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Kongreßreport Deutsche Migräne – u. Kopfschmerz -Ges

 

Stand: Januar 2006

Kongreßreporte der DMKG

11th World Congress on Pain vom 21. – 26. 8. 2005 in Sydney

International Headache Congress der IHS in Kyoto 9. – 12. 10. 2005

9. EFNS Kongress in Athen 17. – 20. 9. 2005

6th Congress of the European Federation of Neurological Societies, Wien, Österreich, 26. – 29. 10. 2002

Deutscher Schmerzkongresses 2002 in Aachen

The 10th Congress of the International Headache Society, New York, 28. 6. – 2. 7. 2001

Deutscher Schmerzkongress 2000, Hamburg, 25. – 29. 10. 2000

Headache World 2000, London, 3. – 7. 9. 2000


Kongresstermine in 2006

Schon jetzt sei auf die wichtigsten Kongresse hingewiesen, die sich in 2006 mit Kopfschmerzen beschäftigen werden:

 


Bericht über den 11th World Congress on Pain, 21. – 26. August 2005 in Sydney

(Karl Messlinger)

Allgemeines

Ungewöhnlich viele Teilnehmer fanden sich am diesjährigen Weltkongress der International Association for the Study of Pain (IASP) ein, sicherlich nicht zuletzt bedingt durch den attraktiven Ausrichtungsort Sydney. Das wissenschaftliche Programm war nicht nur ansprechend, sondern auch von guten bis hervorragenden Hauptvorträgen getragen. Kurzvorträge waren nicht vorgesehen, dafür wurden vor- und nachmittags mehrere parallel laufende Symposien und Workshops von je 90 Minuten mit je 3-4 Sprechern angeboten. Diese Form hat sich sehr bewährt, da die Vorträge dadurch eine für Sprecher und Zuhörer effiziente Länge erhalten. Zum Ausgleich wurde auch der Posterpräsentation breiten Zeitraum eingeräumt. Die Anzahl der interessanten und hochwertigen Posterbeiträge überstieg diejenige früherer IASP-Tagungen deutlich. Diese Beurteilung sowie die Auswahl der hier beispielhaft erwähnten Beiträge sind natürlich höchst subjektiv und vom wissenschaftlichen Blickwinkel des Berichterstatters aus gesehen.

Plenary Sessions

Clifford J. Woolf (Harvard) ließ in seinem teilweise als historischen Abriss zu bezeichnenden Hauptvortrag die 40 Jahre alte (und damals schon widerlegte) Spinal Gate Control Theory von Melzack und Wall wieder aufleben und fügte sie nicht ungeschickt mit neuen Vorstellungen von apoptotischen Prozessen als Ursache für chronische Schmerzen zusammen. Kommentar: Das Schlagwort von der Gate Control Theory hält sich hartnäckig und wird inzwischen ganz generell als Umschreibung für die spinale Verarbeitung spezifischer nozizeptiver Information gebraucht.

Rolf-Detlef Treede (Mainz) sprach über Mechanismen der zentralen Sensibilisierung als Grundlage für Hyperalgesie und chronischen Schmerz. Er verglich klinische Phänomene und Beobachtungen mit tierexperimentellen Befunden in und erklärte die Unterschiede zwischen den experimentellen Phänomen Central Sensitization, Wind-up und Long-term Potentiation sowie (experimenteller) neurogener Hyperalgesie und (klinischem) neuropathischem Schmerz. Er wies auf die Grenzen der verfügbaren experimentellen Modelle vor allem für chronische Schmerzen hin und versuchte Lösungen aufzuzeigen, wie diese Modelle verbessert werden können. Kommentar: Die Vorgänge bei der zentralen Sensibilisierung rücken langsam auch ins Licht der Kopfschmerzforschung, z.B. durch die Arbeiten von R. Burstein.

Michael S. Gold (Baltimore) fasste die neuen Erkenntnisse über die Eigenschaften, die Expression und die Rolle verschiedener Ionenkanäle, insbesondere P2X3, Na + – (NaV1.8) und K + -Kanäle (KCNQ), in nozizeptiven Systemen zusammen und diskutierte die Möglichkeiten, durch die pharmakologische Beeinflussung dieser Kanäle neue Strategien der Schmerztherapie zu eröffnen. Kommentar: Diese universellen Ionenkanäle sind natürlich für alle Bereiche der Nozizeption von großer Bedeutung und stellen attraktive Targets für die PharmaForschung dar.

Symposia und Workshops

Deep somatic, visceral and cutaneous pain: What is the difference? Cellular, systemic and clinical aspects.

In diesem Symposium wurde versucht, die Unterschiede auf zellulärer, sytemischer und klinischer Ebene zwischen diesen Schmerzformen herauszuarbeiten. Hans-Georg Schaible (Jena) sprach über Gelenk-Nozizeption und wies darauf hin, dass spinale Neurone in tiefen Laminae mehr Einstrom aus Muskeln und Viszera als aus der Haut erhalten und unter stärkerem Einfluss absteigender Hemmsysteme stehen. Fernand Cervero (Montreal) sprach über pathophysiologische Aspekte des viszeralen Schmerzes und über Hyperalgesie-Effekte nach experimenteller Ovarektomie. Lars Arendt-Nielsen (Aalborg) sprach über Schmerzmodelle beim Menschen und berichtete über Geschlechtsunterschiede bei experimenteller Flare-Reaktion. Kommentar: Der Vergleich der nozizeptiven System zwischen verschiedenen Geweben ist interessant und kann durch das intrakranielle System ergänzt werden, das wahrscheinlich dem viszeralen am nächsten kommt.

Why polymodal nociceptors are polymodal.

Das Konzept der Polymodalität im nozizeptiven System bildete den Rahmen für dieses Symposium. David D. McKemy (Los Angeles) referierte über molekulare Methoden, um die für die unterschiedliche Thermosensitivität von Afferenzen verantwortlichen Rezeptormoleküle (hauptsächlich aus der Familie der TRP-Rezeptorkanäle) zu identifizieren. Carlos Belmonte (Alicante) berichtete über die neuen Erkenntnisse der Kalt-Transduktion, wo wahrscheinlich sowohl TRPM8 Rezeptorkanäle als auch Kaliumkanäle beteiligt sind. Viele Kaltfasern werden dabei auch durch Capsaicin erregt. Hermann O. Handwerker (Erlangen) erweiterte das Konzept der Polymodalität durch die Einbeziehung zentraler Prozesse, wo Polymodalität durch multirezeptive Eingänge entstehen aber auch unterdrückt werden könnte. Er erklärte das Prinzip der mikroneurographischen Ableitung am Probanden und wies darauf hin, dass diese Methode als einzige den Zusammenhang zwischen der Aktivität primärer Afferenzen und der dabei entstehenden Empfindung aufklären kann.

Understanding migraine headache: From animal studies to patient care.

Als Gesamtkonzept der Migräneentstehung stellte James Lance (Sydney) den hypothetischen Zusammenhang zwischen den Vorgängen im zerebralen Kortex (Aura bzw. Spreading Depression), dem Thalamus, den absteigenden antinozizeptiven Hemmsystemen und den Schaltkernen im Hirnstamm vor. Diese Hypothese beruht hauptsächlich auf klinischen Beobachtungen. Karl Messlinger (Erlangen) erklärte die auf tierexperimenteller Grundlage beruhende Hypothese über den Zusammenhang von Stickstoffmonoxid (NO) und CGRP beim Migräneschmerz, deren Kern darin besteht, dass die vermehrte Bildung von NO im Körper zunächst zu einer verstärkten Freisetzung von CGRP und später zur Genexpression und Verstärkung der nozizeptiven Übertragung im spinalen Trigeminuskern führt. Andrew H. Ahn (San Francisco) berichtete über neue Untersuchungen an Zellsystemen, welche zeigen, dass die 5-HT1D-Rezeptoren erst nach noxischer Stimulation in die Membran der afferenten Neurone integriert werden, was möglicherweise das Phänomen erklären kann, dass eine Migränetherapie durch Triptane erst nach Beginn der Kopfschmerzphase erfolgreich ist.

Mechanosensation and pain.

Der interessante Workshop beschäftigte sich mit den Ionenkanälen, die an der Transduktion von mechanischen noxischen Stimuli beteiligt sind und die Grundlage für die mechanische Hyperalgesie bilden. Uhtaek Oh (Seoul) berichtete über drei verschiedene Typen von Stretch-activated Channels mit unterschiedlichen Eigenschaften in kultivierten Ganglienzellen. Paolo Cesare (Rom) zeigte, wie Nerve Growth Factor und Proteinkinase C mechanisch aktivierte Kanäle in sensorischen Neuronen moduliert. Gary R. Lewin (Berlin) sprach über die Rolle der Acid Sensitive Ion Channels (ASICs) bei der Mechanotransduktion. Kommentar: Die hier diskutierten Kanaleigenschaften sind für alle nozizeptiven Systeme von grundlegender Bedeutung, da sie entscheidend dazu beitragen, dass ein mechanischer Reiz als schmerzhaft empfunden werden kann.

Posters

nNOS targeting inhibitors are efficacious in animal pain models.

Neuronale NO synthase (nNOS) bindet durch ein bestimmtes Molekül (PSD95) an NMDA-Rezeptoren in zentralen Neuronen und entwickelt dadurch seine volle Wirksamkeit als NO-produzierendes Enzym. Y.Y. Lai et al. (Minneapolis) zeigten hier, dass die Lösung dieser Bindung die thermische und mechanische Hyperalgesie in chronischen Schmerzmodellen bei Ratte und Maus reduziert. Kommentar: Diese Daten zeigen, dass die verstärkte Produktion von NO entscheidend an der Hyperalgesie beteiligt ist, was auch für chronische Kopfschmerzen von Bedeutung sein könnte.

Change in spinal caudalis neuronal activity of the rats with trigeminal mononeuropathy.

Die Autoren A. Shima et al. (Tokyo) erzeugten durch Ligatur des N. infraorbitalis bei der Ratte eine trigeminale Neuropathie, die sie durch Verhaltenstests, elektrophysiologische Ableitung vom Nucleus spinalis N. trigemini und durch den Nachweis von phosphoryliertem ERK, einem neuronalen Aktivitätsmarker, verifizierten. Kommentar: Interessantes Modell für neuropathischen Gesichtsschmerz.

Primary afferent and spinal cord localization of the calcitonin-like receptor (CLR), a member of the CGRP receptor complex, in the rat.

In dieser immunzytochemischen Arbeit von Cavanaugh et al. (San Francisco) wurde zum ersten Mal die Lokalisation des CGRP-Rezeptors in Spinalganglien und im Hinterhorn dargestellt. Die Autoren fanden Hinweise auf prä- und postsynaptische Rezeptoren und Autorezeptoren auf primären Afferenzen. Kommentar: Wegen der Bedeutung des CGRP in der meningealen Nozizeption sollten diese Untersuchungen unbedingt auch im Trigeminusgebiet durchgeführt werden.

