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Kopfschmerz-News SEPTEMBER 1997 Migräne Klinik

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II. Migräne Klinik

3. ** Antonov K, Isacson D. (1997) Headache in Sweden: The importance of working conditions. Headache 37: 228-234

Angesichts des individuellen Leidens der Betroffenen und der explosiv anwachsenden gesundheitspolitischen Bedeutung chronischer Schmerzsyndrome sind epidemiologische Studien in diesem Bereich zur Zeit von großem Interesse. Von ihnen wird u.a. erwartet, daß sie durch die Untersuchung von Prädiktoren Möglichkeiten aufzeigen können, durch welche gesundheitspolitischen Maßnahmen der Entwicklung präventiv Einhalt geboten werden kann. Untersuchungen über den Einfluß von Arbeitsplatzbedingungen für die Ausbildung chronischer Rückenschmerzsyndrome sind vielfältig, für Kopfschmerzsyndrome eher selten.

Die vorliegende Studie wertete Interviewmaterial (n=9196) aus den Jahren 1988 und 1989 einer regelmäßigen Gesundheits-befragung in der schwedischen Bevölkerung hinsichtlich der Frage aus, ob physikalische und mentale Arbeitsbelastungen Risikofak-toren für die Ausbildung einer Kopfschmerzgenese darstellen. Die Inzidenz wurde in dem Interview durch “wiederkehrende Kopfschmerzen oder Migräne in den letzten 2 Wochen” definiert, physikalischer Arbeitsstreß wurde bestimmt mit einem Index aus 7 verschiedenen Arbeitsbedingungen, z.B. repetitive Bewegungen, Lärm, Vibrationen etc, und mentaler Arbeitsstreß mit einem Index der Bedingungen Monotonie, Hektik und psychische Angestrengtheit. Soziodemographische Faktoren und konfundierende Aspekte der Lebensführung wurden kontrolliert.

Die deskriptive Auswertung zeigte ein höheres Vorliegen von Kopfschmerzen bei Frauen und in der Altersgruppe von 25 bis 45 Jahren. Physikalischer und mentaler Arbeitsstreß waren streng assoziiert mit Kopfschmerzen (Ausnahme: Bildschirmarbeit!). Die sehr sorgfältig durchgeführte inferenzstatistische Auswertung (Regressionsanalyse) bestätigte generell sowie in allen Subkategorien die Korrelation von physiklalischen und mentalen Arbeitsstreß und dem Auftreten von Kopfschmerzen.

Bei den Männern konnten mentale Belastungen fast doppelt soviel Varianz aufklären als physikalische Belastungen. Bei den Frauen zeigte sich eine entgegengesetzte Befundlage: Deren Kopfschmerzen waren sehr viel stärker mit physikalischen Belastungen assoziiert.

Einige Ergebnisse der Studie mögen überraschen. Generell sind die Aussagen jedoch aufgrund von erheblichen methodischen Mängeln zurückhaltend aufzunehmen. Positiv ist zu bewerten, daß hier eine unselegierte Bevölkerungspopulation untersucht wurde. Negativ fallen v.a. die schmächtige Punktprävalenz (2 Wochen) und die Nichtberücksichtigung von diagnostischen Kriterien sowie der Mediatorenwirkung von muskuloskeletalen Schmerzen auf. Kausale Interpretationen sind unzulässig, denn Arbeitsbedingungen können von Kopfschmerzbetroffenen lediglich verstärkt als belastend erlebt werden. Desweiteren suggeriert die Studie einen prädiktiven Wert der untersuchten Variablen für die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Kopfschmerzsyndromen. Gemäß einem biopsychosozialen Störungsmodell sollten Prädiktorstudien jedoch die komplexen und wechselseitigen Beeinflussungen von Schmerz, situativen Faktoren, psychischer Beeinträchtigung und Copingverhalten berücksichtigen. Nicht die Arbeitsplatzbedingungen sondern die Wahrnehmung des Arbeitsplatzes können schmerzkrank machen. (GF)


DMKG