7. Clusterkopfschmerz
** Leone M, Dodick D, Rigamonti A, D Amico D, Grazzi L, Mea E, Bussone G. Topiramate in cluster headache prophylaxis: an open trial. Cephalalgia 2003;2223:1001-1002
Zusammenfassung: Clusterkopfschmerz ist prophylaktisch schwierig zu behandeln. In Deutschland besteht die Besonderheit, dass alle Medikamente, die zur Prophylaxe des Clusterkopfschmerzes verwendet werden, dafür nicht zugelassen sind. Dies gilt für Verapamil, Lithium und das in der Zwischenzeit in Deutschland nicht mehr erhältliche Methysergid. Die italienischen und amerikanischen Autoren untersuchten in einer offenen Studie, ob Topiramat, das bei der Migräneprophylaxe wirksam ist, auch beim Clusterkopfschmerz wirkt. In die Studie wurden 36 konsekutive Patienten eingeschlossen. 26 hatten einen episodischen und 10 einen chronischen Clusterkopfschmerz. Es handelte sich um 27 Männer und 9 Frauen im mittleren Alter von 44 Jahren. Alle Patienten registrierten zunächst über 7 Tage ihre Clusterattacken und begannen dann in ansteigender Dosis Topiramat einzunehmen. Die Anfangsdosis betrug 25 mg und die Dosissteigerung von 25 mg erfolgte alle 3 Tage. Die meisten Patienten erreichten eine Enddosis von 100 mg, einige wenige von 200 mg und mehr. Dosislimitierend waren hier die Nebenwirkungen in Form von Parästhesien, Sehstörungen, Müdigkeit und Denkstörungen. 33 Patienten beendeten die Studien. Bei 7 Patienten wurde die Frequenz der Clusterattacken um mehr als 50% reduziert, bei den übrigen Patienten zeigte sich keine Wirkung. Die meisten Patienten, die ansprachen, hatten einen episodischen Clusterkopfschmerz. Fasst man die statistischen Werte aller Patienten zusammen, war Topiramat nicht wirksam.
Kommentar: Diese kleine offene Studie zeigt nur bei einer kleinen Untergruppe von Patienten eine mögliche Wirksamkeit von Topiramat beim Clusterkopfschmerz. Hier muß allerdings kritisch angemerkt werden, dass dies fast ausschließ- lich bei Patienten mit episodischem Clusterkopfschmerz der Fall war, so dass es auch der Spontanverlauf der Erkrankung sein könnte, der hier beobachtet wurde. Dessen ungeachtet wäre es dringend notwendig, vernünftige plazebo-kontrollierte Studien zur Wirksamkeit von Topiramat bei Patienten mit Clusterkopfschmerz durchzuführen. (HCD)
***** Franzini MA, Ferroli, P., Leone M. & Broggi G. Stimulation of the posterior hypothalamus for treatment of chronic intractable cluster headaches: first reported series. Neurosurgery 2003; 52: 1095-101.
Zusammenfassung: Die Autoren berichten im Langzeitverlauf von 5 chronischen Clusterpatienten (m:3/w:2), die erfolgreich mittels (z.T. bilateraler) Tiefenhirnstimulation therapiert wurden. Der beobachtete Zeitraum umfasste 2-22 Monate. Alle Patienten waren prä- operativ, auch unter Höchstdosen von Medikamenten, therapieresistent. Im Rahmen der Tiefenhirnstimulation des Hypothalamus (die stereotaktischen Koordinaten waren funktionellen und morphometrischen Studien bei Clusterpatienten entnommen worden) sind alle Patienten, größtenteils ohne begleitende Medikation, schmerzfrei. Nebenwirkungen traten nicht auf. Bei einigen Patienten wurde der Stimulator versuchsweise abgestellt, diese Patienten erlebten daraufhin wieder Clusterattacken. Bei einem Patienten kam es, für Ärzte und den Patienten unbewusst, zu einer Diskonnektion des Stimulators und damit zur Unterbrechung der Stimulation. Auch bei diesem Patienten traten wieder (primär unerklärlich) spontane Clusterattacken auf. Bei allen Patienten sistierten die Clusterattacken nach Wiederanschalten (respektive Konnektieren) des Stimulators. Die Autoren schließen daraus, dass die hypothalamische Tiefenhirnstimulation bei Patienten mit streng einseitigen therapieresistenten Clusterattacken eine mögliche Therapieoption darstellt.
