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ZUSAMMENFASSUNG

Der Kopfschmerz vom Spannungstyp ist durch dumpf-drückende und bilaterale Kopfschmerzen gekennzeichnet, wobei migränetypische vegetative Begleiterscheinungen fehlen oder nur gering ausgeprägt sind. Nach der Klassifikation der IHS wird ein episodischer (< 180 Tage/Jahr) von einem chronischen (> 180 Tage/Jahr) Kopfschmerz vom Spannungstyp unterschieden. Die Prävalenz des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp liegt bei etwa 3 %. Krankheitsspezifische symptomatische Befunde fehlen. Differentialdiagnostisch sind vom Kopfschmerz vom Spannungstyp der cervikogene Kopfschmerz und der schmerzmittelbedingte Kopfschmerz abzugrenzen. Wenn ein täglicher Kopfschmerz vom Spannungstyp von Migräneattacken überlagert wird, spricht man von einem Kombinationskopfschmerz. Moderne pathophysiologische Konzepte gehen davon aus, daß der Kopfschmerz vom Spannungstyp aus einer Interaktion von zentralen Veränderungen im absteigenden schmerzkontrollierenden System und peripheren Störungen, z.B. einen erhöhten myofaszialen Schmerzempfindlichkeit resultiert.

Bei gelegentlichen oder kurzen Kopfschmerzen vom Spannungstyp können Analgetika wie Acetylsalizylsäure oder Paracetamol, ersatzweise Ibuprofen oder Naproxen eingesetzt werden. In der medikamentösen Langzeitprophylaxe stellt Amitriptylin das Mittel der ersten Wahl dar, ersatzweise kommen in Frage Doxepin, Clomipramin, Mianserin, Maprotilin und das Antiepileptikum Valproat. Die Dauer einer erfolgreichen Behandlung beträgt mindestens sechs Monate. Additiv bzw. alternativ kommen verhaltensmedizinische Verfahren wie Streßbewältigungstraining, Entspannungstechniken und Biofeedback zum Einsatz. Akupunktur, Akupressur und transkutane Nervenstimulation sowie Massagen und chiropraktische Verfahren sind nicht nachweisbar wirksam.

Schlüsselwörter:
Episodischer und chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp – Definition – Pathophysiologie – Akuttherapie – Prophylaxe – nicht-medikamentöse Maßnahmen

 

SUMMARY

Tension-type headache is characterised by a dull-pressing and bilateral headache in which the autonomic symptoms typical of migraine are absent or only weakly present. The IHS-Classification differentiates between an episodic (< 180 days/year) and a chronic (> 180 days/year) tension-type headache. The prevalence of chronic tension-type headache is 3 %. There are no particular pathological findings characteristic for this disease. The differential diagnosis of tension-type headache includes cervicogenic headache and analgesic induced headache. A combination headache is defined by a daily tension-type headache superimposed with migraine attacks. According to modern pathophysiological concepts central changes in descending pain control systems interact with peripheral disturbances such as a raised myofascial pain sensitivity.Simple analgesics like acetylsalicylic acid and paracetamol, or ibuprofen and naproxen as substitutes can be given occasionally or for short episodes of tension-type headache. For the longterm drug prophylaxis amitriptyline is the first choice.

Doxepine, clomipramine, mianserin, maprotiline and the anticonvulsant valproate may also be used as alternatives. The duration of treatment is at least six months. Additionally, or as an alternative behavioural medical procedures like stress training, relaxation techniques and biofeedback can be used. Acupuncture, accupressure and transcutaneous nerve stimulation as well as physiotherapy or chiropractic procedures are of no proven benefit.

Key words:

Episodic and chronic tension-type headache – definition – pathophysiology – acute treatment – prophylaxis – non pharmacological treatment measures

 

EINLEITUNG

In den Jahren 1986 und 1990 wurden von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) Empfehlungen zur Behandlung des Kopfschmerzes vom Spannungstyp (KST) (1) publiziert. In dieser über
arbeiteten Fassung werden die neuen Erkenntnisse zur Therapie dargestellt. Außerdem werden die Therapieempfehlungen gemäß den vorliegenden wissenschaftlichen Studien einem Bewertungssystem unterzogen (s.Tabellen).

 
 
1. DEFINITION

Wiederkehrende Episoden eines Kopfschmerzes, der Minuten oder Tage dauern kann (siehe Tabelle 1). Der Schmerz ist typischerweise dumpf-drückend oder ziehend, von leichter bis mäßiger Intensität, beidseitig und holocephal und verstärkt sich nicht bei körperlicher Aktivität. Übelkeit fehlt, Photophobie und/oder Phonophobie können vorhanden sein (2).

 

2. KLINIK, EPIDEMIOLOGIE UND SOZIO-ÖKONOMISCHE KONSEQUENZEN

Die International Headache Society (IHS) (2) unterscheidet nach der Frequenz einen episodischen (< 180 Tage/Jahr) von einem chronischen (> 180 Tage/Jahr) Kopfschmerz vom Spannungstyp (frühere Bezeichnungen: Kopfschmerz vom Spannungstyp, Muskelkontraktionskopfschmerz, psychogener Kopfschmerz, myogener Kopfschmerz, streßabhängiger Kopfschmerz, gewöhnlicher Kopfschmerz, essentieller und idiopathischer Kopfschmerz).

