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Spannungskopfschmerz

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08. Spannungskopfschmerz

** Rollnik JD, Tanneberger O, Schubert M, Schneider U, Dengler R. Treatment of tensiontype headache with botulinum toxin type A: A doubleblind, placebocontrolled study. Headache 2000;40:300-305

Zusammenfassung: Spannungskopfschmerz ist eine häufige Erkrankung. Die Inzidenz des chronischen Spannungskopfschmerzes beträgt 2-3%. In letzter Zeit wurden mehrere Fallberichte und kleinere Studien publiziert, die einen therapeutischen Effekt von Botulinumtoxin A bei Migräne und Spannungskopfschmerz nahelegen. Am überzeugendsten sind bisher Studien, bei denen Botulinumtoxin A im Rahmen von Schönheitsoperationen appliziert wurde, wenn in der Folgezeit eine Abnahme von gleichzeitig bestehenden Kopfschmerzen beobachtet wurde. Die Neurologen der Universitätsklinik in Hannover schlossen in ihre Studie 21 Patienten mit Spannungskopfschmerz ein. Die Patienten wurden randomisiert mit 10 x 20 Mauseinheiten Botulinumtoxin A oder Plazebo injiziert. Die Patienten wurden gebeten, nach 4, 8 und 12 Wochen die Schmerzstärke auf einer visuellen Analogskala zwischen 0 und 10 zu skalieren. Außerdem wurde das Ausmaß der Muskelverspannung gemessen. Nach 4, 8 und 12 Wochen ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen Plazebo und Botulinumtoxin. Dies betraf die Messungen der visuellen Analogskala, die Häufigkeit und Dauer der Kopfschmerzattacken, die Einname von Analgetika, Lebensqualitätsmaße sowie das Ausmaß der Muskelverspannung. Die Autoren schließen, daß eine erhöhte Muskelspannung in der Pathophysiologie des Spannungskopfschmerzes keine Rolle spielt.

Kommentar: Dies ist die erste kleinere prospektive und plazebokontrollierte Studie, die keinen therapeutischen Effekt der Injektion von Botulinumtoxin in die perikranielle Muskulatur fand. Eine wesentliche Schwäche der hier durchgeführten Studie ist die Tatsache, daß der Löwenanteil der Patienten unter episodischem Spannungskopfschmerz litt, eine Bedingung, bei der die Kopfschmerzen selbst in ihrer Häufigkeit und Ausprägung sehr variabel sind. Es wäre sicher sinnvoller gewesen, die Studie an Patienten mit täglichen Spannungskopfschmerzen durchzuführen. Außerdem ist eine Patientenzahl von 10 versus 11 viel zu gering, um einen therapeutischen Erfolg oder Mißerfolg zu belegen. Daher müssen die großen prospektiven Studien, die derzeit an mehr als 200 Patienten durchgeführt werden, abgewartet werden, um klären zu können, ob Botulinumtoxin tatsächlich mehr ist als ein starkes Plazebo. (HCD)

*** Holroyd KA, Stensland M, Lipchik GL, Hill KR, O’Donnell FS, Cordingley G. Psychosocial correlates and impact of chronic tensiontype headaches. Headache 2000;40:3-16

Zusammenfassung: Die amerikanische Arbeitsgruppe um Holroyd hat im Rahmen einer psychologischen Therapiestudie bei 245 Patienten (mittl. Alter 37 J.) das klinische Muster und psychosoziale Korrelate des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp (CTTH) untersucht und diese mit den Ausprägungen anderer Störungsbilder (Arthritis und Rückenschmerzen) sowie gesunden Kontrollen verglichen. Abhängige Variablen waren: Angst, Depression, Streß, Lebensqualität, körperliche, berufliche und soziale Beeinträchtigung, die per Instrumente und Interview erhoben wurden. Die Patienten hatten im Mittel seit 12 Jahren TTH und seit 7 Jahren CTTH. 67% hatten eine positive Familienanamnese, 65% tägliche Kopfschmerzen (nur 12% an weniger als 20 Tagen/Monat) mit moderater Intensität und 79% befanden sich in ärztlicher Behandlung. Streß wurde als häufigster Trigger genannt (65%), gefolgt von Ernährung (38%) und Menstruation (34% der Frauen). An psychologischen Korrelaten wurden signifikant gegenüber Gesunden erhöhte Scores in den Bereichen Streßerleben, Depression (=zu 50% behandlungsbedürftig) und Angst gefunden. An sozialen Korrelaten wurde eine signifikant höhere Beeinträchtigung in allen Dimensionen der Lebensqualität als bei Gesunden beschrieben. Unterschiede zu Patienten mit Arthritis und Rückenschmerzen ergaben sich in den Dimensionen Sozialfunktion, mentale Gesundheit und Körperschmerz. Die Patienten gaben den Verlust von 7 Arbeitstagen in 6 Monaten aufgrund der Kopfschmerzen an, mit erheblicher Beeinträchtigung der Arbeitsqualität an den übrigen Tagen. Körperliche Störungen, die auf die Kopfschmerzen zurückgehen, bündeln sich in den Bereichen Schlaf, Energie und Wohlbefinden. Eine hohe Kopfschmerz-Aktivität und emotionaler Streß konnten als wichtigste Determinanten der Beeinträchtigungen ausgemacht werden.

