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Kopfschmerz-News 3/1999 Migräne, Akuttherapie – DMKG

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05. Migräne, Akuttherapie

*** Ngo J, Mealy N, CastaÒer J (1997). Zolmitriptan. Drugs of the Future 22: 260-269.

Diese Arbeit faßt für alle, die an Chemie und Pharmakologie interessiert sind, die frühe Entwicklung des neuen Migränemittels Zolmitriptan zusammen. Zolmitriptan wurde mit dem Ziel entwickelt, die schlechte orale Bioverfügbarkeit von Sumatriptan zu verbessern und einen zentralen Angriffspunkt im Hirnstamm zu ermöglichen.

Tierexperimentell zeigte sich, daß Zolmitriptan eine potente vasokontriktive Wirkung an cerebralen Arterien hat und daß es die Freisetzung von Calcitonine gene related peptide (CGRP) sowohl bei Stimulation des Ganglion Gasseri als auch nach Stimulation des Sinus sagittalis superior inhibiert. Autoradiographische Bindungsstudien zeigten, daß Zolmitriptan auch bei intakter Blut-Hirnschranke an schmerzleitende Neurone im Nucleus caudalis des N. trigeminus bindet. In autoradiographischen Studien wurden zunächst die Bindungsstellen im Hirnstamm identifiziert. Anschließend stellte sich heraus, daß diese Bindungsstellen besonders viele 5HT1D- und 5HT3- Rezeptoren enthalten. Bei pharmkokinetischen Studien am Menschen zeigte sich, daß die mittlere Zeit bis zum Erreichen der maximalen Plasmaspiegel 2 – 3 Stunden betrug und daß 85% der Maximalkonzentration innerhalb einer Stunde erreicht wird. Die orale Bioverfügbarkeit beträgt 48% (zum Vergleich: Sumatriptan 14%). Während mittelschwerer bis schwerer Migräneattacken ist die orale Absorption gegenüber dem beschwerdefreien Intervall verlangsamt und vermindert.

In den großen Dosisfindungssstudien kristallisierte sich heraus, daß eine Dosis von 2,5 mg Zolmitriptan das beste Verhältnis zwischen Wirkung und Nebenwirkung bietet. Wichtig an dieser Publikation ist auch, daß die chemische Struktur der Konkurrenten Almotriptan (Fa. Almirall), Naratriptan (Fa. Glaxo-Wellcome), IS-159 (Fa. Immunotech), Rizatriptan (Fa. MSD), Eletriptan (Fa. Pfizer), SB-209 509/VML/251 (SKB/Vanguard Medica) dargestellt werden. Weiterhin werden dargestellt die chemische Struktur anderer 5HT-Agonisten der Firman MSD, Pfizer und Pierre Fabre und der 5-HT1F-Agonist der Fa. Lilly. (HCD)

***** Ferrari MD (1998). Migraine. Lancet 351: 1043-1051.

Michel Ferrari aus den Niederlanden hat im Lancet die seit langem beste und aktuellste Übersicht über Klinik, Pathophysiologie, Akuttherapie und Prophylaxe der Migräne verfaßt.

Nach einer Einleitung, die sich mit den klinischen Symptomen, der Epidemiologie und der Differentialdiagnose befaßt, beschäftigt er sich mit dem analgetikainduzierten Dauerkopfschmerz. Im pathophysiologischen Bereich geht er auf Triggerfaktoren, auf die Übererregbarkeit des Cortex, den Migränegenerator im Hirnstamm, die Rolle von Stickstoffmonoxid, die Bedeutung der corticalen spreading depression, das trigeminovaskuläre System und die Rolle von Serotonin ein.

Schwerpunkt der Arbeit ist die Pharmakologie von Migränemitteln. Die Wirkung von Mutterkornalkaloiden und Triptanen wird über drei wesentliche Mechanismen erklärt: 1. eine Hemmung der neurogenen Entzündung im Bereich der Dura, die über 5HT1D-Rezeptoren vermittelt wird. 2. Hemmung der Erregung von Zellen im Nucleus caudalis des N. trigeminus im Hirnstamm, wobei dies sowohl über 5HT1B- wie 5HT1D-Rezeptoren geschieht. 3. Vasokonstriktion meningealer, duraler und cerebraler Arterien vermittelt durch 5HT1B-Rezeptoren.

In den Ausführungen zur Genetik geht der Autor insbesondere auf die familiär hemiplegische Migräne und den Nachweis einer Mutation in einem Genabschnitt ein, der einen neuronalen P/Q-Calciumkanal kodiert. Der Autor ist der Meinung, daß die Migräne als periodisch auftretende Erkrankung bzw. die Aurasymptome sehr gut durch die Fehlfunktion eines Ionenkanals erklärt werden könnte.

