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Kopfschmerz-News

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11. Andere Kopfschmerzen

** Linn FHH, Rinkel GJE, Algra A, van Gijn J (1999) Follow-up of idiopathic thunderclap headache in general practice. J Neurol 246: 946-948.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem Kopfschmerz, der nicht sehr bekannt ist und bislang auch noch keinen Eingang in die Klassifikation der International Headache Society gefunden hat; bislang gibt es auch noch keine einheitliche deutschsprachige Übersetzung des sehr anschaulichen Begriffs “thunderclap headache” (etwa: Donnerschlag-Kopf-schmerz). Dennoch ist dieser Kopfschmerz nicht sehr selten, so konnte die niederländische Arbeitsgruppe in dieser Studie immerhin 93 Patienten mit dieser Kopfschmerzart über im Median 5 Jahre nachverfolgen. Unter einem “thunderclap headache” versteht man einen innerhalb einer Minute entstehenden, fast explosionsartig auftretenden sehr heftigen Kopfschmerz, der zumeist beiderseits im Nacken lokalisiert ist.

Der Kopfschmerz tritt im allgemeinen ohne fokalneurologische Symptome auf und klingt innerhalb von Stunden wieder ab. Entscheidend für die Diagnose ist, daß andere Ursachen solcher Kopfschmerzen, insbesondere die Subarachnoidalblutung, mit adäquaten Methoden ausgeschlossen sind. Die meisten Autoren sind sich inzwischen einig, daß es sich bei dieser Form des “thunderclap headache” um eine idiopathische Kopfschmerzform handelt. Ziel dieser Studie war es, in einer Nachbeobachtung von Patienten mit “thunderclap headache” den Einfluß dieser Kopfschmerzen auf die Lebensqualität und auf die allgemeine Lebensführung zu ermitteln. Aus früheren Studien, die z.T. von derselben Arbeitsgruppe vorgelegt worden sind, weiß man, daß dieser Kopfschmerz nur selten rezidiviert, daß er nicht mit anderen neurologischen Erkrankungen assoziiert ist und daß auch die Frequenz anderer idiopathischer Kopfschmerzen dabei nicht erhöht ist. Von den insgesamt 93 Patienten der Studie hatte dementsprechend keiner eine Subarachnoidalblutung gehabt, nur 8 zeigten ein Rezidiv und nur 13 entwickelten einen anderen idiopathischen Kopfschmerz.

Besonderes Augenmerk wurde auf die soziale Situation der Patienten nach dem Kopfschmerz gelegt. Dies wurde über eine sehr einfaches Interview der Hausärzte durchgeführt, in dem lediglich nach der Abhängigkeit von Sozialhilfe, nach kopfschmerzbedingten Ausfällen am Arbeitsplatz und nach der Einschätzung des Hausarztes, ob die sozialen Funktionen nach dem Kopfschmerz noch genauso ausgeübt werden können wie vorher, gefragt wurde. Hier bietet die Studie nur sehr wenige indirekt erhobene Daten, die keinerlei Aussage über die wirkliche Lebensqualität und soziale Situation von Patienten mit “thunderclap headache” zulassen. Es ist auch nachzufragen, inwieweit eine zumeist einmalige Episode heftiger Kopfschmerzen für einige Stunden noch 5 Jahre nach dem Ereignis relevante Auswirkungen auf die Lebensführung haben soll. Im übrigen werden nur Ergebnisse bestätigt, die von derselben Arbeitsgruppe wie auch von anderen bereits mit sehr ähnlichen Zahlen publiziert worden sind. Verdienstvoll ist es jedoch, immer wieder auf diese Kopfschmerzart hinzuweisen, die sicherlich noch unterdiagnostiziert wird. (SE)

**** Peyron R, García-Larrea L, Grégoire M-C, Costes N, Convers P, Lavenne F, Mauguière F, Michel D, Laurent B (1999) Haemodynamic brain responses to acute pain in hmuans – sensory and attentional networks. Brain 122: 1765-1779.

In den letzten Jahren gibt es eine exponentiell steigende Zahl von Publikationen, in denen unterschiedliche Schmerzverarbeitungsprozesse mit Hilfe der funktionellen Bildgebung untersucht werden. Fast allen Publikationen ist gemeinsam, dass die beobachteten Veränderungen des regionalen cerebralen Blutflusses interpretiert werden als zentralnervöse Repräsentation oder Verarbeitung “des Schmerzes”.

Im Gegensatz dazu untersuchten Peyron et al. unterschiedliche Komponenten der Schmerzverarbeitung. Die Autoren weisen darauf hin, dass es mindestens drei Komponenten der Schmerzverarbeitung gibt: 1. die senisbel-diskriminative Komponente (Analyse von Schmerzlokalisation, Schmerzintensität, Dauer der Schmerzreizes), 2. die affektiv-emotionale Komponente (das subjektive Empfinden eines unangenehmen Reizes) und 3. die kognitiv-evaluative Komponente (Erinnerung an vergangenes Schmerzerleben, Erwartung eines neuen Schmerzreizes, selektive Aufmerksamkeit zum Schmerzreiz hin- oder vom Schmerzreiz weggerichtet). Durch systematische Variation ihrer Untersuchungsbedingungen konnten die Autoren einzelne Komponenten dieser Schmerzverarbeitung voneinander trennen. In der Studie wurden 12 gesunde Versuchspersonen mittels Positronen-Emissions-Tomographie untersucht. Der Schmerzreiz wurde über eine Thermode auf den Handrücken der rechten bzw. linken Hand appliziert, wobei die Blutflußveränderungen, die durch die erste (sensibel-diskriminative) Komponente bedingt sind, beschränkt waren auf vordere Anteile der Insula beidseits und das sekundär somatosensible Areal (SII) beidseits. Die ungerichtete Aufmerksamkeit (“arousal”) führte zu einer Aktivitätszunahme im oberen Hirnstamm und Thalamus beidseits. Die gerichtete Aufmerksamkeit führte zu Blutflußveränderungen im präfrontalen und parietalen Kortex. Die Autoren betonen, dass die Interpretation von Befunden funktionell bildgebender Verfahren mindestens diese drei Komponenten der Schmerzverarbeitung berücksichtigen sollten und dass unterschiedliche und widersprüchliche Ergebnisse früherer Studien neben dem Studiendesign zu einem großen Anteil auf Unterschieden dieser einzelnen Komponenten beruhen.

Zusammenfassend handelt es sich um eine übersichtliche, gut verständliche und sehr lesenswerte Arbeit für alle, die an der Pathophysiologie der zentralnervösen Schmerzverarbeitung interessiert sind. Kritisch anzumerken ist lediglich (wie bei vielen Studien dieser Art), dass die klinische Relvanz der Erkenntnisse zu wenig gewürdigt wird. (MJ)


DMKG