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paroxysmale Hemicranien

 

Forschungsergebnisse der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft

Seltene paroxysmale Hemicranien

Prof. Andreas Straube

Der Begriff Hemicranie ist nicht gleichzusetzen mit dem Krankheitsbild Migräne sondern umfaßt eine Reihe von weiteren, z.T. relativ wenig bekannten Erkrankungen. So gibt es eine Reihe von anderen Kopfschmerzsyndromen, die einseitig bzw. vorwiegend einseitig sind und paroxysmal, das heißt, attackenförmig auftreten.

Zu den häufigsten, aber häufig den Patienten nicht wesentlch beeinträchtigenden, zählt der:

Idiopathische gutartige stechende Kopfschmerz

Mit einer Häufigkeit von ca. 2%, möglicherweise sogar häufiger, ist der im englischen als “idiopathic stabbing headache” bezeichnete Kopfschmerz relativ häufig. Da aber die Frequenz mit der für Bruchteile einer Sekunde anhaltenden, vorwiegend frontal bzw. temporal lokalisierten Stiche auftreten in der Mehrzahl der Patienten sehr niedrig ist, von 1mal im Jahr bis zu 100x pro Tag, wird nur selten ein Patient spontan über diese Kopfschmerzen klagen. Pathophysiologische Konzepte über die Erkrankung gibt es nicht. Liegt eine Therapiebedürftigkeit vor, kann Indometazin in einer Dosierung von 2×25-50mg verordnet werden. Sind die Attacken etwas länger spricht man vom “Jab-and-Jolts-syndrom”.

Diagnostische Kriterien: Idiopathic stabbing headache

Definition:

  1. Lokalisation vorwiegend im Versorgungsgebiet des ersten Trigeminusastes
  2. Als ein einzelner Stich oder in Serien auftretender, jeweils nur für Sekundenbruchteile anhaltender stechender Schmerz
  3. Intervalle unregelmäßig
  4. Ausschluß einer symptomatischen Ursache

Weit bekannter und wegen der relativ eindeutigen klinischen Charakterisitika ist der

Clusterkopfschmerz

in der Regel dignostisch kein Problem. Früher wurden für den Clusterkopfschmerz eine Reihe von Begriffen verwendet wie Bing-Horton-Syndrom, Erythroprosopalgie, Histaminkopfschmerz, Vidianus- oder Sluder-Neuralgie bzw. Neuralgie des Ganglion sphenopalatinum. Klinisch ist der mit einer durchschnittlichen Inzidenz von 10/100 000 Einwohner pro Jahr auftretende Clusterkopfschmerz charakterisiert durch obligat einseitige, retro- bzw. periorbitale Schmerzen höchster Intensität, die etwa 15-180 Minuten andauern. Typischerweise werden sie von vegetativen Symptomen wie Augentränen, Augenrötung, Kongestion der Nase, Miose bzw. ipsilateralem Schwitzen im Gesicht begleitet. Die Attacken zeigen häufig eine tageszeitliche Bindung in den frühen Morgenstunden. Ein Wechsel der Seite während einer Erkrankungsperiode kommt nur selten vor. Typischerweise sind die Patienten während einer Attacke motorisch unruhig. Der Verlauf läßt sich in eine episodische Form mit Phasen einer Remission neben Phasen mit häufig tgl. Attacken und einem chronischen Verlauf, bei dem dann Phasen der Remission fehlen, unterscheiden. Von dieser Kopfschmerzform sind Männer etwa 6-8mal häufiger betroffen als Frauen. Bei den idiopathischen Formen wird eine primäre Störung im Hypothalamus angenommen und es kommt zu einer erhöhten Perfusion im Bereich des Sinus cavernosus. Eine genetische Komponente wird auf dem Boden von Familienuntersuchungen vermutet. Die Wirkung von Sumatriptan legt eine Beteiligung des trigemino-vaskulären Systems nahe. Im Verlauf der Erkrankung kommt es bei bis zu 20% der primär episodischen Formen zu einem sekundär chronischen Verlauf und etwa 45% der primär chronischen werden episodisch.

Bei der Therapie des Clusterkopfschmerz wird neben der Attackentherapie die prophylaktische Therapie unterschieden, die wegen der Intensität der Attacken immer eingeleitet werden sollte. Als Attackentherapie kann in erster Linie die Sauerstoffgabe, je nach Patient von 5-8l/min über eine Atemmaske gegeben, oder die nasale bzw. subcutane Gabe von Sumatriptan bzw. Dihydroergotamin genannt werden. Seltener führt die ipsilaterale intranasle Gabe von 4ml Lidocain 4% zu einem befriedigenden Erfolg. Zur Prophylaxe werden entweder Verapamil (bis zu 540mg), Cortison (z.B. 80mg Prednison ausschleichend) oder Lithium (Spiegel um 0.8mmol/l) gegeben. Weiter können gerade in sekundär chronischen Verläufen auch die Valproinsäure, Methsergid und Budipin bzw. Medikamentenkombinationen versucht werden. Zur Kurzzeitprophylaxe kann auch 2x1mg Ergotamintartrat gegeben werden, wobei dann zur Attackentherapie Sumatriptan bzw. Dihydroergotamin nicht mehr eingesetzt werden sollten.