Er geht sehr kritisch auf die relativ wenigen Studien zur Prophylaxe der Migräne ein. Seiner Meinung besteht ein gesicherter präventiver Effekt für Propranolol und Metoprolol, wahrscheinlich für Atenolol, Timonol und Nadolol und das Antiepileptikum Valproinsäure. Weiterhin wirksam aber wissenschaftlich weniger nachgewiesen sind die 5-HT-Rezeptorantagonisten Pizotifen und Methysergid sowie der Calciumkanalblocker Flunarizin. Wesentlich ist, daß die Migräneprophylaxe nur bei etwa zwei Drittel der Patienten wirkt und bei diesen dann zu einer etwa 50%igen Reduktion der Attackenfrequenz führt.

Ausführlich geht der Autor auf Sumatriptan und die anderen Triptane ein. Eine Metaanalyse der bisherigen Sumatriptanstudien zeigt eine Erfolgsquote nach 2 Stunden für 100 mg orales Sumatriptan von 58%, während 35% der Patienten schmerzfrei waren. Die Wirkung ist schneller und besser bei der subkutanen Applikation. Bisherige Übersichten zeigen, daß schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten sind und fast ausschließlich bei Patienten mit Kontraindikationen oder Fehldiagnosen auftreten. Ein Problem scheint zu sein, daß es bei Sumatriptan ähnlich wie bei Mutterkornalkaloiden bei zu häufiger Anwendung zu einer Häufung der Migräneattacken und letztendlich zu einem Sumatriptan-induzierten Dauerkopfschmerz kommen kann.

Die neuen Triptane haben eine bessere orale Bioverfügbarkeit als Sumatriptan. Im Gegensatz zu Sumatriptan überwinden sie auch die intakte Blut-Hirnschranke und hemmen auch die Schmerzübertragung im Bereich des Nucleus caudalis. Nach Auffassung von Ferrari zeigen Rizatriptan und Eletriptan eine bessere Wirksamkeit als Sumatriptan und Naratriptan eine geringere Wirksamkeit. Der Referent kann sich allerdings der Ansicht von Ferrari, daß Zolmitriptan besser wirksam sei als Sumatriptan, nicht anschließen. In den meisten Studien bestand eine vergleichbare Wirksamkeit. Für alle Triptane gilt, daß es bei etwa einem Drittel der Patienten zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen kommt.

Mutterkornalkaloide zeichnen sich durch eine sehr schlechte orale und rektale Bioverfügbarkeit aus, und die Wirksamkeit ist schlecht vorhersehbar. Zudem gibt es nur wenig wirklich gute Placebo-kontrollierte Studien. Metaanalysen zeigen, daß die Wirksamkeit etwa so gut wie die der nicht-steroidalen Antirheumatika ist und etwa 10% schlechter als für orales Sumatriptan. Die subcutane Gabe von Dihydroergotamin wirkt nicht so schnell wie die subcutane Gabe von Sumatriptan. Das Wiederauftreten von Kopfschmerzen ist allerdings bei Dihydroergotamin geringer. Zweifelsfrei ist, daß Mutterkornalkaloide mehr und ausgeprägtere Nebenwirkungen haben als die Triptane.

Ob es auf lange Sicht wesentliche Unterschiede in der Induktion von Kopfschmerzen zwischen Mutterkornalkaloiden und Triptanen gibt, ist noch offen. Zusammengefaßt ist diese Übersichtsarbeit absolute Pflichtlektüre für alle Kliniker, die sich mit Migräne beschäftigen. (HCD)

* Gardner DM, Lynd LD (1998). Sumatriptan contraindications and the serotonin syndrome. Ann Pharmacother 32: 33-38.

Unter dem Serotonin-Syndrom versteht man eine Vielzahl kognitiver Störungen, autonomer Funktionsstörungen und Störungen im motorischen System, die durch eine zu hohe Konzentration von Serotonin im Gehirn bedingt sind. Dazu gehören Antriebssteigerung, Angst, Verwirrtheit, Halluzinationen, Schlafstörungen bis zum Koma, Durchfall, Hyperthermie, weite Pupillen, Übelkeit, Erbrechen, Tachypnoe und Tachykardie sowie Ataxie, Reflexsteigerungen, Myoklonien, Blickrichtungsnystagmus und Tremor. Bisher wurde das Syndrom fast ausschließlich dann beobachtet, wenn Substanzen, die in das serotonerge System eingreifen, in Kombination gegeben wurden wie beispielsweise selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer in Kombination mit Monoaminoxidasehemmern. Die kanadischen Autoren führten eine Literatur-Recherche mit der Frage durch, ob es bei der Anwendung von Sumatriptan insbesondere in Kombination mit MAO-Hemmern oder selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern zu einem Serotonin-Syndrom gekommen war.

