11. andere Kopfschmerzen
*** Moreau Th, Manceau E, Giroud-Baleydier F, Dumas R, Giroud M (1998) Headache in hypothyroidism. Prevalence and outcome under thyroid hormone therapy. Cephalalgia 18:687-689.
Endokrinologische Ursachen von Kopfschmerzen, wie z.B. der Menstruations-Zyklus sind schon lange bekannt. Auch der Zusammenhang zwischen Hypothyreose und Kopfschmerzen ist bereits beschrieben worden. Ziel dieser Studie war, die Prävalenz von Kopfschmerzen bei Hypothyreose und das Ansprechen dieser Kopfschmerzen auf eine Schilddrüsen-Hormon-Therapie zu untersuchen.
102 Patienten mit einer neu diagnostizierten Hypothyreose wurden in die Studie integriert und mit einer durchschnittlichen Dosis von 100ug L-Thyroxin/die substituiert. Die Wirksamkeit der Hormon-Therapie wurde anhand der klinischen Besserung nach 15 Tagen und anhand sich normalisierender TSH-Werte nach 6 Wochen bemessen. Das Resultat der Therapie bezogen auf die Kopfschmerzen wurde anhand der Frequenz und Schwere der Attacken nach 12 Monaten beurteilt.
Bei 31 von 102 Patienten traten Kopfschmerzen auf, wobei es sich in den ganz überwiegenden Fällen um einen leichten, nicht-paroxysmalen, weniger als 72 Stunden andauernden, bilateralen, nicht-pusierenden Kopfschmerz ohne vegetative Begleitsymptomatik handelte, der gut auf Acetylsalicylsäure ansprach und im Schnitt 2 Monate nach Manifestation der Hypothyreose auftrat. Bei 12 von 31 Patienten lag eine Migräne in der Vorgeschichte vor, wobei auf diese Vorgeschichte nicht näher eingegangen wird, etwa ob es sich z.T. um die Patienten handelte, bei denen auch jetzt ein einseitiger pulsierender Kopfschmerz bestand. In 4 der 31 Fälle ließ sich eine postive Familienanamnese bzgl. einer Migräne eruieren. In 18 Fällen kam es 15 Tage nach Beginn der Hormontherapie zu einer Abnahme der Kopfschmerz-Dauer und -Intensität. In 13 Fällen sistierte der Kopfschmerz innerhalb des 12-Monate follow-up. Leider wurde die Änderung der Kopfschmerzstärke nicht quantifiziert. Bei 71 von 102 traten keine Kopfschmerzen auf, wobei bei 11 Patienten eine Migräne in der Vorgeschichte vorlag und bei ebenfalls 11 Patienten eine positive Familienanamnese zu erheben war.
Die Autoren gehen von einem direkten Zusammenhang zwischen einer Hypothyreose und dem Auftreten unspezifischer Kopfschmerzen aus, wobei dieser Kopfschmerz auf eine Hormonsubstitutions-therapie anspricht. Von den Autoren selbst wird angeführt, daß die hohe Rate einer Migränevorgeschichte innerhalb der Kopfschmerzgruppe (39,8% im Vergleich zu 15,4% innerhalb der Gruppe ohne Kopfschmerzen) möglicherweise auf eine Rolle der Hypothyreose bei der Verschlechterung vorbestehender Kopfschmerzen schließen läßt. Gleichsam verneinen die Autoren das Vorliegen eines systematischen Fehlers, indem sie darauf aufmerksam machen, daß die Prozentzahl positiver Familienanamnesen bzgl. Migräne in beiden Gruppen in etwa gleich hoch war.
In Bezug auf die pathophysiologischen Mechanismen gehen die Autoren von einem metabolischen oder vaskulären Prozeß aus, wobei die Pathophysiologie nicht in ihrem Hauptinteresse lag. Aufgrund der hohen Rate von Migränepatienten in der Gruppe der Patienten mit Hypothyreose und Kopfschmerzen kann anhand dieser Studie nicht sicher zwischen einer Verschlechterung vorbestehender Kopfschmerzen oder dem eindeutigen Neuauftreten von Kopfschmerzen durch eine Hypothyreose unterschieden werden. (PM)
** Zakrzewska JM, Jassim S, Bulman JS (1999) A prospective, longitudinal study on patients with trigeminal neuralgia who underwent radiofrequency thermocoagulation of the Gasserian ganglion. Pain 79:51-58.
