Neue Methode erleichtert die Diagnostik von Beschwerden nach einem Schleudertrauma
(Elzach) Eine neue computergestützte Methode zur objektiven Bestimmung der Schmerzempfindlichkeit von Nacken- und Schultermuskulatur ermöglicht erstmals eine genaue Diagnose von Beschwerden nach einem Schleudertrauma der Halswirbelsäule.
Jährlich erleiden schätzungsweise 200 000 Menschen in Deutschland bei Auffahrunfällen ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule. Nacken- und Kopfschmerzen sind die Folge. In den meisten Fällen verschwinden die Beschwerden binnen sechs Wochen. Doch bei zehn bis 20 Prozent der Patienten bleiben die Beschwerden über Jahre bestehen. Röntgenuntersuchungen der Wirbelsäule liefern in solchen Fällen nur selten Hinweise auf die Schmerzursache. Darum sind die Aussagen der Patienten und Tastbefunde der gezerrten Muskulatur durch den Arzt oft die einzige Grundlage, wenn über die Fortsetzung und den Umfang einer Behandlung oder über Schmerzensgeld-Forderungen entschieden werden muß.
Ein Ärzte-Team um Dr. Matthias Keidel von der Neurologischen Universitätsklinik in Essen hat nun ein Verfahren zur Messung der Schmerzempfindlichkeit von Muskeln, die sogenannte Druckalgesimetrie, weiterentwickelt und zunächst überprüft, ob das Verfahren verläßliche Meßergebnisse liefert. Im Rahmen einer Pilot-studie erprobten die Mediziner dann die Methode erstmals als Diagnoseverfahren bei zwölf Patienten mit Schleudertrauma und an gesunden Probanden.
Bei der Druckalgesimetrie, die aufgrund der Weiterentwicklung nun auch außerhalb spezieller Schmerzlaboratorien eingesetzt werden kann, übt ein kleiner Stempel mit einem Durchmesser von zwei Millimetern auf das Muskelgewebe einen kontinuierlichen Druck aus. Am Computer, für den Dr. Johannes Nebe von der Essener Gruppe ein spezielles Programm geschrieben hat, können die Testpersonen auf einer Skala fortwährend ihre aktuelle Schmerzempfindung mit Hilfe der Cursortaste des PC angeben. (Der konstante Druck des Mini-Stempels wird von jedem Menschen nach einiger Zeit als mehr oder weniger schmerzhaft empfunden.) So lassen sich die Schmerzschwelle, ab der der Druck als unangenehm empfunden wird, und die maximale Schmerzintensität bestimmen.
Spezielle Berechnungen dieser Schmerzintensitätskurve belegten, daß die vier untersuchten Nacken- und Schultermuskeln der Patienten mit Schleudertrauma deutlich schmerzempfindlicher waren als die Muskulatur gesunder Kontrollpersonen. Die Muskulatur auf der linken Körperseite war darüber hinaus stärker betroffen als die auf der rechten Seite. Diesen Befund führen die Experten darauf zurück, daß es sich bei den Patienten um die Fahrer handelte, bei denen der Sicherheitsgurt über der linken Schulter befestigt wird.
“Die Methode”, so folgert das Ärzte-Team, “macht es nicht nur möglich, Muskel- und Weichteilschmerzen zu objektivieren, sondern kann auch eingesetzt werden, um die Wirkung von verschiedenen Behandlungsmaßnahmen oder einer Rehabilitation zu überprüfen.”
“Die Ergebnisse deuten auch darauf hin”, kommentiert Professor Hartmut Göbel von der Schmerzklinik in Kiel, der die Druckalgesimetrie experimentell für die Untersuchung von Kopfschmerzen eingesetzt hat, “daß die erhöhte Schmerzempfindlichkeit bei einem HWS-Schleudertrauma nicht allein durch Veränderungen in Muskeln und Sehnen entstehen.” Vielmehr scheinen auch Veränderungen im Zentralnervensystem die Empfindlichkeit der Patienten gegen-über Schmerzsignalen zu erhöhen. Dies belegen auch noch unveröffentlichte weitere Untersuchungen der Essener Ärzte.
Quelle: Kopfschmerz-News 1/99
Nebe, J., Keidel, M., Lüdecke, C., Diener, H.-C. (1998) Schmerzquantifizierung nach HWS-Schleudertrauma mittels computerinteraktiver Druckalgesimetrie. Nervenarzt 69: 924-928 (Diese Originalarbeit kann bei der Pressestelle der DMKG angefordert werden.)
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Prof. Dr. Gunther Haag
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