Kopfschmerz durch Hormone: Die Last der Frauen
Frauen leiden häufiger als Männer an Kopfschmerzen. Ein Grund dafür sind die natürlichen Schwankungen im weiblichen Hormonhaushalt. Sie verursachen die zum Teil heftigen Migräneattacken während der Regelblutung. Hingegen bessern sich Kopfschmerzen bei vielen Frauen in der Schwangerschaft und oft auch nach den Wechseljahren, wie Experten auf dem Deutschen Schmerzkongreß in Düsseldorf berichten.
“Die nimmt mal wieder ihre Migräne,” heißt es oft abschätzig, wenn Frauen starke Kopfschmerzen haben. Kopfweh gilt noch immer als typisches Frauenleiden. Richtig ist, daß Frauen häufiger als Männer über Migräne oder Spannungskopfschmerzen klagen. Ein Vorurteil ist hingegen die Annahme, die Betroffenen seien nur wehleidiger. Denn zu den möglichen Auslösern der Pein unter der Schädeldecke – im Fachjargon Triggerfaktoren genannt – gehört das Auf und Ab von Geschlechtshormonen, das Frauen vor allem für Migräne anfälliger macht. Darum ist bis zur Pubertät die Migräne bei Jungen und Mädchen gleich häufig, erst danach verändert sich das Muster zu Ungunsten der Frauen: Sie sind dann drei mal häufiger betroffen als Männer. Erst nach den Wechseljahren verändert sich das Muster wieder: Frauen leiden dann “nur noch” doppelt so häufig wie Männer unter Migräne.
“Ursache von hormonell bedingten Kopfschmerzen ist der Abfall des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen im Blut,” erklärt Dr. Astrid Gendolla, Assistenzärztin in der Kopfschmerzambulanz der Rheinischen Universitätsklinik in Essen. Ebenso gibt es Hinweise, daß die weiblichen Geschlechtshormone auch die Verarbeitung schmerzhafter Reize im Gehirn beeinflussen. Ebenso machen hormonell bedingte psychische Veränderungen vor der Regelblutung Frauen gegenüber Streßfaktoren, die ebenfalls eine Migräne-Attacke auslösen können, empfindlicher.
Oft besonders heftig: die menstruelle Migräne
Etwa 14 Prozent aller Migränikerinnen leiden an einer sogenannten “menstruellen Migräne”. Ihre Attacken treten in den meisten Fällen kurz – etwa zwei Tage – vor der Regelblutung auf. Bei einigen Frauen setzen die Schmerzen erst während der Menstruation ein. Zwei Tage nach der Regelblutung ist der böse Spuk vorüber. Zumeist handelt es sich um eine Migräne ohne Aura, also ohne vorausgehende neurologische Ausfallserscheinungen wie Sehstörungen oder Taubheitsgefühle im Gesicht.
“Die Behandlung unterscheidet sich nicht wesentlich von der einer “normalen” Migräne”, erklärt Astrid Gendolla. “Es muß jedoch berücksichtigt werden, daß die Migräneattattacken während der Menstruation oft länger und intensiver sind.” Deshalb sollten in der Akuttherapie vor allem Schmerzmittel mit langanhaltender Wirkung, wie zum Beispiel Ibuprofen oder Naproxen eingesetzt werden. Übelkeit und Erbrechen lassen sich mit Paspertin behandeln.
Aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen mit einer neuen Klasse von Migränemedikamenten, den sogenannten Triptanen, schlugen die Kopfschmerz-Experten einer der Herstellerfirmen vor, die Wirksamkeit der Substanz Zolmitriptan bei menstrueller Migräne zu untersuchen. Darauf hin wurde eine Studie mit mehr als 2000 Frauen, die unter einer menstruellen Migräne litten, begonnen. Das Ergebnis: Zolmitriptan beeinflußte die Intensität der Kopfschmerzen sowie die Begleitsymptome positiv. Dies gilt auch höchstwahrscheinlich für die anderen Triptane. Darum werden diese Medikamente von den Experten als Mittel der ersten Wahl zur Akuttherapie der menstruellen Migräne angesehen.
Zur Prophylaxe empfiehlt die Neurologin die Einnahme von Magnesium in höherer Dosierung (360mg pro Tag). Auch Hormonpflaster, zwei Tage vor Beginn und während der Menstruation getragen, können ebenfalls helfen, die Attacken zu mildern.
Migräne und “die Pille”
Ob eine hormonelle Schwangerschaftsverhütung, also die “Pille” eine Migräne positiv oder negativ beeinflußt ist unklar. “Einige wissenschaftliche Untersuchungen belegen eine Verschlechterung der Migräne durch die Einnahme der Antibabypille, andere zeigen eine Verbesserung,” sagt Dr. Stefan Evers, Leiter der Kopfschmerzambulanz am Klinikum der Westfälischen Universität Münster. “Deshalb kann man den betroffenen Frauen momentan nur empfehlen, unter fachärztlicher Anleitung genau zu testen, welchen Einfluß das Absetzen, bzw. die Einnahme der Pille – möglichst ein kontinuierliches Einphasenpräparat – auf ihre Kopfschmerzen hat.” Erst wenn durch weitere klinische Untersuchungen klar ist, wie sich die verschiedenen Hormonpräparate auf Kopfschmerzen auswirken, “sind allgemeingültige Aussagen möglich,” meint der Neurologe.
