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Migräne, Akuttherapie

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06. Migräne, Akuttherapie

*** Dahlöf C. Sumatriptan nasal spray in the acute treatment of migraine: a review of clinical studies. Cephalalgia 1999;19:769-778.

Zusammenfassung: Sumatriptan war der erste spezifische 5HT1B/1D Agonist zur Behandlung akuter Migräneattacken. Zunächst stand nur die subkutane Injektionsform und anschließend die orale Form zur Verfügung. Das Nasenspray wurde entwickelt mit der Vorstellung, auf diese Art eine schnell wirksame Therapie zur Verfügung zu stellen, für Patienten, die wegen Übelkeit oder Erbrechen keine Tablette einnehmen können und sich vor einer Injektion fürchten bzw. die bei Injektionen ausgeprägte Nebenwirkungen haben. Es wurden im Laufe des Entwicklungsprogramms eine Vielzahl von Phase II- und Phase III-Studien durchgeführt. Die Dosisfindungsstudien hatten einen Dosisbereich zwischen 1 und 40 mg. Die endgültigen Studien benutzten dann in Plazebo-kontrollierten doppelblinden Design Dosierungen von 10 und 20 mg Sumatriptan Nasenspray im Vergleich zu Plazebo. Die Studien umfaßten zwischen minimal 308 Patienten und maximal 879 Patienten. In einer Studie wurden Sumatriptan 20 mg Nasenspray mit Dihydroergotamin (DHE) Nasenspray 1 mg verglichen. In einer zweiten Studie wurden bei über 400 Patienten Sumatriptan Nasenspray mit Sumatriptan 100 mg Tabletten verglichen. In einer Langzeitstudie an 182 Patienten wurde die Langzeitvertäglichkeit untersucht.

20 mg Sumatriptan Nasenspray hatten das beste Verhältnis aus Wirkung und Nebenwirkung. Über alle Studien betrachtet hatten 25-64% der Patienten eine Besserung der Kopfschmerzen nach zwei Stunden mit 20 mg Sumatriptan verglichen mit einer Plazeborate von 25-36%. Der therapeutische Gewinn, d.h. die Differenz ausgedrückt in Prozent zwischen Verum und Plazebo lag zwischen 27% minimal und 39% maximal nach zwei Stunden. Der Beginn der Wirksamkeit, gemessen als der erste Zeitpunkt, zu dem Verum signifikant unterschiedlich war von Plazebo, betrug zwischen 15 und 60 Minuten bei 20 mg Sumatriptan. Der Eintritt der Wirksamkeit war signifikant später bei 10 mg Sumatriptan Nasenspray. Kopfschmerzfrei nach zwei Stunden waren 26-42% der Patienten in der Sumatriptangruppe verglichen mit 4-20% der Patienten in der Plazebogruppe. Der Nasenspray ist in seiner Wirkung relativ konsistent. Patienten, die drei Attacken behandeln durften, berichteten, daß bei mehr als 2/3 der Attacken die Substanz wirksam war. Eine zusätzliche Medikation war bei 22-59% der Patienten in der Sumatriptangruppe notwendig. Wieder auftretende Kopfschmerzen nach initialer Wirkung wurden bei 30-41% der Patienten nach Sumatriptan beobachtet. In der Vergleichsstudie mit 1 mg DHE Nasenspray (wobei die Patienten bei Unwirksamkeit eine zweite Dosis DHE applizieren durften) war Sumatriptan signifikant besser und rascher wirksam als DHE. Allerdings war die Häufigkeit wieder auftretender Kopfschmerzen in der Sumatriptangruppe mit 23% signifikant höher als in der DHE Gruppe mit 13%. In der Langzeitstudie berichteten 77% der Patienten über eine Linderung der Kopfschmerzen nach zwei Stunden und 58% über eine Wirkung nach einer Stunde. Die Hauptnebenwirkungen waren Geschmacksstörungen, wobei diese bei 19,3% der Patienten mit 10 mg und 24,5% mit 20 mg Sumatriptan angegeben wurden. Die übrigen Nebenwirkungen entsprechen denen, wie sie von Sumatriptan aus anderen Applikationsformen bekannt sind.

