Categories
Articles

Kopfschmerz-News

.

< – Inhaltsverzeichnis


07. Migräne, Prophylaxe

** Cupini LM, Troisi E, Placidi F, Diomedi M, Silvestrini M, Argiro G, Benardi G (1999) Does the antimigraine action of flunarizine involve the dopaminergic system? A clinical-neuroendocrinological study Cephalalgia 19: 27-31.

Anders als bei den Migräne-Akuttherapeutika ist der Wirkmechanismus der Migräneprophylaktika nur wenig verstanden. Die einzelnen klinisch wirksamen Substanzen entstammen den unterschiedlichsten Substanzklassen und weisen kein bekanntes, übereinstimmendes Wirkprinzip auf. Dementsprechend ist es auch bisher nicht gelungen, ein Migräneprophylaktikum gezielt zu entwickeln.

Die vorliegende Studie geht der Frage nach, ob die prophylaktische Wirkung des Kalziumantagonsten Flunarizin auf dopaminergen Mechanismen beruht und ob die Wirksamkeit im Einzelfall mittels Bromocriptin-Test vorhergesagt werden kann. Eine antidopaminerge Wirkung des Flunarizins ist bekannt, der genaue Angriffspunkt jedoch unklar. Klinisch bedeutsam ist dieser Effekt in der Praxis u.a. durch die möglichen Nebenwirkung einer Langzeittherapie mit Flunarizin, der Induktion eines medikamentösen Parkinson-Syndroms bzw. einer Depression. Da Dopamin einen direkten inhibitorischen Einfluß auf die Prolaktin-Sekretion der Hypophyse aufweist, müßte unter einer Therapie mit dem antidopaminergen Flunarizin der Prolaktin-Serumspiegel ansteigen. Dieser wurde bei 10 Frauen vor und während einer dreimonatigen Flunarizineinnahme bestimmt. Zusätzlich wurde das Ausmaß des zu erwartenden kurzfristigen Abfalls des Prolaktin-Serumspiegels unmittelbar nach Gabe des Dopamin-(D2)-Agonisten Bromocriptin vor und während der Flunarizineinnahme bestimmt. Die jeweiligen Veränderungen des Prolaktinspiegels wurden mit der klinischen Wirksamkeit des Flunarizins in Beziehung gesetzt (hier Abnahme des ìMigräne-Indexî, einem Produkt aus Migräneattackenzahl und der migränebedingten Behinderung [0=kein Schmerz bis 3=übliche Tätigkeiten können nicht durchgeführt werden]).

Tatsächlich zeigte sich nach einmonatiger Flunarizineinnahme der erwartete signifikante Prolaktinanstieg. Nach drei Monaten Flunarizineinnahme lag der Prolaktinspiegel jedoch wieder auf dem Niveau vor Studienbeginn, während die klinische Wirksamkeit – wie oben definiert – weiter zugenommen hatte. Damit fand sich keine Korrelation zwischen Prolaktinspiegel und klinischer Flunarizinwirkung. Im Bromocriptin-Test fanden sich keine signifikanten Unterschiede im Prolaktinspiegelabfall vor und unter der Therapie, eine prädiktive Aussage zur Flunarizinwirksamkeit im Einzelfall ließ sich nicht ableiten.

Die Ergebnisse der Studie sprechen gegen ein auf hypophysärer Ebene nachweisbares antidopaminerges migräneprophylaktisches Wirkprinzip des Flunarizins. Der Bromocriptin-Test schließt zudem eine direkte D2-antagostische Wirkung aus, da keine Interferenzen mit dem D2-Agonisten Bromocriptin auftraten. Die Studie bietet letztlich keine neuen Erkenntnisse. Zum einen ist das Verhalten des Prolaktinspiegels mit einem nur vorübergehenden Anstieg unter einer Flunarizintherapie aus älteren Arbeiten bekannt. Zum anderen zeigt der klinische Alltag, daß auch auf Hypophysenebene wirksame D1+2-Antagonisten (Neuroleptika) bzw. D2-Antagonisten (Antiemetika) keine signifikante migräneprophylaktische Wirkung haben. Ein negatives Studienergebnis war damit zu erwarten.