Sie befragten dazu auch die Hersteller großer Firmen, die Psychopharmaka produzieren. Die Recherche ergab zwei Fälle eines möglichen Serotonin-Syndroms bei der Kombination von Sumatriptan und Lithium und 16 Fälle bei der Kombination mit einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Bisher sind keine Meldungen eingegangen bei Patienten, die MAO-Hemmer und Sumatriptan gleichzeitig anwendeten. In allen Fällen war das Serotonin-Syndrom leicht und klang ohne weitere Behandlung ab. In keinem der Fälle war eine spezifische Behandlung notwendig. Hierzu muß allerdings kritisch angemerkt werden, daß es zum Teil sehr schwer ist, die Symptome eines Serotonin-Syndroms von den Begleiterscheinungen einer Migräne zu trennen. Umgekehrt gibt es in den klinischen Studien eine Vielzahl von Beobachtungen an Patienten, die selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer oder MAO-Hemmer sowie Lithium verwendeten und bei denen es zu keinen besonderen Nebenwirkungen unter Anwendung von Sumatriptan kam.

Da die Zahl der Patienten, die MAO-Hemmer erhielten und Sumatriptan anwendeten, doch relativ gering ist, sollte in diesen Fällen Sumatriptan nicht oder nur nach spezifischer Aufklärung des Patienten angewandt werden. (HCD)

**** Myllylä VV, Havanka H, Herrala L, Kangasniemi P, Rautakorpi I, Turkka J, Vapaatalo H, Eskerod O (1998). Tolfenamic acid rapid release versus sumatriptan in the acute treatment of migraine: comparable effect in a doubleblind, randomized, controlled, parallelgroup study. Headache 38:201-207

Tolfenaminsäure ist ein nicht-steroidales Antirheumatikum, das bereits früher in einer Zahl von Placebo-kontrollierten Studien zur Akuttherapie der Migräne untersucht wurde. Ein Hauptnachteil nicht-steroidaler Antirheumatika ist die relativ langsame Resorption. Daher wurde eine neue pharmakologische Zubereitung von Tolfenaminsäure hergestellt, die sich schneller auflöst und rascher ihre maximalen Blutspiegel erreicht.

In die finnische Studie wurden insgesamt 141 Migränepatienten aufgenommen. 47 wurden mit 200 mg Tolfenaminsäure, 46 mit 100 mg Sumatriptan oral und 48 mit Placebo behandelt. Jeder Patient behandelte zwei Migräneattacken. Es galt das übliche Zielkriterium, nämlich eine Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen nach 2 Stunden. Bei der ersten Attacke erreichten diesen Zielpunkt 77% der Patienten, die Tolfenaminsäure erhielten, und 79% der Patienten, die Sumatriptan einnahmen. Das Zielkriterium erreichten 29% der Patienten in der Placebo-Gruppe. Es ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden aktiven Behandlungsgruppen. Beide waren aber signifikant unterschiedlich gegenüber Placebo. Bei der zweiten Attacke waren 70% der Patienten in der Tolfenaminsäure-Gruppe Responder, 64% mit Sumatriptan und 39% mit Placebo. Wiederauftreten der Kopfschmerzen innerhalb von 24 Stunden wurde bei 23% der Patienten in der Tolfenaminsäure-Gruppe beobachtet, 22% in der Sumatriptan-Gruppe und 25% in der Placebo-Gruppe. Nebenwirkungen traten bei 41% der mit Sumatriptan behandelten Patienten, bei 30% der mit Tolfenaminsäure Behandelten und bei 19% in der Placebo-Gruppe auf. Die häufigsten Nebenwirkungen unter Tolfenaminsäure waren Tachykardie und Herzklopfen, Brennen beim Wasserlassen und gastrointestinale Symptome. Unter Sumatriptan wurde am häufigsten über Übelkeit und Erbrechen und Engegefühl im Bereich der Brust geklagt.

