IV. Migräne Prophylaxe
1. *** Herzog AG (1997) Continuous bromocriptine therapy in menstrual migraine. Neurology;48:101-102
Menstruelle Migräne – also Migräne-attacken die in dem Zeitraum drei Tage vor bis drei Tage nach Beginn der Regelblutung auftreten – besteht bei 10-15% aller Migräne-patientinnen. In der Praxis stellt sie ein besondere therapeutische Heraus-forderung dar, da sie weder gut auf übliche Migräneprophylaxen z.B. mit Betablockern oder Calzium-anatgonisten noch auf etablierte Schemata der Attackentherapie gut anspricht; letzteres wegen der z. T. großen Attackendauer, die Nachdosierungen erforderlich macht. Obwohl z. B. der Effekt von Naproxen in der Kurzzeitprophylaxe als gesichert gilt, ist die Quote an individuellen Therapieversagern hoch. Angesichts der weiterhin unbefriedigenden Therapiemöglich-keiten der menstruellen Migräne erscheinen deshalb auch unkontrollierte Studien als Anstöße zur Planung kontrollierter Studien wichtig. In der vorliegenden offenen Studie wird der Effekt des Prolaktin-antagonisten- und Dopaminagonisten Bromocriptin untersucht. Obwohl die Untersuchung methodische Mängel wie kleine Fallzahlen, fehlende Kontrollgruppe und Verwendung von Placeboreferenzwerten aus der Literatur aufweist, erscheint das Ergebnis einer signifikanten Reduktion der menstruellen Migränefrequenz um 72% bei 21 von 24 Patientinnnen über ein Jahr dennoch bemerkenswert. In der gleichen Studie zeigte die kontinuierliche Gabe (Bromocriptin 3 x 2.5mg/die p.o.) einen besseren Effekt als die intermittierende Verabreichung von Tag 21 eines Zyklus bis Tag 3 des nächsten Zyklus. Dies könnte als Hinweis darauf gelten, daß positive Effekte von Bromocriptin bei der menstruellen Migräne nicht primär durch die dopaminerg vermittelte Hemmung der Sekretion von LH (luteinisierends Hormon) und damit Verminderung des prämenstruellen Abfalls von Östrogen enstehen. Entsprechend waren Versuche der perimenstruellen Östrogensubstitution nach kon-trollierten Studien bisher nicht erfolgreich. Alternativ diskutiert Herzog die allgemein modulierende Wirkung von Dopaminagonisten auf die hypothalamische Neurosekretion von Gonadotropinen und Prolaktin, die auch bei anderen Triggerfaktoren wie Veränderung des Schlafrhythmus und wechselnde Streßlevel eine Rolle spielen könnte. Bereits 1976 (Hockaday, Headache) war in einer offenen Studie mit kleiner Fallzahl ein positiver Effekt von Bromocriptin auf die menstruelle Migräne demonstriert worden. Angesichts der positiven Ergebnisse der Pilotstudien ist eine Überprüfung des Effektes von Bromocriptin bei der menstruellen Migräne in einer kontrollierten Studie erforderlich und interessant. Da Bromocriptin insgesamt ein vertretbares Neben-wirkungsspektrum aufweist, erschei-nen in der Zwischenzeit Behandlungsversuche bei Patientin-nen mit zuverlässiger Kontrazeption und sonst therapierefraktärer menstrueller Migräne gerechtfertigt. (HK)
2. ** Rothrock JF (1997). Successful treatment of persistent migraine aura with divalproex sodium. Neurology 48:261-262
Der amerikanische Autor berichtet von zwei Patienten, die bleibende visuelle Aurasymptome im Rahmen einer Migräne entwickelten. Eine 61jährige Frau hatte ihr Leben lang Migräne mit und ohne Aura. Nachdem sie eine besonders schwere Attacke erlitten hatte, kam es über 2 Monate hinweg zu einer Fortdauer von visuellen Migräneauren auch nachdem der Kopfschmerz abgeklungen war. Klinische Untersuchungen und Kernspintomo-graphie waren unauffällig. Die zweite Patientin war 53 Jahre alt und litt seit 20 Jahren unter einer Migräne. Vier Jahre vor der Vorstellung erlitt sie erstmals eine Migräne mit visueller Aura. Zum Zeitpunkt der Vorstellung klagte sie über seit fast 2 Jahren fast regelmäßig bestehende visuelle Aurasymptome, die nicht auf Behandlung mit Propranolol, nicht-steroidalen Antirheumatika, Amitriptylin, Verapamil oder Sumatriptan ansprachen. Auch hier waren Kernspintomographie und EEG normal. Beide Patientinnen erhielten eine Prophylaxe mit Valproinsäure. Bei beiden kam es zu einem anhalten Verschwinden der Aurasymptome. In diesen Fällen muß differential-diagnostisch allerdings erwogen werden, daß doch eine strukturelle Hirnläsion bestand, die im MR nicht nachweisbar war. Diese kleine Läsion hatte zu einer corticalen Epilepsie geführt, die hier fälschlicherweise als visuelle Aura im Rahmen einer Migräne interpretiert wird. (HCD)
3. *** Diener HC, Föh M, Iaccarino C, Wessely P, Isler H, Strenge H, Fischer M, Wedekind W, Taneri Z on behalf of the study group (1996) Cyclandelate in the prophylaxis of migraine: a randomized, parallel, double-blind study in comparison with placebo and propranolol. Cephalalgia 16: 441-447.