Die Unterscheidung in Kopfschmerzen vom Spannungstyp mit und ohne erhöhte Muskelanspannung ist künstlich, da sich diese Patienten weder in ihrer klinischen Symptomatologie noch in ihrem Ansprechen auf eine Therapie unterscheiden (3). Voraussetzung für die Diagnose eines episodischen bzw. chronischen KST ist eine regelrechte internistische und neurologische Untersuchung bzw. unauffällige ergänzende technische Untersuchungen (z.B. CT, MR) bei Verdacht auf eine organische Ursache des Kopfschmerzes vom Spannungstyp. In letzterem Fall spricht man von einem Kopfschmerz vom Spannungstypähnlichem Bild (2).

Röntgenaufnahmen des Schädels, der Halswirbelsäule oder der Kiefergelenke sind nur bei eindeutigen klinischen Hinweisen (auf z.B. Frakturen, Sinusitis, Luxationen etc.) indiziert. Zur Sicherung der Diagnose und zur Verlaufskontrolle sollte von Beginn an ein Kopfschmerztagebuch geführt werden.

 

Die angegebenen Kriterien für die Diagnose eines KST verfügen nicht über eine hundertprozentige Spezifität, so daß zur Diagnosestellung möglichst alle Kriterien erfüllt sein müssen (siehe Tabelle 1). In Einzelfällen kann der Kopfschmerz seitenbetont oder sogar einseitig und seitenwechselnd sein (4). Übelkeit, Lärm- und Lichtempfindlichkeit können zwar in geringem Ausmaß auftreten, beeinflussen die Leistungs- bzw. Arbeitsfähigkeit, insbesondere beim episodischen Kopfschmerz vom Spannungstyp, nicht so stark wie bei der Migräne.

Der Kopfschmerz vom Spannungstyp variiert beträchtlich hinsichtlich Frequenz, Dauer und Schweregrad und reicht von seltenen und kurz dauernden leichten Kopfschmerzattacken bis hin zu täglichen Dauer
kopfschmerzen. So zeigten in einer dänischen Studie 59% der Patienten mit einem Kopfschmerz vom Spannungstyp eine Anfallshäufigkeit von einem Tag/Monat und weniger, während 37% davon mehrfach/Monat betroffen waren. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung liegt die Lebenszeitprävalenz beim chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp (5, 6, 7) bei 3 % und beim episodischen Kopfschmerz vom Spannungstyp bei 20-30 % (5, 6, 8).

Der Kopfschmerz vom Spannungstyp betrifft Frauen in einem Verhältnis von max. 1.5:1 mehr als Männer, wobei mit zunehmendem Lebensalter sowohl für Frauen als auch für Männer die Prävalenz des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp zunimmt (5, 6, 7). Am häufigsten beginnt der Kopfschmerz vom Spannungstyp im zweiten Lebensjahrzehnt, er kann aber schon in der Kindheit auftreten. Ein chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp unter dem 10. Lebensjahr ist die Ausnahme.

Der KST kann schon in jungen Jahren auftreten und sich bis in das Rentenalter fortsetzen. Ein beträchtlicher Teil dieser Patienten wird weder suffizient diagnostiziert noch therapiert. In der Studie von Rasmussen et al. (9) gaben immerhin 60% der Patienten mit einem Kopfschmerz vom Spannungstyp an, daß der Kopfschmerz sowohl ihre Arbeitsleistung als auch ihre sozialen Aktivitäten beeinträchtige oder unmöglich mache. Trotzdem hatten 80% der Patienten wegen ihres Kopfschmerzes niemals ihren Hausarzt konsultiert (10). Fünfzehn Prozent kamen ohne Schmerzmittel aus, die anderen behalfen sich mit frei verkäuflichen Präparaten (10).

Die relativ niedrige Arztkonsultationsrate und die geringe Einnahme von Schmerzmitteln kann zwar dahingehend interpretiert werden, daß für einen größeren Anteil an Kopfschmerzkranken eine medizinische Betreuung nicht notwendig ist, allerdings spricht die erhebliche Leistungseinschränkung durch die Kopfschmerzen aber eher dafür, daß die Kopfschmerzkranken keine effektive Therapie erwarten. Zwischen 9-12% der arbeitenden Patienten mit einem Kopfschmerz vom Spannungstyp verloren pro Jahr mindestens einen Arbeitstag durch ihre Kopfschmerzen, wobei Frauen mehr als Männer betroffen waren (10, 11). Nach Rasmussen et al. (10) gehen pro Arbeitsjahr und pro tausend Beschäftigte mit einem KST 820 Arbeitstage verloren.

 

3. DIAGNOSE

Die Diagnose des Kopfschmerzes vom Spannungstyp stützt sich auf eine ausführliche Anamnese und auf den regelrechten klinischen und neurologischen Befund. Zusatzuntersuchungen wie kranielle Computertomographie, EEG, Ultraschallmethoden und evozierte Potentiale sollten nur dann eingesetzt werden, wenn symptomatische Kopfschmerzen vermutet werden. Die Indikation zu einer kraniellen Kernspintomographie sollte vom Neurologen gestellt werden.

