8. Andere Kopfschmerzen
*** Imamura Y, Kawamoto H, Nakanishi O (1997) Characterization of heat-hyperalgesia in an experimental trigeminal neuropathy in rats. Exp Brain Res 116: 97-103
In dieser tierexperimentellen Grundlagenarbeit aus Kitakyushu/Japan wird ein Modell einer sekundären Trigeminusneuralgie beschrieben. Analog zum Bennett-Xie-Modell, einem gut etablierten Modell eines neuropathischen Schmerzes am N. ischiadicus, wurde bei Ratten der N. infraorbitalis, ein rein sensibler Ast des N. trigeminus, mit zwei Fäden lose ligiert, ohne die sensiblen Fasern direkt zu schädigen. Nachdem B. P. Vos et al. 1994 (J Neurosci 14: 2708-23) beschrieben hatten, daß etwa zwölf Tage nach dieser Prozedur im Versorgungsgebiet des Nervs mechanische Allodynie und Hyperalgesie auftreten, galt die Untersuchung nun der Hitzehyperalgesie. Dazu wurde die unbehaarte Haut an den Nasenlöchern der Wärmestrahlung einer Lampe ausgesetzt, und es wurde die Latenz gemessen, bis die Ratten den Kopf einzogen. Zwischen dem vierten und dem zwölften postoperativen Tag war eine Hitzehyperalgesie nachweisbar, am ausgeprägtesten ipsilateral, aber auch kontralateral, während bei Ratten, die einer Scheinoperation unterzogen worden waren, innerhalb der 28 Tage Beobachtungszeit keine Hyperalgesie auftrat. Die Hitzehyperalgesie trat etwas früher auf als die von Vos und Mitarbeitern beschriebene mechanische Hyperalgesie. Nach der Operation war das durchschnittliche Körpergewicht der Ratten mit Nervenligatur im Vergleich zu den scheinoperierten vermindert, war aber vom zwölften postoperativen Tage an wieder ausgeglichen. Die Studie beleuchtet Aspekte eines Schmerzsyndroms, das z.B. nach Traumata oder zahnärztlichen bzw. kieferchirurgischen Eingriffen mit konstanten, meist brennenden Schmerzen auftritt. Betont wird, daß die Hitzehyperalgesie auch kontralateral auftritt, was am besten durch afferente Projektionen zum kontralateralen trigeminalen Subnucleus caudalis erklärt wird. Doch tritt sowohl die Hitzehyperalgesie im Bennett-Xie-Modell als auch die Mechano-Hyperalgesie im Gebiet des N. infraorbitalis ebenfalls nicht nur ipsi-, sondern auch kontralateral auf. Ob aus der Läsion eines rein sensiblen Nervs aus dem trigeminalen Gebiet andere pharmakologische und therapeutische Konsequenzen resultieren als aus der Läsion eines gemischten Extremitätennervs, kann gegenwärtig noch nicht beantwortet werden. (JN)
**** Nabih M Ramadan NM. Unusual causes of headache. Neurology; 48: 1494-1499.
Sekundäre Kopfschmerzen sind in der Differentialdiagnose und Management eine Herausforderung an den Neurologen und Kopfschmerzspezialisten. Aufgrund der schillernden Vielfalt der Symptomatik und Ätiologie sind die meisten nur unzureichend beschrieben und klassifiziert, auch ist über die Pathophysiologie dieser Schmerzen nur wenig bekannt und darüberhinaus nur infrequent in der Kopfschmerzliteratur in Form von case-reports zu finden. Der Autor gibt eine Übersicht des jetzigen Wissens zu Häufigkeit, klinischer Präsentation, bisherigem Stand zur Pathophysiologie und Behandlung von Kopfschmerzen in Multipler Sklerose, Demenz, Schlaf-Apnoe, Arnold Chiari Typ I Malformation und HIV-Infektion. Während Kopfschmerzen bei Multipler Sklerose und Demenz kein häufiges Symptom sind und in der Differentialdiagnose keine Rolle spielen, ist der Kopfschmerz bei der Arnold Chiari Typ I Malformation sehr häufig und typischerweise verbunden mit intracranieller Drucksteigerung wie Husten, Pressen, Vornüberbeugen u.ä. Kopfschmerzen bei HIV-Patienten sind ebenfalls sehr häufig und hier besteht immer der Verdacht auf eine zugrundeliegende strukturelle Läsion, weshalb man bei diesen Patienten häufiger auf die Bildgebung/Liquoruntersuchung zurückgreifen sollte. Insgesamt gibt der Artikel eine gute Übersicht über die genannten zugrundeliegenden Syndrome, leider hat der Autor in seinem Review jedoch die ebenfalls häufig ätiologisch und von der Behandlung her schwierigen endokrinologischen und immunologischen Syndrome mit Kopfschmerzbeteiligung und -Komplikation ausgeklammert. (MAY)
