improves chronic daily headache associated with long-term misuse of headache medication: a retrospective study. Cephalalgia 2000;20:658-662

Zusammenfassung: Die regelmäßige oder häufige Einnahme von Schmerz- und Migränemitteln kann bei Patienten mit Migräne oder Spannungskopfschmerzen zu einem medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz führen. Therapie der Wahl ist der Medikamentenentzug, der sowohl ambulant wie stationär durchgeführt werden kann. In der Kopfschmerzklinik Göteborg in Schweden wurde jetzt eine retrospektive Studie an 101 erwachsenen Patienten durchgeführt, bei denen ambulant eine Entzugstherapie durchgeführt worden war. Es handelte sich um 74 Frauen und 27 Männer im Alter zwischen 16 und 72 Jahren. Die minimalen Dosierungen, die pro Tag an Medikamenten eingenommen wurden, betrugen 1-2 g Acetylsalicylsäure, 1-2 g Paracetamol, 60 mg Coffein, 50 mg Codein, 1 mg Ergotamin oder 200 mg Sumatriptan oral. Die mittlere Häufigkeit der Kopfschmerzen betrug 27 Tage/Monat. Drei Monate nach dem Entzug waren 57 Patienten, dies entspricht 56%, deutlich gebessert, d.h., die Tage mit Kopfschmerzen nahmen um mehr als 50% ab. Über die gesamte Population betrachtet hatten 41% der Patienten 1-10 Tage mit Kopfschmerzen, 37% 11-20 Tage und 22% 21-30 Tage. Patienten, bei denen bei der Kontrolluntersuchung immer noch sehr häufige Kopfschmerzen bestanden, wurden mit Amitriptylin behandelt. Hierbei kam es dann bei der Hälfte der so behandelten Patienten nochmals zu einer deutlichen Besserung der Kopfschmerzhäufigkeit.

Kommentar: Die hier vorgelegte Studie aus Schweden hat den methodischen Nachteil, dass die Informationen retrospektiv erhoben wurden. Dessen ungeachtet stimmen die Ergebnisse aber gut mit denen anderer Studien zum Entzug von Schmerz- und Migränemitteln überein. Bemerkenswert ist hier, dass alle Patienten ambulant von ihren Schmerz- und Migränemitteln entzogen wurden. Die Studie belegt auch, dass bei diesen Patienten durchaus vertreten werden kann, nach dem Entzug zunächst abzuwarten bis dann eine präventive Behandlung beginnt. Bemerkenswert war auch, dass Patienten die Mutterkornalkaloide und Sumitriptan missbrauchten, eine andere Kopfschmerzcharakteristik hatten als Patienten, die täglich Analgetika einnahmen. Bei den Letzteren bestand ein dumpf-drückender Dauerkopfschmerz, bei den Patienten, die Mutterkornalkaloide und Triptane missbrauchten, eine tägliche migräneähnliche Symptomatik. (HCD)

*** Roon KI, Bakker D, van Poelgeest MIE, van Buchem MA, Ferrari MD, Middelkoop HAM. The influence of ergotamine abuse on psychological and cognitive functioning. Cephalalgia 2000;20:462-469

Zusammenfassung: Der Missbrauch von Migräne- und Schmerzmittel ist ein großes Problem in spezialisierten Kopfschmerzambulanzen. Ein Teil der Patienten, die Mutterkornalkaloide oder Triptane missbrauchen, haben kognitive Einschränkungen und sind häufig depressiv verstimmt, wobei dann aber unklar bleibt, ob es sich hier um eine Folge der Medikation oder um eine Fehlverarbeitung im Rahmen der Grunderkrankung handelt. Die holländischen Autoren führten deshalb bei 12 Migränepatienten mit und 12 Patienten ohne Ergotaminmissbrauch sowie 12 gesunden Kontrollen neuropsychologische Tests durch. Ergotaminmissbrauch war definiert als die Einnahme von Mutterkornalkaloiden an mehr als fünf Tagen/Woche für über sechs Monate. Verwendet wurde die Symptomcheckliste 90, die u.a. Depressivität, Somatisierung, Angst, Schlafstörungen und Zwangsgefühle erfasst. Darüber hinaus wurden Aufmerksamkeit, Informationsverarbeitung, Kurz- und Langzeitgedächtnis und kognitive Flexibilität gemessen. Patienten mit Ergotaminmissbrauch hatten pathologische Werte bei der Symptomcheckliste 90 und waren vermehrt depressiv. Zwischen den Migränepatienten ohne Abusus und normalen Kontrollen bestand kein Unterschied. Patienten, die Ergotamin einnahmen, hatten auch eine verminderte Aufmerksamkeit, eine verlangsamte Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, Gedächtnisstörungen und eine geringere kognitive Flexibilität. Bei 7 der 12 Patienten konnte erfolgreich ein Medikamentenentzug durchgeführt werden, bei 5 der 7 Patienten besserten sich in der Folgezeit auch die zuvor beobachteten neuropsychologischen Defizite.