Eine psychophysiologische Untersuchung ist angezeigt, wenn eine Verhaltenstherapie eingeleitet werden soll.

Eine organische Ursache muß ausgeschlossen werden bei folgenden Symptomkonstellationen:

  • Änderung der bisherigen Kopfschmerzsymptomatik
  • Auftreten fokal-neurologischer Symtpome
  • Persönlichkeitsveränderungen
  • Epileptische Anfälle oder Synkopen
  • Fieber und Nackensteifigkeit
  • Heftiger, bisher nicht bekannter Kopfschmerz

 

4. DIFFERENTIALDIAGNOSE
Differentialdiagnostisch sind vom Kopfschmerz vom Spannungstyp die Migräne, der Schmerzmittel-Kopfschmerz und der cervikogene Kopfschmerz abzugrenzen. Ab dem 5. Lebensjahrzehnt können vegetative Begleitsymptome der Migräne weniger ausgeprägt sein und sich die Diagnose einer Migräne oder eines akuten Kopfschmerzes vom Spannungstyp nur aus der Längsschnittbefragung ergeben. Wenn ein täglicher Kopfschmerz vom Spannungstyp von Migräneattacken überlagert wird, spricht man von einem Kombinationkopfschmerz (12). Der cervikogene Kopfschmerz (13) ist gekennzeichnet durch einen einseitigen, seitenkonstanten Kopfschmerz, der üblicherweise täglich oder fast täglich auftritt mit Ausstrahlung der Schmerzen über das Dermatom C2 von occipital nach frontal. Die Schmerzintensität schwankt zwischen leicht und mittel, die Schmerzqualität wird als dumpfbohrend oder stechend angegeben. Die Schmerzen nehmen bei Kopfbewegungen bzw. beim Husten, Niesen oder Pressen zu und zeigen homolateral zum Kopfschmerz eine nicht-radikuläre Ausstrahlung in Schulter und Arm. Übelkeit, Brechreiz, Lärm- und Lichtempfindlichkeit wie bei der Migräne sind nur selten und gering vorhanden.

 

Der Fehlgebrauch von Schmerzmitteln, Ergotamin-Präparaten und Opioiden führt bei Kopfschmerzen, insbesondere bei täglicher Einnahme, zu einem Medikamenten-induzierten Kopfschmerz (14, 15), der den Kopfschmerz vom Spannungstyp imitieren oder überlagern kann. Die Diagnose eines schmerzmittelinduzierten Kopfschmerzes setzt eine detaillierte Anamnese hinsichtlich Frequenz und Art des Schmerzmittelmißbrauches voraus, wobei eine adäquate Therapie nur nach vorangegangenem Schmerzmittelentzug wirksam ist. (siehe

Tabelle 2)

 

5. PATHOPHYSIOLOGIE
Die IHS-Klassifikation (2) des Kopfschmerzes vom Spannungstyp gibt ursächliche Faktoren für das Kopfschmerzgeschehen an, z.B. eine oromandibuläre Dysfunktion, psychosozialer und muskulärer Streß, Angst, Depressionen. Mißbrauch von Medikamenten sowie einige der Erkrankungen, die in den Gruppen 5-11 der IHS-Klassifikation aufgelistet sind. Trotz eingehender Analyse findet sich bei vielen Patienten keine faßbare Ursache der Kopfschmerzsymptomatik. Offensichtlich bestehen pathophysiologische Mechanismen, die wir nicht kennen bzw. durch heutige Untersuchungsmethoden nicht erfassen können.

Der Kopfschmerz vom Spannungstyp wird häufig mit einer Beteiligung der pericranialen Muskulatur und Sehnenansätze in Verbindung gebracht und deshalb differenziert in solche mit und ohne eine Störung der pericraniellen Muskulatur. Als Untersuchungsparameter (16) gilt die manuelle Palpation bzw. die Messung der Schmerzempfindlichkeit mit einem Druckalgometer. Als apparativer Zusatzparameter wird darüberhinaus eine erhöhte elektromyographische Aktivität in Ruhe oder während Provokationstests (z.B.Streßbelastungen) angegeben.

Nach neueren Studien weisen bis zu 65% der Patienten mit einem episodischen Kopfschmerz vom Spannungstyp eine erhöhte muskuläre Schmerzempfindlichkeit auf. Werden solche peripheren Mechanismen in der Initialphase des klinischen Beschwerdebildes nicht eliminiert, verändert sich die Schmerzmodulation im Rückenmark und im Gehirn.

Die supraspinale Sensibilisierung für Schmerzreize scheint dabei der wesentliche Faktor für die Entwicklung chronischer Kopfschmerzen vom Spannungstyp zu sein, da die Muskelanspannung unter zentraler Kontrolle steht und eine unzureichende oder fehlerhafte Innervation des Bewegungsapparates aufgrund einer gestörten zentralen Ansteuerung eine Hauptquelle für die inadäquate Muskelfunktion ist.

Die erhöhte Aktivierung aus der Peripherie (z.B. durch muskulären Streß) oder aber die erhöhte zentrale afferente Aktivität (psychischer Streß, Depressivität) bewirkt eine Hemmung inhibitorischer Hirnstammneurone im periaquäduktalen Grau und im Nucleus raphe magnus und ist für das primäre Kopfschmerzgeschehen verantwortlich (17).