Migränikerinnen, die die Pille nehmen sollten nicht rauchen
Jüngeren Frauen rät Evers zur Vorsicht: Neuere Untersuchungen belegen, daß insbesondere Migräne-Patientinnen unter 45 Jahren möglicherweise ein erhöhtes Risiko haben, eine Thrombose oder einen Gehirnschlag zu erleiden. Bei Einnahme der Pille kann sich dieses Risiko um das drei- bis sechsfache erhöhen. Bei Raucherinnen ist es sogar um das Zehnfache erhöht. Evers: “Wenn Migränikerinnen die Pille nehmen, müssen sie darum noch stärker als andere Frauen auf zusätzliche Riskofaktoren achten; vor allem dürfen sie nicht rauchen.”
Kopfschmerzen lassen in der Schwangerschaft oft nach
Werden Migränikerinnen erstmals schwanger, bessern sich die Beschwerden in den meisten Fällen oder verschwinden sogar ganz. Oft kommen die Attacken aber nach der Geburt des Kindes wieder und verschwinden dann häufig auch bei nachfolgenden Schwangerschaften nicht mehr. Vorsicht ist geboten, wenn eine Migräne während der Schwangerschaft erstmals auftritt. “Das kann auf mögliche Komplikationen, wie zum Beispiel eine Präeklampsie, also Schwangerschafts- Bluthochdruck, hindeuten”, erklärt Evers.
Bei der Behandlung von Kopfschmerzen während der Schwangerschaft empfiehlt Evers, zunächst alle nicht-medikamentösen Maßnahmen auszuschöpfen. Dazu gehören beispielsweise Akupunktur, Entspannungstechniken oder Lymphdrainage. Zur Vorbeugung von Migräneattacken sollte vor allem Magnesium eingesetzt werden. Aber auch Metropolol, ein ß-Blocker, kann verschrieben werden. Als Medikament der ersten Wahl zur Bekämpfung akuter Kopfschmerzen auch während der Stillzeit gilt Paracetamol. Bei Übelkeit und Erbrechen helfen Paspertin oder Diurenhydrat. Doch Evers warnt: “Eine medikamentöse Therapie von Spannungskopfschmerzen und Migräne sollte nur sehr zurückhaltend und immer unter strikter ärztlicher Anleitung erfolgen.”
Hormonpräparate helfen gegen Migräne nach den Wechseljahren
Die weit verbreitete Annahme, daß eine Migräne in oder nach der Menopause verschwindet, ist ebenfalls unzutreffend. Zwar bessert sich eine Migräne bei 60 Prozent der Frauen, doch bei den übrigen bleibt sie unverändert oder wird sogar schlimmer. Andere Untersuchungen belegen, daß vor den Wechseljahren etwa 15 Prozent aller Frauen und nach der Menopause immerhin noch etwa neun Prozent Migräne haben. Evers: “Besteht eine Migräne über die Menopause hinaus oder tritt dann erstmals auf, sollte ein Hormonpräparat eingesetzt werden. Vor allem dann, wenn die Attacken auf die herkömmliche Therapie nur ungenügend ansprechen und wenn keine gynäkologischen Kontraindikationen bestehen.”
Eine operative Entfernung der Gebärmutter oder der Eierstöcke, um eine Migräne zu bekämpfen, sei keinesfalls zu empfehlen: “Die Migräne ist danach eher häufiger als zuvor und verschlechtert sich sogar bei 40 bis 60 Prozent der Frauen,” so der Mediziner.
Rückfragen an:
Dr. med. Astrid Gendolla
Rheinische Klinik Essen
Klinik für Psychotherapie
Virchowstraße 174
45147 Essen
Tel.: 0201-7227425, Fax: 0201-4087661
Dr. med. Stefan Evers
Klinik und Poliklinik für Neurologie
Westfälische Wilhelms-Universität
Albert-Schweitzer-Straße 33
48129 Münster
Tel.: 0251-8348-175, Fax: 0251-8348-181
e-mail: [email protected]
Eine Liste mit Kopfschmerz-Experten in der jeweiligen Region
ist beim Generalsekretär und Pressesprecher der DMKG erhältlich.
Prof. Dr. Gunther Haag
Elztal Klinik
Pfauenstr. 6, 79215 Elzach-Oberprechtal
Tel.: (07682) 805-333, Fax: (07682) 805-135
Die Mitglieder-Liste und weitere Informationen über Kopfschmerz und Migräne auch unter: http://www.dmkg.de