Kommentar: Sumatriptan ist das einzige Triptan, das auch zur Anwendung als Nasenspray zur Verfügung steht. DHE ist als Nasenspray in Deutschland nicht zugelassen. Es hat allerdings in den Ländern, in denen er zugelassen war, wie in der Schweiz und Frankreich, keine große Verbreitung gefunden. Die Umsatzzahlen des Nasensprays in Deutschland sind ebenfalls nicht sehr hoch. Dies mag daran liegen, daß viele Patienten den etwas unangenehmen Geschmack nicht gut tolerieren, insbesondere dann, wenn sie unter Übelkeit leiden. Das Nasenspray ist bei identischer Wirksamkeit wie die Tabletten etwas schneller wirksam. Das Nasenspray löst aber ebenfalls nicht das Problem wiederkehrender Kopfschmerzen, die bei den Triptanen häufiger sind als bei den Mutterkornalkaloiden. Wichtig ist die Beobachtung, daß das Sumatriptan Nasenspray bei der kindlichen Migräne wirksam ist, was sich dadurch erklärt, daß die Wirkung sehr rasch eintritt und so auch die spontan relativ kurzen Migräneattacken von Kindern behandelt werden können. (HCD)

**** Roon KI, Olesen J, Diener HC, Ellis P, Hettiarachchi J, Poole PH, Christianssen I, Kleinermanns D, Kok JG, Ferrari MD. No acute antimigraine efficacy of CP-122,288, a highly potent inhibitor of neurogenic inflammation: results of two randomized, double blind, placebo controlled clinical trials. Ann Neurol 2000;47:228-241

Zusammenfassung: In der vorliegenden Arbeit werden zwei klinische Studien vorgestellt, in denen die Substanz CP-122,288 entwickelt von Pfizer auf Ihre Wirkung in der Behandlung akuter Migräneattacken untersucht wurde. Rationale für diese Studien war die mehrere 1000-fach stärkere Potenz dieser Substanz zur Unterdrückung der neurogenen Plasmaextravasation als die der Triptane im Tiermodell der Migräne. Dieses Tiermodell der neurogenen Entzündung galt als Prädiktor für die Wirksamkeit einer potentiellen Migränesubstanz. Beide klinischen Studien waren multizentrisch, plazebo-kontrolliert, randomisiert und doppelblind. Die eine Studie untersuchte die Wirksamkeit von intravenös verabreichten CP-122,288. Die andere Studie benutzte eine orale Applikation. Die letztere zeichnet sich durch ein neues Studiendesign aus. Erstmals wurde das sogenannte up and down Design eingesetzt. Die Wirksamkeit der jeweils letzten Dosis bestimmte die Erhöhung (oder Erniedrigung) der folgenden Applikation beim nächsten Patienten. Zusammenfassend war CP-122,288 in beiden Studien nicht wirksamer als Plazebo und kommt als Akutmediaktion bei der Migräne nicht in Frage.

Kommentar: Anti-Migräne Substanzen wie Ergotamine und Triptane sind im Tiermodell der neurogenen Entzündung und der Attackencoupierung beim Menschen wirksam, bergen jedoch das (geringe) Risiko einer Vasokonstriktion und sind somit bei einigen Patienten kontraindiziert. Die Suche konzentriert sich also auf Substanzen, die möglicherweise in der Migräneattacke wirken, jedoch keine Vasokonstriktion auslösen. Rationale zur Testung einer Substanz beim Menschen war das Modell der neurogenen Entzündung. Neben Bosentan und diversen Substanz-P Antagonisten konnte jetzt auch für CP-122,288 eindeutig gezeigt werden, daß eine Blockung der Extravasation im Tiermodell keinesfalls bedeutet, daß diese Substanz eine Migräneattacke coupieren kann. Alle diese Substanzen wirken nicht vasokonstriktiv. Somit stellt sich die Frage, ob eine Substanz eine (kranielle) vasokonstriktive Potenz a priori besitzen muß, um in der Migräneattacke zu wirken. Dagegen spricht der gute Erfolg der Behandlung mit Acetylsalicylsäure. Was man sicher sagen kann ist, daß das Tiermodell der neurogenen Entzündung als Prädiktor zur Wirksamkeit einer Substanz in der Migräne wertlos ist. Die Autoren schreiben explizit, daß dieses Tiermodell als alleinige Rationale somit als unethisch zu bewerten ist. Dieser Artikel ist darüber hinaus interessant, da er ein neues Studien-Modell zur Dosisfindung einer Substanz vorstellt, das unter Einhaltung der Kriterien der evidence based medicine mit einer geringeren Studienteilnehmerzahl auskommt. (MAY)