In dieser randomisierten paralleli-sierten Doppelblind-Studie wurden 3×400 mg Cyclandelat gegen 120 mg Propranolol und Placebo (Randomisierung 3:2:3) bei 214 Patienten über einen Behand-lungszeitraum von 3 Monaten nach einer Baselinephase von 4 Wochen verglichen. Der Prozentsatz der Patienten mit einer Reduktion der Migränefrequenz von mehr als 50% lag bei Cyclandelat bei 37%, bei Propranolol bei 42,3% und bei Placebo bei 30,9%. Dies war statistisch genauso wenig signifikant wie die Reduktion der Migränedauer in Stunden bei allen drei Gruppen. Die Kalkulation der Effektivitäts-parameter erfolgte auf den Werten der letzten vier Wochen der Behandlungsphase im Vergleich zu der vierwöchigen Baselinephase. Von den 214 Patienten blieben 174 für eine Auswertung entsprechend dem Protokoll übrig (Cyclandelat 67, Placebo 39, Propranolol 68). Die drei Gruppen waren miteinander vergleichbar hinsichtlich Alter, Geschlecht, Migränediagnose, Attackenfrequenz, Schmerzintensität während der Attacke und Schmerzmitteleinnahme. Die Intent-to-treat Analyse unterschied sich nicht von der per protocol Analyse. Insgesamt entsprechen die Ergebnisse einer früheren Studie von Gerber et al. (1995). Die Studienergebnisse sind schwer zu interpretieren, da Propranolol als anerkanntes Migräneprohylaktikum gilt und die Tatsache, daß die Wirksamkeit dieses Betablockers im Bereich von Placebo liegt, durch methodische Probleme bedingt sein kann. Die Autoren haben deshalb versucht, in einer post-hoc Analyse Vorteile von Cyclandelat herauszuarbeiten. Bei der Kombination des Effektivitäts-parameters mehr als 50%ige Reduktion der Migränedauer mit dem Kriterium “Einnahme von Schmerz-mittel über weniger als 5 Wochen” zeigte sich ein signifikanter Effekt von Cyclandelat gegenüber Placebo im Gegensatz zu Propranolol. Wurde die Schmerzmitteleinnahme über einen längeren Zeitraum als 5 Wochen kalkuliert, waren diese Effekte nicht mehr nachzuweisen. In einer zweiten post-hoc Analyse wurden Patienten mit Sumatriptan-Einnahme von der intent-to-treat Auswertung ausgeschlossen. Hierbei zeigte sich ein überlegener Effekt von Cyclandelat und Propranolol im Vergleich zu Placebo. Letzterer Zugang ist sicherlich überlegenswert, da eine Kontamination der Behandlungsgruppen durch den Einsatz eines neuen und effektiven Attackenbehandlungsmittels nicht ausgeschlossen werden kann. Inwieweit ein sog. double response Kriterium klinisch sinnvoll ist, muß wohl erst in weiteren Studien belegt werden. Die Frage der Wirksamkeit von Cyclandelat in der Migräne-prophylaxe bleibt deshalb offen, da die Studie nicht ausreichend erklären kann, warum Propranolol keine Placebo-überlegenen Effekte zeigt. (VP)