Kommentar: Diese Studie zeigt eindrucksvoll, dass Patienten mit Ergotaminabusus nicht nur vermehrt depressiv sind und ihre Lebensqualität als schlechter empfinden, sondern dass sie auch eindeutig Defizite in Wahrnehmungen und Gedächtnis haben. Beruhigend ist allerdings die Tatsache, dass es sich hier nicht um Strukturänderungen des Gehirns handelt, da der Löwenanteil dieser Ausfälle nach erfolgreichem Medikamentenentzug reversibel war. (HCD)

** Lu SR, Fuh JL, Juang KD, Wang SJ. Repetitive intravenous prochlorperazine treatment of patients with refractory chronic daily headache. Headache 2000; 40: 724-729

Zusammenfassung: Die Behandlung von Patienten mit Chronic Daily Headache (CDH) stellt in der Schmerztherapie nach wie vor ein Problem dar. Zum einen kommt es beim medikamenteninduzierten Kopfschmerz während der Entzugsbehandlung häufig zu einem Entzugskopfschmerz, zum anderen sind z.B. die chronischen Kopfschmerzen vom Spannungstyp häufig therapierefraktär. In einer offenen Studie sind 135 Patienten mit CDH analysiert worden, die zur Behandlung der Kopfschmerzen stationär intravenös Prochlorperazin (ein Neuroleptikum vom Phenothiazintyp) erhalten haben (durchschnittlich 5 bis 10 mg alle 8 Stunden, kumulative Gesamtdosis durchschnittlich 100 mg). 70% der Patienten hatten einen Medikamentenabusus als Ursache der täglichen Kopfschmerzen, 64% wurden als “transformed migraine” und 22% als chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp bezeichnet. Nach 6 Tagen Behandlung waren 63% komplett kopfschmerzfrei und 90% subjektiv gebessert. Nach einem Follow-up von ca. einem Jahr berichteten noch 69% von einer verbesserten Kopfschmerzfrequenz, 32% hatten immer noch tägliche Kopfschmerzen. Von den Patienten mit Medikamentenabusus hatten 30% einen Rückfall nach erfolgreichem Entzug. 16% der Patienten berichteten extrapyramidale Störungen als Nebenwirkungen der Therapie. Die Autoren schließen, dass Prochlorperazin eine effektive und sichere Maßnahme zur Behandlung von täglichen Kopfschmerzen in einem stationären Setting ist. Der Langzeiterfolg ist nach ihrer Einschätzung vergleichbar zu dem von Dihydroergotamin.

Kommentar: Die Studie zeigt, dass Patienten mit einem täglichen Kopfschmerz nach regelmäßigen Infusionen mit Prochlorperazin eine subjektive Besserung ihrer Kopfschmerzen erfahren. Da dies eine offene und nicht kontrollierte Untersuchung ist, können darüber hinaus keine Aussagen gemacht werden. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, ob es sich hier um einen spezifischen Effekt der Substanz oder mehr um einen allgemeinen Effekt einer stationären Infusionsbehandlung (incl. Medikamentenentzug) handelt. Interessanterweise ist die Rückfallquote von Patienten mit täglichen Kopfschmerzen aufgrund eines Medikamentenabusus nach einem Jahr mit 30% ungefähr so hoch wie in allen anderen publizierten Katamnesen zu diesem Problem. Alternative Substanzen, die zur intravenösen Behandlung des CDH untersucht worden sind, sind Dihydroergotamin und Cortison. Hierzu liegen besser kontrollierte Studien vor, so dass Prochlorperazin derzeit nicht als erste Wahl empfohlen werden kann. Wichtig sind doppelblinde, placebokontrollierte Studien zur Erforschung der tatsächlichen Wirksamkeit dieser Substanzen in der akuten Behandlung des CDH. (SE)


DMKG