Kommentar: Die Psychographie des Spannungskopfschmerzes ist zwar zahlreich, dennoch gibt es erstaunlicherweise nur sehr wenige Studien, die die Subpopulation der chronischen TTH-Patienten beschreiben. Dies geschieht in dieser Studie systematisch und mit einem gut kontrollierten Design. Dennoch bleiben z.T. erhebliche methodische Mängel anzumerken: Fragliche Generalisierung, da Selektionsbias (klinische Population, 78% Frauen, 28% Migräne-Komorbidität); ein zu hoher Cutoff zum medikamenteninduzierten Kopfschmerz (180 Tabletten/Monat); wesentliche Variablen, die mit unvalidierten Item-Kompositionen erhoben wurden (Behinderung/Beeinträchtigung). Trotz der nur korrelativen Befunde ist diese Studie interessant, weil sie das Bild des Patienten mit chronischen TTH weiter aufhellt: Wenn die Kopfschmerzen chronisch werden, dann sind sie fast immer täglich vorhanden mit variabler und meist mittlerer Intensität. Die Beeinträchtigung der Lebensqualität entsteht weniger aus der Intensität als aus der Permanenz der erlebten Schmerzen. Die soziale und berufliche Funktionsfähigkeit bleibt, wenn auch unter großen Mühen, erhalten. Der Patient ist müde, schläft schlecht, fühlt sich niedergeschlagen, geht nur noch selten zum Arzt und läuft Gefahr, in seiner Karriere eine Angst- oder Depressionserkrankung psychiatrischen Ausmaßes zu bekommen. Deswegen ist wohl der wichtigste Verdienst dieser Studie die therapeutische Implikation: Psychotherapie von CTTH muß den Schwerpunkt im affektiven Bereich setzen. (GF)

**** Ahmed HE, White PF, Craig WF, Hamza MA, Ghoname EA, Gajraj NM. Use of percutaneous electrical nerve stimulation (PENS) in the shortterm management of headache. Headache 2000;40:311-315

Zusammenfassung: Die Arbeitsgruppe aus Dallas stellt eine Studie über die Wirksamkeit der perkutanen elektrischen Nadelstimulation, verglichen mit alleinigem Einstechen der Nadeln, bei chronischem Spannungskopfschmerz, bei der sog. transformierte Migräne (transformed migraine) und bei post-traumatischen Kopfschmerzen vor. Dabei wurde bei insgesamt 30 Patienten (13 Patienten mit chronischen Spannungskopfschmerzen, 12 Patienten, die nach in Europa nicht üblicher amerikanischer Klassifikation eine sog. transformed migraine hatten, und 5 Patienten mit einem chronischen posttraumatischen Kopfschmerz (weitere Klassifikation wurde nicht durchgeführt)) die Effektivität von 1 Woche elektrischer Stimulation (30 min 3 mal die Woche), die Nadeln wurden an insgesamt 10 Stellen perkutan eingestochen, untersucht. Diese Nadeln wurden entweder mit 15, bzw. 30 Hz und maximal 25 mA elektrisch gereizt. Als Kontrolle wurden nur die Nadeln eingestochen aber nicht gereizt. Die Nadeln wurden parallel der Wirbelsäule paarweise paramedian in Höhe von C1, C5, C7 und TH4 eingestochen. Es wurde jeweils für 1 Woche elektrisch gereizt oder 1 Woche nur genadelt, die Reihenfolge der Therapieoptionen war randomisiert. Die Therapie wurde primär aufgrund von Angaben im Rahmen einer Visuellen Analog-Skala über Schmerz, tägliche Aktivität und Schlaf evaluiert. Daneben wurden als weitere Nebenfaktoren der SF-36-Fragebogen, der Verbrauch an Schmerzmitteln und die mittlere Dauer der Schmerzen pro Woche durch Eintragungen in ein Tagebuch erhoben. Als Hauptergebnis ergab sich, daß alle untersuchten Kopfschmerzformen unter der elektrischen perkutanen Stimulation eine signifikante Reduktion der Schmerzen, eine Verbesserung der täglichen Aktivität und des Schlafes um im Durchschnitt 50% gegenüber nur 20% bei Einstechen der Nadeln ohne elektrische Stimulation angaben. Ein differentieller Effekt bei den verschiedenen Kopfschmerzformen konnte nicht nachgewiesen werden. Eine Verlaufsbeobachtung wurde nicht angeschlossen. Als mögliche Ursachen für diese Verbesserung wird eine erhöhte Freisetzung von endogenen Opiaten angenommen, da Opiat-Antagonisten den Effekt aufheben können.

Kommentar: Es handelt sich hierbei um eine interessante Studie, in der versucht wurde, mit einer, soweit es auf dem Gebiet der Akupunktur, bzw. der Elektroakupunktur, möglich ist, Plazebo-Kontrolle zu arbeiten. Die perkutane elektrische Nervenstimulation unterscheidet sich von der Akupunktur dadurch, daß keine sog. Akupunktur-Punkte benutzt werden. Die erreichten Effekte mit einer mittleren Besserung um 50% sind erstaunlich und sollten unbedingt durch weitere Studien untermauert werden. Wie die Autoren selber in der Diskussion angeben, ergeben sich einerseits Probleme dadurch, daß bezüglich der elektrischen Stimulation und dem alleinigen Einstechen der Nadeln keine wirkliche Verblindung (von Patient und Arzt) zu erreichen ist und andererseits, daß eine Langzeit-Verlaufsbeobachtung fehlt. Ein weiterer Punkt ist, dass nicht untersucht wurde, ob es einen Einfluß auf die Therapieergebnisse gibt, mit welcher der beiden Therapieformen begonnen wurde. Insgesamt ist zu bedenken, dass die Erfolge der ebenfalls angewandten transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) bei Kopfschmerzen eher sehr enttäuschend sind. Es ist zu hoffen, dass weitere Studien zu diesen Fragen folgen. (AS)


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