*** Young RF, Vermeulen SS, Grimm P, Blasko J, Posewitz A (1997) Gamma knife radiosurgery for treatment of trigeminal neuralgia, idiopathic and tumor related. Neurology 48: 608 – 614
Eine häufige Ursache von Gesichtsschmerzen ist die idiopathische oder symptomatische Trigeminusneuralgie. Bleibt diese medikamentös therapierefraktär können bei strenger Indikationsstellung neurochirurgische Eingriffe zur Schmerztherapie erforderlich werden. Dies sind unter anderem die invasive mikrovaskuläre Dekompression des Nerven mit Kraniotomie der hinteren Schädelgrube mit l % Mortalitätsrate und Komplikationen wie Hörverlust, Facialisparese Doppelbildem, zudem Elektrokoagulation, Alkoholinjektion oder Ballonkompression mit meist bleibendem sensiblen trigeminalem Defizit und möglicher Entwicklung einer Anästhesia dolorosa. Young et. al stellen als minimalinvasive, effektive, den Patienten schonende und kostengünstige Behandlungsalternative (40% weniger Kosten als bei der mikrovaskulären Kompression) die radio-chirurgische Behandlung der therapierefraktären Trigeminusneuralgie mit dem “Gamma Knife” vor. Bei 60 Patienten wurde der Trigeminus-Nerv in der Nachbarschaft der Pons in Lokalanästhesie in nur milder Analgosedierung nach stereotaktischer Zielpunkt-Bestimmung im NMR mit Dosen von 2870 Gray über 28-40 Minuten fokusiert bestrahlt (Dauer der Therapiesitzung 2-3 Stunden, stationärer Aufenthalt von 2 Tagen). Die Effekte auf die neuropathische Schmerzstärke wurden in einem ersten “follow up” 1 Tag bis 4 Monate nach dem Eingriff bestimmt und in einer zweiten Nachuntersuchung im Mittel 16,3 Monate (6-36 Monate) nach dem radiochirurgischen Eingriff. Analysiert wurde die Gesamtgruppe sowie Untergruppen mit idiopathischer Trigeminusneuralgie, symptomatischer Trigeminusneuralgie (Tumor oder Metastase) sowie Patienten mit anderen neurochirurgischen schmerztherapeutischen Eingriffen in der Vorgeschichte im Vergleich zu nur medikamentös behandelten Patienten. 74,5% der Patienten nüt idiopatlüscher Trigeminusneuralgie waren nach dem Eingriff vollständig schmerzfrei und 14% gaben eine Reduktion der Schmerzstärke um mehr als 50% an. Eine etwa gleiche Anzahl von Patienten blieb schmerzfrei oder mehr als 50% schmerzreduziert über einen Zeitraum von 16 Monaten. 100% der Patienten mit klassischer Trigeminusneuralgie ohne atypische Anamnese oder Symptomatik und insbesondere ohne vorherige anderweitige chirurgische Eingriffe waren nach der Behandlung mit dem “Gamma-Knife” vollständig oder mehr als 50% schmerzgemindert. Der therapeutische Effekt hielt über den gesamten Beobachtungszeitraum von 16,3 Monaten (6-36 Monaten) an. Der schmerztherapeutische Effekt stellte sich im Mittel 14 Tage nach der chirurgischen Behandlung ein. Der schlechteste Therapieerfolg (68%) zeigte sich bei Patienten mit vorhergehenden chirurgischen schmerztherapeutischen Eingriffen im Vergleich zu den lediglich pharmakologisch behandelten Trigeminusneuralgien (90%). Nur 50% der Gruppe mit vorangegangenen schmerztherapeutischen chirurgischen Eingriffen wurden vollständig schmerzfrei. Vorherige schmerzchirurgische Eingriffe sind somit als negative prognostische Faktoren für den Erfolg des radio-chirurgischen Eingriffes anzusehen. Bei keinem der 60 Patienten führte die Behandlung mit dem “Gamma Knife” zu einem neuen trigeminalen sensiblen Defizit. Dies stellt einen Vorteil gegenüber konventionellen chirurgischen Verfahren (Koagulation) dar. Gleiches gilt für die nahezu fehlende Komplikationsrate aufgrund der Minimalinvasivität. Nachteile der vorgestellten Studie sind die relativ kurze Beobachtungsperiode von im Mittel 19 Monaten, die ein spätes Wiederauftreten neuralgischer Schmerzen nicht ausschließt und auch radiogene Spätfolgen am Trigeminusnerven nicht sicher ausschließt. Die Studie zeigt dennoch, daß die radiochirurgische Behandlung mit dem “Gamma Knife” eine attraktive Alternative zu konventionellen schmerztherapeutischen chirurgischen Eingriffen darstellt. Dies gilt für Trigeminusneuralgien, die pharmakologisch therapieresistent sind. Die Behandlung sollte streng indiziert werden und spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben, die auch methodisch in der Lage sind, die stereotaktische Lokalisation mit Hilfe des cranialen NMRs mit einer optimalen Minimierung der Abbildungs-Distorsion operativ durchführen können. (MK)