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funktionelle Bildgebung

 

Forschungsergebnisse der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft

Was leistet funktionelle Bildgebung bei primären Kopfschmerzen?

Arne May

Die Frage, ob die Ursache primärer Kopfschmerzen vaskulär oder neurogen sei, ist nach wie vor ungeklärt. Die funktionelle Bildgebung von Patienten mit primären Kopfschmerzen hat jedoch das Wissen in diesem Gebiet revolutioniert und bietet eine einmalige Einsicht in die Mechanismen einer der häufigsten Erkrankungen des Menschen.

Funktionelle Bildgebung

Im Gegensatz zur herkömmlichen strukturellen Bildgebung mittels CT oder NMR macht sich die funktionelle Bildgebung die Tatsache zu Nutzen, daß der regionale zerebrale Blutfluß (rCBF) eng mit der neuronal-synaptischen Aktivität einer Region gekoppelt ist. Ist in der Kopfschmerzphase eine bestimmte Hirnregion neuronal aktiver als in der Ruhephase (z.B. das Cingulum als allgemein schmerzverarbeitende Struktur), wird der rCBF in dieser Region quantitativ signifikant gegenüber der Umgebung und gegenüber der Ruhephase erhöht sein. Positronen Emissions Tomographie (PET) repräsentiert die zur Zeit beste verfügbare Technik um in vivo Veränderungen des regionalen cerebralen Blutflußes im Menschen während einer Kopfschmerzattacke darzustellen und eventuell spezifische Gehirnareale für die jeweilige Kopfschmerzerkrankung zu identifizieren. Aktivierungen eines ganzen Netzwerkes an unspezifischen schmerzverarbeitenden cerebralen Strukturen sind beim Menschen durch PET-Untersuchungen seit einigen Jahren bekannt. Unabhängig von der Schmerzlokalisation oder Präsentation ist dieses zerebrale Netzwerk (u.a. Cingulum, Frontallappen, Inselrinden und Thalamus) für die allgemeine Repräsentation und Beurteilung von Schmerzen zuständig.

Zerebraler Blutfluß, funktionelle Bildgebung und primäre Kopfschmerzsyndrome

Migräne
Weder Dopplerstudien noch Messungen des globalen cerebralen Blutflußes legen nahe, daß Änderungen des Gefäßdiameters oder großflächige Änderungen des CBF die Ursache der Migräne sind oder den Schmerz in primären Kopfschmerzsyndromen erklären können. Daher konzentrierte sich die wissenschaftliche Forschung auf mögliche zentrale oder neuronale Veränderungen als Erklärungsmodell für die vielen verschiedenen Aspekte der Migräne. In einer PET Studie von neun Patienten mit Migräne ohne Aura, die während einer spontanen, unbehandelten, rechtsseitigen Migräneattacke untersucht wurden, fanden sich u.a. signifikant höhere rCBF Werte im Vergleich zum kopfschmerzfreien Intervall in bestimmten Hirnstammstrukturen (Nucleus dorsalis raphe und des Locus coeruleus), die dem kontralateralen periaquäduktalen Grau zugeordnet werden können. Bisher sind in dieser Region des Hirnstammes im wesentlichen nur ipsilaterale Bahnen des antinozizeptiven Systems beschrieben worden. Eine mögliche Erklärung, warum diese Aktivierung contralateral zur Kopfschmerzseite auftrat, ist, daß es sich hierbei eher um exzitatorische rostral denn inhibitorische caudal projezierende Kontrollsysteme handelt. Eine Dysfunktion in der Regulation dieser Hirnstammkerne würde die zentrale Schmerzkontrolle sowie die extra- und intracerebrale vaskuläre Kontrolle beeinflussen und liefert somit eine Erklärung für viele der klinischen Facetten der Migräne. Die überragende Rolle des Hirnstammes in der Genese der Migräne wird weiterhin durch die Tatsache unterstrichen, daß Bindungsstellen für spezifische Migränemedikamente in dieser Struktur nachgewiesen worden sind.

Cluster Kopfschmerz
In einer vor kurzem veröffentlichten Studie, in der neun Cluster Kopfschmerzpatienten in der akuten Kopfschmerzattacke im Vergleich zur kopfschmerzfreien Phase untesucht wurden, fanden sich cerebrale Aktivierungen, die in zwei Gruppen eingeteilt werden können: cortikale und subcortikale Areale, die bekanntermaßen in der Schmerzverarbeitung oder -erfassung beteiligt sind, wie das Cingulum, Inselrinden und contralateraler Thalamus, und ein Areal das ausschließlich im Cluster Kopfschmerz, nicht jedoch in anderen Schmerz- und insbesondere Kopfschmerzarten aktiviert ist. Diese letztere Aktivierung findet sich im inferioren posterioren hypothalamischen Grau, einem Hirnareal, daß für circadiane und Schlaf-Wach Rhythmen verantwortlich ist. Dieses Areal ist vermutlich bei Cluster-Kopfschmerzpatienten generell verändert und könnte das Triggerorgan für die uhrwerkartig auftretenden Kopfschmerzattacken sein.

Experimenteller Kopfschmerz
Um die Hypothese einer spezifischen Aktivierung von Hirnarealen für verschiedene Kopfschmerzsyndrome zu verifizieren, wurde durch die subkutane Injektion von Capsaicin in die Stirn bei Probanden ohne Kopfschmerzanamnese ein trigeminal vermittelter Schmerz in demselben Gebiet hervorgerufen, das Migräne oder Cluster-Kopfschmerz betrifft, jedoch ohne den pathophysiologischen Hintergrund dieser Erkrankungen. Bei dieser Untersuchung fanden sich die schon bekannten, unspezifisch schmerzleitenden- und verarbeitenden cortikalen Strukturen wie Cingulum, Thalamus und Inselrinden. Im Vergleich zur spontanen Migräneattacke wurde keine Hirnstammaktivierung gefunden, und im experimentellen trigeminal vermittelten Schmerz war im Gegensatz zur NTG-induzierten Cluster-Kopfschmerzattacke der Hypothalamus nicht aktiviert. Das unterstreicht die Tatsache, daß die jeweiligen Aktivierungen spezifisch für die jeweiligen primären Kopfschmerzsyndrome sind.

Was ist spezifisch an den PET-Aktivierungen im Kopfschmerz?

Es ist bezeichnend, daß sich weder die migränespezifischen (Hirnstamm) noch die für den Cluster-Kopfschmerz spezifischen Areale (hypothalamisches Grau) im experimentellen Kopfschmerz nach subkutaner Injektion von Capsaicin finden. In Bezug auf die Anatomie des trigeminovaskulären Systems ist es vor allem deshalb bemerkenswert, da beide Kopfschmerzsyndrome den ersten, ophthalmischen Ast des trigeminalen Nerven involvieren. Trotzdem ist die Verteilung der corticalen Aktivierungen für jedes Syndrom einzigartig und unverwechselbar.

Zusammenfassend unterstützen diese Beobachtungen das Konzept, daß die Pathogenese der Migräne auf eine Imbalanz von die Antinozizeption und die extra- und intracranielle Durchblutung kontrollierenden Hirnstammneurone zurückzuführen ist. Die Pathogenese des Cluster-Kopfschmerzes beruht vermutlich auf einer Störung des zentralen Nervensystems in den Schrittmacherzellen oder zirkadianen Regionen des hypothalamischen Graus.


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