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Kopfschmerz-News

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9. Andere Kopfschmerzen

**** Sjaastad O, Bakketeig LS. Exertional headache. I. Vaga study of headache epidemiology. Cephalalgia 2002; 22: 784-790

Zusammenfassung:

Die IHS-Klassifikation unterscheidet verschiedene Formen von idiopathischen Kopfschmerzen, die bei oder nach körperlicher Anstrengung auftreten. Als eigentliche Form wird der sog. benigne Kopfschmerz bei körperlicher Anstrengung definiert. Außerdem können der benigne Hustenkopfschmerz und der Kopfschmerz bei sexueller Aktivität hierzu gezählt werden. Die vorliegende Studie hat es sich zum Ziel gesetzt, die bevölkerungsbezogene Epidemiologie dieser Kopfschmerzformen zu erheben. Dazu wurden in einer umschriebenen norwegischen Region (der Kommune Vaga) ein Interview mit allen Einwohnern zwischen 18 und 65 durchgeführt (n=1838). Unter diesen wiesen 12,3% einen benignen Anstrengungskopfschmerz nach den Kriterien der IHS auf. Geringfügig, aber signifikant mehr Frauen als Männer waren betroffen (1,4 zu 1). Die Dauer dieser Kopfschmerzen lag zwischen 5 Minuten und 24 Stunden. Interessanterweise hatten die meisten Betroffenen ihren ersten Anstrengungskopfschmerz vor dem 30. Lebensjahr. Starke Kopfschmerzen traten nur bei ca. 20% auf, die meisten gaben mäßige Kopfschmerzintensität an. Einige Betroffene gaben spontan spezifische auslösende Faktoren an, darunter auch Husten und sexuelle Aktivität. Nach diesen Auslösern wurde aber nicht direkt gefragt. Aufgrund der verschiedenen Auslöser folgern die Autoren, daß in zukünftigen Untersuchungen die Art der den Kopfschmerz provozierenden Faktoren bei einer Klassifikation berücksichtigt werden muß.

Kommentar:

Diese Studie zeigt zum ersten Mal in einem sehr sauberen Design die bevölkerungsbezogene Lebenszeitprävalenz des benignen Anstrengungskopfschmerzes auf. Sie liegt sehr viel höher als die in anderen bevölkerungsepidemiologischen Studien, die dort durchgehend mit ca. 1% angegeben wird. Die Vaga Studie ist ein groß angelegtes Projekt, mit dem epidemiologische Daten über nur wenig untersuchte Kopfschmerzformen in einem direkten Interview erhoben werden sollen (so wurde kürzlich eine Lebenszeitprävalenz des idiopathischen stechenden Kopfschmerzes von 35,2% beschrieben). Durch die große Erfahrung des Erstautoren dieser Studie ist anzunehmen, daß die Daten valide erhoben worden sind. Problematisch ist, daß nicht scharf genug der Hustenkopfschmerz und der Kopfschmerz bei sexueller Anstrengung abgegrenzt worden sind. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um andere Mechanismen, die den Kopfschmerz auslösen, als eine länger dauernde, allgemeinkörperliche Anstrengung. (SE)

**** Krämer HH, Angerer C, Erbguth F, Schmelz M, Birklein F. Botulinum Toxin A reduces neurogenic flare but has almost no effect on pain and hyperalgesia in human skin. J Neurol 2003; 250: 188-193

Zusammenfassung:

Botulinumtoxin A wird in letzter Zeit immer häufiger in Studien zur Therapie verschiedener Kopfschmerzformen untersucht. Dabei zeigen sich sehr widersprüchliche Ergebnisse mit der Tendenz, daß in großen placebokontrollierten Studien bei Migräne und Spannungskopfschmerzen kein sicherer Effekt nachweisbar ist. Als zugrundeliegender, angenommener Wirkmechanismus wird diskutiert, daß Botulinumtoxin A die Ausschüttung von Neuropeptiden, die an der Nozizeption beteiligt sind, vermindert. Zur Überprüfung dieser Hypothese hat die hier vorliegende Studie in einem experimentellen Design bei 15 gesunden Probanden verschiedene Dosierungen von Botulinumtoxin A und Placebo eingesetzt, indem eine Injektion am Unterarm vorgenommen wurde und dann verschiedene Reaktionen wie Schweißsekretion, Hyperalgesie, Allodynie und Größe des vaskulären Axonreflexes untersucht wurden. Es zeigte sich eine signifikante Reduzierung der Schweißsekretion in den zwei Wochen nach der Injektion ebenso wie eine Reduzierung der Größe des vaskulären Axonreflexareals (letzteres allerdings nur in den ersten zwei Tagen nach Injektion). Die Schmerzintensität auf einen elektrischen Schmerzreiz hin war sieben Tage nach Injektion 10% geringer nach Botulinumtoxin A im Vergleich zu Placebo, ansonsten ergaben die Messungen der Schmerzintensität (elektrischer Schmerzreiz, Hyperalgesie, Allodynie) keinen signifikanten Unterschied zwischen Placebo und Botulinumtoxin A. Die Autoren folgern aus ihren Beobachtungen, daß Botulinumtoxin A zwar Auswirkungen auf bestimmte Neuropeptide der C-.Fasern haben muß (aufgrund des verringerten Axonreflexareals), daß aber keine Beeinflussung des Schmerzempfindens erzielt wird.

Kommentar:

Die Studie zeigt eindrucksvoll, daß auch in einem experimentellen Schmerzmodell keine Beeinflussung der Schmerzintensität durch die Injektion von Botulinumtoxin A erreicht wird. Die marginalen statistisch signifikanten Ergebnisse sind klinisch nicht relevant, da sie nur einen Unterschied von ca.10% im Vergleich zu Placebo ausmachen und nur innerhalb der ersten Tage nach der Injektion auftreten. Andererseits konnte die Studie zeigen, daß Botulinumtoxin A über die Beeinflussung der neuromuskulären Endplatte hinaus auch einen Einfluß auf Neuropeptidfreisetzungen haben muß. Sollte Botulinumtoxin A wirklich klinisch relevante analgetische Eigenschaften haben (was mit dieser Studie nicht widerlegt ist), so können diese zumindest nicht primär auf die Beeinflussung von Neuropeptiden durch Botulinumtoxin A zurückgeführt werden. (SE)


DMKG