3. Migräne, Klinik
**** Walach H, Lowes T, Mussbach D, Schamell U, Springer W, Stritzl G, Haag G. The long-term effects of homeopathic treatment of chronic headaches: 1 year follow up. Cephalalgia 2000;20:835-837
Zusammenfassung: Die Homöopathie ist seit vielen Jahren neben der Akupunktur die attraktivste ‘alternative’ Therapieform für Betroffene mit chronischen Kopfschmerzen (Gendolla et al. 1999). Dies gilt heute noch ungebrochen, obwohl in den letzten Jahren einige methodisch gut kontrollierte Studien (z.B. Whitmarsh et al. 1997) jegliche wissenschaftliche Evidenz der Wirksamkeit homöopathischer Interventionen vermissen lassen. Die in Deutschland bekannteste weil hervorragend kontrollierte Homöopathie-Studie bei Kopfschmerzen wurde von einer Freiburg-Münchener Arbeitsgruppe 1997 vorgestellt. Deren Ergebnisse zeigten nach Abschluß einer 12-Wochen-Be-handlung von 98 Kopfschmerzpatienten für keinen der erhobenen Zielparameter (Frequenz, Dauer, Intensität) einen bedeutsamen Unterschied zwischen der homöopathischen Verum- und Placebo-Gruppe. Fast 80% der Teilnehmer berichtete nach Ablauf der Behandlung von unveränderten (39%) oder sogar verschlechterten (40%) Kopfschmerzen (www.dmkg.org/grundla/9709/news5.htm).
Nun legt diese Arbeitsgruppe die Evaluation ihrer 1 Jahres-Katamnese vor: Für die Auswertung konnten 87 Fragebögen (unvalidiert) und 81 sechswöchige Kopfschmerztagebücher der ehemals 98 behandelten Patienten herangezogen werden. Die Hälfte der Patienten haben die homöopathische Behandlung eigenständig fortgesetzt, ein Drittel eine konventionelle medizinische Therapie wiederaufgenommen und der Rest diverse Maßnahmen wie Akupunktur oder Psychotherapie aufgesucht. Die damalige unbedeutende Prä-Post-Verbesserung der Kopfschmerzaktivität blieb zum 1-Jahres-follow-up stabil; Verum- und Placebogruppe unterschieden sich weder zum Post- noch zum follow-up-Zeitpunkt. Eine Responderanalyse, die klinische, psychologische und soziodemographische Muster der Patienten einbezog, erbrachte nur für die Krankheitsdauer einen signifikanten Unterschied: Patienten mit Profit der homöopathischen Behandlung litten durchschnittlich 10 Jahre länger an Kopfschmerzen.
Kommentar: Die Prä-Post- und die aktuelle follow-up-Studie zeigen unzweifelhaft, daß mit wissenschaftlichen Methoden keine spezifische Wirkung der homöopathischen Behandlung von Kopfschmerzen nachzuweisen ist. Dennoch kennen viele Kliniker Patienten, die sehr wohl und in deutlichem Ausmaß von solchen Ansätzen profitieren. Der Wirkmechanismus hierfür muß jedoch unspezifischer Art sein. Verblindete und randomisierte Placebo-kontrollierte Studien schließen die Beobachtung von unspezifischen Moderatorvariablen wie Therapeuteneffekte und Therapie-Erwartungshaltung der Patienten per Design aus. Daß letztere eine Rolle in der Wirkung homöopathischer Maßnahmen bei Kopfschmerzen spielen kann wird in der vorliegenden Untersuchung in dem Ergebnis angedeutet, daß Kopfschmerzpatienten mit einem langen Leidensweg eher von diesem Ansatz profitieren, möglicherweise aufgrund einer verzweifelten Hoffnung nach vielen fehlgeschlagenen konventionellen Therapie-versuchen. Die weitere Erforschung homöopathischer wie anderer sog. alternativer Methoden sollte sich deshalb auf die Identifikation unspezifischer Variablen und deren Wirkmechanismus konzentrieren. Ist der Mechanismus bekannt, kann er spezifischer und gezielter eingesetzt werden, z.B. im Rahmen einer Psychotherapie. So könnte auch auf viel und teuren „Ballast“ verzichtet werden. (GF)