Bei der typischen Trigeminusneuralgie kommt es zu blitzartigen, einschießenden, triggerbaren Schmerzen in einen oder mehrere Trigeminusäste. Nach mehreren Jahren kann sich der Schmerzcharakter ändern, und zusätzlich kann ein dumpf-drückender Gesichtsschmerz auftreten, der in seiner Charakteristik dem atypischen Gesichtsschmerz ähnelt. Patienten, die bezüglich einer medikamentösen Therapie refraktär sind, können neurochirurgisch behandelt werden, wobei alternativ die mikrovaskuläre Dekompression nach Janetta oder die Thermokoagulation des Ganglion Gasseri zur Verfügung stehen.
Die vorliegende Studie ist eine der wenigen Studien, die prospektiv den Erfolg der Thermokoagulation untersuchte. Die Studie umfaßte alle Patienten, die in den Jahren 1989 bis 1992 in einer neurochirurgischen Abteilung in London wegen einer Trigeminusneuralgie operativ behandelt worden waren.
Insgesamt wurden 48 Patienten eingeschlossen. Einunddreissig Patienten hatten eine “reine” Trigeminusneuralgie und 17 hatten eine Mischung einer Trigeminusneuralgie mit einem atypischen Gesichtsschmerz. Die mittlere Beobachtungszeit betrug 30 Monate. Alle Patienten waren therapierefraktär unter einer medikamentösen Therapie mit Carbamazepin und/oder Phenytoin. Alle Patienten füllten vor und in regelmäßigen Abständen nach der Operation den McGill-Pain-Questionnaire aus und einen weiteren Fragebogen, der für Patienten im Krankenhaus konstruiert wurde und Angst und Depressionen mißt (Hospital Anxiety and Depression Scale). Bei allen Patienten wurde eine Thermokoagulation des Ganglion Gasseri vorgenommen. Nachuntersuchungen erfolgten nach 3 und 6 Monaten sowie nach 1, 2 und 3 Jahren.
Die Operation war zunächst bei allen Patienten erfolgreich. Nach einer mittleren Zeit von 40 Monaten kam es bei 12 der 31 Patienten, die unter einer reinen Trigeminusneuralgie litten, zum Wiederauftreten der Trigeminusneuralgie. In der Gruppe der Patienten, die eine Trigeminusneuralgie gemischt mit einem atypischen Gesichtsschmerz hatten, kam es zu 6 Fällen wiederauftretender Neuralgien mit einem mittleren Zeitintervall von 36 Monaten. In der Gruppe der Patienten mit einer Trigeminusneuralgie hatten 6 eine leichte Depression und 7 eine schwere Depression. Postoperativ war bei fast allen Patienten die Depression abgeklungen.
Im Gegensatz dazu hatten 9 der 11 Patienten in der Gruppe mit gemischtem Gesichtsschmerz präoperativ eine Depression. Diese besserte sich zwar nach der Operation, ein Großteil der Patienten blieb aber trotz eines guten Operationserfolges depressiv.
Die hier vorgelegte Studie ist ein typisches Beispiel dafür, daß bei operativen Eingriffen mit ganz anderen Maßstäben gemessen wird als bei der konservativen Therapie. Es ist durchaus nachzuvollziehen, daß bei Patienten mit therapierefraktärer Trigeminusneuralgie keine Placebo-Gruppe gebildet wurde. Nicht nachzuvollziehen ist allerdings, warum bei den Patienten mit einer Mischung aus Trigeminusneuralgie und atypischem Gesichtsschmerz nicht versucht worden war, die chronische Schmerzkomponente medikamentös zu beeinflussen. Hier hätte sich zumindest ein randomisiertes Design mit Thermokoagulation plus trizyklischen Antidepressiva im Vergleich zu Thermokoagulation allein angeboten.
Die Studie zeigt allerdings zum ersten Mal, daß bei Patienten mit einer Mischung aus Trigeminusneuralgie und atypischem Gesichtsschmerz sich zumindest die Neuralgie durch eine Thermokoagulation des Ganglion Gasseri beeinflussen läßt, während der Dauerschmerz unbeeinflußt bleibt.