Der episodische Kopfschmerz vom Spannungstyp kann bei völlig gesunden Menschen durch die vorab genannen Faktoren ausgelöst werden Die Kopfschmerzepisode ist dabei Ausdruck einer zeitweisen Störung der Nozizeption und deren zentralen Kontrollmechanismen. Psychische Faktoren können dabei entweder zu einer erhöhten Muskelanspannung beitragen oder durch eine Sensibilisierung peripherer und zentraler nozizeptiver Mechanismen die Schmerzempfindlichkeit erhöhen.

Stellen sich Kopfschmerzepisoden in kurzen Zeitabständen ein, wird eine zunehmende Dauersensibilisierung im myofascialen Gewebe induziert mit einer Langzeitaktivierung nozizeptiver Neurone und einer permanenten Blockierung inhibitorischer antinozizeptiver Systeme. Eine Daueraktivierung zentraler nozizeptiver Neurone könnte dann die Ursache des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp sein (18, 19).

Serotonin spielt eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie der Migräne. Auch der Kopfschmerz vom Spannungstyp wird traditionell mit einer Dysfunktion des serotoninergen Systems und Depressionen in Verbindung gebracht (21, 22).

So fanden sich in einigen Studien reduzierte thrombozytäre Serotonin-Konzentrationen bei Patienten mit einem Kopfschmerz vom Spannungstyp, was zentral als Serotonin-Defizit im antinozizeptiven Systemen gedeutet wurde. Allerdings sind die Untersuchungsergebnisse insgesamt widersprüchlich, was auf unterschiedliche Patientenselektionen, unterschiedliche Zeitpunkte der Untersuchung und unterschiedliche methodische Ansätze zurückzuführen ist(23). Die Rolle des serotoninergen Systems in der Pathophysiologie des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp ist damit noch ungeklärt.

 

6. WIRKUNGSMECHANISMEN DER THERAPIE
Trotz der hohen Prävalenz des Kopfschmerzes vom Spannungstyp exisitieren nur wenige placebo-kontrollierte Studien, die heutigen methodologischen Ansprüchen entsprechen. Darüberhinaus sind ältere Studien nicht mit neueren Publikationen zu vergleichen, da unscharf definierte Begriffe wie Kombinationskopfschmerz, oder “mixed-vascular-headaches” benutzt wurden, wobei sich hinter diesen Begriffen nicht selten ein Schmerzmittelkopfschmerz verbarg.

Zur Therapie des akuten und chronischen KST stehen unterschiedliche Substanzgruppen mit unterschiedlichen Angriffspunkten zur Verfügung (24). Einerseits sind dies Analgetika mit vorwiegend peripherem Angriffspunkt wie z.B. Acetylsalicylsäure (ASS) (wobei ASS noch über einen zusätzlichen zentralen Ansatzpunkt verfügt). Dem gegenüber stehen Analgetika, die vorwiegend oder ausschließlich zentral wirken, wie z.B. Paracetamol mit eher schwacher analgetischer Potenz und solche mit starker analgetischer Potenz wie Morphin oder Morphinderivate. Davon unterschieden werden Substanzen, die keine primär analgetische Wirkung aufweisen, sonderen den Schmerz durch eine Modulation der Schmerzverarbeitung und -wahrnehmung im zentralen nozizeptiven System beeinflussen. Man spricht bei diesen Medikamenten von Nichtanalgetika mit gesicherter oder mit unsicherer analgetischer Potenz (24).

Nichtanalgetika mit unsicherer analgetischer Wirkung sind Neuroleptika, Tranquilizer vom Typ der Benzodiazepine sowie Baclofen (24). Neuroleptika bewirken eine Blockade der Rezeptoren für die hemmenden monoaminergen Überträgerstoffe 5-Hydroxytryptamin und Dopamin im ZNS sowie eine Sedierung. Tranquilizer führen zur Anxiolyse, zur Sedierung und Muskelrelaxierung. Baclofen bindet an Gaba-B-Rezeptoren (24)

Zu den Substanzen vom Typ der Nichtanalgetika mit gesicherter analgetischer Potenz gehören einige trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin und z.B. Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer).Der analgetische Effekt der Antidepressiva ist unabhängig von ihrem antidepressiven Effekt (25, 26, 27, 28). Bisher nahm man an, daß die analgetischen Eigenschaften der Trizyklika auf eine Inhibition des zentralen Serotonin-Re-Uptakes zurückzuführen sind (29, 30, 31, 32). Ardid et al (33) konnten im Tiermodell beweisen, daß sowohl Noradrenalin-Re-Uptake-Inhibitoren als auch selektive Serotonin-Re-Uptake-Inhibitoren (SSRI) zwar analgetische Effekte aufwiesen, Amitriptylin allerdings immer effektiver war als diese beiden Substanzen.

Watson und Evans (34) zeigten, daß Amitriptylin in der Behandlung der postherpetischen Neuralgie wirksamer war als der SSRI Cimeldine. Sindrup et al (35) konnten bei der diabetischen Polyneuropathie eine bessere Wirksamkeit von Imipramin im Vergleich zu dem SSRI Paroxetin darstellen.

