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8. Medikamentinduzierter Kopfschmerz


**** Limmroth V, Katsarava Z, Fritsche G, Przywara S, Diener HC. Features of medication overuse headache following overuse of different acute headache attacks. Neurology 2002;59:1011-1014

Zusammenfassung: Die Autoren untersuchten in dieser sehr sorgfältig gemachten prospektiven Arbeit 98 Patienten mit Medikamenten-induziertem Dauerkopschmerz, die sich einem initial stationären Entzug unterzogen. Die Patienten wurden unterteilt in eine Gruppe, die ausschließlich Triptane (38 Pat), eine Gruppe die Ergotamine (12 Pat) und eine Gruppe die Analgetika (46 Pat) missbrauchte, wobei 2 Patienten ausgeschlossen wurden, da sie nach 4 Wochen keine Besserung Ihrer Symptome zeigten (und also eventuell nicht an einem Analgetikakopfschmerzs litten). Patienten, die einen Missbrauch mit mehreren Substanzgruppen betrieben wurden initial ausgeschlossen. Es zeigte sich, dass Triptane am schnellsten zu Dauerkopfschmerzen führten (im Mittel 1.7 Jahre), während Ergotamine im Mittel 2,7 Jahre und Analgetika 4,8 Jahre regelmäßig eingenommen werden mussten, bevor ein Dauerkopfschmerz eintrat. Die kummulative Dosis pro Monat, die ausreichte um einen Dauerkopfschmerz hervorzurufen, unterschied sich ebenfalls signifikant: Betrug sie bei Analgetika im Mittel 114 Einnahmen pro Monat, so waren es bei Ergotaminen immerhin noch 37 Dosen/Monat während bei Triptanen monatlich schon 18 Einnahmen ausreichten. Während die meisten Patienten einen, dem Spannungskopfschmerz ähnlichen Kopfschmerz beklagten, beschrieben die Patienten mit einem Triptanabusus einen Kopfschmerz, der einer chronischen Migräne ähnelte oder auch nur eine deutliche Häufung der Migränefrequenz/Monat.

Kommentar: Der große Vorteil dieser Studie ist neben der relativ hohe Probandenzahl das prospektive Design und die klare Abgrenzung der Gruppen untereinander. Der deutsche Begriff „Schmerzmittelkopfschmerz“ oder „Analgetika-induzierter Kopfschmerz“ sind der Studie zufolge irreführend, da klare Unterschiede der Gruppen im Einnahmeverhalten und der sich daraus ergebenden Klinik herausgearbeitet werden konnten. Der beschreibende Begriff „Substanzinduzierte Kopfschmerzverstärkung“ ist eigentlich richtiger. Dies gilt nicht nur für die Migränepatienten, da 13 Patienten dieser Studie einen zugrundeliegenden Spannugskopfschmerz hatten und weitere 14 Patienten an einem sogenannten Kombinationskopfschmerz (Migräne und Spannungskopfschmerz) litten. Der Zeitraum von 4 Wochen Entzug bis zur Besserung der Substanzinduzierten Kopfschmerzen erscheint in Anbetracht der z.T. sehr langen chronischen Verläufe wenig. Auch fällt auf, dass die Gruppen unterschiedlich verteilt sind und somit mögliche Unterschiede gerade zwischen der Ergotamingruppe (n=12) und der Triptangruppe (n=38) zufällig sein können. Interessanter Weise wurde kein Unterschied der Triptane untereinander gefunden. Kritisch sind die Aussagen, dass Triptane früher zu einer Verstärkung der Kopfschmerzen führen und auch schneller entzogen werden können als Analgetika. Denn bei Triptanen waren die Autoren davon ausgegangen, dass im Mittel 18 Einnahmen im Monat einem Substanzmissbrauch entspricht. Das bedeutet allerdings, dass in dieser Studie auch Patienten mit nur 10 Triptandosen pro Monat und häufigeren Migräneattacken verglichen wurden mit Patienten, die über 170 Dosen Analgetika im Monat einnahmen und einen täglichen Kopfschmerz erlitten. Klinisch muss man den Autoren auf der anderen Seite insofern Recht geben, als das eine Reduktion der Triptanmenge in einer Reduktion der Migräneanfälle mündete und somit die Kriterien einer „Substanz-induzierten Kopfschmerzverstärkung“ greifen. Im Praxisalltag erlaubt die Studie eine Faustregel: Die Einnahme eines Analgetikums oder eines Ergotamins häufiger als jeden zweiten Tag und die eines Triptrans an mehr als 10 Tagen pro Monat ist mit den Patienten zu besprechen und dann gegebenenfalls prophylaktisch mit einer frequenzsenkenden Dauerbehandlung der Migräne zu beginnen. (MAY)


**** Lampl C., Buzath A, Yazdi K, Sandor PS. Ergot and triptan overuse in Austria – an evaluation of clinical data and cost. Cephalalgia 2002;22:807-811

Zusammenfassung: In Österreich sind die meist verschriebenen Migränemittel immer noch Mutterkornalkaloide. Die Autoren analysierten die im Jahr 1999 in ihrer Kopfschmerzambulanz am Allgemeinen Hospital in Linz in Österreich erstmals gesehenen Patienten und beobachteten, daß 11,4% der Migränepatienten einen Abusus von Mutterkornalkaloiden betrieben und 2% einen Abusus von Triptanen. Sie führten daraufhin eine Befragung von weiteren 42 neurologischen Abteilungen durch, in denen 49 Patienten wegen Ergotaminmißbrauchs entzogen wurden. In den übrigen neurologischen Abteilungen fanden sich keine Patienten, die Triptane mißbräuchlich einnahmen. Verkaufszahlen in Österreich von Mai 1996 bis Februar 2001 zeigen, daß die Verkäufe von Mutterkornalkaloiden nur langsam abnehmen, während umgekehrt die Verkäufe von Triptanen nur langsam zunehmen.

Kommentar: Diese Studie aus Österreich zeigt, daß Migränepatienten in Österreich immer noch am häufigsten Mutterkornalkaloide mißbrauchen. Zum Zeitpunkt der Befragung im Jahre 1999 war der Triptanmißbrauch noch zu vernachlässigen. Dies dürfte sich allerdings mit zunehmender Verschreibung von Triptanen, wie in Deutschland, in den nächsten Jahren ändern. Triptane führen zwar schneller zu einem medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz als Mutterkornalkaloide, können aber auch deutlich einfacher entzogen werden und die entzogenen Patienten haben eine geringere Rückfallrate als bei der Einnahme von Mutterkornalkaloiden oder Schmerzmitteln. (HCD)




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