Diagnostische Kriterien: Clusterkopfschmerz

Definition:

  1. mindestens 5 Attacken
  2. heftiger, streng einseitiger Schmerz, peri-/retroorbital mit einer Attackendauer zwischen 15 und 180 Minuten
  3. fakultativ liegen mindestens eines der folgenden Symptome vor: Ptose, Miose, Lakrimation, nasale Kongestion, Rhinorrhöe, konjunktivale Injektion oder ipsilaterales Schwitzen im Gesicht
  4. Attackenfrequenz zwischen 1 Attacke jeden 2 Tag und mehreren Attacken pro Tag
  5. Ausschluß einer symptomatischen Ursache (z.B. Prozessen des Sinus cavernosus)

Chronisch paroxysmale Hemicranie

Die chronisch paroxysmale Hemicranie (CPH) ist eine in ihren klinischen Symptomen mit dem Clusterkopfschmerz verwandte Erkrankung, die aber deutlich seltener ist und soweit die vorliegenden Zahlen eine Aussage erlauben, Frauen häufiger als Männer betrifft. Klinisch stehen Attacken eines streng einseitigen orbito-temporal lokalisierten Kopfschmerz von 5-45 Minuten Dauer, die begleitet werden von vegetativen Zeichen wie Lakrimation, Lidödem, Ptose, Rhinorrhöe usw.. Die Attackenfrequenz ist deutlich höher als die beim Clusterkopfschmerz (> 5 Attacken pro Tag), wobei initial nur chronische Verläufe beschrieben worden sind, in den letzten Jahren aber auch episodische Formen gesehen wurden. Im Gegensatz zum Clusterkopfschmerz sistiert die CPH unter Indometazin (maximal 150mg/Tag). Einen gewissen Effekt zeigen auch andere Antiphlogistika und im Einzelfall auch Sumatriptan. Ein pathophysiologisches Konzept fehlt, der Übergang eines Tolosa-Hunt Syndromes in eine CPH bzw. das Auftreten von CPH bei Z.n. Operation eines Meningeoms im Bereich des Sinus cavernosus weist auf eine Beteiligung dieser Struktur hin. Ein allgemein anerkanntes pathophysiologisches Konzept besteht nicht.

Diagnostische Kriterien: Chronisch paroxysmale Hemicranie

Definition:

  1. mindestens 50 Attacken, im Durchschnitt >5 pro Tag
  2. einseitiger, orbitaler, temporaler Schmerz (Dauer 2-45 Minuten)
  3. Begleitsymptome (mindestens 1): Lakrimation, Ptose, Rhinorrhoe, Lidoedem, konjunktivale Injektion
  4. Sistieren der Schmerzen unter maximal 150mg Indometazin tgl.
  5. Ausschluß symptomatischer Ursachen

SUNCT-Syndrom

(Akronym für short-lasting, unilateral, neuralgiform headache attacks with conjunctival injection and tearing)

Das SUNCT-Syndrom ist eine sehr seltene Erkrankung, die erst 1989 erstmalig beschrieben wurde und für die eine Definition der IHS noch fehlt. In einigen Punkten stellt das SUNCT-Syndrom einen Übergang zwischen Clusterkopfschmerz, CPH und Trigeminusneuralgie dar. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Erkrankungen sind die Attacken ähnlich wie bei der Trigeminusneuralgie durch mechanische Reize (z.B. Gähnen, Laufen) auslösbar, andererseits ist die Dauer mit 10-120sec deutlich länger und ist der Schmerz immer periorbital lokalisiert und von vegetativen Symptomen, die auch für die Namensgebung verantwortlich sind, wie Lakrimation, Rhinorrhoe, konjunktivale Injektion und begleitet. Ein episodischer Verlauf mit spontanen Remissionen für Monate bzw. Jahre ist typisch. Leider konnte bis heute keine wirklich befriedigende Therapie gefunden werden. Weder Antikonvulsiva noch Triptane oder Cortison zeigten eine sichere Wirksamkeit, sollten aber im Einzelfall versucht werden. Pathophysiologische Konzepte gibt es nicht. Ein Patient, der mittels PET untersucht werden konnte, zeigte im Aktivitätsmuster Ähnlichkeiten zum Clusterkopfschmerz.

Diagnostische Kriterien: SUNCT-Syndrom

Definition:

  1. keine IHS-Kriterien
  2. einseitige periorbitale Schmerzattacken von 10-120sec Dauer mit stechendem Charakter
  3. begleitend: Konjunktivale Injektion, Gesichtsschwitzen, Ptose, Miose, Lidödem
  4. Triggerbarkeit
  5. Auschluß einer symptomatischen Ursache

Neben diesen von Goadsby und Lipton als “Trigeminal Autonomic Cephalgias” bezeichneten Erkrankungen gibt es abgesehen von symptomatische Ursachen noch einige andere Erkrankungen, die z T. auch paroxysmale Hemicranien verursachen können, wobei die Schmerzausstrahlung selten wirklich nur einseitig ist, genannt seien der Kopfschmerz nach Kälteexpositon, der Hustenkopfschmerz, der gutartige Anstengungskopfschmerz und der Kopfschmerz bei sexueller Aktivität.


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