Diese Studie, die keinen signifikanten Unterschied zwischen Sumatriptan und dem nicht-steroidalen Antirheumatikum zeigt, unterscheidet sich von anderen Studien dadurch, daß die Patienten dahingehend instruiert wurden, schon bei den allerersten Zeichen einer Migräneattacke die Studienmedikation einzunehmen. Üblich ist sonst eine Medikamenteneinnahme, wenn der Kopfschmerz die Stärke mittelschwer oder schwer erreicht hat. Eine Stärke der vorliegenden Studie ist die Tatsache, daß die Ergebnisse bei zwei konsekutiven Migräneattacken reproduziert werden konnten. Es wird interessant sein zu sehen, ob in einer zweiten Studie, die international durchgeführt wird, dieses Ergebnis reproduziert werden kann. (HCD)

*** Pfaffenrath V, Cunin G, Sjonell G, Prendergast S (1998). Efficacy and safety of sumatriptan tablets (25 mg, 50 mg, and 100 mg) in the acute treatment of migraine: defining the optimum doses of oral sumatriptan. Headache 38: 184-190.

Durch eine Vielzahl großer Placebo-kontrollierter oder Vergleichsstudien ist belegt, daß 50 und 100 mg Sumatriptan bei der Behandlung der Migräne wirksam sind. Andere Studien belegten die Wirksamkeit von 25 mg Sumatriptan im Vergleich zu Placebo. Dies ist allerdings die erste, sehr große Studie, die direkt die drei Sumatriptan-Dosen vergleicht und zugleich verschiedene Therapiestrategien untersucht, die zur Behandlung von wiederauftretenden Kopfschmerzen nach initial erfolgreicher Behandlung angewandt werden können.

In die multinationale, doppelblinde, randomisierte und Placebokontrollierte Studie wurden insgesamt 1.003 Patienten eingeschlossen, die drei Migräneattacken mit Sumatriptan oder Placebo behandelten. Kam es zwischen 4 und 24 Stunden nach der Einnahme der ersten Medikation und Wirksamkeit zum erneuten Auftreten der Kopfschmerzen, erhielten die Patienten entweder eine zweite Dosis Sumatriptan oder Placebo. Das Randomisierungsverhältnis zwischen aktiver Behandlung und Placebo betrug 3:1. Als Hauptzielkriterium wurde die Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen nach 2 und 4 Stunden definiert. 1.001 Patienten behandelten mindestens eine Attacke und 827 Patienten behandelten alle drei Attacken. Die Erfolgsquote 2 Stunden nach Einnahme betrug zwischen 24 und 30% für Placebo, zwischen 54 und 55% für 25 mg Sumatriptan, zwschen 60 und 61% für 50 mg Sumatriptan und zwischen 61 und 65% für 100 mg Sumatriptan. Schmerzfrei nach 2 Stunden waren 4-8% der Patienten unter Placebo, 27% unter 25 mg Sumatriptan, 30-32% unter 50 mg Sumatriptan und 34-39% unter 100 mg Sumatriptan.

Statistisch gesehen waren alle drei Dosen von Sumatriptan besser wirksam als Placebo. 50 und 100 mg Sumatriptan waren gleich gut wirksam und signifikant besser wirksam als 25 mg Sumatriptan. Wiederauftreten von Kopfschmerzen wurde bei 26-39% der Patienten nach Sumatriptan beobachtet. Wurde das Wiederauftreten der Kopfschmerzen mit Placebo behandelt, konnte hier eine Effektivität zwischen 33 und 47% erreicht werden. Dies ist allerdings nicht ein Behandlungserfolg sondern der Spontanverlauf der Migräne. Wurde zur Behandlung des wiederauftretenden Kopfschmerzes Sumatriptan gegeben, lag die Erfolgsquote zwischen 69% und 87%. Nebenwirkungen traten bei der 25 mg- und 50 mg-Sumatriptan-Tablette gleich auf. Hier gab es keinen wesentlichen Unterschied zu Placebo. Bei 100 mg Sumatriptan waren die Nebenwirkungen häufiger.

Diese Studie zeigt sehr eindrucksvoll, daß 25 mg Sumatriptan weniger wirksam sind, als 50 und 100 mg. Sie zeigt aber auch, daß bei 100 mg Sumatriptan mehr Nebenwirkungen auftreten. Diese Studie belegt auch die übliche Vorgehensweise von Neurologen bei der Behandlung von Migräneattakken, die für jeden Patienten das optimale Verhältnis zwischen Wirkung und Nebenwirkung für die drei verschiedenen Dosierungen von Sumatriptan suchen. (HCD)

**** The International 311C90 Long-term Study Group (1998). The long-term tolerability and efficacy of oral Zolmitriptan (Zomig, 311C90) in the acute treatment of migraine. An international study. Headache 38: 173-183.

