Categories
Articles

Probleme bei der Verordnung von Triptanen zur Akutbehandlung der Migräne

 

online gestellt: Juni. 2001

Therapieempfehlungen der Deutschen Migräne- und

Kopfschmerzgesellschaft

Probleme bei der Verordnung von Triptanen zur Akutbehandlung der

Migräne

Stellungnahme der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft

(DMKG)

Dr. Volker Pfaffenrath (München)

Für das Präsidium der DMKG

Am Ende dieses Textes haben Sie die Möglichkeit, der DMKG Ihre

persönlichen Erfahrungen mitzuteilen.

Die DMKG erhält regelmäßig Hinweise von Patienten, dass

Ärzte eine Triptanverschreibung zur Behandlung akuter

Migräneattacken verweigern. Nach Angaben dieser Patienten wird als

Ursache dieser eingeschränkten Therapie meistens der hohe Preis der

Medikamente angegeben, was durch den Budgetdruck, der auf den behandelnden

Ärzten lastet, ausreichend erklärlich ist.

Die DMKG hat in Ihren Therapie-Empfehlungen, die ebenfalls im Internet

abrufbar sind, zur Akutmedikation der Migränetherapie auf dem Boden von

Evidence Based Medicine (EBM) Stellung genommen. EBM heißt, dass auf

der Grundlage umfangreicher wissenschaftlicher Untersuchungen der Effekt und

die Nebenwirkungen der einzelnen Medikamente bewertet werden.

In früheren Empfehlungen hat die DMKG ein Stufenschema empfohlen.

Für leichte Attacken bedeutete dies die Kombination eines Mittels gegen

Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen (Antiemetikum) mit einem

Schmerzmittel (Analgetikum). In ihrer Wirksamkeit belegt gelten 1000mg

Aspirin, 1000mg Paracetamol (z.B. Benuron) und verschiedene Antirheumatika

wie Ibuprofen und Naproxen. Im Stufenschema folgt danach der Einsatz von

Ergotamintartrat und dann die Triptane.

Ergotamine werden seit vielen Jahren in der Migräneakutbehandlung

eingesetzt, obwohl ihr Effekt nach EBM-Kriterien nur unzureichend belegt

ist. Nach einer Empfehlung europäischer Kopfschmerzspezialisten sollten

Ergotamine deshalb nur bei Patienten weiter verschrieben werden, die damit

in ihrer Attackenbehandlung zurecht kommen, keine Nebenwirkungen haben und

keine Dosissteigerung zeigen. Als Wirksamkeitsnachweis für die

medikamentöse Migräneattackenbehandlung gilt Kopfschmerzfreiheit

oder Arbeitsfähigkeit innerhalb von 2 Stunden. Dies wird durch die

Triptane in 60-80% erreicht. In Deutschland sind folgende Triptane auf dem

Markt: Imigran (Sumatriptan), Ascotop (Zolmitriptan), Naramig (Naratriptan),

Maxalt (Rizatriptan) und seit Anfang März 2001 Almogran (Almotriptan).

Im September dieses Jahres wird es wahrscheinlich zu der

Markteinführung eines neuen Triptans (Eletriptan) kommen, eventuell

auch noch von Frovotriptan.

Der Effekt von Imigran, Ascotop, Maxalt und Almogran unterscheidet sich

hinsichtlich der Wirksamkeit kaum voneinander, gleiches gilt für die

Nebenwirkungen. Naramig weist noch geringere Nebenwirkungen auf, allerdings

setzt die Wirksamkeit meist erst innerhalb von 4 Stunden ein im Vergleich zu

2 Stunden bei den anderen Triptanen.

Die Sicherheitslage der Triptane ist generell als ausgezeichnet zu

betrachten. Weltweit liegen hinsichtlich Imigran Erfahrungen an über

300 Mio. behandelten Attacken vor mit Nebenwirkungen auf 1:1Mio. Da alle

Triptane denselben Wirkungsmechanismus aufweisen, ist davon auszugehen, dass

das Nebenwirkungsprofil der anderen Triptane vergleichbar gut ist. Allen

Triptanen gemeinsam ist ein sogenannter Wiederkehrkopfschmerz (Recurrence),

was bedeutet, dass nach initial gutem Effekt der Kopfschmerz wiederkommen

kann und deshalb ein Triptan erneut eingesetzt werden muss. Diese sogenannte

Recurrencerate liegt bei den Triptanen zwischen 20-40%. Die Einnahme von

Triptanen bei ein und derselben Attacke kann also mehrmals notwendig sein.