Purinergic receptor mechanisms modulate activity of neurons in the rat trigeminal subnucleus caudalis.

E. A. Jennings (Melbourne) benutzte Dickschnitte (sclices) für seine Patch-clamp Ableitungen von zentralen trigeminalen Neuronen. Er konnte dabei eine wesentliche Rolle von P2X-Rezeptoren bei der zentralen Sensibilisierung exklusiv von Neuronen aus tiefen Laminae feststellen, die im Unterschied zu den oberflächlichen Neuronen kaum Capsaicinsensitiv sind. Kommentar: Diese kunstvolle Technik erlaubt als einzige die eindeutige Unterscheidung von prä- und postsynaptischen Rezeptormechanismen (was gerade für das Verständnis der zentralen Vorgänge bei der Kopfschmerzentstehung von großer Bedeutung ist), ist aber schwierig und zeitaufwändig.

ATP induces long-term potentiation of craniofacial nociception through P2X receptors on tetrodotoxin-sensitive neck muscle afferents in mice.

Mit einem neuen Tiermodell, bei dem der elektrisch ausgelöste Kieferöffnungsreflex als Aktivitätsmaß genutzt wird, versuchen J. Ellrich et al. (Aachen) derzeit, die, die dem Spannungskopfschmerz zu Grunde liegenden Mechanismen aufzuklären. Hier zeigten sie die Bedeutung der P2X-Rezeptoren für die Langzeitpotenzierung der nozizeptiven Übertragung aus der Nackenmuskulatur, in die ATP injiziert wurde. Kommentar: Da es bisher kaum Untersuchungen zur Entstehung des Spannungskopfschmerzes gibt, sind diese Arbeiten von großer Bedeutung.

Modulation of nociceptive pathway activity in the trigeminocervical complex by BKCa channel blocker and NS1619.

Auf der Suche nach möglichen neuen zentralen Therapieansätzen für Kopfschmerz untersuchten R. J. Storer et al . aus der Arbeitsgruppe Goadsby (London) mit ihrer etablierten Iontophoresetechnik unter Stimulation des Sinus sagittalis superior bei der Katze spannungs- und Calciumabhängige Kaliumkanäle in Neuronen des oberen Cervikalmarks mit Input aus der Dura mater encephali. Nicht ganz unerwartet steigerten Kalium-Kanalblocker die durch Glutamat-Iontophorese ausgelöste neuronale Aktivität, während der K-Kanalöffner NS1619 diese verminderte. Kommentar: Kalium-Kanalöffner wären für eine Schmerzbehandlung natürlich nur dann geeignet, wenn man spezifische Kalium-Kanäle für die nozizeptive Transmission findet.

Nützliche Hinweise und Fazit

Auf dem World Congress on Pain treffen sich Kliniker, Therapeuten und Grundlagenwissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen mit einem breiten Interessensspektrum. Auch die Grundlagenwissenschaften, die eher den geringeren Teil der Beiträge stellen, sind mit vielen unterschiedlichen Feldern vertreten. Es ist daher eine relativ intensive Vorbereitung nötig, um sich in dieser Vielfalt zurechtzufinden und sein eigenes Programm zusammenzustellen. Der Kongress bietet aber aus dem gleichen Grund auch den unschätzbaren Vorteil, dass man von Nachbardisziplinen lernen kann, die auf bestimmten Gebieten schon weiterentwickelt sind, um insbesondere Ideen und Methoden ins eigene Forschungsgebiet zu transferieren. Der nächste IASP-Kongress wird übrigens im August 2008 in Glasgow stattfinden.

 


Bericht vom International Headache Congress, Kyoto, 9. – 12. Oktober 2005

(Stefan Evers)

Der alle zwei Jahre ausgerichtete International Headache Congress der IHS fand in diesem Jahr vom 9.-12. Oktober in Kyoto/Japan statt. Insgesamt nahmen ca. 1000 Besucher teil, von denen ca. 50% selbst aus Japan stammten. Damit war der Kongress der mit Abstand am schlechtesten besuchte der letzten 10 Jahre. Dies lag zum einen an dem Veranstaltungsort, zum anderen – damit zusammenhängend – auch an der abnehmenden Unterstützung dieser Kongresse durch die pharmazeutische Industrie.

Inhaltlich war der Kongress bestimmt von den Fortschritten der letzten Jahre, die auf verschiedenen Übersichtssymposien zusammengefasst wurden. So wurde der kürzlich entdeckte dritte Genlokus für die Familiäre Hemiplegische Migräne vorgestellt. Überhaupt nahm die Genetik einen sehr großen Raum ein (allein ca. 20 Beiträge zur Frage des Zusammenhangs zwischen Migräne und dem MTHFR-Polymorphismus), ohne dass neue Implikationen der genetischen Forschung für Diagnostik oder Therapie der Kopfschmerzen deutlich wurden. Weitere Übersichtssymposien beschäftigten sich mit der funktionellen Bildgebung von Kopfschmerzen und mit dem differenziellen Einsatz der Triptane. Hier konnte durch viele ähnlich ausgerichtete Studien inzwischen das bestätigt werden, was erste Beobachtungen Ende der 90er Jahre bereits nahe legten. Es zeichnet sich somit eine gefestigte Lehrmeinung ab, was die strukturellen und funktionellen cerebralen Veränderungen bei idiopathischen Kopfschmerzen betrifft. Auch für den frühzeitigen und den mit NSAR kombinierten Triptaneinsatz zeichnet sich immer mehr Evidenz ab.

Ein weiteres viel diskutiertes Thema war der tägliche chronische Kopfschmerz. Hier ist es auf Initiative der US-Amerikaner und einiger Europäer zu einem Konsensus gekommen, der neue Forschungskriterien für die Begriffe „chronische Migräne“, „chronischer Spannungskopfschmerz“ und „chronic daily headache“ festlegt, die in epidemiologischen Studien in den nächsten Jahren evaluiert werden sollen.

Der Einsatz von Botulinumtoxin bei Kopfschmerzen wurde in einer eigenen Postersitzung behandelt. Hier zeigt sich auch immer mehr Evidenz, dass die Substanz bei rein episodischen idiopathischen Kopfschmerzen wohl nicht wirksam ist, aber beim chronischen Kopfschmerz mit verschiedenen Chronifizierungsfaktoren einen Platz im Therapiekonzept haben kann. Viele Studien zu diesem Problem sind derzeit in Phase II oder III der klinischen Prüfung.

Aus deutscher Sicht ist Herrn Prof. Diener aus Essen zu gratulieren, der die ehrenhafte Auszeichnung erhalten hat, die sog. IHS Special Lecture zu halten. Damit werden Persönlichkeiten hervorgehoben, die sich um die Kopfschmerzforschung besonders verdient gemacht haben. Prof. Diener hielt seine Lecture über die Bedeutung und die Wirkung von Placebo in der Kopfschmerztherapie.

Als neuer Präsident der IHS für die Amtszeit von 2007 bis 2009 wurde Michael Moskowitz (USA) gewählt, der dann Prof. Sakai (Japan) ablösen wird. Ausgeschieden als Präsident der IHS ist mit dem Kongress in Kyoto Peer Tfelt-Hansen (Dänemark).

Weiterhin ist zu berichten, dass die Bewerbung der DMKG um die Ausrichtung des International Headache Congress 2009 in Berlin gescheitert ist. In der letzten Abstimmungsrunde war unsere Bewerbung gegen Philadelphia (USA) unterlegen, nachdem bereits vor die Bewerbungen für Nizza, Prag und Singapur ausgeschieden waren. Aufgrund des sehr knappen Abstimmungsergebnisses wurde vereinbart, innerhalb der Statuten der IHS nach Möglichkeiten zu suchen, dass Deutschland dafür den Kongress in 2011 ausrichten kann. Dies ist noch nicht entschieden, die DMKG darf aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass dies so eintreten wird. Die Bewerbung um den Kongress wurde von P+R-Kongresse vorbereitet, die auch für die Organisation des Deutschen Schmerzkongresses verantwortlich sind. Als Kongresspräsidenten sind von der DMKG die Professoren Diener (Essen) und Evers (Münster) vorgeschlagen.

 


9. EFNS Kongress, Athen, 17. – 20. September 2005

(A. Straube, München)

Der Europäische Neurologen-Kongress der EFNS richtete sich vorwiegend an das breite neurologische Fachpublikum aus Europa, wobei eine primäre Spezialisierung nicht vorgegeben war. Dementsprechend wurden in den Vorträgen und Symposien alle wesentlichen Gebiete in der Neurologie aufgegriffen und behandelt.

Kopfschmerzthemen wurden in einem Hauptsymposium, organisiert von Peter J. Goadsby und Jean Schoenen, vorgestellt. Michael Ferrari stellte die zuletzt erhobenen Befunde bezüglich der neu-entdeckten Migräne-Gene vor, insbesondere präsentierte er die Ergebnisse bezüglich der Knock-in-Mäuse und der Calciumkanal-Genmutation (FHM 1). Es konnte dort gezeigt werden, dass diese Mäuse eine erniedrigte Schwelle zur Auslösung einer Cortical-Spreading-Depression haben.

J. Schoenen diskutierte die Ergebnisse elektrophysiologischer Untersuchungen in Bezug zur kortikalen Erregbarkeit und leitete daraus seine schon früher vertretene Theorie einer gestörten Informationsverarbeitung und Informationsflusses vor.

H. C. Diener behandelte das Thema, ob die Migräne eine progressive Erkrankung darstellt. Eine wesentliche Schlussfolgerung war, dass auf Grund der Prävalenz-Zahlen für die weite Mehrzahl der Patienten primär nicht von einer progressiven Erkrankung auszugehen ist, es aber sehr wohl eine Reihe von Co-Morbiditäten gibt, die zu beachten sind, insbesondere die Befunde aus der holländischen Arbeitsgruppe, dass korreliert mit der Häufigkeit einer Migräneattacke mit Aura, das Risiko, im Kernspin lakunäre Läsionen im Bereich der hinteren Strombahn zu finden, steigt.

Peter J. Goadsby letztlich fasste die zuletzt erhobenen Ergebnisse bezüglich der trigemino-autonomen Kopfschmerzen zusammen, insbesondere dass sich in der funktionellen Bildgebung (PET und fMRI) auch bei der Hemicrania continua, bzw. beim SUNCT-Syndrom ähnliche Veränderungen, wie beim Cluster-Kopfschmerz finden lassen.

Neben diesen Vorträgen wurde das Thema Kopfschmerz noch in 2 Postersitzungen mit insgesamt ca. 80 Poster diskutiert, wobei eine Vielzahl primär von Firmen gesponserter Poster zu dem Thema der Wirksamkeit von Botulinum-Toxin bei chronischen täglichen Kopfschmerzen präsentiert wurden. Möglicherweise könnte Btx eine Therapieoption bei chronischen tgl. Kopfschmerzen darstellen.

