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Kopfschmerz-News

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02. Migräne, Klinik

** Kuritzky A, Mazeh D, Levi A. Headache in schizophrenic patients: a controlled study. Cephalalgia 1999;19:725-727.

Kommentar: In der Kopfschmerzklassifikation der IHS von 1988 sucht man vergebens nach einer Hauptgruppe “Kopfschmerz bei psychiatrischen Erkrankungen”. Gänzlich wollten die Autoren dieser Consensus-Klassifikation die Existenz eines symptomatischen Kopfschmerzes verursacht durch eine psychiatrische Erkrankung wohl dennoch nicht ausschließen, schufen sie doch die Möglichkeit, zumindest bei Kopfschmerzen vom Spannungstyp einen most likely causative factor, d.h. einen höchst wahrscheinlich ursächlichen Faktor, anzugeben. Im einzelnen aufgeführt werden hier u.a. Kopfschmerzen vom Spannungstyp bei Depression, bei einer Angststörung bzw. Kopfschmerzen vom Spannungstyp als Wahnvorstellung oder Idee. Vor diesem Hintergrund der diagnostischen und damit letztlich auch therapeutischen Unsicherheit, ist natürlich eine Arbeit, die sich mit Kopfschmerzen bei Patienten mit einer Schizophrenie befaßt, von grundsätzlichem Interesse. Leiden Patienten mit einer Schizophrenie – wie häufig beschrieben – seltener unter Kopfschmerzen, unterscheiden sich die geklagten Kopfschmerzen phänomenologisch von denen psychisch gesunder Kopfschmerzpatienten oder sind es letztlich doch nur überwiegend Migräne und Kopfschmerzen vom Spannungstyp in der gleichen Häufigkeit wie in der Normalbevölkerung im Sinne einer unabhängigen Komorbidität?

In der vorliegenden Arbeit wurden 108 Patienten mit einer chronischen Schizophrenie (DSM III-R, mindestens 2jährige Behandlung) hinsichtlich ihrer Kopfschmerzanamnese mittels Fragebogen befragt und die erhobenen Informationen mit denen einer Kontrollgruppe von 100 “normalen” Personen verglichen. Als Ergebnis fanden sich signifikante Unterschiede zwischen beiden Gruppen weder für die Häufigkeit von Kopfschmerzen überhaupt, noch für die Häufigkeit von Migräne, chronischen oder episodischen Kopfschmerzen vom Spannungstyp. Anscheinend konnten alle untersuchten Patienten und Kontrollpersonen diesen Kopfschmerzdiagnosen zugeordnet werden. Die Patienten mit Schizophrenie wiesen lediglich eine höhere Kopfschmerzfrequenz auf (genaue Erläuterungen fehlen hier leider) bei gleicher Intensität. Die Autoren heben hervor, dass 40 % der von Kopfschmerzen betroffenen Patienten mit einer Schizophrenie über ihre Kopfschmerzen nie geklagt hätten, was frühere Untersuchungen erklären könne, bei denen Kopfschmerzen bei Schizophrenen seltener beschrieben wurden. Leider wurde die Kontrollgruppe zu diesem Punkt nicht befragt, was eine Interpretation der Bedeutung dieser Zahl erschwert, eigentlich sogar verhindert.

Kommentar: Die Studie kann letztlich hinsichtlich der Existenz symptomatischer Kopfschmerzen bei psychiatrischen Erkrankungen keinen weiteren Aufschluß bieten. Neben einer genauen Beschreibung der Kopfschmerzen im Einzelfall fehlen einfache Angaben zur Behandlung der Patienten. Schon allein Informationen über den Einfluß einer neuroleptischen Behandlung auf die Kopfschmerzen bei den Patienten mit einer Schizophrenie wären von größter Wichtigkeit. Der eigentliche Wert dieser Studie liegt darin, jedem Arzt zu verdeutlichen, dass primäre Kopfschmerzen mit jeder anderen Erkrankung, auch psychiatrischen, kombiniert auftreten können und jeder Patient einen Anspruch auf eine gezielte Behandlung hat. (AHK)

**** Kallela M, Wessman M, Färkillä M, Palotie A, Koskenvuo M, Honkasalo ML, Kaprio J. Clinical characteristics of migraine concordant monozygotic twin pairs. Acta Neurol Scand 1999;100:254-259.