Hinsichtlich der Zahl der Triptandosen, sollten nicht mehr als 2 Dosen pro

24 Stunden, 3 Dosen pro Attacke und – wie Analgetika und Ergotamine –

an nicht mehr als 10 Tagen/Monat eingesetzt werden.

Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, bei einem hohen Triptan-Verbrauch, was

gleichbedeutend mit einer hohen Attackenfrequenz ist, eine

Migräneprophylaxe einzuleiten. Dies bedeutet, dass durch die

tägliche Einnahme eines Medikamentes über einen Zeitraum von 6-9

Monaten (z.B. einem Beta-Blocker), die Attackenfrequenz, die Dauer und die

Intensität der Kopfschmerzattacken um mindestens 50% gelindert werden

kann.

Entsprechend empfiehlt die DMKG daher in ihren aktuellen

Therapieempfehlungen, dass heute bei einer Neueinstellung einer Migräne

ein Triptan bevorzugt werden sollte.

Dem gegenüber steht der hohe Preis dieser Therapie. Die Kosten von

Naramig, Ascotop, Maxalt und Almogran liegen bei DM 120,- für 6

Tabletten. Der Preis von Imigran schwankt je nach Dosis zwischen DM 90

(50mg) und DM 150 (100mg). Da Imigran 50mg und 100mg vergleichbar wirksam

sein sollen, stellt Imigran 50mg zur Zeit die billigste Triptanalternative

dar.

Aus der Sicht des behandelnden Arztes stellt sich die Situation allerdings

wesentlich komplexer dar. Bekanntermaßen, steht für die

pharmakotherapeutische Behandlung von Patienten dem Arzt ein bestimmtes

Budget zu Verfügung. 1999 lag dieses z.B. bei Neurologen in Bayern

zwischen DM 59 und DM 88 und hat sich seitdem nur geringfügig

geändert. Dementsprechend dürfte ein Neurologe für die

Behandlung seiner Migränepatienten für ein Quartal (3Monate) 2/3

einer Triptan-Packung verschreiben. Daraus ist leicht abzuleiten, dass unter

dem enormen Druck dieses Budgets die Triptanverschreibung nur limitiert

erfolgt, oft mit dem Hinweis gekoppelt auf die starken Nebenwirkungen dieser

Medikamente. Dies ist unserer Erfahrung nach ein vorgeschobenes Argument.

Bei der Behandlung von Migränepatienten empfiehlt die DMKG

dementsprechend bei leichten Attacken die Kombination eines Antiemetikums

mit einem einfachen Analgetikum wie vorab ausgeführt. Bei fehlendem

Effekt oder schweren Attacken ist nach EBM der Einsatz eines Triptans

gerechtfertigt.

Um Regressansprüche der Kassen zu vermeiden, sollte der behandelnde

Arzt seine Behandlung genau dokumentieren. Zum jetzigen Zeitpunkt ist in

Deutschland kein einziger Fall bekannt, in dem wegen einer zu häufigen

Triptanverschreibung ein Regress erfolgt ist.

Die Erfahrung lehrt darüber hinaus, dass pro Arzt maximal 4-5 Patienten

eine Triptanverschreibung benötigen und insgesamt wahrscheinlich eine

Triptanverschreibung bei der Gesamtgruppe der Migränebetroffenen von 8

Mio wahrscheinlich nur in 5-10% der Fälle erforderlich ist.

In Einzelfällen kann der behandelnde Arzt zur Absicherung seiner

Therapie die Stellungnahme eines Kopfschmerzspezialisten einholen. Die

Ausschreibung von Privatrezepten ist nach Kassenrecht nicht gestattet. Eine

Kostenübernahme der Privatrezepte durch die Krankenkassen ändert

an der Situation nichts, da die Kosten weiterhin dem Budget des

verschreibenden Arztes zugerechnet werden.

Wir gehen davon aus, dass diese offizielle Stellungnahme der DMKG eine

für alle Teile befriedigenden Triptan-Medikation unterstützt.

Für eine Rückmeldung Ihrer Erfahrungen wären wir

dankbar.

DMKG

UPass