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Kopfschmerz-News


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3. Migräne, Prophylaxe

*** Diener HC, Rahlfs VW, Danesch U. The first placebo-controlled trial of a special butterbur root extract for the prevention of migraine: Reanalysis of efficacy criteria. Eur Neurol 2004, 51: 89-97

Zusammenfassung: Butterbur Root Extract, Petasites officinalis, Petadolex® ist nach Daten einer kontrollierten Studie in die Migräneprophylaxetherapie eingeführt. Das Orignalprotokoll und die Gesamtanalyse der Daten ließ einige Fragen offen, weshalb nunmehr eine Neuanalyse der Originaldaten durchgeführt wurde. Nach 4-wöchiger Baseline erhielten 33 Patienten damals randomisiert 100 mg Wirksubstanz bzw. 27 Patienten Placebo. Die Attackenfrequenz sank von 3,4 auf 1,8 pro Monat (nach 3 Monaten) in der Verumgruppe und von 2,9 auf 2,6 in der Placebogruppe. Die über 50 % Ansprechrate war in der Verumgruppe bei 45 % in der Placebogruppe bei 15 % der Patienten erreichbar. Die Verträglichkeit war gut.

Kommentar: Die Autoren (ein renommierter Kopfschmerzexperte, ein unabhängiger Analytiker bzw. Mitarbeiter der Produktionsfirma) haben eine vorbestehende, etwa 10 Jahre alte Studie zur Prophylaxebehandlung der Migräne mit dem Pflanzenextrakt der Pestwurz wegen einiger methodologischer und interpretatorischer Unstimmigkeiten anhand der Originaldaten nachuntersucht, wobei verständlicherweise keine anderen als die früheren Originaldaten (also keine “neuere” oder “aktualisierte”) zur Nachberechnung zur Verfügung gestanden sind. Unter anderem wurden statt der ursprünglichen per Protokoll Auswertung nun intent to treat berechnet, die Effektivitätsparameter präzisiert und nunmehr vom unabhängigen klinischen Untersucher und dem Statistikanalytiker die Datenlage nachberechnet. Die Details und die mathematische Korrektheit der angewandten Verfahren ist vom Reviewer nicht überprüfbar. Jedenfalls hat die Nachuntersuchung die Primärdaten weitgehend bestätigt, dass die Wirksubstanz gegenüber Placebo – in 12 primären Variablen gemessen – eine Überlegenheit gezeigt hat. Diese Überlegenheit ist nunmehr unter Reduktion störender Einflussfaktoren, statistisch weiterhin abgesichert. Die spezielle Pestwurz-Präparation ist Placebo definitiv überlegen, wie mittlerweile auch in einer anderen großen internationalen kontrollierten Studie (Lipton et al., Neurology 2002) bestätigt werden konnte.

P.S. Insgesamt wäre es eine originelle Idee Ergebnisse von Medikamentenprüfungen von einem Konkurrenzunternehmen nachinterpretieren zu lassen, insbesondere im Triptan-Gebiet würden sich vermutlich eine Reihe von Überraschungen ergeben. (PW)

*** Lampl Ch, Bonelli S, Ransmyr G. Efficacy of topiramate in
migraine aura prophylaxis: preliminary results of 12 patients. Headache 2004;44:174-177

Zusammenfassung: Die Autoren stellen eine Studie zur Wirkung von Topiramat in der Migräne und vor allem der Migräne mit Aura vor. 12 Patienten mit einer Migräne mit Aura wurden über 6 Monate offen mit Topiramat behandelt. Die Dosierung betrug 100 mg (beginnend mit 25 mg und sukzessiver Steigerung). Während die Frequenz, die Intensität und die Dauer der Kopfschmerzattacken signifikant abnahm, war dies nicht für die Frequenz oder die Dauer der Aura der Fall. Nebenwirkungen traten auf, waren jedoch mild und führten bei keinem Patienten zum Abbruch der Studie.

Kommentar: Man mag ins Feld führen, dass die Anzahl von 12 Patienten niedrig ist, und es sich um eine offene Studie handelt. Des ungeachtet zeigen die Autoren sehr überzeugend, dass die Medikation eine Wirkung hat (wie inzwischen unbestreitbar und in vielen validen, großen Studien gezeigt), nur halt nicht auf die Aura. Die Frequenz der Aura lag vor wie nach der Behandlung im Mittel bei 1,5 Episoden mit 30 Minuten Dauer. Interessanterweise hatten nur 7 der 12 Patienten eine rein visuelle Aura. 53% der Patienten erlebten eine signifikante Reduktion der Kopfschmerzen auf <50% der Ausgangsbasis. Man könnte spekulieren, ob eine höhere Dosis als 100 mg nötig sind, um auch eine Reduktion der Aura zu erreichen. Da man weiß, dass Lamotrigin einen positiven Effekt auf die Aura hat, ist das Erklärungsmodell der Autoren plausibel: Lamotrigin bewirkt u.a. eine prä- und postsynaptische Inhibierung von Glutamat (wirkt als NMDA-Antagonist), während Topiramat zwar Glutamat hemmen kann, jedoch wesentlich die GABA Ausschüttung fördert und kein direkter NMDA Antagonist ist. Dies passt zu der Vorstellung, dass die spreading depression, und damit die Aura, die Aktivierung von Glutamat Rezeptoren bewirkt. Dies passt auch zu der Tatsache, dass wie von Holger Kaube gezeigt Ketamin die bisher einzige Substanz ist, von der auch gezeigt wurde, dass sie die Auren klinisch beeinflussen kann. Nicht bekannt ist, wie Flunarizin seinen prophylaktischen Effekt auf die Migräne mit Aura auswirkt - obwohl es die Substanz ist, die am zuverlässigsten sowohl die Kopfschmerzattacken, als auch die Aurasymptome beeinflusst. (MAY)

** Miller GS. Efficacy and safety of levetiracetam in paediatric migraine. Headache 2004; 44:238-243

Zusammenfassung: Der Pädiater Miller hat in einer retrospektiven Krankenaktenanalyse die Wirksamkeit von Levetiracetam bei Migränepatienten im Alter unter 17 Jahren analysiert. Er fand als Hauptergebnis eine Reduktion der “Kopfschmerzfrequenz” von 6,3 auf 1,7 pro Monat. Zwei Patienten vertrugen die Substanz sowenig, dass sie die Einnahme abbrechen mussten. Der Autor schließt, dass es ein mögliches Potential von Levetiracetam in der Prophylaxe der kindlichen Migräne geben könnte.

Kommentar: Mehr als ein Hinweis auf das Potential von Levetiracetam in der Migräneprophylaxe kann diese Arbeit nicht sein. Die methodischen Probleme fallen sofort ins Auge: Es ist eine retrospektive Studie an einer geringen Patientenzahl, unkontrolliert mit sehr unterschiedlicher Krankheits- und Beobachtungsdauer. Es wurden sehr unterschiedliche Dosierungen eingesetzt, die Kopfschmerzfrequenz (nicht Attackenfrequenz oder Kopfschmerztage) ist nicht definiert. Eine Übertragung auf den erwachsenen Migränepatienten erscheint aus dieser Studie nicht möglich, sie wird vom Autor allerdings auch nicht vollzogen. Zwar gibt es wenig zugelassene Therapeutika für die Prophylaxe der kindlichen Migräne, diese Daten können aber allenfalls als Behandlungsmöglichkeit der ferneren Wahl interpretiert werden. (GA)


DMKG