Neue Migränemittel werden üblicherweise in zwei verschiedenen Arten von klinischen Studien untersucht. Zunächst werden Wirksamkeit und Nebenwirkungen in Studien untersucht, in denen ein bis drei akute Migräneattacken behandelt werden. Anschließend werden die Patienten, bei denen keine Sicherheitsprobleme auftraten und die auf die Substanz ansprachen, in Langzeit-Studien aufgenommen, um Informationen über Nebenwirkungen in der Langzeit-Anwendung und einen möglichen Wirkungsverlust oder eine Tachyphylaxie zu erhalten.

Die vorliegende Studie rekrutierte Patienten, die zuvor an Placebo-kontrollierten Akutstudien teilgenommen hatten. Die Studie wurde offen durchgeführt. Die Dosis von Zolmitriptan betrug 5 mg (die in Deutschland zugelassene Standarddosis beträgt 2,5 mg). Insgesamt nahmen 2.058 Patienten an der Studie teil. Sie behandelten insgesamt 31.579 Migräneattacken in einem Zeitraum von bis zu einem Jahr. Dies entspricht einem Durchschnitt von 15 Attacken pro Patient. Bei 26% der Attacken berichteten die Patienten über mindestens eine Nebenwirkung. Die häufigsten waren in absteigender Reihenfolge Schwäche (14%), Übelkeit (12%), Müdigkeit (10%), unsystematischer Schwindel (11%) und Parästhesien (11%). Geschlecht und Alter der Patienten und die Zahl der Zolmitriptan-Applikationen hatte keinen Einfluß auf die Reihenfolge der am häufigsten genannten Nebenwirkungen. Die meisten Nebenwirkungen traten innerhalb von 2 Stunden nach Einnahme auf. Nebenwirkungen waren fast immer leicht oder mittelschwer und bedurften keiner Behandlung. Bezüglich des klinischen Hauptzielkriteriums, nämlich Besserung der Kopfschmerzen von schwer bis mittelschwer auf leicht oder kopfschmerzfrei nach 2 Stunden zeigten 81% der Patienten, die eine schwere oder mittelschwere Attacke behandelten, einen Therapieerfolg. Bei 55% der Patienten bestand nach 2 Stunden Kopfschmerzfreiheit. Die Wirkung war unabhängig von Alter, Geschlecht, Körpergewicht, Einnahme von Migräneprophylaktika oder der Tatsache, daß Migräneattacken innerhalb oder außerhalb der Menstruation auftraten. Analysierte man getrennt die Patienten, die 30 und mehr Attacken behandelt hatten gegenüber den Patienten, die weniger als 30 Attacken behandelt hatten, ergab sich kein Unterschied in der Wirksamkeit. Bei durchschnittlich 32% der Attacken kam es zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen, so daß eine zweite Dosis von Zolmitriptan notwendig wurde. In diesem Fall betrug die Erfolgsquote 90% nach 2 Stunden. Die Autoren schließen daraus, daß 5 mg Zolmitriptan auch in Langzeit-Versuchen eine gute Wirksamkeit hat und daß die Verträglichkeit gut. Es muß allerdings kritisch eingewandt werden, daß es sich bei dieser Population um eine hochselektionierte Patientenpopulation handelt, die zum einen bereits in früheren Studien auf Zolmitriptan angesprochen hatten. Zum anderen wurden alle Patienten mit sehr häufigen Attacken ausgeschlossen, bei denen ein erhöhtes Risiko für eine zu häufige Einnahme von Zolmitriptan und Entwicklung eines Dauerkopfschmerzes bestand.

In Übereinstimmung mit anderen Langzeitstudien zeigt sich allerdings entsprechend der klinischen Realität, daß Angaben über Nebenwirkungen im Laufe der Zeit abnehmen und von den Patienten ab einem bestimmten Zeitpunkt weitgehend ignoriert werden. Wichtig ist auch, daß es zu keinerlei Veränderungen von Leberwerten, Nierenwerten, Elektrolyten oder des Blutbildes kam. (HCD)

**** Teall J, Tuchman M, Cutler N, Gross M, Willoughby E, Smith B, Jiang K. Reines S, Block G on behalb of the Rizatriptan 022 Study Group (1998). Rizatriptan (MAXALT) for the acute treatment of migraine and migraine recurrence. A placebo-controlled, outpatient study. Headache 38: 281-287.

Rizatriptan ist ein weiteres neues Triptan, das sich von Sumatriptan durch eine bessere orale Bioverfügbarkeit (55%) und eine rasche orale Absorption (Tmax = 1 Stunde) auszeichnet. Die vorliegende Publikation berichtet über die erste große Placebo-kontrollierte Studie, bei 5 und 10 mg Rizatriptan oral in einer multizentrischen, doppelblinden Studie mit Placebo verglichen wurden.