In einer Studie von Bendtsen et al (36) war Amitriptylin effektiver als der SSRI Zitalopram. Insgesamt scheinen SSRI wenig oder gar nicht wirksam in der Behandlung chronischer Schmerzen zu sein. Dies beruht wahrscheinlich darauf, daß Amitriptylin nicht nur den Re-Uptake von Noradrenalin beeinflußt (38), sondern auch auf serotonerge (39), andrenerge (40), cholinerge (39) und histaminerge (41) Rezeptoren wirkt.
Im Vordergrund dürfte die Inhibition des Noradrenalin-Re-Uptakes (38) als auch die Aktivierung unterschiedlicher Serotonin-Rezeptor-Untertypen (42) stehen.

 

7. PHARMAKOTHERAPIE
Die folgenden Therapieempfehlungen beruhen auf den wenigen zur Verfügung stehenden kontrollierten Studien.

 

7.1. Akuter Kopfschmerz vom Spannungstyp

Tritt ein Kopfschmerz vom Spannungstyp nur gelegentlich und von kurzer Dauer auf, so können bei subjektiv nicht erträglichen Schmerzen Analgetika wie Acetylsalicylsäure (43, 44, 45) (z.B. Aspirin®) oder Paracetamol (z.B. Benuron®) in einer Einzeldosis von 500-1000mg eingesetzt werden. Eine Gesamtdosis von 1500mg ASS bzw. Paracetamol pro Tag sollte nicht überschritten werden. Alternativ sind nichtsteroidale Antirheumatika wie Ibuprofen (400-600mg) (45, 46, 47) (z.B. Dolgit®) oder Naproxen (500-1000mg) (z.B. Proxen®)(46) anwendbar. Bisher nicht replizierte Studien zeigten einen Effekt von topisch appliziertem Pfefferminzöl (Oleum Menthae Piperitae), der der Wirkung von 1000 mg Paracetamol entspricht (48).

Kombinationspräparate (46), die neben diesen Analgetika zusätzlich Coffein, Codein, zentrale oder periphere Muskelrelaxantien, Antihistaminika, Tranquilizer oder Ergotamintartrat bzw. Dihydroergotamintartrat enthalten, können zur Abhängigkeit und zum Schmerzmittelmißbrauch führen. Auf der anderen Seite kann bei der Kombination von Analgetika mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen die Einzeldosis reduziert und damit Nebenwirkungen gemindert werden. Insgesamt sollte die Einnahmefrequenz von Analgetika auf maximal 10/Monat limitiert werden. Sumatriptan (Imigran®) ist beim Kopfschmerz vom Spannungstyp ohne Effekt.

 

7.2. Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp
Der chronische KST sollte wegen der Gefahr eines Schmerzmittelmißbrauchs grundsätzlich nicht mit Analgetika behandelt werden. Treten Kopfschmerzen vom Spannungstyp länger als drei Monate und mindestens jeden zweiten Tag oder täglich auf, besteht die Indikation zu einer medikamentösen Langzeitprophylaxe. Mittel der ersten Wahl sind trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin (z.B. Saroten®) und Amitriptylinoxid (z.B. Equilibrin®)(49 -55), darüberhinaus Doxepin (z.B. Sinquan®) (56) und Clomipramin (z.B. Anafranil®) (55,57).
 

Andere Autoren empfehlen aus ihren klinischen Erfahrungen die Gabe von Nortriptylin (Nortrilen®) bzw. Desipramin (z.B. Pertofran®).
In Einzelfällen können auch tetrazyklische Antidepressiva wie Mianserin
(z. B. Tolvin®) und Maprotilin (z.B. Ludiomil®) wirksam sein (53,54,55). Amitriptylin bzw. Amitriptylinoxid (Tab. 4) gelten heute als Standard
medikation. Die Tagesdosis schwankt zwischen 50-75mg p.d. (30-90mg), in Einzelfällen bis zu 150mg (120mg) täglich. Man beginnt mit niedrigen abendlichen Dosen von 10-25mg (15-30mg) und steigert wöchentlich in Abhängigkeit von Effekt und Verträglichkeit bis etwa 75mg (60mg) am Ende der vierten Woche. Die Wirkung setzt üblicherweise 14 Tage nach Behandlungsbeginn ein. (siehe Tabelle 3)

Vor Einsatz eines Antidepressivums empfehlen sich Kontrollen von Blutbild, Transaminasen, Harnstoff und Kreatinin sowie Ableitung eines EKGs und eines EEGs. Wechselwirkungen mit Neuroleptika, Barbituraten, Anticholinergika, Antihypertensiva, Sympathikomimetika und MAO-Hemmer müssen beobachtet werden.

Kontraindikationen sind eine Prostatahypertrophie, Blasenentleerungsstörungen, kardiovaskuläre Erkrankungen, Hyperthyreose, Glaukom, epileptische Anfälle, manifeste Psychosen, Alkoholabusus, Schwangerschaft und Stillperiode.