*** Salonen R. Naratriptan. Int J Clin Pract 1999;53:552-556.

Zusammenfassung: Naratriptan wurde initial als eine Substanz entwickelt, die besser wirksam sein sollte als Sumatriptan. Dies lag daran, daß die pharmokologischen Studien eine deutlich längere Haltwertzeit als Sumatriptan (6 Std. versus 2 Std.) und eine höhere orale Bioverfügbarkeit (70% versus 14%) zeigten. Naratriptan überwindet auch im Gegensatz zu Sumatriptan die Bluthirnschranke und sollte daher einen zusätzlichen zentralen Angriffspunkt haben. Der Autor hat in seiner Übersichtsarbeit alle bisher durchgeführten Studien zu Naratriptan aufgeführt. Zunächst wurde an 643 Patienten in einer Phase II-Studie die optimale Dosis identifiziert. Dazu wurden Naratriptandosierung von 1,0, 2,5, 5, 7,5 und 10 mg mit 100 mg Sumatriptan und Plazebo verglichen. Zielpunkt war die Wirksamkeit in den Nebenwirkungen nach 4 Stunden nach Einnahme. Eine Dosis von 2,5 mg hatte das beste Verhältnis aus Wirksamkeit (63%) und Nebenwirkungen (21%). Im Vergleich dazu betrug die Wirksamkeit von Sumatriptan nach 4 Std. 80% und die Nebenwirkungen 26%. Anschließend wurden zwei große Phase III-Studien als Plazebo-kontrollierte Studien durchgeführt. Im Gegensatz zu den Originalpublikationen werden hier auch die 2 Stunden-Ergebnisse dargestellt, so daß ein Vergleich mit anderen modernen Migränemitteln möglich ist. Die erste der beiden Studien umfaßte 613 Patienten, die zweite 682 Patienten. In der ersten Studie hatten 2 Stunden nach Einnahme 40% der Patienten nach 2,5 mg Naratriptan eine Besserung der Kopfschmerzen verglichen mit 30% der Patienten bei Plazebo. In der zweiten Studie betrug die Wirksamkeit von 2,5 mg Naratriptan 49% verglichen mit 27% für Plazebo. In einer cross-over-Studie wurden 100 mg Sumatriptan mit unterschiedlichen Dosierungen von Naratriptan und Plazebo verglichen. Die Patienten durften bis zu 3 Migräneattacken behandeln. Vier Stunden nach Einnahme betrug die Erfolgsquote von Naratriptan 66-68%, die von Sumatriptan 75-77% und die von Plazebo 22-33%. Bzgl. wieder auftretender Kopfschmerzen wurden diese in einer Häufigkeit von 17-28% nach Naratriptan verglichen mit 38% für 100 mg Sumatriptan beobachtet. Naratriptan wird hervorragend vertragen. In den Plazebo-kontrollierten, in den Vergleichsstudien und in den offenen Studien wurden insgesamt 3.150 Patienten behandelt. Die Nebenwirkungsquote von Placebo lag bei 30%, die von Naratriptan bei 30% und die von Sumatriptan bei 41%. Damit ist belegt, das Naratriptan gut verträglich ist. Der Autor schließt daraus, daß Naratriptan sich von anderen Triptanen durch seine gute Verträglichkeit unterscheidet.

Kommentar: Diese Übersichtsarbeit ist dahingehend bemerkenswert, daß im Gegensatz zu den Originalarbeiten jetzt endlich die Ergebnisse über die 2 Stunden nach Einnahme bestehende Wirksamkeit von Naratriptan publiziert werden. Die Zusammenfassung zeigt, daß Naratriptan tatsächlich hervorragend vertragen wird, aber auch weniger wirksam ist als Sumatriptan. Es eignet sich daher besonders für Patienten, die Sumatriptan wegen Nebenwirkungen nicht tolerieren. (HCD)

**** Doods H, HallermayerG, Wu D, Entzeroth M, Rudolf K, Engel W, Eberlein W. Pharmacological profile of BIBN4096BS, the first selective small molecule CGRP antagonist. Brit J Pharmakol 2000;129:420-423