Insgesamt wurden 1.473 Patientinnen und Patienten mit Migräne in die Studie aufgenommen. Wenn die Patienten bei einer Migräneattacke die Kopfschmerzstärke mittelschwer oder schwer erreicht hatten, erhielten sie mit einer Randomisierungsquote von 3:3:2 10 mg Rizatriptan, 5 mg Rizatriptan oder Placebo. Kam es nach initialer Wirksamkeit nach minimal 2 Stunden erneut zu mittelschweren oder schweren Kopfschmerzen, durften die Patienten diese erneut behandeln. Die Behandlung erfolgte in der 10 mg-Rizatriptan-Gruppe mit Rizatriptan 10 mg oder Placebo, in der 5 mg-Gruppe mit einer identischen Dosis oder Placebo und in der Placebo-Gruppe mit 5 oder 10 mg Rizatriptan. Kam es innerhalb von 24 Stunden zu einem zweiten Auftreten von Kopfschmerzen, durften auch diese erneut behandelt werden. Von den 1.473 Patienten nahmen 1.218 Studienmedikation und 1.197 standen für die endgültige Auswertung zur Verfügung. Bezogen auf das Hauptzielkriterium nämlich Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder keine Kopfschmerzen ergab sich erstmals eine signifikante Überlegenheit von Rizatriptan gegenüber Placebo nach 1 Stunde. Nach 2 Stunden betrugen die Erfolgsquoten 35% für Placebo (n=302), 62% für 5 mg Rizatriptan (n=457) und 71% für 10 mg Rizatriptan (n=455). Der Unterschied zu Placebo war signifikant. Auch der Unterschied zwischen 10 und 5 mg Rizatriptan war signifikant. Zwei Stunden nach Einnahme waren 33% der Patienten mit 5 mg, 42% mit 10 mg Rizatriptan und 10% mit Placebo kopfschmerzfrei. Auch dieser Unterschied war signifikant. Wiederauftreten von Kopfschmerzen wurde bei 44% der Patienten mit 5 mg, 47% bei 10 mg und 40% mit Placebo beobachtet. Die mittlere Zeit bis zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen betrug 10 Stunden mit 5 mg, 12 Stunden für 10 mg Rizatriptan und 8,4 Stunden für Placebo. Wurde das Wiederauftreten der Kopfschmerzen erneut behandelt, betrug die Erfolgsquote bei 5 mg Rizatriptan 71% und bei 10 mg 82%. Die meisten Nebenwirkungen waren vorübergehend und nicht sehr ausgeprägt. Sie umfaßten in abnehmender Häufigkeit Schwindel (4-8%), Müdigkeit (3-7%), Schwäche (1-5%) und Übelkeit (3%). 1,5% bzw. 2,6% der Patienten berichteten nach 5 und 10 mg Rizatriptan über ein Schweregefühl oder ein Engegefühl im Bereich der Brust.

Insgesamt zeigt diese Studie, daß mit Rizatriptan insbesondere in der 10 mg-Dosierung eine Substanz zur Verfügung steht, die schnell wirkt und im Vergleich zu Placebo einen hohen Wirksamkeitsgrad erreicht. (HCD)

***** MassenVanDenBrink A, Vergouwe MN, Ophoff RA, Saxena PR, Ferrari MD, Frants RR (1998). 5HT1B-receptor polymorphism and clinical response to sumatriptan. Headache 38: 288-291.

Mit Sumatriptan steht eine hochwirksame Substanz zur Behandlung akuter Migräneattacken zur Verfügung. Sie wirkt als präsynaptischer Agonist an 5HT1-Rezeptoren. Ungeklärt ist die Frage, warum etwa 15% aller Migränepatienten nicht auf Sumatriptan ansprechen, warum es bei bis zu 40% der Patienten, die initial auf die Behandlung ansprechen, zum Wiederauftreten der Kopfschmerzen kommt und warum manchen Patienten reproduzierbar immer dieselben Nebenwirkungen wie beispielsweise Engegefühl im Bereich der Brust erleben und andere nicht.

Eine Möglichkeit ist, daß sich die verschiedenen Patientenpopulationen genetisch voneinander unterscheiden. Der 5HT1B-Rezeptor vermittelt ganz überwiegend die vasokon-striktiven Eigenschaften von Sumatriptan. Der 5HT1B-Rezeptor ist beim Menschen auf dem Chromosom 6q13 bis q15 lokalisiert. Es gibt zwei gängige Polymorphismen des 5HT1B-Rezeptors genannt G861C19 und T-261G20. Die holländische Arbeitsgruppe untersuchte daher, ob sich die Ausprägung der Polymorphismen bei Patienten mit unterschiedlichen Charakteristika in der Wirkung von Sumatriptan unterscheiden. Zu diesem Zweck wurden 14 Migränepatienten ausgesucht, reproduzierbar immer gut auf Sumatriptan reagierten, 12, die niemals auf Sumatriptan ansprachen, 12 Patienten mit reproduzierbarem Wiederauftreten der Kopfschmerzen nach initialer Wirksamkeit, 13 Patienten, die bei jeder Anwendung ein Engegefühl im Bereich der Brust entwickelten, und 27 Patienten, die Sumatriptan einnahmen, ohne ein Engegefühl auf der Brust zu zeigen.