Kommentar: Diese Veröffentlichung ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen berichtet sie erstmalig im Langzeitverlauf von einer erfolgreichen Tiefenhirnstimulation bei Cluster Patienten. Bislang war nur eine Einzelfallbeschreibung mit sehr kurzem Zeitverlauf publiziert worden. Es sieht so aus, als ob auch eine langjährige Stimulation gut vertragen wird und die Wirkung nicht habituiert. Insofern ist ein Placeboeffekt auszuschließen, vor allem vor dem Hintergrund einer unfreiwilligen doppelblinden Unterbrechung der Therapie. Da trotz aller Therapiebemühungen mit z.T. hohen Dosierungen nebenwirkungsträchtiger Substanzen, schätzungsweise 20% aller Clusterpatienten nicht ausreichend therapierbar sind, ist diese neue Möglichkeit eine wichtige Entdeckung. Dies umso mehr, als hier eventuell erstmalig der Motor der Attacken selbst beeinflußt wird. Einschränkend ist zu sagen, dass fünf Patienten nicht viel erscheinen, vor allem mit Hinsicht auf die (mögliche) Nebenwirkungsrate. Der Erstautor hat allerdings in der Tiefenhirnstimulation der Parkinsonerkrankung einen Namen und eine exzellente Operationserfahrung. Der zweite Punkt warum diese Arbeit bemerkenswert ist, liegt darin, das hier erstmalig der Befund einer funktionellen Bildgebungsstudie mittels PET direkt in ein therapeutisches Konzept übersetzt wurde. Noch versteht man nicht, wie die Tiefenhirnstimulation ihren Effekt entfaltet. Der Erfolg ist vielversprechend und läßt sich hoffentlich replizieren. Es ist selbstverständlich, dass bei der Invasivität des Eingriffes, die Indikation zur Schrittmacherimplantation ansonsten therpierefraktären Patienten vorbehalten bleiben muss. (MAY)
****Sjaastad O, Bakketeig LS. Cluster headache prevalence. Vågå study of headache epidemiology. Cephalalgia 2003;23:528-533
Zusammenfassung: Die Autoren berichten, dass in der sog. Vågå study bei 1838 Befragten (88.6% der Bevölkerung in dieser Region) sieben Cluster Patienten (6 Männer und 1 Frau) charakterisiert werden konnten. Das entspräche einer Prävalenz von 381 per 100 000 Einwohner. Einer der Betroffenen hatte eine etwas atypische Klinik (sehr kurze aktive Phasen von nur wenigen Tagen, sog. mini-bouts und könnte nach strenger Auslegung der IHSKriterien auch herausfallen. In diesem Falle ergäbe sich trotzdem eine Prävalenz von 106 per 100 000 Einwohner für Frauen und 558 per 100 000 Einwohner für Männer (totale Prävelenz von 326 per 100 000 Einwohner). Dies ist erheblich höher als bislang angenommen.
Kommentar: Bei der Vågå study handelt es sich um ein epidemiologische Studie, die zwischen 1995 und 1997 in einer ländlichen Gegend in der bergigen Region des südlichen Norwegens durchgeführt wurde. Während einer 2- Jahres Periode wurden 1838 Gemeindemitglieder im Alter von 18-65 (88.6% der Zielgruppe) mittels eines strukturierten Fragebogens bezüglich Kopfschmerzen untersucht. Der Fragebogen wurde mittels persönlicher Interviews validiert. Basierend auf dieser Studie wurden seitdem etwa ein Dutzend Publikationen zu der Epidemiologie verschiedener Kopfschmerzformen veröffentlicht. In der vorliegenden Publikation geht es um den Cluster Kopfschmerz, bei dem eine unerwartet hohe Prävalenz gefunden wurde. Der Wert der Studie besteht in der Diskussion, in der diese Ergebnisse sehr sorgfältig mit der existierenden Literatur verglichen wird. Einer der wichtigsten Diskussionpunkte ist, dass die (eventuell falsch) niedrige Zahl an Cluster Patienten daher kommt, dass viele Betroffene nicht zum Arzt gehen, In früheren Studien waren meist Krankenhausdaten zu Rate gezogen worden, mit der Begründung, dass ein Betroffener mit einem so dramatisch schmerzhaften Krankheitsbild (im Gegensatz zur Migräne) in 100% zum Arzt geht, eine Dunkelziffer also vernachlässigbar klein sei. Dies ist nach der vorliegenden Studie falsch. Die Annahme, dass bei den hier Gefundenen eine abortive (also milde) Form des Clusters dafür sorgte, dass diese Betroffenen nicht zum Arzt gingen zeigte sich alarmiernder Weise als Trugschluss. Einschränkend ist zu sagen, dass trotz der sorgfältigen Arbeit, eine Verallgemeinerung der Ergebnisse bei der relativ geringen Anzahl an Teilnehmern in dieser Studie nicht angemessen ist. (MAY)