Zusammenfassung: Calcitonin generelated peptide (CGRP) ist ein wichtiges Neuropeptid, daß im peripheren und zerebralen Nervensystem eine wichtige Rolle spielt. Nervenendigungen, die CGRP enthalten, befinden sich überwiegend in den Wänden von Blutgefäßen. CGRP ist einer der potentesten Vasodilatatoren. Frühere Untersuchungen von Goadsby und Edvinsson hatten gezeigt, daß beim Menschen während einer Migräneattacke die Konzentration von CGRP im Blut der Vena jugularis erhöht ist. CGRP-Antagonisten sollten daher theoretisch in der Lage sein, Migränekopfschmerzen zu bessern, ohne daß die vasokonstriktiven Nebeneffekte der Mutterkornalkaloide oder Triptane zu befürchten wären. Den Pharmakologen der Fa. Boehringer Ingelheim gelang es, einen synthetischen CGRP-Antagonisten zu entwickeln, die Substanz BIBN4096BS. Die invitro Experimente zeigen, daß BIBN4096BS tatsächlich an CGRP-Rezeptoren bindet und diese blockiert. Die Affinität vom BIBN zum Rezeptor ist sogar höher als die von CGRP selbst. Invivo Experimente wurden an Marmorsets durchgeführt. Marmorsets sind kleine Primaten. Bei den Tieren wurde unter Allgemeinnarkose eine Stimulationselektrode in das Ganglion trigeminale positioniert und eine elektrische Stimulation durchgeführt. Als Folge dieser Stimulation kommt es zu einer Vasodilatation mit erhöhtem Blutfluß im Gesicht. Dieser Blutfluß wurde mit Laserdoppler-Blutflußsonden registriert. Die Gabe von BIBN reduzierte den erhöhten Blutfluß im Gesicht und nach Stimulation des Ganglion trigeminale dosisabhängig. Eine 50%ige Hemmung wurde bei einer Dosis von 3µg/kg i.v. erreicht. Bei 30 µg/kg konnte die Vasodilatation vollständig blockiert werden. Bei einer Dosierung von BIBN bis zu 1 mg/kg Körpergewicht traten keine kardiovaskulären Veränderungen auf.

Kommentar: BIBN4096BS ist der erste potente Antagonist des CGRP-Rezeptors, dessen Wirksamkeit sowohl an humanen CGRP-Rezeptoren als auch im Tierexperiment gesichert werden konnte. Es bleibt jetzt abzuwarten, ob diese hochpotente Substanz auch bei der menschlichen Migräne wirksam ist. (HCD)

***** Goadsby PJ, Ferrari MD, Olesen J, Stovner LJ, Senard JM, Jackson NC, Pool PH for the Eletriptan Steering Committee, Eletriptan in acute migraine: a double-blind, placebo-controlled comparison to sumatriptan. Neurology 2000;54:156-163

Zusammenfassung: Es gibt in der Zwischenzeit eine ganze Reihe von Triptanen zur Behandlung akuter Migräneattacken. Eletriptan wurde entwickelt mit dem Ziel, bessere pharmakologische und pharmakokinetische Eigenschaften zu besitzen als orales Sumatriptan. Eletriptan hat eine höhere Affinität zu 5HT1B und 5HT1D Rezeptoren, eine Bioverfügbarkeit von 50% (Sumatriptan 14%) und einen kurzen Zeitraum bis zum Erreichen der maximalen Plasmaspiegel. Die Plasmahalbwertzeit liegt bei 4-5 Stunden. In der vorliegenden großen multizentrischen randomisierten Studie wurden Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von oralem Eletriptan in Dosen von 20, 40 und 80 mg mit oralen Dosen von 100 mg Sumatriptan und Plazebo zur Behandlung akuter Migräneattacken verglichen. In die Studie wurden 857 Patienten mit Migräne aufgenommen. 692 Patienten nahmen die Studienmedikation ein. Der primäre Endpunkt der Studie war eine Besserung der Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leichte oder keine Kopfschmerzen nach zwei Stunden. Diesen Endpunkt erreichten 24% der Patienten der Plazebogruppe, 55% mit 100 mg Sumatriptan sowie 54% für 20 mg Eletriptan, 65% für 40 mg Eletriptan und 77% für 80 mg Eletriptan. Alle Dosierungen von Eletriptan waren wirksamer als Plazebo und die 80 mg Dosis von Eletriptan war signifikant wirksamer als 100 mg Sumatriptan. Kopfschmerzfrei nach zwei Stunden waren 6% der Patienten in der Plazebogruppe, 23% mit 100 mg Sumatriptan sowie 19%, 29% und 37% mit 20, 40 und 80 mg Eletriptan. Auch hier waren 80 mg Eletriptan wirksamer als 100 mg Sumatriptan. Wiederauftretende Kopfschmerzen nach initialer Wirksamkeit wurden bei 28% der Patienten, die 20 mg Eletriptan einnahmen, 34% bei 40 mg und 32% bei 80 mg Eletriptan beobachtet sowie bei 33% der Patienten, die Sumatriptan erhalten hatten, und bei 23% der Patienten, die auf Plazebo angesprochen hatten, beobachtet. Nebenwirkungen, insbesondere zentrale Nebenwirkungen, waren bei der höchsten Dosis von Eletriptan etwas häufiger als bei niedrigen Dosierungen und als bei Sumatriptan. Diese umfaßten ein unsystematisches Schwächegefühl (10%) sowie Parästhesien (8%).