Die Häufigkeit der Allele war zwischen den einzelnen Patientengruppen identisch, so daß eine verschiedene genetische Ausprägung des 5HT1B-Rezeptors für die unterschiedlichen Ansprecharten auf Sumatriptan nicht verantwortlich sein kann. Ungeklärt ist die Frage, ob genetische Variationen des 5HT1D- und des 5HT1F-Rezeptors eventuell das unterschiedliche Ansprechen auf Sumatriptan erklären könnten. (HCD)

*** Winner P, Sheftell F, Ryan R, Tepper S (1997). Overview of the clinical response to zolmitriptan (ëZomigí) in migraine sufferers identified as ípoor respondersí to other migraine preparations. Headache 37:336-337

In der Zwischenzeit stehen eine ganze Reihe von Triptanen zur Behandlung akuter Migräneattacken zur Verfügung. Mit Ausnahme dieser Studie ist bisher ungeklärt, ob Patienten, die bei einem bestimmten Triptan keine therapeutische Wirksamkeit zeigen, bei einem anderen Triptan in oraler Anwendung ansprechen.

Die Autoren werteten daher die Ergebnisse vier doppelblinder, Placebo-kontrollierter Studien zur Wirkung und Verträglichkeit von Zolmitriptan zur Behandlung akuter Migräneattacken aus. In allen Studien wurden die Patienten danach befragt, wie sie auf die subkutane Gabe von Sumatriptan, die orale Gabe von Sumatriptan, Acetylsalisylsäure, nicht-steroidale Antirheumatika oder Mutterkornalkaloide angesprochen hatten. Die bisherigen Therapieerfolge wurden als gut, mittelmäßig und schlecht identifiziert. So wurden 56 Patienten identifiziert, die auf die subkutane Gabe von Sumatriptan nicht ansprachen. Bei ihnen betrug die Ansprechrate bei 2,5 mg oralem Zolmitriptan 54% und bei 5 mg 69% im Vergleich zu 21% bei Placebo. 46 Patienten hatten nicht auf orales Sumatriptan angesprochen. Hier betrugen die Erfolgquoten 31%, 89% und 67% für Placebo, 2,5 mg und 5 mg Zolmitriptan. 508 Patienten hatten nicht ausreichend auf Acetylsalisylsäure oder nicht-steroidale Antirheumatika angesprochen. Hier betrugen die Erfolgsquoten 24%, 64% und 67% für Placebo, 2,5 mg und 5 mg Zolmitriptan. Bei den 275 Patienten, die auf Mutterkornalkaloide nicht ausreichend reagiert hatten, betrugen die Erfolgsquoten in gleicher Weise 35%, 58% und 70%.

Diese Studie, die bisher nur als Poster präsentiert wurde, belegt, daß beim Nichtansprechen auf ein bestimmtes Triptan es auf jeden Fall indiziert ist, ein oder zwei andere Triptane auszuprobieren, bevor ein Patient tatsächlich als “Nonresponder” eingestuft wird. (HCD)

*** Seaber EJ, Ridout G, Layton G, Posner J, Peck RW (1997). The novel anti-migraine compound zolmitriptan (Zomig 311C90) has no clinically significant interactions with paracetamol or metoclopramide. Europ J Clin Pharmacol 53: 229-234.

Die vorliegende Arbeit untersucht in einer offenen, randomisierten crossover Studie an 15 gesunden Probanden mögliche pharmakokinetische und pharmakodynamische Interaktionen zwischen den Wirkstoffen Zolmitriptan (311C90) und Paracetamol und/oder Metoclopramid bei gleichzeitiger Einnahme.