Im weiteren Rahmenprogramm waren 2 Industrie-gesponsorten Symposien mit den Titeln: „Ist das Migräne-Gehirn unterschiedlich“ und „Migräne-Prävention: Gibt es einen neuen Standard“ der Fa. MSD und Fa. Janssen zu finden.

 


6th Congress of the European Federation of Neurological Societies, Wien, Österreich, 26. – 29. Oktober 2002

(Volker Busch, Universitätsklinik für Neurologie, Regensburg)

Das Programm des 6.Europäischen Neurologen Kongresses in Wien vom 26.-29.10 2002 unterteilte sich in die Hauptsymposien (main topics / short communications) an den Vormittagen, sowie Workshops, Satelliten-Symposien bzw. Poster-Sessions an den Nachmittagen. Am Samstag, dem 26.10. fanden einleitend nachmittags mehrere teaching courses zu einzelnen Themenschwerpunkten statt.

Bei der Fülle der inhaltlichen Angebote sollen für die DMKG-Seiten nur die Kopfschmerzthemen eine kurze Erwähnung finden.

Teaching courses:

Das allgemeine Ziel dieses Kurses sollte sein, auch nicht Kopfschmerz-erfahrenen Neurologen diagnostisch wertvolle Hinweise an die Hand zu geben, die ihnen helfen können, Kopfschmerzsyndrome ausreichend zu differenzieren. Dementsprechend gestaltete sich der Inhalt weniger wissenschaftlich, sondern orientierte sich an der klinisch-pragmatischen Behandlung von Patienten mit Kopfschmerzen:

Jes Olesen (Kopenhagen, Dänemark) stellte mehrere diagnostische Instrumente vor (darunter Kopfschmerzkalender, Kopfschmerz-Tagebuch und die sog. „Aura rating scale“), welche die Diagnosefindung erleichtern und das Patientenmanagment verbessern können. Er betonte, wie wichtig die Anamnese der Patienten und die Quantifizierung subjektiver Angaben wie Attackenhäufigkeit oder Schmerzintensität in Form von Skalen in der therapeutischen Verlaufskontrolle ist.

In dem Kurs über Lumbalpunktions-Kopfschmerz und Kopfschmerz durch Liquorunterdruck von Steinar Vilming (Oslo, Norwegen) wurde vor allem darauf hingewiesen, daß nach wie vor viele in Klinik und Praxis tätige Neurologen zu wenig über diesen Kopfschmerz wissen und ihn differentialdiagnostisch nicht genügend berücksichtigen. Die klinischen Symptome (24-48h nach Punktion auftretender dumpfer Dauerschmerz, Lageabhängigkeit mit Verschlechterung in aufrechter Position, evtl. Nacken- oder Rückenschmerzen, Tinnitus) und die derzeitigen therapeutischen Möglichkeiten (ASS/Paracetamol, Metamizol, epiduraler blood patch) wurden aufgezeigt.

Inhalt des Vortrages von H.Ch.Diener (Essen, Deutschland) waren sekundäre Kopfschmerzen aufgrund akuter oder chronischer neurologischer Erkrankungen. Er gab seinem Bedenken Ausdruck, daß viele Neurologen heute zu sehr im Erkennen der klassischen primären Kopfschmerzsyndrome wie Migräne oder Spannungskopfschmerzen verhaftet sind. Zu wenig kenne man charakteristische Kopfschmerzsymptome bei Vaskulitiden, Hirntumoren oder Schädel-Hirn Traumata. Mehrere sekundäre Kopfschmerzsyndrome wurden klinisch erläutert und differenziert.

Den Abschluß dieses Kurses bildete Peter Goadsby (London, England) mit seltenen primären Kopfschmerzsyndromen, wie bsp. der Gruppe der trigemino-autonomen Kopfschmerzen. Er betonte die Wichtigkeit im Erkennen solcher Syndrome durch den behandelnden Arzt, da in vielen Fällen eine lohnende Aussicht auf erfolgreiche Therapie besteht und sich oftmals nur durch Unkenntnis des Neurologen oder Hausarztes eine wirksame Behandlungen verzögert und Patienten evtl. jahrelang un- oder falsch behandelt werden.

Main topics:

R.Kupers (St.Etienne, Frankreich) legte in einem sehr interessanten Vortrag dar, wie wichtig für das subjektive Schmerzempfinden neben der Reizart, -dauer, und -stärke auch die psychologisch und emotionale Verfassung eines Menschen ist. Er erläuterte mehrere Arbeiten, die bildgebend zeigen konnten, daß in der zentralen Perzeption von Schmerz Strukturen beteiligt sind (wie bsp. das peraquäduktale Grau, die Corpora amygaloidea, der Gyrus cingulus oder der Hypothalamus), die gleichzeitig größtenteils dem limbischen System angehören. Er erwähnte Tierstudien, die zeigen konnten, daß elektrische Stimulation dieser Strukturen eine sog. „Stimulation produced analgesia“ (SPA) verursachte. Dies könnte cerebrale Tiefenstimulation bei der Behandlung von Kopfschmerzen in Zukunft interessant machen. Umgekehrt fügte er Arbeiten an, bei denen bildgebend unter Versuchsprobanden ein Zusammenhang erhöhter Aufmerksamkeit bzw. Angst und vermehrtem Schmerzempfinden vermutet wurde.

Jörgen Boivie (Linköping, Schweden) beleuchtete in seinem Vortrag die häufigsten Ursachen für zentralen Schmerz. Darunter betonte er im Besonderen zerebrovaskuläre Läsionen, die Multiple Sklerose und Schädel-Hirn Traumata. Pathoanatomisch basiert der zentrale Schmerz auf eine Schädigung afferenter somatosensorischer Bahnen im Verlauf der Neuroaxis. Er betonte die klinische Heterogenität der Schmerzsymptome zentralen Ursprungs und ihre schwierige therapeutische Beeinflußbarkeit. Er erläuterte therapeutisch wirksame medikamentöse und nicht-medikamentöse Verfahren, so die Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva, Antikonvulsiva und der Anwendung von transkutaner elektrischern Nervenstimulation (TENS), die bei manchen Patienten zumindest schmerzlindernd ist.

Jean Schoenen (Liege, Belgien) gab einen Überblick über die momentanen pathophysiologischen Konzepte der Migräne. Ungeklärt in dem Verständnis einer möglicherweisen neurogenen Inflammation als Ursache für die nozizeptive Kaskade in der Migräne stellte er heraus, daß diese beim Menschen bisher noch nicht bewiesen werden konnte. Hinweisend seien lediglich indirekte Faktoren wie der erhöhten CGRP im Venenblut von Migränikern während der Attacke. Darüber hinaus erläuterte er die gemeinsame Verschaltung von Fasern des N.ophtalmicus (N.trigeminus V.1) und okzipitaler bzw. afferenter Fasern der Segmente C2/C3 im N.caudalis n.trig. im Hirnstamm.

Short communications:

Achim Frese (Münster, Deutschland) stellte die Daten einer demographisch-klinischen Studie zum sexual headache vor, in welcher 37 Patienten mit dieser Diagnose eine mit den Angaben aus der Literatur übereinstimmenden Alters- und Geschlechterverteilung (3. Lebensjahrzehnt, Verhältnis Männer:Frauen 2,7:1) aufwiesen und sich in drei klinische Sub-Typen aufteilen liessen (dumpf, explosiv und diffus). Patienten mit dem Typ 2 sexueller Kopfschmerzen (explosiver Typ) wiesen überzufällig häufig eine Koninzidenz mit Migräne auf.

P. Velentgas (New York, USA) stellte eine interessante epidemiologische Studie vor über Patienten mit Kopfschmerzbedingter Einnahme von Triptanen und der potentiell höheren Gefahr vaskulärer Erkrankungen und fand unter den Migränikern eine gegenüber der Normalbevölkerung leicht erhöhtes Risiko einen Schlaganfall zu erleiden, unabhängig ihrer Medikation. Die Einnahme von Triptanen hatte keinen Einfluß auf das Auftreten von Herzinfarkt oder Schlaganfall. Sie waren in beiden Gruppen (Migräniker, Nicht-Migräniker) gleich häufig.

Jes Olesen (Glostrup, Dänemark) fand in einer Gruppe von 261 Migränikern, die auf die orale Einnahme von Sumatriptan nicht angesprochen hatten, in einer placebo-kontrollierten doppelblinden Studie eine effektive und gut verträgliche Behandlungsmöglichkeit mit Eletriptan 40 oder 80mg. Die Patienten mußten Wirkeintritt, prozentuale Besserung, das zeitliche Anhalten der Schmerzlinderung und die Nebenwirkungen in Form von Fragebögen angeben. Dies ist für den Kliniker interessant, da es häufig Patienten gibt, die auf ein bestimmtes Triptan nicht ansprechen, auf ein anderes aber sehr wohl.

S.Silberstein (Philadelphia, USA) untersuchte in einer kontrollierten Studie die prophylaktische Wirksamkeit von Topiramat unter Migränikern und fand innerhalb der Subgruppe Migräne mit Aura unter den Teilnehmern eine im Vergleich zur Placebogruppe signifikant reduzierte Attackenfrequenz (Kopfschmerztage pro Monat).

Satelliten-Symposium/workshop headache:

Fred Sheftell (Stemford, Connecticut, USA) stellte im Zeitalter von epidemiologisch zunehmenden Kopfschmerzen die Wichtigkeit effektiver Kopfschmerzmedikamente zur Diskussion und ermahnte künftige pharmakologische Studien zur Auswahl geeigneter Parameter für die klinische Wirksamkeit, allen voran die „2-Stunden-schmerzfrei-Rate“, die Konsistenz bei wiederholter Einnahme, die Nebenwirkungsrate und die Häufigkeit eines „Wiederkehr-Kopfschmerzes“. Er betonte, wie wichtig eine individuelle patientenbezogene Therapie sei, die sich an den Wünschen und Ansprüchen aufgeklärter Patienten an ein heutiges Kopfschmerzmedikament orientieren müsse.

Rose Giammarco (Hamilton, Ontario, Canada) stellte den sog. „migraine disability assessment (MIDAS)“ vor, mit dessen Hilfe eine objektive klinische Einordnung von Migränepatienten gelingen (3 Stufen bzw. Schweregrade) und somit eine patientengerechtere Therapie ermöglicht werden soll.

Andrew Dowson (London, England) berichtete das Ergebnis eines Fragebogens von Migränikern zur Galenik von Kopfschmerzmedikamenten. Demnach bevorzugen die meisten Patienten eine orale Schmelztablette gegenüber sämtlichen anderen Darreichungsformen bevorzugen würden. Als Begründung nannte er den Vorteil, nicht auf das Trinken von Flüssigkeiten zum Schlucken normaler Tabletten angewiesen zu sein und die Möglichkeit, Migräneattacken schnell, einfach und vor allem diskret und ohne Aufsehens kupieren zu können.