 

7.3. Andere Antidepressiva
Ritanserin in Dosierungen um 10mg p.d. ist ein 5-HT-2-Rezeptor Antagonist mit antidepressiven und analgetischen Eigenschaften und war nur in einer einzigen unkontrollierten Studie vergleichbar wirksam wie Amitriptylin (56).

Die in der Behandlung des Kopfschmerzes vom Spannungstyp untersuchten selektiven Serotonin Re-Uptake Hemmer (SSRI) sind Paroxetin (z.B. Seroxat®) (61), Fluoxetin (z.B. Fluctin®) (62), Citalopram (Cipramil®) (36) und Fluvoxamin (Fevarin®) (63, 64). Davon zeigte nur Fluvoxamin (in einer unkontrollierten Doppelblindstudie im Vergleich zu Mianserin) und Fluoxetin (in einer placebokontrollierten Doppelblindstudie) Effekte hinsichtlich Kopfschmerzfrequenz und -intensität. Paroxetin und Citalopram waren unwirksam. Insgesamt ist damit der Einsatz von SSRI in der Behandlung des Kopfschmerzes vom Spannungstyp nicht gerechtfertigt.

 

7.4. Muskelrelaxantien
Die pathophysiologische Rolle einer erhöhten Muskelanspannung beim Kopfschmerz vom Spannungstyp wird kontrovers diskutiert. Dies gilt dementsprechend für den Einsatz von Muskelrelaxantien beim chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp wie z.B. Cyclobenzaprin ((30 – 60 mg p. d.), das strukturell dem Amitriptylin verwandt ist und den alpha-2-adrenergen Rezeptor-Agonisten Tizanidin (Sirdalud®) (6 – 18 mg p. d.) (66).

 

7.5. Andere Wirkstoffe
Für das Antiepileptikum Valproat (z.B. Ergenyl®) liegen eine Reihe von kontrollierten Studien zum Einsatz bei der Migräne vor. Beim Fehlen methodisch ähnlich guter Untersuchungen (67, 68) kann zum jetzigen Zeitpunkt höchstens von einem Effekt bei Subgruppen des Kopfschmerzes vom Spannungstyp ausgegangen werden, wobei Tagesdosierungen von 1000 – 2000 mg eingesetzt wurden.

Substanzen wie Pizotifen ( Sandomigran®),Sulpirid (z.B. Dogmatil®), Cyproheptadin (Peritol®) und MAO-Hemmer wie Tranylcypromin (Jatrosom®) und Phenelzin (69) bzw. MAO-B-Hemmer wie Moclobemid (Aurorix®) werden zwar von einzelnen Experten empfohlen, allerdings ohne Beleg durch moderne, placebokontrollierte Studien.

 

8. VORGEHEN IN DER THERAPIE
Antidepressiva zur Prophylaxe des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp sind indiziert bei Patienten, bei denen Verhaltensmodifikationen oder z.B. Entspannungstherapien allein nicht ausreichen. Mittel der ersten Wahl ist Amitriptylin in Dosierungen zwischen 25-150mg p.d.. Die Dosis muß an Effekt und Nebenwirkungen angepaßt werden. Falls darunter weitgehende Beschwerdefreiheit erreicht wird, sollte für mindestens 6 Monate behandelt werden. Bei Patienten, die auf Amitriptylin nicht ansprechen, kann ein anderes trizyklisches Anti-depressivum wie Doxepin, Clomipramin oder Nortriptylin in Dosierungen zwischen 50 und 150mg p.d. versucht werden. (siehe Abbildung 1)

Fehlende Therapieerfolge sind am häufigsten durch Fehldiagnosen, zu niedrige oder initial zu hohe Dosen, eine zu kurze Behandlungsdauer (z.B. 1-3 Wochen) bzw. durch einen nicht erkannten Schmerzmittelkopfschmerz bedingt. Wenn drei verschiedene Antidepressiva in ausreichender Dosierung und Verabreichungsdauer sich als wirkungslos erwiesen haben, sollte der Patient einem Kopfschmerzspezialisten vorgestellt werden.

 

9. ALLGEMEINE MASSNAHMEN
Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist die Aufklärung des Patienten über die Wirkungsmechanismen der verschiedenen Substanzen beim Kopfschmerz vom Spannungstyp. Dies gilt insbesondere für Antidepressiva. Es muß verdeutlicht werden, daß durch Antidepressiva eine Beeinflussung der zentralen Schmerzschwelle und nicht eine antidepressive Therapie im engeren Sinne angestrebt wird. Der häufigen Ablehnung von “Psychopharmaka” muß durch den Hinweis Rechnung getragen werden, daß Antidepressiva keine Suchtpotenz aufweisen. Der Hinweis auf den Beginn des Therapieeffektes (frühestens nach 14 Tagen) und die Dauer der Behandlung (ca. 6 Monate) darf nicht fehlen, ebenfalls, daß bei ausbleibender Wirksamkeit (nach frühestens 6 Wochen) auf ein anderes Antidepressivum umgestellt werden muß. Bei einem Schmerzmittelmißbrauch muß vor einer prophylaktischen Kopfschmerz vom Spannungstyp-Therapie ein Schmerzmittelentzug durchgeführt werden.