Die Studie zeigt auch, dass sich eine Begleitdepression, die beim atypischen Gesichtsschmerz sehr häufig ist, durch den operativen Eingriff nicht beeinflussen läßt. Ein weiterer Kritikpunkt an der vorliegenden Studie ist, daß die Patienten nicht systematisch nachbetreut wurden. So wurde beispielsweise Patienten, die unter Depressionen litten, keine strukturierte medikamentöse oder gesprächstherapeutische Therapie angeboten.
Eine wichtige Lektion aus der vorliegenden Studie ist allerdings, daß zur Evaluation des Therapieerfolges nach Thermokoagulation des Ganglion Gasseri nicht nur die Parameter Schmerzfreiheit und Wiederauftreten der Schmerzen benutzt werden sollten, sondern auch subjektive Skalen, die das Empfinden und Befinden der Patienten wiederspiegeln. (HCD)
***** Tölle TR, Kaufmann T, Siessmeier T, Lautenbacher S, Berthele A, Munz F, Zieglgänsberger W, Willoch F, Schwaiger M, Conrad B, Bartenstein P (1999) Region-specific encoding of sensory and affective components of pain in the human brain: a positron emission tomography correlation analysis. Ann Neurol 45:40-47
Bei der PET-Arbeit aus der Neurologischen Universitätsklinik der TU in München, die in Zusammenarbeit mit der Nuklearmedizin und dem Max-Planck-Institut in München entstand, geht es primär nicht um Kopfschmerzen sondern um allgemeine Schmerzen. Die Arbeit ist aber für das Verständnis der zentralen Schmerzrepräsentation außerordentlich wichtig.
Die Arbeitsgruppe benutzte 12 männliche Freiwillige, bei denen mit Hilfe einer Kontaktthermode am rechten Unterarm kontrollierte Schmerzreize appliziert wurden. Die Versuchspersonen skalierten den Schmerz nach Intensität und dem Ausmaß, in dem der Schmerz unangenehm war. Während der Stimulation wurden Positronen-Emissions-tomographische Messungen mit radioaktiv markiertem Wasser durchgeführt. Die Autoren konnten eindeutig die Kodierung der Schmerzintensität neuroanatomisch von der affektiven Komponente des Schmerzes trennen. Die Schmerzintensität wird im periventrikulären Grau und im hinteren Cingulum kodiert. Der affektive Teil wird im vorderen Cingulum kodiert. Die Schmerzschwelle korreliert mit Aktivität im frontalen Cortex und im Thalamus.
Dies ist die erste große PET-Studie, die beim Menschen wichtige funktionelle und neuroanatomische Aspekte der zentralen Schmerzverarbeitung darstellt. (HCD) **Flaatten H, Kråkenes J, Vedeler C (1998) Post-dural puncture related complications after diagnostic lumbar puncture, myelography and spinal anaesthesia. Acta Neurol Scand 98: 445-451.
In einer prospektiven Studie hatten die Autoren untersucht, ob sich in drei diagnostisch-therapeutischen Settings die Häufigkeit und der Schweregrad postpunktioneller Kopfschmerzen unterscheidet.
Dabei wurde bei 659 Patienten über einen Fragebogen Auftreten und Schweregrad der Kopfschmerzen abgefragt. Ferner wurden weitere typische Symptome wie Rückenschmerzen, Übelkeit und andere Beschwerden erfaßt. Die Settings waren die diagnostische Lumbalpunktion (N=172), die Myelographie (N=168) und die Spinalanästhesie (N=197). Alle drei Prozeduren wurden mit konventionellen Quincke-Nadeln vorgenommen, die Nadelgröße variierte jedoch. Liquor wurde ausschließlich bei der diagnostischen Lumbalpunktion entnommen.
Wenig überraschend ist das Ergebnis, daß bei dieser Prozedur die Häufigkeit und der Schweregrad der postpunktionellen Kopfschmerzen am größten ist, die Myelographie an zweiter Stelle folgt und die Spinalanästhesie in den seltensten Fällen Kopfschmerzen erzeugte. Warum im Jahre 1996 in einem hochentwickelten Industrieland wie Norwegen diagnostische Lumbalpunktionen mit Quincke-Nadeln vorgenommen werden, entzieht sich allerdings unserer Kenntnis. Zu dieser Zeit lagen ausreichende Publikationen und ausreichende klinische Erfahrungen vor, einen Patienten mit sogenannten Sprotte-Nadeln zu punktieren.