Hans Christoph Diener (Essen, Deutschland) stellte Zolmitriptan Nasenspray (2,5 oder 5mg) als neues medikamentöses Verfahren in der Bekämpfung akuter Migräneattacken zur Diskussion. 70% sprächen auf eine einmalige Gabe an, 36% seien nach 2h sogar komplett schmerzfrei. Weniger als 10% der Migräniker würden innerhalb von 10h einen Wiederkehrkopfschmerz erfahren. Laut Diener bewerteten 58% der Patienten das Nasenspray als gut oder gar exzellent.

 


Deutscher Schmerzkongresses, Aachen 2002

(Tobias Schmidt-Wilcke, Neurologische Universitätsklinik Regensburg)

Der gut besuchte Deutsche Schmerzkongress 2002, der die gemeinsame Jahrestagung der Deutschen Schmerzgesellschaft (DGS), der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS), der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Schmerztherapie (DIVS) darstellt, fand vom 25.09.-29.09.02 unter dem Motto „Schmerz und Technik: Risiko und Chance“ in Aachen statt.

Grundlagenforschung bei primären Kopfschmerzerkrankungen

Erwähnenswert ist die Arbeit von U. Reuter, der nach Induzierung einer Cortikal spreading depression (CSD) am Rattenhirn sowohl einen erhöhten Blutfluß in den meningealen Gefäßen als auch eine erhöhte cFos Expression im Bereich des Nucleus caudalis des Nervus trigeminus nachweisen konnte. Zudem konnte eine signifikant erhöhte ipsilaterale Anreicherung von Plasmaproteinen in der Dura mater nach CSD gezeigt werden. Diese Phänomene waren von der Integrität des N. trigeminus abhängig. Diese Untersuchungen deuten auf eine Verbindung zwischen intrinsischen cerebralen metabolischen Ereignissen wie z.B. der CSD (als morphologisches Korrelat zur Migräneaura) und trigeminaler Aktivierung hin. Unklar bleibt allerdings weiterhin, in welcher Hinsicht die cFos Expression als Hinweis für eine trigeminale Aktivität gewertet werden kann. Direkte elektrische Aktivität konnte bei ähnlichen, von A. Ebersberger durchgeführten Experimenten nicht detektiert werden. A. Ebersberger aus Jena diskutierte darüber hinaus die mögliche Rolle von Calciumkanälen bei der Migräneentstehung. An narkotisierten Ratten wurden N-, L- und P/Q-Typ-Calciumkanalblocker auf den Hirnstamm appliziert. Die Blockade von L- und P/Q-Calciumkanälen führte zu eine Erhöhung der Spontanentladungen der Neurone, was möglicherweise einen Hinweis auf eine tonische inhibitorische Kontrolle gibt. Mutationen der P/Q-Calciumkanäle führen zu einer möglichen Instabilität inhibitorischer Kontrollsysteme, die in Zusammenhang mit einem exogenen Triggerreiz zur Migräne führen könnten. J. Ellrich aus Erlangen wies auf eine fehlende inhibitorische Leistung des periaquäduktalen Graus (PAG) bzw. des rostralen ventromedialen Medulla oblongata (RVM) auf das trigeminale System als Ursache für die Migräne hin. Hierfür sprechen besonders klinische Fälle, bei denen elektrische Stimulationen des PAG bei Patienten mit chronischen, therapieresistenten Rückenschmerzen, zwar die Rückenschmerzen günstig beeinflussten, dafür aber chronische Kopfschmerzen hervorrufen können.

Neues bei der Akuttherapie der Migräneattacke

Im Rahmen eines Industriesymposiums der Firma AstraZeneca wurde zur Beurteilung und Entscheidungsfindung in der Akutbehandlung von Migräneattacken der MIDAS (migraine disability assesment score) vorgestellt, anhand dessen die Lebensqualität der letzten 3Monate einer/eines an Migräne leidenden Patienten mit 5 Fragen beurteilt und in unterschiedliche Grade (I-IV) eingeteilt wird. Die daraus resultierende Einteilung kann dafür herangezogen werden, wann im Sinne einer stratifizierten Migränetherapie, wie sie heute von der DMKG empfohlen wird, ein NSAR und wann ein Triptan als First-Line-Therapie eingesetzt werden sollte. Als zweiter (nach Sumatriptan), nasal zu applizierender (als Nasenspray) Serotonin 5HT3 1B/1D Agonist ist nun auch Zolmitriptan (Askotop 5mg nasal) erhältlich.

PD Dr. Stefan Evers aus Münster behandelte im Rahmen des Symposiums „Schmerz und Schlaf“ das Thema der schlafgebundenen Kopfschmerzen. Von den idiopathischen Kopfschmerzformen wurden hier der Cluster-Kopfschmerz, die Migräne, die chronische paroxysmale Hemikranie und der sogenannte Hypnic Headache angeführt und deren Beziehungen zum Schlaf erläutert. Der Hypnic Headache tritt nur im Schlaf während lebhafter Träume auf und beginnt in der ersten REM-Schlafphase. Folgende diagnostische Kriterien wurden vorgeschlagen: Das Auftreten von 15 Attacken über wenigstens 1 Monat, das Erwachen durch den Kopfschmerz, eine Schmerzdauer von 10-180min, fehlende autonome Symptome und nur milde vegetative Begleiterscheinungen. Weitere Themen in diesem Symposium waren die Schmerzsensibilität nach Schlafentzug, der Einfluss von Schmerzmedikamenten auf den Schlaf sowie die Beziehung zwischen Schlafstörungen und Schmerzen.

Die Komorbidität der Migräne behandelte ein weiteres Symposium unter dem Vorsitz von Stefan Evers aus Münster. Sonja Schwaag diskutierte den Zusammenhang zwischne Migräne und cerbrovaskulären Erkrankungen. Ergebnisse aus Fall-Kontroll-Studien zeigten die Migräne als Risikofaktor für einen cerebralen Insult bei jungen Patientinnen mit einer Odds-Ratio von 1,5-6,5%, insbesondere wenn andere vaskuläre Risikofaktoren hinzukommen. Hinsichtlich der Beziehung zwischen migräneartigen Kopfschmerzen und Autoimmunerkrankungen wies A. Frese aus Münster darauf hin, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Migräne und MS oder HIV bislang nicht nachgewiesen ist. Allerdings könnte ein intaktes Immunsystem für das Auftreten einer Migräne begünstigend wirken.

Cannabinoid- und Vanilloidrezeptoren

Mehrere Vorträge und Poster beschäftigten sich mit der Wirkung von Anandamiden sowohl im peripheren als auch im zentralen Nervensystem. W. Greffrath wies darauf hin, dass die peripheren Endigungen der C-Fasern derzeit noch zu fein seien, um sie direkten elektrophysiologischen Untersuchungen zugänglich zu machen, und die entsprechenden Untersuchungen deshalb am Spinalganglion erfolgen müssten. Am Zellsoma gelingt sowohl der Nachweis von Cannabinoid-Rezeptoren (CB1) als auch von Vanniloid-Rezeptoren (TRPV1).

Vannilloid-Rezeptoren können sowohl durch Anandamide, durch Capsaicin als auch durch Hitze erregt werden. Durch die Erregung der Vanilloid-Rezeptoren kommt er zu einem dosisabhängigem Calcium-Natrium-Co-Einstrom in die Zelle. Anandamide in unterschwelliger Konzentration führen zu einer Sensibilisierung der Zelle für Hitzereize. Der durch AEA induzierte Ca2+-Einstrom kann durch den Einsatz des Vanilloidrezeptorantagonisten Capsazepin reversibel blockiert werden. Die Aktivierung der Cannabinoidrezeptoren scheint im peripheren Nervensystem eine nur untergeordnete Rolle zu spielen. S. Azad aus München und A. Zimmer aus Bonn stellten Ergebnisse von Experimenten mit CB1-Rezeptor-Knock-out Mäusen vor: Knock-out Mäuse lernen schneller als Kontrollmäuse, legen aber auch langsamer ein konditionierters Angsterhalten (Freezing) ab – langsamere Extinktion -, wenn auf den Stimulus (Signalton) kein Schmerzreiz (Elektroschock) mehr folgt. CB1-Rezeptor-Knock-out Mäusen entwickeln sich normal, haben jedoch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, epileptische Anfälle zu entwickeln und sterben (aus noch ungeklärten Ursachen) schneller als Kontrollmäuse. CB1 – Rezeptoren haben eine hohe Expression in den Amygdala. Dort führt die Aktivierung von CB1-Rezeptoren zu einer Inhibition sowohl der glutamatergen als auch der gaba-ergen synaptischen Transmission; bezogen auf den Gesamteffekt scheint die glutamenerge Inhibition zu überwiegen. CB2-Rezptoren werden überwiegend auf Immunzellen nachgewiesen (in der Milz); eine genaue Charakterisierung ihrer Lokalisation und Funktion ist derzeit aufgrund des Fehlens geeigneter Antikörper nicht möglich.

Neuropathie und neuropathischer Schmerz

Gleich mehrere Symposien fanden zum Thema Neuropathie und neuropathischer Schmerz statt. J. Schattenschneider stellte einige Modelle und therapeutische Ansätze für die Genese von Neuropathien bei/nach Chemotherapie vor.

Wirkstoff Dosierung Klinische Frühzeichen Vermutete Pathologie Besonderheiten
Cisplatin 300mg/m2 Vibrationssinn ASR Axonale Schädigung von sensiblen Fasern, einschl. Mechanorezeptoren Schädigung der Hinterstränge, Schädigung des HN VIII
Oxaliplatin 85 mg/m2 Schmerzhafte Dysästhesien Degeneration von C Fasern  
Taxol 175 – 200 mg/m2 Kribbelparästhesien Vibrationssinn Degeneration von C Fasern, Degeneration von propriozeptiven Fasern Später auch Paresen der Extensoren, besonders der o.E.
Vincristin 1,4 mg/m2 ASR, schmerzhafte Dysästhesien, Proprizeption, Paresen Degeneration von C Fasern, Degeneration von propriozeptiven Fasern Prädispositionierender Faktor: Komedikation mit Nefidipin

Zur Prävention Zytostatika – induzierter Neuropathien befinden sich verschiedene Substanzen in klinischer Testung: ACTH/Org 2766 (bisher keinen prophylaktischen Effekt gezeigt), Vitamin B – Komplex und Amifostin. Im tierexperimentellen Stadium befinden sich zur Zeit NGF (nerve growth factor), Glutamat, Insulin like growth Factor und Neurotrophin 3. Die Behandlung mit COX – Inhibitoren hat in vereinzelten Fällen eine gute Wirksamkeit bei Zytostatika – assozierten Onycholysen gezeigt, für deren Ursache eine Inflammation sympathischer Nervenfasern postuliert wird.