Zolmitriptan ist ein Serotoninagonist der neueren Generation der sich durch seine ZNS-Gängigkeit auszeichnet. Zolmitriptan wird als verschreibungspflichtiges Medikament zur Migräneattackenbehandlung eingesetzt. Das frei verkäufliche Analgetikum Paracetamol wird einzeln oder besser in Kombination mit dem Antiemetikum Metoclopramid ebenfalls in der Akuttherapie der Migräne eingesetzt und ist hier eine der Therpiemöglichkeiten der ersten Wahl bei leichten Attacken. Die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen den genannten Wirkstoffen scheint sinnvoll, da es wahrscheinlich ist, daß Migränepatienten nach einer erfolglosen Behandlung ihrer Kopfschmerzen mit dem frei verkäuflichen Paracetamol mit oder ohne Kombination von Metoclopramid anschließend auch Zolmitriptan einnehmen. Diese Annahme veranlaßte die Autoren zu ihrer Untersuchung.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, daß Metoclopramid keine signifikanten Effekte auf die Pharmakokinetik von Zolmitriptan und dessen aktiven Metaboliten hat, noch die Interaktion zwischen Zolmitriptan und Paracetamol beeinflußt. Gleichzeitige Gabe von Zolmitriptan und Paracetamol bewirkt eine geringe Erhöhung der Bioverfügbarkeit von Zolmitriptan und eine Verminderung der Absorption von Paracetamol, wobei beide Effekte nicht signifikant sind. Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß es keine Gründe gegen eine gleichzeitige Einnahme von Paracetamol mit Zolmitriptan und/oder Metoclopramid gibt. In die Untersuchung sind ausschließlich gesunde Teilnehmer aufgenommen worden, denen einmalig orale Einzeldosen der untersuchten Präparate als Einzelwirkstoff oder als Wirkstoffkombination verabreicht wurden. Eine zeitlich verzögerte Einnahme der Medikamente, wie sie der Realität während einer Migräneattakke entspräche, war nicht Gegenstand der Untersuchung. Die Ergebnisse der Studie erscheinen zwar eindeutig, sind aber nur begrenzt aussagekräftig. (LP)

*** Peck RW, Seaber EJ, Dixon R, Gillotin CG, Weatherley BC, Layton G, Posner J (1997). The interaction between propranolol and the novel antimigraine agent zolmitriptan. Br J Clin Pharmacol 44: 595-599.

Zolmitriptan (311C90) ist ein selektiver 5-HT1B/1D-Rezeptoragonist, der vor kurzem für die orale Akuttherapie der Migräne zugelassen wurde. Die bei 65-81% aller Patienten in der Attackenkupierung wirksame Substanz hat als Nebenwirkung einen vorübergehenden Blutdruckanstieg. Die Autoren interessierten sich deshalb für den Stoffwechsel von Zolmitriptan und seine Wirkung auf den Blutdruck bei Patienten, die eine medikamentöse Migräneprophylaxe mit Propranolol betreiben (und bei gelegentlich noch auftretenden Attacken Zolmitriptan nehmen).

Sie führten eine doppelblinde, randomisierte Crossover-Studie mit 12 gesunden Probanden durch, die 7 Tage lang Placebo oder 160 mg Propranolol in Retardform erhielten. Am 7. Tag nahmen die Probanden gleichzeitig mit Placebo oder Propranolol 10 mg Zolmitriptan. Dies ist das 4-fache der therapeutischen Dosis. Unter Placebo bzw. Propranolol betrug die mittlere Peak-Plasmakonzentration von Zolmitriptan 14,6 bzw. 20,1 ng/ml, die Area under the curve (AUC) 94,9 bzw. 147,9 ng/ml*h, die mittlere Halbwertzeit 3,1 bzw. 4 h, während die mittlere Peak-Plasmakonzentration des aktiven Metaboliten 183C91 6,3 bzw. 4,8 ng/ml, die AUC 43,8 bzw. 38,8 ng/ml*h und die mittlere Halbwertzeit 3,0 bzw. 4,5 betrug. Auch die Peak-Plasmakonzentration und die AUC der inaktiven Metaboliten 1652W92 und 2161W92 waren unter Placebo niedriger als unter Propranolol. Nach 7-tägiger Propranolol-Therapie lag der systolische bzw. diastolische Blutdruck 3 bzw. 7 mm Hg niedriger als unter Placebo. Die Einnahme von 10 mg Zolmitriptan führte in der Verum- und in der Placebo-Gruppe zu einem vorübergehenden identischen Anstieg des systolischen Blutdrucks um jeweils 13 mm Hg und des diastolischen Blutdrucks um jeweils 11 mm Hg. Insgesamt ergibt sich eine deutliche Veränderung des Stoffwechsels von Zolmitriptan unter Propranolol-Medikation, die allerdings keine Veränderung des transienten blutdrucksteigernden Effektes der Substanz zur Folge hat.

Die Autoren schließen daraus, daß Zolmitriptan auch bei Patienten, die eine Propranolol-Prophylaxe betreiben, ohne Dosismodifikation angewendet werden kann. (MSCH)


DMKG