Kommentar: Diese große randomisierte Studie zeigt eindrucksvoll, daß mit Eletriptan ein neues hochwirksames Migränemittel zur Verfügung steht. Die bessere Wirksamkeit der 80 mg Dosis, die eine vergleichbare Wiederauftretensrate von Kopfschmerzen wie Sumatriptan hat, wird allerdings mit etwas mehr zentralen Nebenwirkungen erkauft. Nach Zulassung von Eletriptan werden die Patienten im klinischen Alltag entscheiden, was ihnen bei der Behandlung von Migräneattacken wichtiger ist, nämlich eine gute Wirksamkeit oder et was geringere Nebenwirkungen. (HCD)

***** Shepheard S, Edvinsson L, Cumberbatch M, Williamson D, Mason G, Webb J, Boyce S, Hill R, Hargreaves R. Possible antimigraine mechanisms of action of the 5HT1F receptor antagonist LY334370. Cephalalgia 1999;19:851-858

Zusammenfassung: Sumatriptan war das erste Triptan zur Behandlung akuter Migräneattacken. Sumatriptan wirkt über eine Bindung an 5HT1B/1D Rezeptoren. Sumatriptan hat aber auch eine hohe Affinität zum 5HT1F Rezeptor. Dieser ist hauptverantwortlich für die Hemmung der neurogenen Entzündung. Ob dieser Subrezeptor wirklich eine Rolle bei der Behandlung der Migräne spielt, ist bisher nicht bekannt. Gegen eine wichtige Rolle von 5HT1F Rezeptoren spricht die Tatsache, daß Rizatriptan und Alniditan bei menschlicher Migräne gut wirksam sind, obwohl sie fast keine Affinität zum 5HT1F Rezeptor haben. Die Firma Lilly entwickelte einen relativ selektiven 5HT1F Agonisten (LY334370), der wenig oder keine vasokonstriktiven Eigenschaften hat. Er würde sich also idealerweise, wenn wirksam, als Migränemittel bei Patienten mit Gefäßerkrankungen und Kontraindikationen gegen Sumatriptan eignen. Soweit aus publizierten Abstracts bekannt, ist LY334370 bei der Behandlung akuter Migräneattacken wirksam. Die Arbeitsgruppe von Richard Hargreaves von der Firma MSD hat versucht, durch in vitro Experimente und tierexperimentell zu klären, wie der Wirkungsmechanismus von LY334370 bei der Migräne sein könnte. Zunächst wurden menschliche zerebrale Arterien, die bei neurochirurgischen Eingriffen gewonnen waren, in vitro untersucht. Im Gegensatz zu Sumatriptan hatte LY334370 keinerlei vasokonstriktive Eigenschaften. Anschließend wurde bei Ratten untersucht, ob LY334370 in der Lage ist, eine neurogen induzierte Vasodilatation duraler Gefäße zu inhibieren. Dies war nicht der Fall. Damit ist in beiden Experimenten gezeigt, daß die Substanz weder bei normalen Arterien noch bei dilatierten Arterien vasokonstriktive Eigenschaften hat. Im dritten Experiment wurde bei anästhesierten Ratten, die A. meningea media elektrisch stimuliert und Einzelzellen im Nucleus caudalis des N. trigeminus abgeleitet. Hier ergab sich eine signifikante Hemmung neuronaler Aktivität durch LY334370, die dosisabhängig war. In zwei weiteren Experimenten wurde untersucht, ob die Substanz generelle antinozizeptive Eigenschaften hat. Diese Experimente wurden an der entzündeten Vorderpfote der Ratte und an spinalen schmerzinduzierten Reflexen des Kaninchens durchgeführt. In beiden Experimenten zeigte LY334370 keine pharmakologische Wirkung.

Kommentar: Die hier vorgestellten Experimente sind außerordentlich wichtig für die vermutete Wirkung von Migränemitteln. Da LY334370 weder vasokonstriktive Eigenschaften hat noch in den hier durchgeführten Experimenten die neurogene Entzündung hemmt, ist möglicherweise die zentrale Hemmung der Transmission nozizeptiver Signale im Nucleus caudalis der wichtigste Wirkungsmechanismus von Migränemittel. (HCD)


DMKG