Auf die Wichtigkeit der begrifflich genauen Differenzierung innerhalb der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und weiterführenden elektrophysiologischen Untersuchungen bei der Erfassung und Beurteilung neuropathischer Beschwerden wiesen T. Tölle, R. Baron und C. Maier hin. Während die Anamnese (einschießender vs. brennender Schmerz) und die körperliche Untersuchung nur eine symptombasierte Klassifikation erlaubt, soll durch die methodisch normierte und systematisch eingeführte QST (quantitative sensorische Testung) der Versuch unternommen werden, Neuropathien mit Blick auf das in Mitleidenschaft gezogenen Fasersystem zu klassifizieren (mechanismusbasierte Klassifikation). Die Beurteilung der Neuropathie beruht dabei vor allem auf Begriffen wie Kältehypästhesie, Kältehyperalgesie, Wärmehypästhesie, Wärmehyperalgesie, mechanisch statischer und mechanisch dynamischer Allodynie, welche durch die QST semiquantifiziert werden können und dann die wissenschaftliche Grundlage für die Bildung von Kohorten und die Durchführung klinischer Studien darstellen.

Schmerzen können zum einen verursacht werden durch eine Hyperaktivität/Spontanaktivität der C-Fasern (als irritabler Nociceptor), welche dann meistens zu brennenden Dysästhesien mit einschießenden Schmerzattacken führen. Zum anderen kann eine Degeneration (welcher einer initialen Sensibilisierung folgt) dazu führen, dass im Rahmen einer anatomischen Reorganisation synaptischer Strukturen im Hinterhorn Ab – Afferenzen in Kontakt mit sekundär nociceptiven Neuronen (der Tractus spinothalamicus) treten, so dass diese bei Berührung der Haut aktiviert werden und Schmerzen verursachen (mechanisch dynamische Allodynie). Während der irritable Nociceptor eine Wärmeallodynie bzw. Hitzehyperalgesie zeigt, besteht bei einer C-Faser Degeneration eine Hypalgesie .

Die Erschließung eines größeren Patientenkollektives (basierend auf einer größeren Vergleichbarkeit mittels QST) ermöglicht die systematische, empirische Überprüfung verschiedener therapeutischer Strategien (Capsaicin-Salbe, Lidocain-Pflaster, Natrium-Kanal-Blocker, trizyklische Antideprssiva, NMDA-Rezeptorantagonisten) und die entsprechenden therapeutischen Zeitfenster nach der zugrundeliegenden Irritation.

Im Symposium über CPRS: Welche Rolle spielt das Zentrale Nervensystem? stellte F. Birklein aus Mainz dar, dass eine fazilitierte neurogene Entzündung , die bei prädisponierten Patienten durch das periphere Trauma getriggert sei, eine Erklärung für die klinischen Symptome des CPRS sein könnte. CGRP sei im Serum von CRPS Patienten deutlich erhöht. Zentrale Störungen der thermoregulatorischen Reflexe und der Motorik (kinematische Daten) beim CPRS stellte J. Schattschneider aus Kiel dar. S. Förderrreuther aus München diskutierte in diesem Rahmen, dass die Analyse von Art und topographischem Verteilungsmuster der Sensibilitätsstörungen in verschiedenen Stadien der Erkrankung möglicherweise Rückschlüsse auf den Stellenwert zentral- und/oder peripher-neurogener Mechanismen bei der Generierung des CRPS erlaubten.

Im Industriesymposium von MSD Sharp & Dohme wurde unter dem Vorsitz von K. Brune Rofecoxib in der Schmerztherapie vorgestellt und die Pharmakologische Wirkung beschrieben. Die unselektive Hemmung der Cyclooxygenase I und II bewirkt eine Hemmung der Thrombozytenaggragation und gastrale Nebenwirkungen durch COX-I-Hemmung. COX-II ist aktiviert bei Entzündungen, so dass der antientzündliche Effekt über die COX-II- inhibition vermittelt wird. Rofecoxib ist ein selektiver COX-II-Inhibitor. Als Dosisvorschlag wurden 50mg zur akuten Schmerzlinderung genannt und 25mg als „rheumatische Konzentration“. In einer Vergleichsstudie bei Gonarthrose hätten sich 25mg Rofecoxib hinsichtlich Schmerzen nach Gehen und nächtlichen Schmerzen Paracetamol überlegen gezeigt.

 


‘The 10th Congress of the International Headache Society – IHC 2001’ – Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse, New York 28. 6 – 2. 7. 2001

(Zaza Katsarava, Neurologische Universität Essen, Hufelandstr. 55, 45122 Essen)

Der 10. Kongress der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS) fand vom 28.06 bis 02.07.2001 in New York statt. Das wissenschaftliche Programm war in sechs Teilbereiche unterteilt: “Epidemiology and diagnosis”, “Pharmacology”, “Mechanisms/imaging”, “Preventive treatment/very frequent primary headaches”, “Non-pharmacological mechanisms and outcomes”, “Childhood, adolescent and special population”. Eine schöne Neuheit – jede Session wurde von einem eingeladenem Sprecher eingeleitet.

Epidemiologie und Diagnostik

In der Einleitungsvorlesung berichtete Professor Jes Olesen (Neurologische Klinik, Universität Kopenhagen) über die Änderungen der diagnostischen Kriterien der Kopfschmerzsyndrome. Die zweite revidierte Ausgabe der diagnostischen Kriterien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft erscheint voraussichtlich im Jahre 2003. Neu wird hier der Begriff der chronischen Migräne sein.

In einer großen Populationsstudie untersuchten Kruit et al. (Arbeitsgruppe von Michel Ferrari, Leiden, Holland) die Häufigkeit von stummen Infarkten bei Migränepatienten und in einer gesunden Vergleichspopulation. Es zeigte sich ein erhöhtes Risiko für zerebelläre Infarkte bei Frauen mit Migräne (insbesondere mit Migräne mit Aura). Wichtig sind die Ergebnisse von GlaxoSmithKline über die Risiken von Sumatriptan in der Schwangerschaft. Eine prospektive Studie an 236 Schwangerschaften und Sumatriptanepxosition im ersten Trimester ergab eine Mißbildungsrate von 4,2%, was nicht höher ist als in der Normalpopulation.

In einer großen epidemiologischen Studie in Holland (1884 Patienten) untersuchten Eekers et al (M. Ferrari, Holland), die Häufigkeit der Prodromal-symptome bei Clusterkopfschmerzpatienten. Insgesamt 57% aller Patienten berichteten über Prodromi im Sinne der a) Stimmungsveränderungen b) autonomen Symptomen – Augenrötung oder Tränenfluß oder c) sensiblen Mißempfindungen im Bereich des ipsilateralen Auges oder Nase.

Pharmakologie

Die Einleitungsvorlesung wurde von Professor PJ Goadsby (Institute of Neurology, London).gehalten. In einer doppelblinden plazebokontrollierten Studie untersuchten Ramadan et al (Ely Lilly), die Wirksamkeit des AMPA/KA Rezeptor – Agonisten LY293558 i.v. bei 44 Migränepatienten. Bei Behandlung akuter Migräneattacken war LY293558 1.2 mg/kg i.v. (13 Patienten) besser als Placebo (16 Patienten) und sogar besser als Sumatriptan 6 mg s.c (15 Patienten). Es steht aber noch nicht fest, ob die Substanz weiter entwickelt wird.
Becker and Lee (Medical Center, Calgary und AstraZeneca) präsentierten die Ergebnisse der prospektiven Untersuchung über die Wirksamkeit von Zolmitriptan 5 mg als Nasenspray. Insgesamt 1371 Patienten und 10505 Migräneattacken wurden über 1 Jahr untersucht. Zolmitriptan 5 mg Nasenspray war Placebo deutlich überlegen, gut wirksam und wurde von den Patienten gut toleriert. Der Spray hat einen deutlich rascheren Wirkungseintritt als die Tablette. In einer weiteren doppelblinden plazebokontrollierten multizentrischen (22 Zentren) Studie untersuchten Silberstein et al. (Philadelphia) die Wirksamkeit des Neuroleptikums Droperidol (2.75 mg, 5.5 mg und 8.25 mg; i.m.) zur Behandlung von akuten Migräneattacken. Droperidol in einer Dosis von 2.75 mg Placebo deutlich überlegen. In höheren Dosen zeigte sich jedoch keine bessere Wirksamkeit, aber höhere Unverträglichkeit. In einer weiteren doppelblinden, plazebokontrollierten Studie an 118 Patienten konnten van Vliet et al. (PJ. Goadsby, London) die Wirksamkeit von Sumatriptan 20 mg Nasenspray zur Behandlung der Clusterattacken belegen.

Aus den tierexperimentellen Studien

Erwähnenswert ist die Arbeit von Humphrey et al. (GlaxoWellcome), die einen zentralen antinozizeptiven Effekt des Adenosin A1 Rezeptoragonisten GR 79236 am Nucleus caudalis des Trigeminus der Ratte nachwiesen. Diese Substanz war auch in einem neuen humanen Schmerzmodell wirksam. Giffin et al. (PJ Goadsby, London) untersuchten den antinozizeptiven Effekt dieser Substanz mittels des neuen „nozizeptiven Blink Reflexes“. Zwei wichtige Ergebnisse dieser Studie waren – a) die Blink Reflex Antworten wurden durch die Gabe von GR 79236 gehemmt und b) der „nozizeptive Blink Reflex (siehe Kaube et al, 2000) konnte als ein humanes Modell der trigeminalen Schmerzverarbeitung etabliert werden.
Pathophysiologie/Imaging

Bahra et al. (PJ Goadsby, London) berichteten über einen Patienten mit Migräne- aber auch Clusterkopfschmerzattakken, bei dem eine mit Nitroglyzerin ausgelöste Migräneattacke in der PET-Kamera aufgenommen werden konnte. Ähnlich der PET Studie von Weiller/Diener konnte auch hier eine lokale Aktivierung der rostralen Hirnstammkerne nachgewiesen werden – erneuter Nachweis des „Migränegenerators“. Mehrere interessante Arbeiten betrafen das Phänomen des „Cortical spreading depression“ (CSD). Wood et al, (M. Welch, Kansas City) konnten in einem eleganten Experiment zeigen, dass CSD, ausgelöst in der Ratte nach Applikation von KCl zur Freisetzung von freien Radikalen, Adhäsion der Leukozyten und somit zur Erhöhung der kapillären Permeabilität. führt

Bolay et al, (M. Moskowitz, Boston) konnten ferner zeigen, dass die CSD zu einer Hyperämie sowie der Schwellung in der Dura mater aber auch zur Expression von c-FOS (gedeutet als eine Aktivierung) der Neurone im Nucleus caudalis Nervi trigemini führte. Somit ist zum ersten Mal ein kausaler Zusammenhang zwischen der Migräneaura und dem Migränekopfschmerz möglich. Diese Ergebnisse konnten allerdings von der Arbeitsgruppe Messlinger nicht reproduziert werden.