Zusammenfassung: Die genetischen Grundlagen der Migräne sind in den letzten Jahren zunehmend erforscht worden und haben zur Entdeckung von Mutationen im Gen für die Calciumkanal-Untereinheit CACN1A1 als Ursache der familiären hemiplegischen Migräne (FHM), von weiteren Loci für die FHM und von Hinweisen für eine Kopplung anderen Formen der Migräne als der FHM auf den Locus der FHM geführt. Bislang ist jedoch noch ungeklärt, welche Bedeutung diese genetischen Veränderungen in der Pathophysiologie der Migräneattacke haben. Hier können Zwillingsstudien hilfreich sein, die bereits im Vorfeld der molekularbiologischen Untersuchungen deutliche Hinweise auf eine genetische Ursache der Migräne geliefert haben, indem sie nämlich einheitlich zeigen konnten, dass die Konkordanzrate für monozygote Zwillinge mit Migräne bei ca. 0,3 liegt und damit doppelt so hoch wie die für heterozygote Zwillinge. Die finnische Arbeitsgruppe um Honkasalo, die bereits 1995 eine umfangreiche Studie zur Konkordanz der Migräne bei Zwillingen vorgelegt hatte, hat nun einen interessanten Ansatz gewählt, um zu ermitteln, wieweit genetische Faktoren für die tatsächliche Ausprägung der Migränesymptome eine Rolle spielen. Sie hat 51 konkordante monozygote Zwillinge mit Migräne erfaßt und die klinischen Charakteristika analysiert. Bemerkenswerterweise zeigen die Ergebnisse sehr heterogene Befunde innerhalb einzelner Zwillingspaare. So konnten zwar 20 Zwillingspaare mit Konkordanz für Migräne mit Aura und 6 Zwillingspaare mit Konkordanz für Migräne ohne Aura ermittelt werden. In 12 Zwillingspaaren kam es jedoch zu einem “Mix” zwischen den beiden Migräneformen und bei immerhin 13 Zwillingspaaren konnte die Migräneform nicht eindeutig ermittelt werden. Die Auracharakteristika zeigten eine hohe Übereinstimmung bei Zwillingen (v.a. die Fortifikationsspektren). Die eigentlichen Kopfschmerzcharakteristika wie Intensität, Dauer der Attacke und Übelkeit als Begleitsymptom zeigten ebenfalls noch eine gute Konkordanz. Dagegen war die Halbseitigkeit der Kopfschmerzen ein Symptom mit sehr geringer Konkordanz.

Kommentar: Insgesamt zeigt die Studie, dass die klinischen Merkmale der Migräne nur zu einem Teil auf die genetische Grundlage zurückgeführt werden können. Die genetische Ursache der Migräne scheint größere Bedeutung in der eigentlichen Veranlagung für die Entstehung der Migräneattacke, d.h. für den paroxysmalen Charakter, zu haben als für die eigentlichen klinischen Symptome. Die Autoren folgern daraus, dass möglicherweise weitere Loci für die Migräne bestehen und dass es sich dadurch um eine heterogenetische Erkrankung handelt, deren Ausprägung von erworbenen Faktoren abhängt. Gerade die letzte Schlußfolgerung ist vor dem Hintergrund der aus statistischer Sicht problematisch kleinen Fallzahl sehr spekulativ. Dies mindert jedoch nicht den Wert der Arbeit, die immerhin über 50 konkordante monozygote Zwillinge mit Migräne zusammengetragen hat. (SE)


DMKG