So wurde praktisch zur gleichen Zeit wie die vorliegende Arbeit eine weitere doppelblinde Untersuchung zum Vergleich der atraumatischen gegenüber der Quincke-Nadel vorgelegt, die eine deutliche Überlegenheit der atraumatischen Nadel zeigt (Cephalalgia 18: 635-637). Es fällt ferner auf, daß für die Lumbalpunktion relativ dicke 19-G-Nadeln verwendet wurden. Neben diesem erwähnten Mangel, der bei einer zehn Jahre früher publizierten Arbeit nicht ins Gewicht gefallen wäre, fällt als zweites auf, daß die gegebene Literaturübersicht auf den ersten Blick sehr dürftig erscheint, nachdem eine Flut von Publikationen zum postpunktionellen Kopfschmerz existiert. Doch hatten die Autoren nur zur Myelographie eine deutschsprachige Arbeit übersehen. Das zeigt zwar, daß die Flut von Publikationen wenig Substantielles enthält, und die wenigen substantiellen Arbeiten auch aufgeführt sind, zeigt aber auch, daß die letzte Schlußfolgerung der Autoren, man möge atraumatische Nadeln verwenden, von einer überraschenden Trivialität ist. (GA)
*** Kessels RPC, Keyser A, Verhagen WIM, van Luijtelaar ELJM (1998) The whiplash syndrome: a psychophysiological and neuropsychological study towards attention. Acta Neurol Scand 97: 188-193.
Patienten, die ein sog. HWS-Schleudertrauma erlitten haben, klagen über Aufmerksamkeitsstörungen und erhöhte Geräuschempfindlichkeit. Ausgehend von diesen Beobachtungen wurde der Versuch unternommen, bei 24 Patienten mit chronischem posttraumatischem Syndrom (mit einer mittleren Dauer von 2,9 Jahren) die Aufmerksamkeitsstörungen testpsychologisch mit Hilfe des PASAT (Paced Auditory Serial Addition Task) zu objektivieren sowie mit Hilfe des akustischen Startle Reflexes ein neurophysiologisches Korrelat der erhöhten Geräuschempfindlichkeit nachzuweisen.
Die Ergebnisse der Patientengruppe wurden mit einer gesunden Kontrollgruppe (N = 21) verglichen. Die Patienten zeigten signifikant erniedrigte Aufmerksamkeitsleistungen, darüberhinaus in den Scores von Symptom-Checklisten (Symptom Checklist, SCL-90) und Selbsteinschätzungsfragebögen (Profile of Mood States, POMS) eine signifikant erhöhte Erschöpfbarkeit, Ängstlichkeit, depressive Verstimmung, Schwierigkeiten in der kognitiven Verarbeitung, Somatisierungstendenz und Zeichen des “Psychoneurotizismus”. Auffällige Veränderungen des akustischen Startle Reflexes als Ausdruck einer möglicherweise erhöhten Geräuschempfindlichkeit konnten in der Patientengruppe nicht gefunden werden.
Die Studie zeigt, daß die Hirnstamm mediierten Reflexanteile des “Startle” Reflexes nach einer HWS-Beschleunigungs-verletzung nicht beeinträchtigt sind. Darüberhinaus bestätigen die Ergebnisse bekannte Aufmerksamkeitsdefizite und psychopathologische Auffälligkeiten bei “Schleudertrauma-Patienten”. Als eine mögliche Ursache der (neuro)-psychologischen Auffälligkeiten wird das chronische Schmerzsyndrom angesehen. (MK)
*** Skargren EI, Öberg BE (1998) Predictive factors for 1-year outcome of low-back and neck pain in patients treated in primary care: comparison between the treatment strategies chiropractic and physiotherapy. Pain 77: 201 – 207.
In der vorliegenden Studie wurden 323 Patienten mit Kreuz- oder Nackenschmerz prospektiv über einen Beobachtungszeitraum von 1 Jahr untersucht. Der Effekt einer physiotherapeutischen versus chiropraktischen Behandlung auf den Kreuz- und Nackenschmerz wurde vergleichend untersucht.