Medikamenten-induzierte Kopfschmerzen

Katsarava et al. (Arbeitsgruppe von HC. Diener, Essen) untersuchten in einer prospektiven Studie die Rückfallquote, sowie die möglichen Prädiktoren des Rückfalls bei 96 Patienten mit medikamenten-induziertem Kopfschmerz. Patienten mit Migräne hatten eine niedrigere Rückfallrate als die Patienten mit einem Spannungs- oder Kombinationskopfschmerz. Der andere Prädiktor war die Substanzklasse – die Patienten mit einem Triptan-Abusus wurden deutlich seltener rückfällig als die Patienten mit Analgetikainduziertem Kopfschmerz.

Colas et al. (J Pascual, Spanien) untersuchten in einer großen epidemiologischen Studie an 4578 Einwohner die Prävalenz des medikamenten-induzierten Kopfschmerzes. Die Prävalenz lag bei 1-2% der spanischen Bevölkerung.

Stewart et al. (Baltimore) fanden in einer großen epidemiologischen Studie „Stress“ als einen eindeutigen Risiko-Faktor für chronische Kopfschmerzen. In einer weiteren interessanten genetiko-epidemiologischen Studie aus Frankreich (Arbeitsgruppe M. Bousser, Paris) fanden Tzurio et al. eine Assoziation zwischen der Migräne mit häufigen Attacken und einem Polymorphismus des Endothelin Genes (Endothelin 1, Type A).

Kindliche Kopfschmerzen

Canstri et al. (Arbeitsgruppe A. Tomaciello, Rom) untersuchten an einer großen (N=312) Population von Kindern und Jugendlichen (6-18 Jahre) in einer prospektiven Studie die Entwicklung und die psychiatrische Komorbidität bei chronischen Kopfschmerzen.

Insgesamt hatten die Patienten einen guten „outcome“, die Assoziation mit psychischen Erkrankungen war jedoch ein negativer Prädiktor.

Lewis et al. (Madison, USA) untersuchten in einer prospektiven doppelblinden und plaze-bokontrollierten Studie an 138 Kindern die Wirksamkeit von Ibuprofen Suspension 7.5 mg/kg zur Behandlung der kindlichen Migräne. Ibuprofen zeigte eine sehr gute Wirksamkeit und wurde gut vertragen. Wang et al. (RJ Elin, Luiswille, USA) konnten in einer weiteren doppel-blinden und plazebokontrollierten Studie die Wirksamkeit von Magnesium zur Migräneprophylaxe belegen. (ZK)

 


Deutscher Schmerzkongress 2000, 25. – 29. Oktober in Hamburg

Chronischer Schmerz ‘Forschung   –   Therapie   –   Politik’

25. Jahrestagung Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS)

21. Jahrestagung der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft ( DMKG )

5. Jahrestagung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Schmerztherapie ( D I V S )

(Monika EmplMonika Empl, Neurologische Klinik, Klinikum Großhadern München)

Neues zu Kopfschmerzen

Wissenschaftliches Programm:

Lokale Therapie bei Kopfschmerzen

H. Reinicke aus Kiel referierte über bekannte und weniger bekannte Arten der lokalen Therapie bei Kopfschmerzen aus physiotherapeutischer Sicht. Bei Spannungskopfschmerz könne man neben lokalen Techniken wie TENS auch die sogenannte Osteopathie, craniosakrale Therapie oder eine sogenannte Tender-point-Therapie in Betracht ziehen. Hierbei soll durch Druck auf muskuläre Tenderpoints die interozeptive Perzeption d.h. die eigene Schmerzwahrnehmung gebessert werden. Ähnliches könne man auch über lokale sensomotorische Übungsbehandlungen erreichen. Bei der Migräne kämen neben dem lokalen Auftragen von Pfefferminzöl oder der Anwendung von Eis-Spray im Nacken in der Attacke ebenfalls eine manuelle Therapie im Intervall in Frage.

H. Göbel (Kiel) legte als Rationale der lokalen Therapie bei der Migräne die bekannte Reizverarbeitungsstörung zugrunde. Somit zielen lokale Maßnahmen ähnlich wie bei Reinicke auf eine verbesserte Reizverarbeitung ab. Beim Spannungskopfschmerz ist der Zusammenhang zwischen muskulärem Stress und gestörter Eigenwahrnehmung viel deutlicher, so dass lokale Maßnahmen hier auch pathophysiologisch einleuchtender greifen können.

Neben der erwiesenen Wirkung von Pfefferminzöl, der in ihrer Wirkung umstrittenen Akupunktur, der ebenfalls bei Erwachsenen nicht gesicherten Anwendung von Biofeedback und der Möglichkeit der perkutanen elektrischen Nervenstimulation (PENS) rückt als potentielle Neuerung auch die lokale Injektion von Botulinumtoxin in der Prophylaxe neuerdings ins Blickfeld, über die Arnold und Göbel berichteten. Es gibt beim Spannungskopfschmerz und vielleicht auch in der Migräneprophylaxe erste Hinweise auf eine vorbeugende Wirksamkeit des die neuromuskuläre Übertragung blockierenden Bakteriengiftes. Nach einem Wirkungseintritt ca. 7 Tage nach Injektion kommt es nach Erfahrung von Göbel bei der bei regelrechter Anwendung gut verträglichen Substanz ohne zentrale Nebenwirkungen wohl durch Abbau des muskulären Stress zu einem sich stufenförmig aufbauenden Langzeiteffekt. Die Wirksamkeit dieser neuartigen Therapie muss sich allerdings derzeit noch in Multi-center Studien erweisen.

Placebowirkung

In einer Vortragsreihe zur Placebowirkung von Schmerzmitteln berichtet H.-C. Diener, Essen, über eine relativ konstante Placeborate von ca. 30 % in der Kopfschmerzbehandlung, die aber durch die Erwartungshaltung der Patienten (z.B. Wissen um die Placebowahrscheinlichkeit) und erstaunlicherweise auch durch die Darreichungsform verändert werden kann. So ist subkutan verabreichtes Placebo oral gegebenen deutlich überlegen.

Pharmakologie von Migränemitteln

Im Symposion zur Pharmakologie von Migränemedikamenten fasste zunächst V. Limmroth, Essen, die Wirkmechanismen und Effektivität von Analgetika zusammen. Neben der Vorstellung der bekannten Wirkmechanismen einer COX1/2-Hemmung scheint sowohl die Signaltransduktion als die de novo Proteinsynthese der Stickstoffmonoxidsynthetase (NOS), der Synthetase des für die Schmerzverarbeitung wichtigen NO, und auch zentrale Mechanismen eine Rolle zu spielen. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die teils sehr unterschiedliche Plasmahalbwertzeit einiger Analgetika nicht für die klinische Wirkung und auch nicht für das Wiederauftreten von Kopfschmerzen relevant sei. Im Vergleich zu Placebo und Ergotaminen sind die meisten Analgetika überlegen wirksam, aber auch im Vergleich zu Triptanen schneidet insbesondere Acetylsalicyllysinat (Aspisol) i.v. nur wenig schlechter als Sumatriptan s.c. ab. Zusammenfassend haben Analgetika in der Migränebehandlung ihren festen Platz, solange sie ausreichend dosiert, in einer gut resorbierbaren Form und oral in Kombination mit Antiemetika gegeben werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wirken Analgetika besser oder gleich gut wie Ergotamin bei weniger Nebenwirkungen und gleich gut bzw. wenig schlechter als Triptane bei gleich vielen oder weniger Nebenwirkungen.

Zur Senkung der Recurrence-Rate bei der Anwendung von Triptanen konnte eine brasilianische Arbeitsgruppe (Krymchantowski, Cephalalgia 1999) zeigen, dass die Kombination von Sumatriptan mit einem nicht-steroidalen Antirheumatikum (NSAR) ( 200 mg Tolfenaminsäure) das Wiederauftreten von Kopfschmerzen deutlich reduzieren kann.

A. Ziegler (Kiel) und H.-C. Diener (Essen) verglichen Rezeptorbindung, Bioverfügbarkeit, Pharmakokinetik, Wirkung und Nebenwirkung von Ergotamin und Triptanen. Ziegler machte zunächst grundsätzlich darauf aufmerksam, dass sich aufgrund methodischer Schwierigkeiten aus in vitro Bindungsstudien keine Aussagen über das Agonisten/Antagonisten-Profil einer Substanz ziehen lassen. Gerade Ergotamin als ìdirty drug” sei wirksam, obwohl es in üblicher Dosierung nur ca. 5% 5HT-1B – Rezeptorbindung erreiche. Diener wies darauf hin, dass neuere Studien zeigten, dass die Wirkung der Triptane wohl hauptsächlich über 5-HT-1B Rezeptoren (Vasokonstriktion) und nicht 5-HT-1D Rezeptoren vermittelt sei (Cutler, Cephalalgia 2000).

Auch bei Ergotamin mit geringer oraler Bioverfügbarkeit und den Triptanen mit unterschiedlichen Halbwertszeiten übersetzen sich die gegebenen pharmakologischen Daten nicht unbedingt 1:1 in klinische Wirksamkeit, da die Wirkung den Konzentrationsverlauf deutlich überdauere ähnlich wie bei den Analgetika. Auch auf das Wiederauftreten von Kopfschmerzen hat die Halbwertszeit ebenfalls keinen entscheidenden Einfluss, so dass die Frage offen blieb, welcher pharmakologische Parameter die Recurrence-Rate beeinflusst. Klar ist nur, dass nach Einnahme von Ergotamin die Recurrence-Rate deutlich niedriger als bei Triptanen ist, wobei dies teilweise auch durch die geringere Wirksamkeit von Ergotamin erklärbar ist.

In der Wirksamkeit scheint bei deutlich schlechterer Datenlage zu Ergotamin das Mutterkornalkaloid nicht ausgeprägt schlechter abzuschneiden als Triptane, wobei direkte Vergleichsstudien selten sind. I.v. gegebenes Dihydergot war in einer Studie etwas weniger wirksam als Sumatriptan s.c.. Allerdings ist das Nebenwirkungsprofil von Ergotamin, vor allem bei Mißbrauch der Substanz bekanntermaßen schwerwiegender, während für Sumatriptan nur ein schwerwiegendes Ereignis auf 1 Million Anwendungen beschrieben ist. Durch Mißbrauch induzierte Kopfschmerzen sind bei beiden Substanzen bekannt. Anekdotisch beschrieb H.C. Diener einen Patienten, der 2 -3 Mal pro Tag 6mg Sumatriptan s.c. über Monate spritzte und eine pAVK, KHK, eine kritische Darmdurchblutung und Asthma entwickelte. Alle Symptome remittierten nach Entzug.

Epidemiologie, Pathophysiologie

Über Epidemiologie und Pathophysiologie der Migräne referierten H. Kaube (London) in der Ringvorlesung und H.C. Diener u.a. in der Plenarsitzung zur Pathogenese spezieller Schmerzformen.