Die Fragestellung, ob die antidopaminerge Wirkung des Flunarizins für die Migräneprophylaxe entscheidend ist, läßt sich mit der gewählten Methodik nicht beantworten, da das zentrale dopaminerge System in der Arbeit ausgeklammert wurde. Gerade die oben beschriebenen Nebenwirkungen einer Langzeittherapie sind Indizien für eine vorhandene anhaltende zentrale antidopaminerge Wirkung, unabhängig von vorübergehenden Effekten auf hypophysärer Ebene, wie sie sich am Prolaktinspiegel manifestieren. (AHK)

*** Lampl C, Buzath A, Klinger D, Neumann K (1999) Lamotrigine in the prophylactic treatment of migraine aura ñ a pilot study. Cephalalgia 19: 58-63.

Migräne-Prophylaxe ist in der täglichen Arbeit des Spezialisten ein schwieriges Gebiet, da trotz zum Teil hervorragender Studienergebnisse verschiedener Substanzen Patienten immer wieder über ungenügende Wirkung oder kaum zu ertragende Nebenwirkungen klagen. Insbesondere die Migräne-Aura wird durch die Prophylaxe nicht immer positiv beeinflußt. Ein klinisch gut wirksames Medikament ist in unseren Augen Flunarizin, mit guter Wirkung auf Aura und Kopfschmerz.

Die vorliegende Arbeit untersucht das Antikonvulsivum Lamotrigin (Lamictal ®), eine Substanz, die spannungsabhängige Natriumkanäle blockiert und damit die Freisetzung von Glutamat. Der Ansatz ist analog zu sehen dem Einsatz des schwachen NMDA-Antagonisten Amantadin. Die Autoren untersuchten Lamotrigin bei 15 Patienten mit Migräne mit Aura bzw. Aura ohne Migräne-Kopfschmerz. Lamotrigin wurde monatsweise langsam von 25 mg/Tag bis maximal 100 mg/Tag über 4 Monate gesteigert. Anschließend gab es eine 3-monatige Auswaschphase.

Die Autoren fanden einen Rückgang der Aurafrequenz von 1,3 auf 0,13 Attacken/Monat, das heißt, daß nach 4 Monaten nur noch 2 von 15 Patienten einmal eine Attacke hatten. In der anschließenden Auswaschphase stieg die Attackenfrequenz langsam wieder an, ohne das Ausgangsniveau zu erreichen. Erst in der Diskussion wird erwähnt, daß auch die Kopfschmerz-Frequenz abgenommen hatte. Die Nebenwirkungen waren mild und entsprachen den von Lamotrigin bekannten; schwere Nebenwirkungen waren nicht zu beobachten.

Obwohl es sich um eine offene Studie handelt, scheinen die Ergebnisse nicht nur hochsignifikant, sondern auch klinisch relevant zu sein. Auffällig ist jedoch, daß die Reduktion der Aurafrequenz bereits bei einer Tagesdosis von 25 mg sehr rasch und sehr deutlich einsetzten. 25 mg Lamotrigin entspricht 1/4 bis 1/8 der in der antikonvulsiven Therapie notwendigen Tagesdosis. Auffällig ist ferner, daß im Unterschied zu der Pilotstudie von Steiner (1997) auch die Kopfschmerz-Frequenz abnimmt. Hinter diesem Befund mag sich ein deutlicher Placebo-Effekt verbergen, weswegen die von den Autoren annoncierte placebokontrollierte Studie dringend erforderlich ist. Dennoch könnte sich mit der Lamotrigin-Therapie ein erfolgversprechender Ansatz zur Behandlung der Migräne-Aura entwickeln. (GA)


DMKG