Zielgrößen waren der absolute Grad der schmerzbedingten Beeinträchtigung bzw. das Ausmaß der Besserung der Beeinträchtigung. Mittels multipler Regressionsanalyse ergaben sich 5 (signifikante) prognostisch ungünstige Faktoren: Dauer der akuten Schmerzsymptomatik zum Behandlungsbeginn, Grad der schmerzbedingten Beeinträchtigung zum Behandlungsbeginn, Erwartungen der Patienten in die Behandlung, Zahl der unterschiedlichen Schmerzlokalisiationen und die subjektive Befindlichkeit. Je länger der Kreuz- und Nackenschmerz anhielt, je höher der Grad der schmerzbedingten Beeinträchtigung war, je negativer die Erwartungen bezüglich. eines Behandlungserfolges waren, je mehr Schmerzlokalisationen angegeben wurden und je schlechter die initiale Befindlichkeit war, umso ungünstiger war die Prognose bezüglich der Kreuz- und Nackenschmerzbesserung. Bei 12% der Patienten der untersuchten Population waren mindestens 4 prognostisch ungünstige Faktoren zum Behandlungsbeginn gegeben. Zwischen chiropraktischer Behandlung einerseits und krankengymnastischer Behandlung andererseits ergaben sich im Gruppenmittel keine signifikanten Unterschiede bezügl. der schmerzlindernden Behandlungseffekte.
Die Studie zeigt die fehlende Überlegenheit chiropraktischer Maßnahmen im Vergleich zur Physiotherapie und beschreibt erstmals 3 prognostisch ungünstige Faktoren bei Kreuz- und Nackenschmerzen (Schmerzlokalisationen, Behandlungserwartungen, Befindlichkeit). Lediglich eine Subgruppenanalyse der Studie weist darauf hin, das Patienten mit akutem Kreuz- und Nackenschmerz, der nicht länger als 1 Woche besteht, mehr von chiropraktischen Maßnahmen profitieren, wo hingegen Patienten mit länger als 1 Monat anhaltenden Schmerzen eher von krankengymnastischer Therapie profitieren.
Die Studie gibt dem betreuenden Arzt neue Faktoren an die Hand, aufgrund derer die Prognose des Kreuz- bzw. des Nackenschmerzverlaufes abgeschätzt werden kann. Sind bei einem Patienten eine Häufung prognostisch ungünstiger Faktoren gegeben, sollte frühzeitig mit einem multimodalen Schmerzbehandlungskonzept z.B. inclusive schmerzpsychotherapeutischer Maßnahmen begonnen werden. (MK)
***Ingebrigtsen T, Waterloo K, Marup-Jensen S, Attner E, Rommer B (1998) Quantification of post-concussion symptoms 3 months after minor head injury in 100 consecutive patients. J Neurol 245: 609 – 612.
Die Autoren untersuchten nach klinischen Kriterien und mit Hilfe einer graduierten Symptom-Checkliste (Rivermead Postconcussion Symptoms Questionnaire, RPQ) das posttraumatische Syndrom nach einem leichtgradigen Schädel-Hirn-Trauma (SHT) 3 Monate nach dem Ereignis.
100 Patienten mit leichtgradigem SHT (Glasgow Koma Skala 14/15) mit anamnestisch gesicherter Erinnerungslücke, fehlenden neurologischen Defiziten und unauffälligen CT- Befunden wurden 3 Monate nach dem Unfall nachuntersucht. Zu diesem Zeitpunkt litten noch 40% der Verunfallten an einem posttraumatischen Syndrom. 42% der Patienten gaben zumindest 1 oder mehr Beschwerden an. Die häufigsten Beschwerden waren Kopfschmerzen (42%), Merkfähigkeits- und Gedächtnisstörungen (36%), Ermüdung und Erschöpfbarkeit (30%) sowie Gereiztheit (28%), Schwindelgefühl (26%) und Konzentrationsstörungen (25%). Patienten, die zu diesem Zeitpunkt noch an einem posttraumatischen Syndrom litten und krankgeschrieben waren, schätzten ihre posttraumatischen Beschwerden im RPQ als signifikant schwerwiegender ein als Patienten, die nur noch vereinzelt Beschwerden angaben oder nicht krankgeschrieben waren. Während die posttraumatischen Kopfschmerzen initial die häufigsten bzw. zweithäufigsten posttraumatischen Beschwerden darstellten, rangiert der posttraumatische Kopfschmerz ab 6 Monaten nur noch auf Rang 12 sämtlicher angegebenen Beschwerden. Die subjektive Skalierung des Schweregrades der posttraumatischen Beschwerden durch die Patienten korrelierte nicht mit Alter, Geschlecht, Unfallursache, Unfallschwere oder Dauer der Erinnerungslücke.