Zur Sicherung der Diagnose und zur Verlaufskontrolle wird vor und während der Behandlung ein Kopfschmerztagebuch geführt. Schmerzmittel sollten nur bei subjektiv schweren Schmerzen eingenommen werden, maximal 2x/Woche. Innerhalb der ersten drei Behandlungsmonate sollte der Patient in mindestens 4-wöchentlichem Abstand gesehen werden. Danach genügen größere Untersuchungsintervalle. Nach einem Zeitraum von ca. sechs Monaten kann die Medikation über 4-8 Wochen langsam ausgeblendet werden. Treten erneut Kopfschmerzen vom Spannungstyp auf, wird über weitere 6-12 Monate behandelt. Oft genügen dann niedrigere abendliche Dosen. Treten nach einem Jahr erfolgreicher Behandlung und nach Absetzen der Medikamente wieder Kopfschmerzen vom Spannungstyp auf, ist eine zusätzliche Verhaltenstherapie obligat.

Trizyklische Antidepressiva führen häufig zu Nebenwirkungen, über die der Patient zu Beginn der Behandlung aufgeklärt werden muß (Nebenwirkungen treten rasch auf, der Therapieeffekt verzögert). So können Patienten zu Beginn über anticholinerge Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Akkomodationsstörung und arterielle Hypotonie klagen. Darüberhinaus kann es initial zu einer Sedierung kommen, seltener zu einer Erhöhung des intraokulären Druckes, Obstipation, einem paralytischen Ileus, Urinretention und Schweißausbrüchen.Von vielen Patienten wird eine Gewichtszunahme von bis zu mehreren Kilogramm beklagt. Meist sind diese Nebenwirkungen nur durch Einhaltung konsequenter diätetischer Maßnahmen zu kompensieren.

Da ältere Patienten trizyklische Antidepressiva schlechter tolerieren, sollte ab dem 50.Lebensjahr mit der Hälfte der üblichen Erwachsenendosierung begonnen und nur sehr langsam gesteigert werden.

Immer sollte mit niedrigen Dosen eines Antidepressivums begonnen werden, wobei aus pharmakologischen Gründen nicht immer ein ausreichender Erfolg zu erreichen ist. In solchen Fällen sollte trotzdem ein anderes trizyklisches Antidepressivum versucht werden.

Bei einer begleitenden Hyposomnie sollte ein mehr sedierendes Trizyklikum wie Amtriptylin oder Doxepin bevorzugt werden, bei im Vordergrund stehender Antriebslosigkeit und Müdigkeit eher Clomipramin oder Nortriptylin.

Wenig sinnvoll ist die gleichzeitige Verabreichung verschiedener trizyklischer Antidepressiva. In einigen Fällen kann auf MAO-Hemmer (Tranylcypromin) in Dosierung von 20mg in einer morgendlichen Einmaldosis unter Beachtung diätetischer Richtlinien und potentieller Nebenwirkungen umgestellt werden.

 

10. FÜHRUNG UND BERATUNG DES PATIENTEN MIT KOPFSCHMERZ VOM SPANNUNGSTYP

Spannungskopfschmerzpatienten zeigen häufig eine ungünstige Lebensführung, mit überzogener Tagesstrukturierung und Termindruck, eine Neigung zur Selbstüberforderung sowie mangelnde Strategien zur Bewältigung von Alltagsbelastungen. Besonders auffällig sind die überzogenen Leistungsanforderungen an die eigene Person, die durch irrationale Einstellungen (z.B. ich muß immer erfolgreich sein) gekennzeichnet sind. Neben diesen psychologischen Auffälligkeiten zeigen die Patienten häufig auch im Alltag ungünstige Körperhaltungen (z.B. bei Bildschirmarbeit), mangelnde Bewegung und eine unausgewogene Ernährung.

Ausgeprägte depressive Grundzüge, die sich auch sekundär als Folge der chronischen Kopfschmerzen ergeben können, sollten psychiatrisch bzw. psychotherapeutisch abgeklärt werden. Meist sind die ausgeprägten Depressionen der Patienten Ausdruck einer massiven Erschöpfung, die sich als Folge der jahrelang quälenden Kopfschmerzen manifestieren kann.
Die Führung und Betreuung des KST-Patienten (70 – 72) ist eine der wichtigsten Maßnahmen beim Kopfschmerz vom Spannungstyp und muß gerichtet sein auf:

a) eine systematische Beratung des Patienten und
b) auf spezifische verhaltensmedizinische Behandlungstechniken

 

10.1. Beratung des Patienten
Mit dem Patienten sollten in Explorationsgesprächen belastende Lebensereignisse eruiert werden und insbesondere Wert auf (fehl)gelernte Strategien in der Bewältigung von Alltagsbelastungen gelegt werden.Über einen Zeitraum von 2-4 Wochen sollte ein Aktivitätstagebuch geführt werden, das die Tagesplanung des Patienten deutlich machen soll. Damit soll ein spezifisches Überforderungsverhalten des Patienten ermittelt werden.