Neben neueren Studien, die eine deutlich höhere Prävalenz der Migräne als bisher angenommen belegen (Launer, Neurology 1999), zeigen genetische Untersuchungen, dass auch bei der Migräne ohne Aura eine gewisse genetische Komponente nachzuweisen ist und dass eine spezielle Unterform der Migräne, die ìfamiliär hemiplegische Migräne”, eine Ca-Kanal-Erkrankung ist. Dies könnte auch zu einer Dysfunktion von Neurotransmittern, v.a. Serotonin und Noradrenalin führen. Eine plötzliche Depolarisierung eines lange Zeit stabilen Neurons (Hans, J Neuroscience 1999) könnte als Erklärung für das attackenartige Auftreten der Migräne dienen. Insgesamt könne man die Migräne als reversible Hirnfunktionsstörung ansehen, die im Sinne einer Continuum-Theorie grundsätzlich wohl bei jedem auftreten kann. Die Schwelle für das Auftreten sei individuell wohl genetisch festgelegt. Da Substanzen, die nur die neurogene Entzündung hemmen in der Behandlung der Migräneattacke nicht wirksam seien (Roon, Ann Neurol 2000), seien wohl auch andere Mechanismen wie z.B. eine cortical spreading depression als Korrelat einer reversiblen Hirnfunktionsstörung an der Migränepathophysiologie beteiligt. Dies führte zur Vorstellung einer integrierten Neurovaskulären Hypothese der Migränepathophysiologie, die ausgehend von einer prinzipiell neuronalen Übererregbarkeit zu einer reversibel gestörten Hirnfunktion mit Hirnstammaktivierung, Minderung der absteigenden Kontrolle des antinociceptiven System und über Gefäßregulationsmechanismen (Dilatation) zur Rekrutierung von nociceptiven Fasern der duralen Gefäße führt. Entsprechend einer Sensibilisierung von Schmerzfasern während einer Migräneattacke konnte auch eine Allodynie im Gesichtsbereich während der Attacke nachgewiesen werden (Burnstein, Ann Neurol 2000). Immer noch offen bleibt, warum die Migräne oft als Hemicranie und nicht als holocephaler Kopfschmerz in Erscheinung tritt, warum eine Attacke aufhört, und wie einzelne Migräneprophylaktika wirken.

Antikonvulsiva in der Kopfschmerztherapie

F. Boegner (Berlin) fasste die Rolle von Antikonvulsiva in der Kopfschmerztherapie zusammen. Neben dem Einsatz bewährter Antikonvulsiva wie Carbamazepin oder Phenytoin bei der Trigeminusneuralgie finden zunehmend auch neuere Antikonvulsiva Eingang in die prophylaktische Behandlung der Migräne und des Clusterkopfschmerzes. Abgesehen vom bekannten Valproat, das zur Migräneprophylaxe und Prophylaxe des Clusterkopfschmerzes eingesetzt werden kann, gibt es Einzelberichte z.B. über eine Wirkung von Lamotrigin in der Migräneprophylaxe und zur Behandlung der Trigeminusneuralgie. Ebenso wird über eine positive Wirkung von Topiramat in der Migräneprophylaxe (Potter Neurology 2000), aber auch in der Prophylaxe des Clusterkopfschmerzes berichtet (Wheeler, Neurology 1999). Auch Tiagabin führte in einer Studie (Freitag, 2000) und Gabapentin (Magnus-Miller, 1998) zu einer deutlichen Reduzierung der Migräneattackenfrequenz. Größere Studien fehlen meist noch.

Evidenzbasierte Schmerztherapie

Im Symposium zur evidenzbasierten Schmerztherapie stellte HC Diener (Essen) die Leitlinien der DMKG zur Behandlung der Migräne vor. Neu an den Leitlinien ist eben die evidenzbasierte Empfehlung der Therapie ohne Rücksicht auf finanzielle Aspekte. Im einzelnen nachzulesen sind die Leitlinien auf der Homepage der DMKG (www.dmkg.de). Kurz zusammengefasst zeigt sich bei den gut untersuchten Triptanen keine herausragende Einzelstellung einer Substanz, so dass alle auf dem Markt befindlichen Substanzen gleichermaßen in der Migränetherapie eingesetzt werden können. Aber auch die Wirkung altbewährter Substanzen wie Acetylsalicylsäure, NSAID ist gut und von Ergotamin weniger gut belegt. Zur Prophylaxe kommen vor allem Beta-Blocker und Flunarizin sowie als 2. Wahl Valproat in Betracht. Die Erstellung einer evidenzbasierten Therapieempfehlung wurde allgemein begrüßt.

Eine Diskussion entfachte sich vor allem über die finanz- und gesundheitspolitischen Aspekte einer solchen Leitlinie. Diener vertrat dabei die Ansicht, dass eine evidenzbasierte Empfehlung einer Fachgesellschaft nur die wissenschaftlich gesicherten Daten ohne Einbeziehung der in der Praxis wichtigen finanziellen Aspekte berücksichtigen sollte. Eine auch von finanziell / gesundheitspolitischen Bedenken geleitete Empfehlung sei dann im Konsens mit Politik und in einer gesellschaftlichen Diskussion zu erarbeiten und als solche zu kennzeichnen. Im übrigen lasse eine Empfehlung selbstverständlich jedem Arzt / jeder Ärztin die Therapieentscheidung offen. Im Hinblick auf die nach evidenzbasierten Kriterien nicht belegte Wirksamkeit der Akupunktur, die in der Praxis oft von Patienten gewünscht wird und in Modellversuchen auch von den Krankenkassen bezahlt wird, zeigt sich dieses Dilemma besonders gut. Eine Bezahlung durch die Solidargemeinschaft ist nach dem jetzigen Wissenstand eigentlich nicht gerechtfertigt, wobei herausgehoben wurde, dass große, gut durchgeführte Studien fehlen. In der Diskussion wurde dann auch darauf hingewiesen, dass bei der Beurteilung einer möglichen wissenschaftlichen Evidenz auch der Vorteil der in großen Studien untersuchten neuen Substanzen gegenüber älteren, bewährten Substanzen oder Methoden gesehen werden muss, die aus finanziellen Gründen nicht in nach evidenzbasierten Kriterien ausgerichteten Studien untersucht wurden.

Daily chronic headache

Im Symposium über ìDaily chronic headache” wies V. Pfaffenrath (München) auf die möglichen unterschiedlichen Ätiologien der unter diesem Begriff zusammengefaßten Kopfschmerzen hin. Der folgende Überblick über primäre chronische Kopfschmerzen wurde zur besseren differentialdiagnostischen Einordnung in beidseitige (z.B. chronischer Spannungskopfschmerz) und einseitige Formen (z.B. cervikogener Kopfschmerz, Cluster-KS) unterteilt. Außerdem wurde auf die sich eventuell während der Chronifizierung wandelnden vegetativen Begleitsymptome hingewiesen. So zeigt sich bei der ìtransformed migraine”, dass meistens zu Beginn wohl autonome Symptome vorhanden seien, die sich im Verlauf verloren.

A. Straube (München) teilte den Überblick über chronisch sekundäre Kopfschmerzen in chronisch paroxysmal und nicht-paroxysmal auftretende Formen ein und unterschied dabei jeweils zwischen externen (z.B. Schädeltraumata, Substanzeinwirkung) und internen Triggern (z.B. metabolische Faktoren, Glaukom).

H. Traue (Ulm) beleuchtete anschließend den Einfluss von Stress als Triggerfaktor von Kopfschmerzen. In seiner prospektiv an 32 Kopfschmerzpatienten durchgeführten Studie zeigte sich, dass ca. 40 % der Patienten als Stress-responder angesehen werden können, obwohl subjektiv der Einfluss von Stress doppelt so hoch eingeschätzt wurde. Ein oft beschriebener ìEntlastungskopfschmerz” nach Stress konnte nicht nachvollzogen werden, da ein Zusammenhang von Alltagsstress und Kopfschmerz fast nur gleichzeitig auftrat. Allerdings profitierten Responder und Non-responder gleichermaßen von einem Schmerz- und Stressbewältigungstraining.

Satellitensymposien:

Astra-Zeneca

Im Satellitensymposium von Astra-Zeneca gab H.-C. Diener erneut einen guten Überblick über aktuelle Aspekte der Kopfschmerzforschung mit epidemiologischen und patho-physiologischen Ergebnissen zur Migräne und zum Clusterkopfschmerz. Neben den bereits vorgestellten neuen Daten zur Migräne wurden auch bildgebende Untersuchungen beim Clusterkopfschmerz vorgestellt, die morphologische Veränderungen und in funktionellen Studien auch eine Aktivierung im Bereich des Hypothalamus beobachten konnten. Ein Vortrag über die Therapie der menstruellen Migräne (A Gendolla, Essen) und über den pharmakologischen Hintergrund des analgetikainduzierten Kopfschmerzes (V. Limmroth, Essen) schlossen sich an.

MSD Sharp & Dohme

Im von MSD Sharp & Dohme vorgestellten Symposium zum modernen Migränemanagment bemerkte D. Soyka (Kiel) kritisch, dass einige der neueren Forschungsergebnisse z.B. über Blutflussphänomene eventuell auch als psychische Epiphänomene erklärt werden könnten, obwohl die Migräne sicher als neurobiologische Erkrankung anzusehen sei. G. Haag (Elzach) gab einen Überblick über sogenannte Alternativverfahren. Bei den meist prophylaktisch wirksamen Methoden oder Substanzen wie z.B. der Akupunktur oder der Pestwurz sei die Wirksamkeit nicht sicher nachgewiesen, andere wie die Homöopathie, die Neuraltherapie oder die Einnahme von Mutterkraut ebenso wie die Psychophonie (Umwandlung eines persönlichen EEGs in Musik) seien sicher nicht wirksam.

H.-C. Diener (Essen) stellte anschließend die Datenlage zu Rizatriptan vor, woran sich ein Vortrag von K.M. Einhäupl über die Migräneprophylaxe anschloss.

Pfizer

Im Symposium der Pfizer GmbH wurde nach einem Überblick über die DMKG-Leitlinien zur Migränetherapie von V. Pfaffenrath, München, das im nächsten Jahr auf den Markt kommende Eletriptan von H.-C. Diener vorgestellt. Eletriptan ist wie die anderen Triptane ein potenter und selektiver 5-HT-1B/1D Agonist mit raschem Wirkungseintritt, der in Dosierungen von 20, 40 und 80 mg eingesetzt wird und in der Dosierung von 80 mg etwas besser als 100 mg Sumatriptan wirkte, mit allerdings etwas mehr Nebenwirkungen als Sumatriptan. Auch hier gilt bis jetzt, dass bei derzeitiger Datenlage kein Triptan herausragend besser als ein anderes ist. Ein Vortrag über Kopfschmerzen bei Älteren von A. Straube, München, schloss sich an.

GlaxoWellcome

Im Symposium von GlaxoWellcome berichtete G. Arnold (Berlin), nach der Vorstellung des Preisträgers des GlaxoWellcome Stipendiums zur Migräneforschung, über erste Erfahrungen in der Therapie des Clusterkopfschmerzes mit nasal appliziertem Sumatriptan bei 12 Patienten. Bei guter bis sehr guter Wirkung bei sechs Patienten könnte die nasale Applikationsform eine Alternative für Patienten darstellen, die eine subkutane Anwendung ablehnen.