Die Autoren schlußfolgern, daß testpschologische Kriterien geeigneter sind als klinisch-diagnostische Kriterien zur Einschätzung des Schweregrades des SHT und zur Objektivierung des Verlaufes des posttraumatischen Syndroms. Die Studie belegt bekannte posttraumatische Beschwerdeinzidenzen nach SHT. Studien mit längerem Follow-up über 1 Jahr zeigen, daß dann insgesamt nur noch ca. 10% der Patienten posttraumatische Beschwerden angeben. (MK)
** Mirsattari SM, Power C, Nath A (1999) Primary headaches in HIV-infected patients. Headache 39: 3-10.
Eine Aggravation vorbestehender Kopfschmerzen oder das Neuauftreten von Kopfschmerzen im Rahmen der Infektion mit dem Human Immunodeficiency Virus (HIV) wird häufig von HIV-infizierten Patienten berichtet, wobei die Differentialdiagnose von Spannungskopfschmerzen bis zu opportunistischen ZNS-Infektionen oder intrazerebralen Tumoren reicht.
In der vorliegenden Arbeit wurden retrospektiv die in den Akten dokumentierten neurologischen Symptome von 115 HIV-infizierten Patienten, die in der Neuro-AIDS Clinic in Winnepeg zwischen 1990 und 1996 untersucht wurden, analysiert. Die dabei gefundenen Kopfschmerzformen wurden anhand der IHS Klassifikation eingeteilt.
Primäre Kopfschmerzformen wurden in 38% der Patienten dokumentiert (davon in 76% Migräne, 14% Spannungskopfschmerz, 10% Cluster-Kopfschmerz). In 13% der Patienten wurden sekundäre Kopfschmerzformen bedingt durch opportunistische Infektionen wie Toxoplasma-Enzephalitis und progressive multifokale Leukenzephalopathie, durch ZNS-Lymphome und variable andere Ursachen (Zidovudin-assoziiert, aseptische Meningitis, etc.) nachgewiesen. In der Hälfte der Patienten mit Migräne kam es im Krankheitsverlaufes zu einem chronischen, täglich auftretenden Kopfschmerz, wobei hier von den Autoren weder Qualität noch Ausmaß der vegetativen Begleitsymptome oder Intensität angegeben werden konnte, so daß offen bleibt, ob es sich dabei um einen chronischen Spannungskopfschmerz zusätzlich zur Migräne handelte. Bei den Patienten, die bereits vor der HIV-Seronkonversion eine Migräneanamnese aufwiesen, nahm die Frequenz der Attacken zu. Das Neuauftreten von Kopfschmerzen korrelierte nicht mit der Helferzellzahl oder dem gleichzeitigen Vorliegen einer HIV-assoziierten Demenz. Alle primären Kopfschmerzformen hätten häufig nicht auf konventionelle Therapiemaßnahmen reagiert, wobei die Gründe hierfür von den Autoren nicht angegeben werden können.
Insgesamt zeigt die Studie, daß primäre und sekundäre Kopfschmerzen erwartungsgemäß häufig bei HIV-infizierten Patienten nachzuweisen sind. Inwieweit ein von anderen Autoren vermuteter HIV-assoziierter Kopfschmerz als eigenständige Entität existiert, vermag diese retrospektive Studie nicht zu beantworten. Hier ist weiterhin das Fehlen einer mit ausreichenden Patientenzahlen durchgeführten prospektiven Studie zu beklagen. Insbesondere sollte eine solche Studie die Viruslast im Serum und die nunmehr routinemäßig durchgeführte hoch-aktive antiretrovirale Therapie in Form einer Kombinationstherapie korrelativ berücksichtigen. (MM)