Ein gestuftes Kreislauftraining (z.B. Joggingprogramm) ist ebenfalls empfehlenswert, weiterhin eine Ernährungsberatung, wobei insbesondere auf regelmäßiges Essen und ausreichende Flüssigkeitszufuhr abgehoben werden sollte. Es ist ausgesprochen wichtig, bei Schlafstörungen schlaffördernde Maßnahmen einzuleiten. Bei einer deutlich erkennbaren Depression sollte auf eine psychotherapeutische Betreuung hingearbeitet werden. Ein besonders wichtiger Aspekt ist die ausführliche Information und Beratung des Patienten über physiologische Zusammenhänge, die Lebensführung und auslösende Belastungsfaktoren, die für den chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp relevant sein können.

 

10.2. Verhaltensmedizinische Behandlung

Die verhaltensmedizinische Behandlung umfaßt die systematische Verhaltensanalyse des Patienten bzw. eine umfangreiche lernpsychologisch orientierte Exploration des Patienten, die insbesondere die Bedingungen, die die Schmerzen aufrechterhalten, ermitteln sollte. Gegebenenfalls sollte bei einem ärztlichen oder nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten eine psychophysiologische Untersuchung durchgeführt werden, die sich auf die Reagibilität der Mm.trapezius, temporalis, masseter und frontalis bezieht. Wichtig ist dabei, daß die Untersuchungen sowohl unter Ruhe als auch unter Belastungsbedingungen (z.B. Kopfrechnen) durchgeführt werden. Mit diesen Untersuchungen soll geprüft werden, ob eine Indikation für spezifische Biofeedback- und Entspannungstechniken besteht.

 

10.3. Therapeutische Prinzipien
Da bei chronischen Kopfschmerzen vom Spannungstyp die Pharmakotherapie häufig nicht alleine wirksam ist, sollte in diesen Fällen eine verhaltenstherapeutische Behandlung (mit oder ohne begleitende medikamentöse Therapie) eingeleitet werden.

Als therapeutische Verfahren kommen in Frage:

1. Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson
2. Streßbewältigungstraining
3. EMG-Biofeedback
4. Kognitive Techniken

Das sog. Streßbewältigungstraining zielt auf die Immunisierung gegen externe und interne Belastungen ab und dient gleichzeitig der vorbeugenden Entwicklung von Copingstrategien zur Bewältigung alltäglicher Belastungssituationen. Die progressive Muskelrelaxation zielt auf die progressive An- und Entspannung verschiedener Muskelbereiche des Körpers ab. Beim Kopfschmerz vom Spannungstyp soll neben einer allgemeinen Entspannung eine sog. konditionierte Entspannungsreaktion erreicht werden.

Dies bedeutet, daß der Patient in allen Lebenssituationen kurzfristig eine Entspannungsreaktion abrufen kann. In besonderem Maße soll auf eine suggestive Entspannung der Stirn- und Nackenmuskulatur hingearbeitet werden. Die Patienten sollen lernen, im Alltag muskuläre Anspannungen frühzeitig zu erkennen und diesen entgegenzuwirken. Dies wird als Prinzip der Gegenkonditionierung bezeichnet. Beim Streßbewältigungstraining werden die Patienten mit spezifischen individuellen Belastungssituationen konfrontiert, wobei sie sich gleichzeitig entspannen sollen.

Das EMG-Biofeedbacktraining zielt auf das Erlernen einer willentlichen Kontrolle der Muskelspannung des M. frontalis und/oder M. trapezius oder M. temporalis ab, wobei die Patienten visuell oder akustisch eine Rückmeldung über den aktuellen Entspannungs- und Anspannungszustand der Muskeln erhalten. Das Erlernen der Kontrolle des Muskeltonus mit Hilfe von Biofeedbackverfahren erfolgt zusätzlich in verschiedenen Alltagssituationen,wie z.B. beim Sitzen, Stehen, bei dynamischen Körperbewegungen oder Streßsituationen.

Da eines der Hauptleitsymptome bei Patienten mit jahrelangem chronischen Kopfschmerz die Depression ist, sollte neben den pharmakotherapeutischen Maßnahmen insbesondere eine verhaltenstherapeutische Behandlung nach Beck (kognitive Verhaltenstherapie) eingeleitet werden. Eine kognitive
Verhaltenstherapie ist insbesondere bei Patienten mit überzogen leistungsorientierter Einstellung indiziert.

Psycho-vegetative Maßnahmen wie sportliche Betätigung, Krankengymnastik und evtl. Wasseranwendung sind ebenfalls für die verhaltensmedizinische Behandlung sinnvoll. Akupunktur, Akupressur und transkutane Nervenstimulation (TENS) werden zwar häufig angewandt, jedoch liegt bislang ein überzeugender statistisch gesicherter Nachweis der Wirksamkeit dieser Methoden beim Kopfschmerz vom Spannungstyp nicht vor.

Massagen und chiropraktische Verfahren sind beim Kopfschmerz vom Spannungstyp nicht indiziert. In der allgemeinen ärztlichen und neurologischen Praxis können verhaltens-medizinische Maßnahmen nur eingeschränkt durchgeführt werden. Es empfiehlt sich daher die Überweisung der Patienten zu einem ärztlichen oder nichtärztlichen Verhaltenstherapeuten. Entsprechende Adressen können über die “Kassenärztlichen Vereinigungen” sowie die “Deutsche Gesellschaft für psychologische Schmerztherapie und Forschung” erfragt werden.

 

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