M.A. Überall (Erlangen) stellte anschließend seine Erfahrungen in der Migränebehandlung bei Kindern vor. Falls eine medikamentöse Therapie indiziert war (nach Ausschöpfen nicht-medikamentöser Maßnahmen und bei ausreichend langen Attacken) wurden insgesamt 60 Kinder im Alter ab 4 Jahren mit 10 mg Sumatriptan nasal behandelt, wobei Sumatriptan bereits nach 30 Minuten wirksamer als Placebo war. Die Anwendung wurde gut und sicher vertragen, so dass u.U. mit einer Zulassung auch für Kinder unter 12 Jahren zu rechnen ist.

K.M. Einhäupl referierte anschließend über die vorhandene Komorbidität von Migräne und Depression sowie Epilepsie und das erhöhte Risiko, vor allem von Patientinnen, unter dem 40. Lebensjahr, mit Migräne mit Aura, Nikotinmißbrauch und Pilleneinnahme eine cerebrale Ischämie zu erleiden.

 


Headache World 2000 – Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse, London 3. – 7. 9. 2000

(ZK)

Der Kopfschmerzkongreß ‘Headache World 2000’ fand vom 3-7 September 2000 in London statt. Das wissenschaftliche Programm war in sechs Teibereiche unterteilt: Genetik, Pharmakologie, Pathophysiologie (human- sowie tierexperimentell), kindliche Migräne, Clusterkopfschmerz, Spannungskopfschmerz und medikamenteninduzierter Kopfschmerz.

Pharmakologie:

In einer interessanten Studie konnten Kaube et al. zeigen, daß die Migräneaura durch die intranasale Gabe von Ketamin, einem NMDA-Antagonisten unterbrochen werden kann. Die Studie war offen und nicht Placebokontrolliert. Nur die Hälfte der Patienten konnten mit Ketamin-Nasenspray ihre Aurasymptomatik unterbrechen. Das ist die erste Studie mit positivem Ergebnis bei der Behandlung der Migräneaura. Ferner unterstreicht diese Studie die Rolle von NMDA-Rezeptoren und Glutamat als Neurotransmitter in der Pathophysiologie der Migräneaura. In einer anderen doppelblinden und plazebokontrollierten Studie von Cutler et al. wurde ein reiner 5HT1D Agonist (PNU-142633, 50 mg p.o.) untersucht. Erstaunlicherweise war Verum gegenüber Placebo nicht überlegen. Ebenfalls negativ war die Untersuchung von Acetazolamid (500mg/die) in der Migräne-Prophylaxe (Vahedi et al). Hierfür war die hohe Abbruchrate in der Verumgruppe verantwortlich. In einer weiteren multizentrischen doppelblinden und plazebokontrollierten Studie konnte ein deutlicher prophylaktischer Effekt von retardierter Valproinsäure 1000 mg/die belegt werden (Silberstein et al). Ebenfalls erfolgreich war in der Attackencoupierung eine Kombination von Domperidon 20 mg mit Ibuprofen lysinat 400 mg p.o. Der schmerzlindernde Effekt war gegenüber Plazebo besser und vergleichbar zu ASS 1000 mg p.o.

Tierexperimentell konnten Bland-Ward et al. (Glaxo Wellcome) einen zentralen antinozizeptiven Effekt von eines Adenosin A1 Rezeptor Agonisten GR79236 am Nucleus caudalis des Trigeminus der Ratte belegen. Auch für Eletriptan konnte ein zentraler antinozizeptiver Angriffspunkt direkt auf den Nucleus caudalis gezeigt werden. Die mikroiontophoretische Applikation von Eletriptan hemmte die Aktivität der mit Glyceryl Trinitrat vorerregten Neurone (Lambert et al.). Der GABAA Agonist muscimol hemmte ebenfalls die Aktivität von Neuronen des Nucleus caudalis der Ratte. Dies belegt die Rolle einer GABA-ergen antinozizeptiven Modulation der zentralen nozizeptiven Transmission (Storer et al.). Edvinsson und seine Arbeitsgruppe stellten einen neuen CGRP-Rezeptor Antagonisten vor. Ferner konnte In einem vaskulären Modell der CGRP-induzierten Vasodilatation ein deutlicher antagonistischer Effekt des bereits bekannten CGRP-Antagonisten BIBN 4096BS (Boehringer Ingelheim) gezeigt werden.

Pathophysiologie:

In dieser Session wurden mehrere gute Bildgebungsstudien vorgestellt: Mittels MRI konnte bei 17 Patienten mit transformierter Migräne eine erhöhte Eisen-Ablagerung in ‘periaqueductalen Grau’ und somit ein Hinweis auf einen kumulative Schädigung durch freie Radikale gezeigt werden (Nagesh et al). Mittels MR-Spectroskopie konnten Sandor et al. bei Patienten mit Migräne mit Aura nach einer visuellen Stimulation eine erhöhte Lactatproduktion im visuellen Kortex zeigen. Diese Ergebnisse weisen zusammen mit den bereits bekannten elektrophysiologischen Daten auf eine gestörte Habituation der Migränepatienten hin. May und Mitarb. untersuchten bei 9 Clusterpatienten eine mögliche Korrelation zwischen der Schmerzintensität und dem Ausmaß der Zunahme der rCBF in PET. Es konnte gezeigt werden, daß die PET-Aktivierung nicht einem ‘Alles-oder-Nichts’ Prinzip unterliegt, sondern gut mit der subjektiver Schmerzstärke nach der Visuellen-Analog-Skala korrelliert.

Die tierexperimentellen Studien fokussierten sich auf NO, CGRP und deren Interaktionsmöglichkeiten. So untersuchten Messlinger und Mitarb. die Rolle der NO in der Freisetzung von CGRP. Es zeigte sich eine CGRP-Freisetzung nach der Applikation von NO-Gas oder einem NO-Donor. Ferner antagonisierte ein CGRP-Antagonist (CGRP8-37) die mittels der NO-Donoren induzierte Zunahme des Blutflußes in der Gefäßen der Dura. In einer weiteren Studie konnte als Folge der Nitroglycerin Gabe eine Zunahme der NOS immunreaktiven Zellen sowie eine Zunahme der cfos Immunreaktivität im Nucleus caudalis trigemini der Ratte gezeigt werden (Pardutz et al.). Die Nitroglycerin-Gabe induziert die NOS-Expression nicht nur zentral, sonder auch peripher. So zeigte sich eine iNOS-Expression in der Dura der Ratte nach i.v. Gabe von Nitroglycerin (Reuter et al). Auch das COX1 System spielt eine wichtige Rolle in der zentralen Nozizeption: Ketorolac i.v. (ein selektiver COX1 Inhibitor) hemmte die Aktivität der zentralen trigeminalen Neurone der Ratte (Kaube et al).

Clusterkopfschmerz:

Zum ersten Mal gelang es Göbel und Mitarb. eine Plasmaextravasation bei Clusterkopfschmerzpatienten nachzuweisen. Mittels Tc-99m-Albumin-SPECT zeigten die Autoren bei 10 Clusterpatienten in der aktiven Phase (aber nicht in der Clusterattacke) eine Anreicherung des Tracers im ipsilateralen Sinus cavernosus, Sinus sphenoparietalis, Vena ophtalmica, Sinus petrosus und Sinus sigmoideus. Diese Anreicherung verschwand nach einer Kortisonstoßtherapie. Ebenfalls in der aktiven Phase (nicht während der Attacke) untersuchten Afra und Mitarb. die Habituation der kortikalen AEPs bei 18 Clusterpatienten und 10 Kontrollpersonen. Es zeigte sich eine fehlende Habituation bei den Clusterpatienten. Die Ergebnisse dieser Studie unterstützen die Hypothese der gestörten serotoninergen Transmission in der aktiven Clusterphase. Frese et al. fanden verzögerte P1 Latenzen der trigeminalen SEPs (tSEP) auf der Kopfschmerzseite bei 30 Clusterpatienten in der aktiven Phase. Bei Patienten mit erfolgreicher Clusterprophylaxe (n=8) waren die Latenzen der tSEP seitengleich, ebenfalls seitengleich waren sie auch außerhalb der Clusterepisoden (n=5). Die Autoren untersuchten die R1 und R2-Latenzen des Blinkreflexes im Seitenvergleich bei den selben Patienten. Es waren jedoch keine Auffälligkeiten festzustellen.

Chronischer Kopfschmerz und Spannungskopfschmerz:

Eine mögliche Rolle von CGRP in der Pathophysiologie des Spannungskopfschmerzes untersuchten Ashina und Mitarb. Es ergab sich kein Unterschied hinsichtlich der CGRP-Konzentration zwischen den Patienten mit Spannungskopfschmerz und Kontrollpersonen. Eine präzise Analyse der Patientenpopulation zeigte jedoch, daß Patienten, mit einem pulsierenden Kopfschmerzcharakter einen im Vergleich zu den gesunden Probanden erhöhten CGRP-Spiegel aufwiesen. Sofern stellten die Autoren die berechtigte Frage, ob sich hinter dem Begriff ‘Spannungskopfschmerz’ unterschiedliche pathogenetische Mechanismen verbergen könnten. Klapper et al. belegten in einer doppelblinden und placebokontrollierten Studie einen deutlichen prophylaktischen Effekt von Botulinumtoxin A (BTX-A) bei Patienten mit chronischen Kopfschmerzen. Die Patientengruppe mit dem Injektonsschema je 27,5IE frontal und 72,5IE suboccipital bds. (n=19) zeigte eine im Vergleich zur Placebogruppe (n=18) signifikante Kopfschmerzlinderung. Zwei weitere Gruppen mit BTX-A Injektion entweder bifrontal (je 27,5IE, n=9) oder bioccipital (72,5IE, n=10) waren der Placebogruppe nicht überlegen. Katsarava et al. untersuchten klinische Merkmale, kritische Einnahmedauer- und Dosen verschiedener Substanzgruppen bei der Induktion des medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerzes.

In einer prospektiven Untersuchung zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen den Triptanen und Analgetika bzw. Muterkoralkaloiden: niedrige kritische Einnahmedauer und niedrige kritische Einnahmedosen, sowie täglicher migräneartiger Kopfschmerz, das sind die neuen Merkmale des „Triptan-induzierten Kopfschmerzes“. Bahra et al. belegten erneut, daß nur die Patienten mit einer Migräne oder einem Spannungskopfschmerz, aber nicht die Patienten mit Rückenschmerzen, beim Mißbrauch der Analgetika einen medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz entwickeln. Bezüglich der Spannungskopfschmerzprophylaxe war in einer doppelblinden und plazebokontrollierten Studie an 203 Patienten eine Kombination aus trizyklischen Antidepressiva plus Stressmanagement signifikant besser als Plazebo.